Stand und Potenziale der Elbe-Binnenschifffahrt - Institut für ...
Stand und Potenziale der Elbe-Binnenschifffahrt - Institut für ...
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Ulrich Petschow, Wojciech Wlodarski<br />
<strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />
wirtschaftliche Wirkungen auf die<br />
<strong>Elbe</strong>-Region<br />
Schriftenreihe des IÖW 194/09
Ulrich Petschow, Wojciech Wlodarski<br />
<strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong>en wirtschaftliche Wirkungen auf die<br />
<strong>Elbe</strong>-Region<br />
Studie im Auftrag des B<strong>und</strong>es <strong>für</strong> Umwelt <strong>und</strong> Naturschutz Deutschland (BUND)<br />
Geför<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Michael-Otto-Stiftung<br />
Schriftenreihe des IÖW 194/09<br />
Berlin, November 2009<br />
ISBN 978-3-932092-97-8
4 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> ökologische<br />
Wirtschaftsforschung (IÖW)<br />
Potsdamer Straße 105<br />
D-10785 Berlin<br />
Tel. +49 – 30 – 884 594-0<br />
Fax +49 – 30 – 882 54 39<br />
E-mail: mailbox@ioew.de<br />
www.ioew.de<br />
Studie im Auftrag des B<strong>und</strong>es <strong>für</strong> Umwelt <strong>und</strong> Naturschutz Deutschland (BUND)<br />
Geför<strong>der</strong>t von <strong>der</strong> Michael-Otto-Stiftung
Zusammenfassung<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 5<br />
Be<strong>für</strong>worter <strong>der</strong> aktuellen <strong>und</strong> geplanten Unterhaltungs- <strong>und</strong> Ausbaumaßnahmen an <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale<br />
argumentieren, dass dadurch die <strong>Binnenschifffahrt</strong> beför<strong>der</strong>t wird <strong>und</strong> so zum einen die wirtschaftliche<br />
Entwicklung in <strong>der</strong> Region wesentliche Impulse erhält <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en Umweltentlastungen<br />
durch die Verkehrsverlagerung bspw. von Bahn auf Schiff zu erwarten sei Das IÖW hat, vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Bedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, untersucht inwieweit die<br />
Unterhaltungs- <strong>und</strong> Ausbaumaßnahmen damit zu rechtfertigen sind. Dazu wurden umfangreiche<br />
Literatur- <strong>und</strong> Datenanalysen bspw. zu den wirtschaftlichen Effekten <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung,<br />
dem Wettbewerb <strong>der</strong> Güterverkehrsträger, <strong>der</strong> Umweltrelevanz des Gütertransports sowie den<br />
konkreten aktuellen <strong>und</strong> künftigen Bedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale vorgenommen.<br />
Das <strong>der</strong>zeitige Unterhaltungsziel an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> lässt eine ganzjährige wirtschaftliche Schifffahrt nicht<br />
zu. Eine deutliche Verbesserung wäre nur mit weitreichenden Maßnahmen zu erreichen, die einerseits<br />
hohe Kosten verursachen würden <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en erhebliche Auswirkungen auf Natur <strong>und</strong><br />
Landschaft hätten. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Klimawandels ist zudem davon auszugehen, dass<br />
auch mit weitreichenden Maßnahmen die Verbesserung <strong>der</strong> Schifffahrtsbedingungen nur begrenzt<br />
möglich sein wird. Die wirtschaftliche Entwicklung <strong>der</strong> Region wird durch die Maßnahmen keinen<br />
wesentlichen Impuls erhalten <strong>und</strong> eine Verkehrsverlagerung ist ebenfalls kaum zu erwarten. Vielmehr<br />
käme es vorrangig zu einem Preiswettbewerb mit <strong>der</strong> Bahn. Eine Verlagerung des Güterverkehrs<br />
von <strong>der</strong> Bahn auf das Binnenschiff wäre zudem ökologisch kontraproduktiv, sowohl im Hinblick<br />
auf die Emissionen als auch die Gewässerstrukturen. Die bisherigen Unterhaltungsmaßnahmen<br />
haben sich also insgesamt als ökologisch <strong>und</strong> ökonomisch fragwürdig erwiesen. Deshalb sollte<br />
man sich an <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale auf ein minimales, an ökologischen Kriterien orientiertes Unterhaltungsprogramm<br />
konzentrieren. Stattdessen sollten die <strong>Potenziale</strong> einer mo<strong>der</strong>nen Verkehrslogistik<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> vorhandenen Infrastruktur, insbeson<strong>der</strong>e das Schienennetz, effizienter genutzt werden.
6 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Die Autoren<br />
Ulrich Petschow ist Leiter des Forschungsfeldes „Umweltökonomie<br />
<strong>und</strong> Umweltpolitik“ am <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> ökologische Wirtschaftsforschung<br />
(IÖW). Seine Forschungsschwerpunkte sind Umwelt- <strong>und</strong><br />
Verkehrspolitik, (ökologisch erweiterte) Nutzen-Kosten-Analysen,<br />
ökologisch-ökonomische Bewertung von Infrastrukturen.<br />
Kontakt: Ulrich.Petschow@ioew.de<br />
Tel. +49 – 30 – 884 594-0<br />
Wojciech Wlodarski ist Diplom-Volkswirt <strong>und</strong> war freier wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am IÖW
6 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI
I n h a l t<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 7<br />
K u r z f a s s u n g........................................................................................ 20<br />
E i n l e i t u n g............................................................................................ 35<br />
Teil A – Güterverkehrsmarkt ........................................................................ 37<br />
1. Entwicklungsdynamik des Güterverkehrs generell ................................ 37<br />
1.1. Einführung...................................................................................... 37<br />
1.2. Entwicklungsdynamik des Gütertransports generell ........................ 37<br />
1.2.1. Historischer Überblick................................................................. 37<br />
1.2.2. Entwicklung seit 1950 ................................................................ 38<br />
1.2.3. Verän<strong>der</strong>ungen des Modal Split durch Güter- <strong>und</strong><br />
Produktionsentwicklung.............................................................. 40<br />
1.2.3.1. Verkehrsträgersubstitution................................................... 40<br />
1.2.3.2. Substitutionsgründe............................................................. 41<br />
1.2.4. Erhöhte Verkehrsleistung durch Integration ................................. 47<br />
1.3. Fazit ............................................................................................... 48<br />
2. Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger .............................................. 50<br />
2.1. Generelles zur Verkehrswertigkeit................................................... 50<br />
2.2. Verkehrswertigkeiten <strong>der</strong> Verkehrsträger im Einzelnen.................... 52<br />
2.2.1. Straßengüterverkehr .................................................................. 52<br />
2.2.2. Schienengütertransport .............................................................. 53<br />
2.2.3. <strong>Binnenschifffahrt</strong> ....................................................................... 55<br />
2.3. Anfor<strong>der</strong>ungen an den Gütertransport von Seiten <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong>....... 57<br />
2.4. Bedeutung <strong>der</strong> Logistik – kombinierter Verkehr ............................... 60<br />
2.5. Fazit ............................................................................................... 62<br />
3. Prognosen des zukünftigen Gütertransports........................................... 64
8 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
3.1. Studien zur Vorbereitung des B<strong>und</strong>esverkehrswegeplans................ 64<br />
3.2. Mittelfristige Prognosen zum Güterverkehr <strong>der</strong> BVU ......................... 66<br />
3.2.1. Progtrans Studie: Abschätzung <strong>der</strong> langfristigen Entwicklung des<br />
Güterverkehrs in Deutschland bis 2050........................................ 69<br />
3.2.1.1. Entwicklung des Güterverkehrsaufkommens nach Modi .... 70<br />
3.2.1.2. Entwicklung <strong>der</strong> Güterverkehrsleistung nach Modi ............. 71<br />
3.2.2. Fazit Prognosen ......................................................................... 73<br />
3.3. Verkehrspolitik ............................................................................... 74<br />
3.3.1. Verkehrsinfrastrukturen <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklung ............... 75<br />
3.3.2. Europäische Verkehrspolitik ........................................................ 81<br />
3.3.3. Binnenschiffsorientiertes Aktionsprogramm NAIADES <strong>der</strong> EU-<br />
Kommission............................................................................... 84<br />
3.3.4. Ziele <strong>der</strong> deutschen Verkehrspolitik ............................................. 88<br />
3.3.5. Fazit Verkehrspolitik................................................................... 90<br />
4. Verkehrsverlagerungen auf Gr<strong>und</strong> von Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Preise <strong>der</strong><br />
einzelnen Güterverkehrsträger............................................................. 93<br />
4.1. Studien zur Güterverkehrsverlagerung ............................................ 93<br />
4.1.1. Gigaliner ................................................................................... 93<br />
4.1.1.1. Studie von Kessel <strong>und</strong> Partner zu Gigalinern........................ 95<br />
4.1.1.2. Positionspapier des UBA zum Gigaliner ............................... 97<br />
4.1.2. Auswirkungen <strong>der</strong> LKW Maut ...................................................... 98<br />
4.1.3. McKinsey Studie <strong>für</strong> CER ..........................................................101<br />
4.1.4. GWS Studie im Auftrag des UBA zur Auswirkung <strong>der</strong> Maut auf den<br />
Güterverkehr ............................................................................103<br />
4.1.5. Schweizer leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ......104<br />
4.2. Fazit ............................................................................................. 104<br />
5. Dynamik <strong>der</strong> Güterverkehrsströme...................................................... 106
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 9<br />
5.1. Hinterlandverkehre <strong>der</strong> Seehäfen ................................................. 106<br />
5.1.1. Hinterlandverkehr anhand ausgewählter deutscher Seehäfen .......110<br />
5.1.1.1. Universalhäfen Bremen/Bremerhaven <strong>und</strong> Hamburg ........110<br />
5.1.1.1.1. Bremen/Bremerhaven....................................................110<br />
5.1.1.1.2. Hamburg........................................................................111<br />
5.1.1.2. Nie<strong>der</strong>sächsische Seehäfen...............................................114<br />
5.2. Ost-Erweiterung <strong>und</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>........................................... 115<br />
5.2.1. Güterverkehrsaufkommen mit Grenzüberschritt...........................115<br />
5.2.2. Flaggenanteile im Kabotage-Verkehr ..........................................118<br />
5.2.3. Flotten-Struktur ........................................................................118<br />
5.3. Fazit ............................................................................................. 119<br />
6. Gütertransport <strong>und</strong> Umweltwirkungen ................................................. 121<br />
6.1. Umweltrelevanz (Emissionen) von Transporten: <strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> im Vergleich................................................................ 121<br />
6.1.1. Die Darstellung durch die Vertreter <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> .............122<br />
6.1.2. Zugänge zu den Umwelteffekten des Güterverkehrs ....................123<br />
6.1.3. Studien zur Umweltrelevanz des Güterverkehrs ...........................125<br />
6.1.3.1. Schilperoord (2004) ............................................................125<br />
6.1.3.2. Van Essen et al. (2003): Emissionen des Güterverkehrs .......128<br />
6.1.3.3. Die Analyse von Gohlisch et al. (2005) ...............................132<br />
6.1.3.4. Die Studie von Planco/BfG (2007) ......................................132<br />
6.1.3.5. Umweltrelevanz von Transporten im <strong>Elbe</strong>raum...................135<br />
6.1.4. Gewässerstrukturgüte <strong>und</strong> Naturschutz.......................................138<br />
6.1.4.1. Ansatz <strong>der</strong> Naturschutz-Ökonomie.....................................141<br />
6.1.4.2. Konzept des Total Economic Value ...................................142<br />
6.1.4.3. Ergebnisse eines Forschungsvorhabens zur Ermittlung von<br />
Elementen des TEV an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ..........................................................144<br />
6.2. Fazit ............................................................................................. 149
10 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
7. Kostenvergleich <strong>der</strong> Verkehrssysteme ................................................ 151<br />
7.1. Externe Kosten ............................................................................. 151<br />
7.2. Wegekosten................................................................................. 159<br />
7.2.1. Allgemeines..............................................................................159<br />
7.2.2. Wegekosten <strong>der</strong> Verkehrsträger im Einzelnen..............................162<br />
7.2.2.1. Deckung <strong>der</strong> Wegekosten durch die Verkehrsträger.........164<br />
7.2.2.2. Weitere Internalisierung <strong>der</strong> Kostenanlastung bei<br />
Unterdeckung ....................................................................................167<br />
7.2.2.3. Wirkungen von Wegekosteninternalisierung auf intermodalen<br />
Wettbewerb .......................................................................................169<br />
7.3. Fazit ............................................................................................. 170<br />
8. Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> Vergleich mit an<strong>der</strong>en<br />
Verkehrsträgern................................................................................. 172<br />
8.1. Zusammenhang von Fahrwassertiefe, -breite <strong>und</strong> Tiefgang........... 172<br />
8.1.1. Technische Zusammenhänge .....................................................174<br />
8.2. Wirtschaftliche Bewertung ............................................................ 176<br />
8.2.1. Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit durch Schiffsinnovationen .......177<br />
8.2.2. Wirtschaftlichkeit bei unterschiedlichen Fahrwassertiefen .............178<br />
8.2.2.1. Rahmenbedingungen .......................................................179<br />
8.2.2.2. Transportleistungen ............................................................180<br />
8.2.2.3. Kostendeckende Frachtraten ............................................181<br />
8.2.2.4. Relation Hamburg – Dresden .............................................188<br />
8.3. Wettbewerbsfähigkeit des Binnenschiff-Containertransports.......... 193<br />
8.4. Diskussion flachgehendes Binnenschiff im Donaugebiet ............... 197<br />
8.5. Fazit ............................................................................................. 199<br />
Zusammenfassung Teil A........................................................................... 201
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 11<br />
Teil B – <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> Güterverkehr im <strong>Elbe</strong>raum ............................ 207<br />
9. Überblick <strong>der</strong> Ausbau- <strong>und</strong> Unterhaltungsmaßnahmen <strong>Elbe</strong> /Saale..... 207<br />
9.1. Unterhaltungsziele <strong>und</strong> –maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ............................. 207<br />
9.2. Ausbaumaßnahmen <strong>der</strong> Saale..................................................... 209<br />
9.2.1. Überblick..................................................................................209<br />
9.2.2. Die Begründung des Saaleausbaus (Planco 2004)........................211<br />
9.3. Fazit ............................................................................................. 212<br />
10. Studien zu den Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong> ....................... 214<br />
10.1. Prognosen zu den Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong> ............ 214<br />
10.1.1. Entwicklung des Gütertransports auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nach BVWP............214<br />
10.1.2. LUB Studie (2006) ....................................................................216<br />
10.1.3. Planco Saaleausbau ..................................................................219<br />
10.1.4. Studie „Umweltorientierte Bewertung von<br />
B<strong>und</strong>eswasserstraßenplanungen“ ...............................................222<br />
10.1.5. Prognosen zu grenzüberschreitendem Transport nach Tschechien 224<br />
10.1.6. Fazit ........................................................................................225<br />
10.2. Studien von LUB <strong>und</strong> Planco zu konkreten Verlagerungspotenzialen<br />
zu Gunsten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> ............................................................ 226<br />
10.2.1. Verlagerungspotenzial durch Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> – Studie LUB 2002 .226<br />
10.2.2. Verlagerungspotenziale auf <strong>der</strong> Saale (Planco) ............................230<br />
10.2.3. Fazit ........................................................................................232<br />
11. Entwicklung des Transportaufkommens auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ........................... 233<br />
11.1. Transportaufkommen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ................................................ 233<br />
11.2. Binnenschiffstransporte Tschechische Republik............................. 235<br />
11.2.1. Tschechischer Außenhandel.......................................................235<br />
11.2.2. Binnentransport Tschechien.......................................................236
12 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
11.3. Containertransporte oberhalb Magdeburgs.................................. 237<br />
11.3.1.1. Containerverkehre.............................................................237<br />
11.3.1.2. Transitverkehre <strong>der</strong> Tschechischen Republik ......................240<br />
11.4. Fazit ............................................................................................. 241<br />
12. Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>/Saale-Schifffahrt am Güterverkehr <strong>der</strong> Region..... 243<br />
12.1. Modales Güterverkehrsaufkommen nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n............. 243<br />
12.2. Die <strong>Elbe</strong>/Saale in Relation zu an<strong>der</strong>en Wasserstraßen ................... 245<br />
12.3. <strong>Elbe</strong>/Saale-Verkehre in Relation zum Güterverkehr <strong>der</strong> Region ..... 247<br />
12.4. <strong>Elbe</strong>/Saale – Verkehre bei unterstelltem Flussausbau in Relation zum<br />
Güterverkehr in <strong>der</strong> Region .................................................................... 247<br />
12.5. Fazit ............................................................................................. 248<br />
13. Klimawandel <strong>und</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> ..................................................... 249<br />
13.1. Generelles ................................................................................... 249<br />
13.2. Prognosen zukünftiger Abflussverhältnisse <strong>und</strong> Auswirkungen auf<br />
gegenwärtige Ausbauplanungen (PIK-Studie)........................................ 253<br />
13.3. Fazit ............................................................................................. 259<br />
14. Infrastruktur <strong>und</strong> Infrastrukturentwicklung in <strong>der</strong> Region: Ausbau <strong>der</strong><br />
Straßen- <strong>und</strong> Schieneninfrastruktur..................................................... 261<br />
14.1. Straßeninfrastruktur....................................................................... 261<br />
14.2. Schieneninfrastruktur.................................................................... 262<br />
14.3. <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> Bahn im <strong>Elbe</strong>korridor ............................................. 264<br />
14.4. Fazit ............................................................................................. 267<br />
15. Situation <strong>und</strong> Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>häfen <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong>................... 269<br />
15.1. Hafengüterumschläge ................................................................. 269<br />
15.2. Sachsen....................................................................................... 272<br />
15.2.1. Hafen Torgau* .........................................................................272
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 13<br />
15.2.2. Hafen Riesa*............................................................................272<br />
15.2.3. Dresden/Dresden-Neustadt*......................................................273<br />
15.3. Sachsen-Anhalt ........................................................................... 273<br />
15.3.1. Hafen Magdeburg <strong>und</strong> Schönebeck ............................................273<br />
15.3.2. Hafen Barby .............................................................................277<br />
15.3.3. Hafen Aken ..............................................................................277<br />
15.3.4. Hafen Rosslau*.........................................................................278<br />
15.3.5. Hafen Wittenberg .....................................................................279<br />
15.3.6. Saale-Hafen Halle (Saale) ..........................................................279<br />
15.4. <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> öffentlich geför<strong>der</strong>ten Investitionsprogramme ............... 281<br />
15.5. Fazit ............................................................................................. 283<br />
16. <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> Perspektiven <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung in <strong>der</strong><br />
<strong>Elbe</strong>region (oberhalb Magdeburgs) ................................................... 285<br />
16.1. Einführung.................................................................................... 285<br />
16.2. Sachsen....................................................................................... 286<br />
16.3. Sachsen-Anhalt ........................................................................... 290<br />
16.4. Demographische Entwicklung ...................................................... 291<br />
16.5. Die Region im Vergleich zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt......................... 294<br />
16.6. Fazit ............................................................................................. 298<br />
Teil C – Ergebnisse <strong>der</strong> Untersuchung ........................................................ 300<br />
Q u e l l e n v e r z e i c h n i s .................................................................... 317<br />
A N H A N G.............................................................................................. 333<br />
G l o s s a r................................................................................................ 334
14 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
A b b i l d u n g s v e r z e i c h i s<br />
Abb. 1: Modal Split im Güterverkehr (tkm)..................................................... 20<br />
Abb. 2: CO2 Emissionen nach Güterverkehrsträgern (Dresden-Magdeburg) 23<br />
Abb. 3: Güterverkehr von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Tschechischen Republik 1997-2008 27<br />
Abb. 4: Güterverkehr B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 1950 - 2008; Anteile<br />
ausgewählter Verkehrsbereiche an <strong>der</strong> binnenländischen<br />
Güterverkehrsaufkommen...................................................................... 39<br />
Abb. 5: Anteile <strong>der</strong> Verkehrsträger am Güterverkehrsaufkommen 2008 ....... 40<br />
Abb. 6: Güterverkehr <strong>der</strong> Eisenbahn in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; bis<br />
1990 alte B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>; Aufkommen ausgewählter Gütergruppen....... 44<br />
Abb. 7: Straßengüterverkehr in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; bis 1990 alte<br />
B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>; Aufkommen ausgewählter Gütergruppen...................... 45<br />
Abb. 8: Schematische Darstellung des gebrochenen bzw. kombinierten<br />
Verkehrs <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>................................................................. 62<br />
Abb. 9: Entwicklung <strong>der</strong> jährlichen modalen Verän<strong>der</strong>ungsraten <strong>der</strong><br />
Güterverkehrsträger zwischen 2005 <strong>und</strong> 2009......................................... 67<br />
Abb. 10: Modal Split Anteile <strong>der</strong> Landverkehrsträger nach <strong>der</strong><br />
Verkehrsleistung (Straße: nur Verkehr größer 50 km) ............................... 68<br />
Abb. 11: Entwicklung <strong>der</strong> Transportinfrastruktur <strong>und</strong> ökonomische<br />
Wirkungsketten ....................................................................................... 76<br />
Abb. 12: Wirkungen des Gigaliners auf an<strong>der</strong>e Verkehrsträger ..................... 96<br />
Abb. 13: Modal Shift <strong>Potenziale</strong>..................................................................... 98<br />
Abb. 14: Verlagerungspotenziale.................................................................100<br />
Abb. 15: Seegüterumschlag deutscher Seehäfen von 2000 bis 2006 in 1.000 t<br />
..............................................................................................................106<br />
Abb. 16: Stückgutumschlag im Hafen Hamburg von 1960 bis 2007 in 1.000 t<br />
..............................................................................................................108<br />
Abb. 17: Modal Split in den Häfen Antwerpen (2002) <strong>und</strong> Hamburg (2003).109<br />
Abb. 18: Seegüterumschlag im Hafen Hamburg von 2000 bis 2007 in Mio. t 111<br />
Abb. 19: Ladekapazität Binnenschiff zu Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff zu Lkw.........123<br />
Abb. 20: Rotterdam nach Köln (Massengüter 11.500 t): ...............................126
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 15<br />
Abb. 21: Prag (Hafen) nach Regensburg (470 TEU) ......................................127<br />
Abb. 22: Rotterdam nach Thionville (Massengut /flüssig 3500 t) ...................128<br />
Abb. 23: Durchschnittliche Emissionen je tkm <strong>für</strong> den Massenguttransport mit<br />
unterschiedlichen Verkehrsträgern ........................................................129<br />
Abb. 24: Durchschnittliche Emissionen je tkm <strong>für</strong> Transporte von Nicht-<br />
Massengütern........................................................................................131<br />
Abb. 25: CO2 Emissionen nach Güterverkehrsträgern (Dresden-Magdeburg)<br />
..............................................................................................................137<br />
Abb. 26: Nutzen-Kosten-Verhältnisse <strong>der</strong> bewerteten Varianten..................146<br />
Abb. 27: Externe Kosten <strong>der</strong> Verkehrsträger .................................................155<br />
Abb. 28: Externe Kosten <strong>der</strong> Verkehrsträger .................................................156<br />
Abb. 29: Durchschnittskosten Güterverkehr..................................................158<br />
Abb. 30: Wegekosten <strong>der</strong> Verkehrsträger ....................................................164<br />
Abb. 31: Zusammenhang zwischen Fahrwassertiefe, Absunk <strong>und</strong> Flottwasser<br />
..............................................................................................................173<br />
Abb. 32: Zusammenhang zwischen Gl.W, Pegelanzeige, Fahrwassertiefe <strong>und</strong><br />
Schiffstiefgang .......................................................................................174<br />
Abb. 33: Kostendeckende Frachtraten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in<br />
Abhängigkeit <strong>der</strong> Fahrwassertiefe [€/t Strecke].....................................184<br />
Abb. 34: Identisch zu Abb. 33, mit größerem Maßstab .................................185<br />
Abb. 35: Kostendeckende Frachtraten <strong>und</strong> Transportpreise <strong>der</strong><br />
verschiedenen Schiffstypen, <strong>für</strong> verschiedene Betrachtungszeiträume,<br />
Relation I, Hamburg-Dresden [€/t Strecke] ............................................190<br />
Abb. 36: Schleusenkanal Tornitz <strong>der</strong> unteren Saale ......................................211<br />
Abb. 37: Vergleich <strong>der</strong> Binnenschiffsgüterverkehrsprognosen 2015 <strong>und</strong> 2025<br />
<strong>für</strong> Deutschland in Mrd. tkm...................................................................215<br />
Abb.: 38: Güterverkehr von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Tschechischen Republik 1997-2008<br />
..............................................................................................................233<br />
Abb. 39: Zeitreihe Gütermengen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> bei Geesthacht....................234<br />
Abb. 40: Containertransporte nach Relationen ...........................................237<br />
Abb. 41: Graphische Darstellung von Containerkapazitäten nach<br />
Fahrgebieten.........................................................................................238
16 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Abb. 42: Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in den unterschiedlichen Regionen<br />
..............................................................................................................246<br />
Abb. 43: Gewinner- <strong>und</strong> Verliererbranchen des Klimawandels ....................249<br />
Abb. 44: Unterschreitungstage <strong>der</strong> Fahrrinnentiefe von 1,60 m seit 1973<br />
zwischen Saalemündung <strong>und</strong> Magdeburg ...........................................256<br />
Abb. 45: Mittlere jährliche klimatische Wasserbilanz Deutschland................257<br />
Abb. 46: Bestehende <strong>und</strong> geplante Straßenfernverkehrsverbindungen in<br />
Relation zur <strong>Elbe</strong> ....................................................................................262<br />
Abb. 47: Bestehende <strong>und</strong> geplante Schienenfernverbindungen in Relation zur<br />
<strong>Elbe</strong> .......................................................................................................263<br />
Abb. 48: Belastung des Schienennetzes <strong>der</strong> Bahn durch Güterzüge (2005) .264<br />
Abb. 49: BIP Sachsen 1995 bis 2003 ..............................................................286<br />
Abb. 50: Arbeitsproduktivität Sachsens 1995, 2002 <strong>und</strong> 2003 im Vergleich zum<br />
gesamtdeutsche Niveau .......................................................................287<br />
Abb. 51: Lohnstückkosten Sachsen 2003 im Vergleich zum gesamtdeutschen<br />
Niveau ...................................................................................................288<br />
Abb. 52: Prognostizierte Bevölkerungsdichte B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland..293<br />
Abb. 53: Industriedichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> 2006 ..........................................297
T a b e l l e n v e r z e i c h i s<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 17<br />
Tab. 1: Güterverkehr B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; Entwicklung <strong>der</strong><br />
Verkehrsleistung in Mrd. tkm ................................................................... 39<br />
Tab. 2: Entwicklung des binnenländischen Transportaufkommens<br />
ausgewählter Gütergruppen in Deutschland 1960 bis 2004 in Mio. t ...... 42<br />
Tab. 3: Grenzüberschreiten<strong>der</strong> Güterverkehr 1960 bis 2004 in Mio. t.............. 48<br />
Tab. 4: Verkehrsleistungen im Modal Split im Güterverkehr, Prognose bis 2015<br />
(Basisjahr 1997) ....................................................................................... 65<br />
Tab. 5: Entwicklung <strong>der</strong> modalen Güterverkehrsleistung (in Mrd. tkm.; % p.a)<br />
............................................................................................................... 66<br />
Tab. 6: Auswirkungen von unvollkommenem Wettbewerb <strong>und</strong> externen<br />
Kosten auf die Bewertung von Verkehrsprojekten (SACTRA 1999) .......... 79<br />
Tab. 7: Wirkungen <strong>der</strong> Kostenerhöhungen im Straßengütertransport auf<br />
Kosten <strong>der</strong> Lieferkette............................................................................100<br />
Tab. 8: Modal Split im Hinterland des Hamburger Hafens von 1990 bis 2003.113<br />
Tab. 9: Binnenschiffsumschläge ausgewählter Seehäfen nach Einlade- <strong>und</strong><br />
Ausladeland in 2003 (in 1000 t) ..............................................................115<br />
Tab. 10: Grenzüberschreitende Güterbeför<strong>der</strong>ung per Binnenschiff in<br />
regionaler Glie<strong>der</strong>ung in 1.000 t.............................................................116<br />
Tab. 11: Energieverbrauch <strong>der</strong> Güterverkehrsträger 1996 (Bahn 1997).........124<br />
Tab. 12: Ergebnisse <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Transportrelation von Dresden (Hafen)<br />
nach Magdeburg (Hafen).....................................................................137<br />
Tab. 13: Total Economic Value .....................................................................143<br />
Tab. 14: Ökonomischer Gesamtwert <strong>der</strong> Maßnahmen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> in Mio.<br />
€ ............................................................................................................145<br />
Tab. 15: Nutzen-Kosten-Verhältnis <strong>der</strong> bewerteten Szenarien.......................147<br />
Tab. 16: Durchschnittskosten 2005 in 1.000 Euro pro Pkm bzw. tkm ...............157<br />
Tab. 17: Wegeausgaben, Wegekosten (betriebswirtschaftlich),<br />
Wegeeinnahmen im Straßenverkehr 1997 umgerechnet in Mrd. EURO<br />
(ohne MWSt.).........................................................................................165
18 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Tab. 18: Wegeausgaben, Wegekosten <strong>und</strong> Wegeeinnahmen <strong>der</strong><br />
B<strong>und</strong>esschienenwege 1997 umgerechnet in Mrd. EURO (ohne MWSt.).166<br />
Tab. 19: Ausgewählte existierende Schiffstypen <strong>und</strong> Hauptabmessungen...176<br />
Tab. 20: Erfor<strong>der</strong>liche Fahrwassertiefen in Abhängigkeit <strong>der</strong> Tiefgänge .......180<br />
Tab. 21: Jährliche Transportmengen <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in<br />
Abhängigkeit <strong>der</strong> Fahrwassertiefe [tsd. t/a]...........................................181<br />
Tab. 22: Jährliche Transportkosten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in<br />
Abhängigkeit <strong>der</strong> Fahrwassertiefe, [Mio. €/a]........................................182<br />
Tab. 23: Kostendeckende Frachtraten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in<br />
Abhängigkeit <strong>der</strong> Fahr wassertiefe [€/t Strecke] ....................................182<br />
Tab. 24: Kostendeckende Frachtraten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in<br />
Abhängigkeit <strong>der</strong> Fahrwassertiefe, Berücksichtigung <strong>der</strong> existierenden<br />
Schiffe als Neubauten [€/t Strecke] .......................................................186<br />
Tab. 25: Auf die existierenden Schiffe gemäß Tab. 31 indizierte<br />
kostendeckenden Frachtraten <strong>der</strong> innovativen Schiffstypen [%]...........186<br />
Tab. 26: Ladungsmenge <strong>und</strong> Tiefgang, bei dem die Einnahmen die<br />
transportabhängigen Kosten nicht mehr decken <strong>und</strong> hieraus<br />
resultierende Anzahl <strong>der</strong> Tage pro Jahr, an denen die Schiffe nicht mehr<br />
eingesetzt werden. ................................................................................189<br />
Tab. 27: Tiefgänge unterschiedlicher Schiffstypen in Abhängigkeit von den<br />
geladenen Gütern (in cm) ....................................................................192<br />
Tab. 28: Transportkosten pro TEU <strong>für</strong> die verschiedenen Schiffstypen in<br />
Abhängigkeit des Auslastungsgrades in <strong>der</strong> dritten Lage......................194<br />
Tab. 29: Vergleich <strong>der</strong> gesamten Transportkosten pro Fahrtrichtung unter<br />
Einbindung des Binnenschiffes mit den Transportpreisen des direkten Lkw-<br />
Verkehrs.................................................................................................195<br />
Tab. 30: Tiefgänge <strong>und</strong> Fixpunkthöhen in Abhängigkeit des Beladungsfalls.196<br />
Tab. 31: Flachgehendes Binnenwasserschiff; modellhafte Kalkulation <strong>der</strong><br />
jährlichen Betriebskosten <strong>und</strong> Vergleich mit Großmotorschiffen bei<br />
verschiedenen Wasserständen..............................................................198<br />
Tab. 32: Prognosewerte nach <strong>der</strong> Studie <strong>der</strong> LUB (2006) ..............................218<br />
Tab. 33: Potenzial <strong>der</strong> Güterströme im Untersuchungsraum nach Häfen......229
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 19<br />
Tab. 34: Import <strong>und</strong> Export von Gütern durch die <strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong><br />
Tschechischen Republik im Zeitraum 1994-2005 (in Tausend).................236<br />
Tab. 35: Binnengütertransport per <strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong> Tschechischen<br />
Republik 1994-2005 (in Tausend t, <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Moldau) .............................236<br />
Tab. 36: Containerverkehr zwischen Hamburg <strong>und</strong> den neuen<br />
B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n/CR 2005 ........................................................................240<br />
Tab. 37: Gütertransport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ............................................................244<br />
Tab. 38: Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Vulnerabilität gegenüber dem<br />
Globalen Wandel (insb. Klimawandel) in Deutschland .........................252<br />
Tab. 39: Binnenschiffsumschlag ausgewählter Häfen (in Tonnen), 2000-2005<br />
..............................................................................................................269<br />
Tab. 40: Entwicklung des Umschlages nach Verkehrsträgern in den<br />
sächsischen Häfen 1995 – 2007..............................................................271<br />
Tab. 41: Güterumschlag des Hafenverb<strong>und</strong>es im Jahr 2008.........................271<br />
Tab. 42: Entwicklung des Gesamtumschlags des Hafenverb<strong>und</strong>es<br />
Magdeburg 2003-2006 ..........................................................................275<br />
Tab. 43: Güterumschlag des Hafens Aken 2007/2008...................................278<br />
Tab. 44: Güterumschlag Hafen Halle nach Verkehrsträgern ........................280<br />
Tab. 45: Getätigte Investitionen in Häfen <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong>.........................282<br />
Tab. 46: Bevölkerungsdichte nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n relativ zum<br />
B<strong>und</strong>esdurchschnitt ...............................................................................295<br />
Tab. 47: Bruttoinlandsprodukt nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n .....................................296<br />
Tab. 48: Außenhandel nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n relativ zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt<br />
..............................................................................................................298
20 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
K u r z f a s s u n g<br />
Der Güterverkehr in Deutschland <strong>und</strong> Europa hat in den vergangenen Jahr-<br />
zehnten kontinuierlich zugenommen, diese Entwicklung setzt sich bislang un-<br />
gebrochen fort. Neben <strong>der</strong> Zunahme des Güterverkehrs hat sich insbesonde-<br />
re die Struktur des Verkehrs, also die eingesetzten Güterverkehrsträger umfas-<br />
send gewandelt. Auf Gr<strong>und</strong> unterschiedlicher Einflussfaktoren (u.a. Güter-<br />
struktureffekt) wird <strong>der</strong> wesentliche Teil des Güterverkehrs nunmehr auf <strong>der</strong><br />
Straße abgewickelt, Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff haben deutliche Anteilsverluste zu<br />
verzeichnen.<br />
Abb. 1: Modal Split im Güterverkehr (tkm)<br />
Quelle: BGL (2007) 1<br />
1 Die Abbildung enthält Aussagen <strong>für</strong> das Gesamtjahr 2007 <strong>und</strong> <strong>für</strong> das Jahr 2008. Dabei<br />
handelt es sich um Schätzungen <strong>der</strong> BGL.
Verkehrs- <strong>und</strong> Infrastrukturpolitik<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 21<br />
Die Verkehrs- <strong>und</strong> Infrastrukturpolitik in Deutschland <strong>und</strong> durchaus auch in Eu-<br />
ropa ist von <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>auffassung geprägt, dass die Bereitstellung von Ver-<br />
kehrsinfrastrukturen <strong>und</strong> die Ermöglichung von Verkehr wesentlich zum wirt-<br />
schaftlichen Wachstum in Deutschland <strong>und</strong> den Teilregionen beitragen. Die<br />
Entwicklung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen wären demnach<br />
entscheidend <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung. 2<br />
Die empirische Evidenz <strong>für</strong> diesen unterstellten Zusammenhang ist allerdings<br />
begrenzt. 3 Vielmehr kann die Ermöglichung von Verkehr durchaus ambiva-<br />
lente Wirkungen auf die regionale wirtschaftliche Entwicklung haben. 4<br />
Eines ist allerdings wenig umstritten: das Verkehrswachstum wird zunehmend<br />
zu einer erheblichen Umweltbelastung, wobei in jüngster Zeit vor allem auch<br />
die Frage des Beitrags des Verkehrs zum Klimawandel betont wird. Eine Stra-<br />
tegie <strong>der</strong> Verkehrspolitik zur Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Umweltwirkungen ist dabei, dass<br />
auf eine Verkehrsverlagerung hin zu umweltfre<strong>und</strong>licheren Verkehrsträgern<br />
gesetzt wird. „Umweltfre<strong>und</strong>licher“ wird dabei vor allem emissionsseitig inter-<br />
pretiert.<br />
Die verkehrspolitischen Bemühungen um Verkehrsverlagerung (von <strong>der</strong> Stra-<br />
ße auf Schiene o<strong>der</strong> Binnenschiff) sind bislang in <strong>der</strong> Summe wenig erfolg-<br />
reich gewesen, was einerseits darauf hindeutet, dass die durch die Verla<strong>der</strong><br />
wahrgenommenen Vorteile des LKW sehr hoch sind <strong>und</strong> dass an<strong>der</strong>erseits die<br />
politischen Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung nur eine begrenzte Durch-<br />
setzungsfähigkeit besitzen. Die Versuche <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung, bspw.<br />
durch den kombinierten Verkehr o<strong>der</strong> auch durch die Entwicklung von Infra-<br />
strukturen <strong>für</strong> Binnenschiff <strong>und</strong> Güterbahn, zielen vorrangig darauf ab, dass<br />
mit entsprechenden staatlichen För<strong>der</strong>programmen Investitionen unterstützt<br />
werden, die die Hemmnisse <strong>der</strong> alternativen Transportketten (bspw. kombi-<br />
nierter Verkehr) überwinden sollen. Im Endeffekt ist aber vielfach festzustellen,<br />
dass <strong>der</strong> intermodale Wettbewerb im Güterverkehr lediglich den Preiswett-<br />
2 Vgl. BMVBW (2000)<br />
3 Vgl. Bertenrath et al. (2006)<br />
4 Vgl. bspw. Vickerman (2000)
22 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
bewerb anheizt <strong>und</strong> die Transporte weiter verbilligt <strong>und</strong> damit zu einer weite-<br />
ren Ausweitung des Güterverkehrs beiträgt. Eine Strategie <strong>der</strong> Verkehrs-<br />
verlagerung erfor<strong>der</strong>t erheblich stärkere Bemühungen als allein (<strong>und</strong> zumeist<br />
unzureichend) an <strong>der</strong> Preisschraube zu drehen <strong>und</strong> alternative Verkehrsträ-<br />
ger o<strong>der</strong> parallele <strong>und</strong> konkurrierende Verkehrsinfrastrukturen zu för<strong>der</strong>n. 5<br />
Hier ist bislang von Seiten <strong>der</strong> Politik keine Än<strong>der</strong>ung bzw. kein Umdenken in<br />
Sicht.<br />
Gütertransport <strong>und</strong> Umweltwirkungen<br />
Die Reduzierung des Energieverbrauchs <strong>und</strong> damit die Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Um-<br />
weltwirkungen des Verkehrs stellt ein wesentliches Motiv <strong>für</strong> die Verlage-<br />
rungsdiskussion dar. Dabei wird in <strong>der</strong> Regel allein auf die emissionsseitigen Ef-<br />
fekte des Verkehrs abgehoben. Die Vertreter <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> verweisen<br />
darauf, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> einen umweltfre<strong>und</strong>lichen Verkehrsträger<br />
darstelle. Diese Aussage ist in dieser Allgemeinheit im Wesentlichen nur ge-<br />
genüber dem Güterverkehr mittels LKW richtig, aber nicht gegenüber <strong>der</strong><br />
Güterbahn. Zudem ist zu differenzieren nach den eingesetzten Schiffsgrößen,<br />
den konkreten Transportwegen <strong>und</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Auslastung <strong>der</strong> Güterver-<br />
kehrsträger. Dies belegen folgende Studien: Gohlisch et al. (2005); van Essen<br />
et al. (2003); Knörr et al. (2005).<br />
Die Analyse von Relationen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> (bzw. entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>) macht deut-<br />
lich, dass die Bahn sich aus Umweltsicht als überlegenes Transportmittel er-<br />
weist, selbst auf solchen Relationen, die die Häfen als Entsende- bzw. Emp-<br />
fangsort haben. 6<br />
5 ARE (2007)<br />
6 Es ist anzumerken, dass es sich um eine idealtypische Berechnung handelt. Es wird beim<br />
Binnenschiff davon ausgegangen, dass das jeweilige Binnenschiff ausgelastet ist. In <strong>der</strong> Praxis<br />
sind die Auslastungsgrade <strong>der</strong> Binnenschiffe auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> deutlich geringer. Dies bedeutet<br />
aber zugleich, dass die CO2 –Missionen <strong>für</strong> den entsprechenden Transportvorgang sich noch<br />
ungünstiger darstellen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 23<br />
Zugr<strong>und</strong>egelegte Werte: LKW: 40 t (Euro 2)<br />
Bahn: mittellanger Zug (Elektro)<br />
Zu transportierende Güter: 1000 t Massengut<br />
Strecke: Dresden (Hafen) – Magdeburg (Hafen)<br />
t CO 2<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Binnenschiff: Tragfähigkeit bis zu 1250 t<br />
CO 2 Emissionen nach Güterverkehrsträgern<br />
(Strecke Dresden - Magdeburg)<br />
LKW Bahn Binnenschiff<br />
Güterverkehrsträger<br />
Abb. 2: CO2 Emissionen nach Güterverkehrsträgern (Dresden-Magdeburg)<br />
Quelle: ECOTRANSIT (2009)<br />
Betrachtet man den Energieverbrauch <strong>und</strong> die unterschiedlichen Luftemissi-<br />
onen, so ist die Bahn gegenüber dem Binnenschiff deutlich im Vorteil, ebenso<br />
haben die LKWs auf Gr<strong>und</strong> des Einsatzes mo<strong>der</strong>ner Reinhaltetechnologien<br />
einen Vorteil bzgl. <strong>der</strong> Emission von Feinpartikeln. Allein im Bereich <strong>der</strong> Ge-<br />
räuschemissionen ist das Binnenschiff klar im Vorteil gegenüber den übrigen<br />
Güterverkehrsträgern.<br />
Neben den emissionsseitigen Belastungen müssen aber auch die strukturellen<br />
Belastungen in Bezug auf Natur <strong>und</strong> Landschaft berücksichtigt werden. Die<br />
Bewertung <strong>der</strong> Wirkungen <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen auf Natur <strong>und</strong> Land-
24 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
schaft spielen gegenwärtig nur eine begrenzte Rolle. Im Bereich <strong>der</strong> Identifi-<br />
zierung <strong>der</strong> externen Kosten werden zwar Lärm <strong>und</strong> Luftemissionen bewertet,<br />
die Wirkungen auf Natur <strong>und</strong> Landschaft spielen hingegen noch keine bzw.<br />
nur eine untergeordnete Rolle. Die Wirkungen des Verkehrswegebaus wer-<br />
den im Wesentlichen im Rahmen <strong>der</strong> entsprechenden Projektbewertungsver-<br />
fahren einbezogen. Gerade die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> hin zu im-<br />
mer größeren Schiffsgefäßen <strong>und</strong> ganzjährig kontinuierlichen Fahrtbedingun-<br />
gen haben auf die Gewässerstrukturen bzw. die Gewässerstrukturgüte erheb-<br />
liche negative Wirkungen.<br />
Im Prinzip schließen sich die an einem natürlichen Fließgewässer o<strong>der</strong> Strom<br />
vorhandene Dynamik von Hoch- <strong>und</strong> Niedrigwasser <strong>und</strong> einer sich dadurch<br />
ständig verän<strong>der</strong>nden Gewässermorphologie <strong>und</strong> die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
heutigen <strong>Binnenschifffahrt</strong> weitgehend aus.<br />
Zusätzlich verlangt die Wasserrahmenrichtlinie eine Verbesserung <strong>der</strong> Gewäs-<br />
serstrukturen bzw. schließt eine weitere Verschlechterung aus. Allerdings wird<br />
dieses Ziel abgewogen u.a. gegenüber sozioökonomischen Nutzungen <strong>und</strong><br />
verliert damit erheblich an Durchsetzungskraft. Es ist darauf hinzuweisen, dass<br />
die Abwägung ungleichgewichtig geschieht, indem einerseits bei den sozio-<br />
ökonomischen Nutzungen die potenziellen (auch sozioökonomisch relevan-<br />
ten) Umweltvorteile, die mit <strong>der</strong> Erreichung des Ziels des guten ökologischen<br />
Zustandes verb<strong>und</strong>en sind i.d.R. nicht im Rahmen <strong>der</strong> Nutzen-Kosten-<br />
Analysen aufgegriffen werden <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die Effekte <strong>der</strong> Erreichung<br />
des Umweltziels in „Nebenrechnungen“ relativiert werden.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Einzigartigkeit <strong>und</strong> des hohen Naturschutzwerts <strong>der</strong><br />
<strong>Elbe</strong>landschaft in Deutschland <strong>und</strong> <strong>der</strong> zweifelsohne sehr begrenzten Bedeu-<br />
tung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wäre es erfor<strong>der</strong>lich, eine entspre-<br />
chende vertiefte Bewertung vorzunehmen.<br />
Nutzen-Kosten-Analysen <strong>und</strong> die Maßnahmen an den Gewässern<br />
Die Anpassung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> die Ausbaumaßnahmen an <strong>der</strong> Saale wurden<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Analysen <strong>für</strong> den B<strong>und</strong>esverkehrswegeplan 1992 beschlossen<br />
<strong>und</strong> mit einem hohen Nutzen-Kosten-Verhältnis begründet, das mit den Maß-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 25<br />
nahmen verb<strong>und</strong>en wäre. Dabei werden die Nutzen-Kosten-Verhältnisse in<br />
starkem Maße geprägt durch Eingangsdaten in die Nutzen-Kosten-Analysen.<br />
Die Erwartungen an die wirtschaftliche Entwicklung in den Neuen B<strong>und</strong>eslän-<br />
<strong>der</strong>n waren bei weitem überschätzt worden mit dem Effekt, dass <strong>der</strong> errech-<br />
nete Nutzen deutlich zu hoch ausgewiesen wurde. 7<br />
<strong>Elbe</strong><br />
Die bisherigen Prognosen zu den erwarteten Verkehren auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
Saale haben sich durchgängig als weitgehend überzogen erwiesen.<br />
Im Kontext des BVWP 1992 wurde im Rahmen <strong>der</strong> NKA <strong>für</strong> die als erfor<strong>der</strong>lich<br />
angesehenen Strombaumaßnahmen ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 9,3 er-<br />
rechnet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass im Jahre 2010 11,6 Mio. t<br />
oberhalb von Magdeburg transportiert werden sollten, inkl. <strong>der</strong> Saaleverkeh-<br />
re <strong>und</strong> 4,4 Mio. t unterhalb von Magdeburg. 8<br />
Bei den Analysen zur Vorbereitung des BVWP 93 wurden diese Zahlen (Ver-<br />
kehrsmengen) <strong>für</strong> den Bereich oberhalb von Magdeburg deutlich nach un-<br />
ten reduziert, so wird nach diesen Prognosen nun davon ausgegangen, dass<br />
2015 unterhalb Magdeburgs 4,6 Mio. t <strong>und</strong> oberhalb von Magdeburg 3,8 Mio.<br />
t transportiert werden. Für die Transporte oberhalb Magdeburgs werden<br />
demnach 2015 nur noch 30% <strong>der</strong> Transporte erwartet, die gemäß dem Bun-<br />
desverkehrswegeplan (BVWP) 1992 <strong>für</strong> das Jahr 2010 prognostiziert wurden.<br />
Dies stellt zwar noch immer eine deutliche Steigerung gegenüber <strong>der</strong> ge-<br />
genwärtigen Situation dar (auch im Vergleich zu 1997), dennoch ist eine ra-<br />
dikale Revision <strong>der</strong> Verkehrserwartungen oberhalb von Magdeburg vorge-<br />
nommen worden. Diese Erwartungen bzgl. <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong> erwarteten Gü-<br />
terströme haben auch direkte Wirkungen auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis<br />
<strong>der</strong> Maßnahmen. Entsprechende Neuberechnungen des Nutzen-Kosten-<br />
7 Vgl. bspw. Planco (2004)<br />
8 Vgl. BMVBW (2002)
26 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Verhältnisses sind allerdings entwe<strong>der</strong> nicht durchgeführt o<strong>der</strong> nicht veröf-<br />
fentlich worden. 9<br />
Saale<br />
Der BVWP 2003 gibt <strong>für</strong> das Basisjahr 1997 an, dass ca. 87.000 t auf <strong>der</strong> Saale<br />
transportiert wurden. Die Transportmenge nahm in <strong>der</strong> Folge deutlich ab.<br />
Planco (2004) verweist in seiner Saalestudie darauf, dass die Prognose (Basis-<br />
jahr 1997) <strong>für</strong> den BVWP 2003, nach den bis zum Jahre 2015 das per Binnen-<br />
schiff transportierte Güteraufkommen auf <strong>der</strong> Saale auf 120.000 t ansteigen<br />
würde, als hochgradig optimistisch einzuschätzen sei. Eine Neubewertung<br />
<strong>der</strong> Situation (ohne den Saaleausbau) von Planco geht davon aus, dass nur<br />
noch mit einem Aufkommen von ca. 36.000 t zu rechnen sei, also keine Ent-<br />
wicklung in Relation zum Jahre 2000 zu erwarten sei. Allerdings hat sich auch<br />
diese Prognose in keiner Weise bestätigt, gegenwärtig findet kein Güterver-<br />
kehr auf <strong>der</strong> Saale statt.<br />
Generell ist festzustellen, dass sämtliche Prognosen zu <strong>der</strong> Entwicklung des<br />
Güterverkehrs sowohl auf <strong>der</strong> Saale als auch <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> bei weitem überzogen<br />
waren. Dementsprechend basieren die Nutzen-Kosten-Analysen auf Ein-<br />
gangsdaten, die bei weitem überhöht waren <strong>und</strong> demzufolge den Nutzen<br />
dieser Maßnahmen weit überschätzt haben. Dies gilt ebenso <strong>für</strong> den Ausbau<br />
<strong>der</strong> Saale. Die revidierten Daten von Planco zur Saale in <strong>der</strong> aktualisierten<br />
Fassung des BVWP (2003) erweisen sich ebenfalls als hochgradig optimistisch,<br />
gleichwohl ist das Nutzen-Kosten-Verhältnis mit 2,2 sehr gering, also die Nut-<br />
zen in Relation zu den Kosten sehr begrenzt. Bei an<strong>der</strong>en Verkehrswegepro-<br />
jekten werden Projekte mit einem solch geringen Nutzen-Kostenverhältnis<br />
nicht in Angriff genommen.<br />
9 Da die Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nunmehr nicht mehr als Ausbau klassifiziert werden, son<strong>der</strong>n<br />
im Wesentlichen als Unterhaltungsmaßnahmen, ist allerdings eine NKA auch nicht mehr<br />
zwangsläufig erfor<strong>der</strong>lich. Inwieweit die Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
verän<strong>der</strong>ten Prognosen als „hochwirtschaftlich“ bewertet werden können, muss daher offen<br />
bleiben.
Gegenwärtige Güterverkehre auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 27<br />
Die Güterverkehre oberhalb von Magdeburg werden im Wesentlichen von<br />
den Gütertransporten von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Tschechischen Republik bestimmt.<br />
Nach den Angaben <strong>der</strong> WSD Ost wurden im Jahre 2006 etwa 1 Mio. t Güter<br />
transportiert. Zusätzlich wurden in den deutschen <strong>Elbe</strong>häfen über Kai ca.<br />
160.000 t Güter umgeschlagen. Das Statistische B<strong>und</strong>esamt weist etwas nied-<br />
rigere Zahlen aus.<br />
Im Zeitraum von 1992 bis 2008 gehen die Transportmengen zurück. Nach ei-<br />
nem Einbruch in den Jahren 2003 <strong>und</strong> 2004 pegeln sich die transportierten<br />
Mengen in die Tschechische Republik auf ca. 800.000 t ein.<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
Mio t/a<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Abb. 3: Güterverkehr von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Tschechischen Republik 1997-2008<br />
Quelle: WSD Ost/WSA (2007); Stat. B<strong>und</strong>esamt (verschiedene Jahrgänge) 10<br />
10 Nach Angaben des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes (2005: 37) wurde am 01.05. 2004 eine Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Erhebungsmethode realisiert, da mit dem EU Beitritt <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />
die Grenze zwischen Deutschland <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Republik keine Außengrenze<br />
(<strong>der</strong> EU) mehr darstellt. Somit basieren die Daten nicht mehr auf den Erhebungen <strong>der</strong> Grenzzollstellen.<br />
Es ist nicht klar, welche Auswirkungen dies auf die Erhebungen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> veröffentlichten<br />
Werte hat.
28 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Der Containerverkehr spielt bzgl. <strong>der</strong> Tschechischen Republik gar keine Rolle<br />
<strong>und</strong> bzgl. <strong>der</strong> deutschen <strong>Elbe</strong>häfen eine zu vernachlässigende Rolle. Die auf-<br />
gestellten Prognosen erweisen sich als mehr o<strong>der</strong> weniger haltlos.<br />
Dies gilt um so mehr, als die Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> allein den Zustand vor<br />
dem <strong>Elbe</strong>hochwasser wie<strong>der</strong> herstellen sollen, wodurch sich einerseits die<br />
Schifffahrtsverhältnisse nur sehr begrenzt verbessern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits dürften<br />
sich auf Gr<strong>und</strong> des Klimawandels selbst diese Maßnahmen wie<strong>der</strong>um relati-<br />
vieren.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wandeln sich auch die Ansätze zur Begründung <strong>der</strong><br />
geplanten Maßnahmen. Statt wie bislang mehr o<strong>der</strong> weniger zutreffende<br />
volkswirtschaftliche Analysen durchzuführen, wird <strong>der</strong> Fokus zunehmend auf<br />
einzelwirtschaftliche Analysen gelegt. So werden in den Studien von LUB <strong>und</strong><br />
Planco Verlagerungspotenziale aufgezeigt, die auf <strong>der</strong> Befragung von Unter-<br />
nehmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale beruhen. Dabei wird an Hand von Einzelfällen<br />
dargelegt, dass einzelne Unternehmen ihre Massengüter mit dem Binnen-<br />
schiff transportieren würden, wenn die Angebotsbedingungen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
bzw. Saale „wettbewerbsfähig“ wären.<br />
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Bek<strong>und</strong>ungen <strong>der</strong> Unternehmen<br />
letztlich wohlfeil sind, sie haben die Kosten <strong>für</strong> die Ausbaumaßnahmen (im<br />
Falle <strong>der</strong> Saale) nicht zu tragen <strong>und</strong> sind selbst bei einem Ausbau <strong>der</strong> Flüsse<br />
keinesfalls verpflichtet, ihre Transporte dann per Binnenschiff zu realisieren.<br />
Vielmehr stellt sich <strong>für</strong> die Unternehmen die Situation so dar, dass sie nach ei-<br />
nem Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> die verschiedenen Güterverkehrsträger in einen Wett-<br />
bewerb zueinan<strong>der</strong> stellen können, mit dem Effekt, dass damit Druck auf die<br />
Transportpreise ausgelöst werden kann. Zudem ist darauf zu verweisen, dass<br />
ein wesentlicher Teil <strong>der</strong> Verlagerung zu Lasten <strong>der</strong> Bahn gehen würde <strong>und</strong><br />
damit wäre aus Umweltsicht nichts gewonnen, vielmehr sind zusätzliche Um-<br />
weltbelastungen zu erwarten.<br />
Saale- <strong>und</strong> <strong>Elbe</strong>häfen<br />
Der Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>- <strong>und</strong> Saalehäfen ist mit erheblichen Summen durch die<br />
öffentliche Hand <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> EU geför<strong>der</strong>t worden. Den Ausbau-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 29<br />
planungen lagen die bei weitem überhöhten Prognosen des BVWP 92 zu<br />
Gr<strong>und</strong>e. Nunmehr wird argumentiert, dass im Falle des Nicht-Ausbaus <strong>der</strong> El-<br />
be bzw. <strong>der</strong> Saale umfangreiche Investitionen „in den Sand“ gesetzt worden<br />
wären. Dazu ist einerseits festzustellen, dass <strong>der</strong> Umfang <strong>der</strong> Investitionen auf<br />
den bei weitem überhöhten Prognosen basierte <strong>und</strong> damit die Inwertsetzung<br />
auch bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Baumaßnahmen in Frage stehen würde. An-<br />
<strong>der</strong>erseits haben sich die Häfen mittlerweile als Logistikzentren (bzw. GVZ)<br />
<strong>und</strong> Gewerbestandorte etabliert, so dass ihre Existenz auch ohne den Aus-<br />
bau gesichert erscheint.<br />
Konkurrieren<strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Verkehrswege<br />
Im gesamten <strong>Elbe</strong>- <strong>und</strong> Saaleraum wurden <strong>und</strong> werden Verkehrsinfrastruktu-<br />
ren ausgebaut, insbeson<strong>der</strong>e werden die Autobahnen, aber auch die Bahn-<br />
infrastrukturen entwickelt, in wesentlichen Teilen auch entlang <strong>der</strong> Wasser-<br />
straße <strong>Elbe</strong>. Damit werden erhebliche Transportkapazitäten geschaffen. Der<br />
Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Saale dient daher in keinem Fall <strong>der</strong> Beseitigung<br />
möglicher Transportengpässe, son<strong>der</strong>n kann nur als ein Verkehrsentwick-<br />
lungsprogramm durch die mit dem Ausbau <strong>der</strong> Verkehrswege verb<strong>und</strong>ene<br />
Reduktion <strong>der</strong> Transportkosten angesehen werden. Bereits die Bahn könnte<br />
sämtliche nach dem BVWP erwarteten Verkehre in dem betreffenden Raum<br />
<strong>und</strong> entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> bis in die Tschechische Republik bewältigen <strong>und</strong> dies,<br />
wie bereits gezeigt, ökologisch vorteilhafter als bei dem Transport per Binnen-<br />
schifffahrt. Insofern ist <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Wasserwege nicht begründbar mit<br />
dem Verweis auf potenzielle Kapazitätsengpässe, ebenso nicht mit dem Ar-<br />
gument <strong>der</strong> Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> Verkehrsträger.<br />
Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> hängt von einer Viel-<br />
zahl von Einflussfaktoren ab. Zwei <strong>der</strong> wesentlichen Einflussfaktoren sind die<br />
angebotsseitigen Kosten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>, einerseits zu welchen Kosten<br />
sie bspw. auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> transportieren können <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die Angebots-<br />
preise <strong>der</strong> Wettbewerber. Auf den relevanten Märkten, also vor allem dem
30 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Bereich <strong>der</strong> Massengüter, muss die <strong>Binnenschifffahrt</strong> damit gegen Bahn <strong>und</strong><br />
LKW konkurrieren. Bahn <strong>und</strong> LKW stellen mithin den Benchmark <strong>für</strong> die Trans-<br />
portpreise dar. An diesen Preisen muss sich die <strong>Binnenschifffahrt</strong> letztlich ori-<br />
entieren, um überhaupt Ladung akquirieren zu können.<br />
Damit geht es weniger um die Frage, ob die <strong>Binnenschifffahrt</strong> transportieren<br />
kann, son<strong>der</strong>n vielmehr um die Frage, zu welchen Bedingungen die Binnen-<br />
schifffahrt Transporte anbieten kann. Aus den Analysen <strong>der</strong> Versuchsanstalt<br />
<strong>für</strong> Binnenschiffbau e.V. (VBD) zu innovativen Schiffskonzepten wird deutlich,<br />
dass gewisse Mindestbedingungen erfüllt sein müssen, damit die Binnenschiff-<br />
fahrt wettbewerbsfähig ist. Die Bedingungen unterscheiden sich je nach Bin-<br />
nenschiffstyp. Im Gr<strong>und</strong>satz wird aber deutlich, dass die Wettbewerbsfähig-<br />
keit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (bei unterstellten am Markt durchsetzbaren Trans-<br />
portpreisen von ca. 6 €/t 11 eine Fahrrinnentiefe von ca. 2 m erfor<strong>der</strong>t, wobei<br />
einzelne Schiffstypen auch mit geringeren Fahrrinnentiefen wettbewerbsfähig<br />
sein können.<br />
Die mit den Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> angestrebte Fahrrinnentiefe von 1,60m<br />
bzw. 1,50 m zwischen Dresden <strong>und</strong> Schmilka an 345 Tagen <strong>und</strong> 50 % <strong>der</strong> eis-<br />
freien Tage eines Jahres mit 2,50 m erweisen sich <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> be-<br />
reits als grenzwertig <strong>und</strong> än<strong>der</strong>n nur wenig an <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> Wirtschaftlich-<br />
keit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>. Mit einer Fahrrinnentiefe von 1,60 m ist ein kosten-<br />
decken<strong>der</strong> Transport <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> i.d.R. nicht möglich (IÖW 2001).<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit ist unter den angestrebten Bedingungen nur da-<br />
durch möglich, dass in <strong>der</strong> Zeit einer Fahrrinnentiefe von 1,60 m nur die vari-<br />
ablen Kosten gedeckt werden (<strong>und</strong> zugleich die Kontinuität <strong>der</strong> Belieferung<br />
sicher gestellt werden kann) <strong>und</strong> die Gewinne, die bei einer Fahrrinnentiefe<br />
von 2,50 m möglich werden, in <strong>der</strong> Summe die Rentabilität <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt sicherstellen können. Es ist aber darauf zu verweisen, dass in <strong>der</strong> Ver-<br />
gangenheit eine Fahrrinnentiefe von 2,50 m zeitweise noch nicht einmal an<br />
100 Tagen im Jahr sichergestellt werden konnte. Es steht in Frage, inwieweit<br />
mit den durchgeführten sog. Unterhaltungsmaßnahmen dieses Ziel erreicht<br />
11 Vgl. VBD (2004)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 31<br />
werden kann. Betrachtet man die Entwicklung <strong>der</strong> Elb-Wasserstände <strong>der</strong> letz-<br />
ten Jahre, so ist dieses Ziel mit den durchgeführten Maßnahmen nicht er-<br />
reichbar.<br />
Mithin bleibt festzuhalten, dass die gegenwärtig angestrebten bzw. bereits<br />
vorhandenen Unterhaltungsziele auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>für</strong> die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong> Konkurrenzsituation zu Güterbahn <strong>und</strong> Lastwagen<br />
nicht ausreichend sind.<br />
Klimawandel <strong>und</strong> die angestrebten Ausbauziele<br />
Der Klimawandel hat differenzierte Wirkungen auf unterschiedliche Bran-<br />
chen. Aktuelle Analysen machen deutlich, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> zu den<br />
Verlierern des Klimawandels gehören wird, da mit zunehmenden Extremer-<br />
eignissen (Trockenheit, Hochwasser) sich die Angebotsbedingungen <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt verschlechtern werden <strong>und</strong> gerade eine <strong>der</strong> zentralen Anfor-<br />
<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong>, nämlich Kontinuität, immer weniger sicher gestellt<br />
werden kann. Dies wird nunmehr in einem Forschungsvorhaben am Beispiel<br />
des Rheins analysiert 12 . Die Dringlichkeit entsprechen<strong>der</strong> Analysen dürfte al-<br />
lerdings <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> weit höher sein.<br />
Eine Studie des PIK 13 hat eine Analyse <strong>der</strong> Wasserstände in <strong>der</strong> Vergangen-<br />
heit vorgenommen <strong>und</strong> dabei festgestellt, dass die Basis <strong>der</strong> Berechungen <strong>für</strong><br />
die mögliche Schiffbarkeit auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> sich auf Zeitreihen bezieht, die eher<br />
die Ausnahme auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> darstellen als die Regel. Die Basis <strong>der</strong> Berechnun-<br />
gen stellen sog. „nasse“ Jahre dar, die <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> im langjährigen Verlauf<br />
eher untypisch sind. Demnach ist davon auszugehen, dass angestrebte Ziele<br />
nicht erreicht werden können, wenn die längerfristige Entwicklung <strong>der</strong> Was-<br />
serstände auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> mitberücksichtigt wird. Des Weiteren kann mittlerweile<br />
davon ausgegangen werden, dass sich das Nie<strong>der</strong>schlags- <strong>und</strong> Abflussre-<br />
gime auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> durch den Klimawandel deutlich verän<strong>der</strong>n wird. Beide Ef-<br />
12 B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Gewässerk<strong>und</strong>e (Koordinator): Forschungsvorhaben KLIWAS. Im Auftrag<br />
des BMVBS (2007-2010)<br />
13 Vgl. PIK (2006) Klima- <strong>und</strong> Anthropogene Wirkungen auf den Niedrigwasserabfluss <strong>der</strong> mittleren<br />
<strong>Elbe</strong>
32 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
fekte haben dann aber auch erhebliche Auswirkungen auf die Zielerreichung<br />
<strong>der</strong> geplanten Maßnahmen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> stellen im Ergebnis die Erwar-<br />
tungen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Frage. Es<br />
ist davon auszugehen, dass die geplanten Maßnahmen zwar einerseits Natur<br />
<strong>und</strong> Landschaft gefährden, indem z.B. die Tiefenerosion <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> weiter zu-<br />
nimmt, an<strong>der</strong>erseits aber zugleich das intendierte Ziel „Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>“ nicht erreicht werden kann.<br />
Die <strong>Elbe</strong> als Schifffahrtsweg<br />
Die <strong>Elbe</strong> hat <strong>für</strong> den Gütertransport nur eine sehr geringe Bedeutung. Dies gilt<br />
einerseits in Relation zu den Flüssen in Deutschland insgesamt (Anteil am Gü-<br />
teraufkommen in Höhe von ca. 2 %) 14 (vergleichsweise hat <strong>der</strong> Rhein 80 %)<br />
als auch <strong>für</strong> die Län<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt (aber auch <strong>der</strong> Tsche-<br />
chischen Republik). Der Güterverkehr per Binnenschiff hat in Sachsen einen<br />
Anteil an dem gesamten Güterverkehr in Höhe von ca. 0,9 % <strong>und</strong> in Sachsen<br />
Anhalt von ca. 1,9 %, wobei dieser Anteil ganz überwiegend durch die Be-<br />
deutung des Mittellandkanals beeinflusst wird. 15 Auch <strong>für</strong> die Tschechische<br />
Republik sind ähnlich geringe Anteile festzustellen. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />
oben angeführten Faktoren erscheint eine wesentliche Steigerung dieses An-<br />
teils kaum erwartbar zu sein. 16<br />
14 Es ist darauf zu verweisen, dass die angegebenen 2% noch deutlich überhöht sein dürften,<br />
da laut Aussagen des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes noch immer solche Verkehre <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> zugerechnet<br />
werden, die mittlerweile über die Trogbrücke des Projektes 17 Deutsche Einheit verkehren<br />
<strong>und</strong> die <strong>Elbe</strong> nicht mehr berühren. Gr<strong>und</strong>sätzlich wird damit auch ein Gr<strong>und</strong>problem<br />
<strong>der</strong> Erfassung des Güterverkehrs im Bereich <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> deutlich: <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wurden<br />
letztlich sämtliche Verkehre zugerechnet, die diese auf einem kurzen Abschnitt tangiert haben,<br />
die aber <strong>für</strong> Aussagen zur <strong>Elbe</strong> insgesamt irrelevant sind.<br />
15 Die genannten Zahlen sollen verdeutlichen, welch geringe Bedeutung die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>für</strong> die beiden Elbanliegerlän<strong>der</strong> hat. Berücksichtigt man nur die Gütertransporte auf<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, so hat die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> einen Anteil von deutlich unter einem Prozent<br />
an <strong>der</strong> Gütertransportmenge von Sachsen-Anhalt.<br />
16 Vgl. Grossmann et al. (2007)
Hinterlandverkehr zum Hamburger Hafen<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 33<br />
Ein wesentlicher Treiber des Transportwachstums sind die internationalen Ver-<br />
kehre, die vor allem über die Seehäfen abgewickelt werden. Dabei könnte<br />
Hamburg <strong>für</strong> die Transporte entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> eine durchaus wichtige Rolle<br />
spielen. Die Rolle <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>für</strong> den Hinterlandverkehr ist allerdings<br />
gegenwärtig außerordentlich gering. Zwar wird von Seiten <strong>der</strong> Hafenbetrei-<br />
ber darauf verwiesen, dass es erfor<strong>der</strong>lich sei, die Mittel- <strong>und</strong> Oberelbe anzu-<br />
passen, damit eine Verlagerung des Verkehrs möglich sei. In Fachkreisen wird<br />
allerdings darauf verwiesen, dass als Bedingungen <strong>für</strong> den Hinterlandverkehr<br />
per Binnenschiff das entsprechende Bevölkerungspotenzial <strong>und</strong> die entspre-<br />
chenden Schifffahrtsbedingungen vorhanden sein müssten, damit es <strong>für</strong> die<br />
Verla<strong>der</strong> interessant wäre. 17 Diese Bedingungen sind allerdings alleine auf<br />
dem Rhein gegeben mit dem entsprechenden Industrie- <strong>und</strong> Bevölkerungs-<br />
potenzial. Zum an<strong>der</strong>en wird festgestellt, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>für</strong> die<br />
deutschen Seehäfen keine ausreichenden Möglichkeiten <strong>für</strong> eine effiziente<br />
Hinterlandanbindung bieten. Auch die beabsichtigten Maßnahmen an <strong>Elbe</strong><br />
<strong>und</strong> Saale können die erfor<strong>der</strong>lichen Bedingungen nicht bieten.<br />
Fazit<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ist unter den gegenwärtigen Bedingungen<br />
(auch nach Fertigstellung <strong>der</strong> Instandsetzungsmaßnahmen) offenbar nicht<br />
wettbewerbsfähig. So wird bzgl. des Containerverkehrs insbes. nach <strong>der</strong><br />
Tschechischen Republik darauf verwiesen, dass ein sehr harter Preiswettbe-<br />
werb mit <strong>der</strong> Bahn existiert, dem die <strong>Binnenschifffahrt</strong> nicht standhalten kann<br />
<strong>und</strong> auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird in verschiedenen Stellungnahmen berichtet,<br />
dass trotz bestehen<strong>der</strong> Nachfrage nach Transportkapazitäten <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt diese nicht von <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> angeboten wird, da in ande-<br />
ren Flussgebieten einerseits hinreichende Nachfrage nach Transportkapazitä-<br />
ten existiert <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die Transportpreise besser sind. 18 Die Aktivitäten<br />
einiger <strong>Elbe</strong>häfen, die selbst Schiffe chartern um einen Linienverkehr sicher-<br />
17 Vgl. Jahncke (2006)<br />
18 Vgl. WSD Ost/WSA (2007), S.2
34 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
stellen zu können, verweisen auf die weitgehende Unwirtschaftlichkeit des<br />
Güterverkehrs auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
In <strong>der</strong> Summe ist festzustellen, dass das <strong>der</strong>zeitige Unterhaltungsziel von 1,60<br />
m <strong>und</strong> die witterungsbedingten Schwankungen <strong>der</strong> Fahrrinnentiefen eine<br />
ganzjährige wirtschaftliche Schifffahrt auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht zulassen.<br />
Eine deutliche Verbesserung wäre nur mit weitreichenden Maßnahmen zu er-<br />
reichen, die weit über das gegenwärtige Ziel <strong>der</strong> Unterhaltung hinausgehen<br />
würden. Dies steht aber in Konflikt zu den Kosten, die mit einem solchen Aus-<br />
bau verb<strong>und</strong>en wären (<strong>und</strong> den eher geringen Nutzen) <strong>und</strong> zu den weitrei-<br />
chenden Auswirkungen auf Natur <strong>und</strong> Landschaft.<br />
Schließlich würde damit <strong>der</strong> Preiswettbewerb mit den Güterbahnen noch-<br />
mals deutlich angeheizt (ermöglicht durch die För<strong>der</strong>ung paralleler Infrastruk-<br />
turen), so dass damit auch keine deutliche Verkehrsverlagerung erreicht<br />
werden würde.<br />
Deshalb sollte man sich an <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale auf ein minimales, an ökologi-<br />
schen Kriterien orientiertes Unterhaltungsprogramm konzentrieren, da die bis-<br />
herigen Unterhaltungsmaßnahmen sich als ökologisch <strong>und</strong> ökonomisch frag-<br />
würdig erwiesen haben. Stattdessen sollten die <strong>Potenziale</strong> einer mo<strong>der</strong>nen<br />
Verkehrslogistik <strong>und</strong> <strong>der</strong> vorhandenen Infrastruktur, insbeson<strong>der</strong>e das Schie-<br />
nennetz, effizienter genutzt werden.
E i n l e i t u n g<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 35<br />
Das Ziel des Gesamtberichtes ist es, die Rolle <strong>und</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt im Rahmen des Güterverkehrs einzuschätzen. Dabei geht es zum<br />
einen um die bisherigen Entwicklungsdynamiken <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en um die<br />
künftigen <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> verweist einerseits auf die freien Kapazitäten <strong>für</strong> den Gü-<br />
terverkehr, die bei <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> quasi ohne wesentliche Infrastruktur-<br />
investitionen zur Verfügung stünden <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits auf die Umweltfre<strong>und</strong>-<br />
lichkeit des Güterverkehrsträgers <strong>Binnenschifffahrt</strong>, wie sie von den Vertretern<br />
<strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> auch von dem zuständigen Ministerium betont<br />
werden.<br />
In Teil A <strong>der</strong> Studie wird dementsprechend <strong>der</strong> Wissensstand bzgl. <strong>der</strong> Ent-<br />
wicklung des Güterverkehrsmarktes mit einem beson<strong>der</strong>en Fokus auf die Bin-<br />
nenschifffahrt aufgearbeitet <strong>und</strong> vor allem findet eine Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit <strong>der</strong> Vorstellung <strong>der</strong> Güterverkehrsverlagerung, wie sie von <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verkehrspolitik betont wird, statt.<br />
Darüber hinaus werden die Studien zu den Umwelteffekten <strong>der</strong> unterschiedli-<br />
chen Transportmodi analysiert um eine Einschätzung <strong>und</strong> Bewertung <strong>der</strong><br />
Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit des Verkehrsträgers <strong>Binnenschifffahrt</strong> vornehmen zu<br />
können. Als problematisch erweist sich dabei insbeson<strong>der</strong>e, dass ein Ver-<br />
gleich <strong>der</strong> Umweltverträglichkeit <strong>der</strong> unterschiedlichen Güterverkehrsträger<br />
im Wesentlichen im Hinblick auf die Emissionen vorgenommen wird (unter-<br />
schiedliche Luftschadstoffe <strong>und</strong> Lärm), dass aber die Verän<strong>der</strong>ung bzw. De-<br />
gradierung <strong>der</strong> aquatischen Ökosysteme in <strong>der</strong> Regel nicht Eingang in die<br />
entsprechende Vergleiche finden. Die Umweltwirkungen <strong>der</strong> Güterverkehrs-<br />
träger werden außerdem im Rahmen von Monetarisierungsverfahren auch in<br />
Geldeinheiten als externe Kosten ermittelt, <strong>der</strong> gegenwärtige <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Dis-<br />
kussion wird dementsprechend dargestellt, aber auch hier gilt, dass insbe-<br />
son<strong>der</strong>e die emissionsseitigen Effekte einbezogen werden.
36 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Des Weiteren werden die Wegekosten <strong>der</strong> unterschiedlichen Güterverkehrs-<br />
träger analysiert, wobei sich die Datenlage insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Binnenschiff-<br />
fahrt als begrenzt aussagefähig erweist.<br />
Schließlich wird die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Abhängig-<br />
keit von den Rahmenbedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (u.a. Auslastungs-<br />
grad <strong>und</strong> Fahrrinnentiefe) dargestellt.<br />
Der Teil A, <strong>der</strong> sich wie dargestellt vor allem mit den allgemeinen Rahmen-<br />
bedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> befasst, stellt eine Vorbereitung <strong>der</strong> Ana-<br />
lyse <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> im <strong>Elbe</strong>raum dar. Die Argumente zu Gunsten eines<br />
Ausbaus <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> finden sich spiegelbildlich zur allgemeinen Diskussion wie-<br />
<strong>der</strong>. Insofern werden in Teil B die Prognosen <strong>und</strong> die Verlagerungspotenziale<br />
bzgl. des Güterverkehrs auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> dargestellt <strong>und</strong> analysiert. Dies wird e-<br />
benfalls bzgl. <strong>der</strong> Saale gemacht, da die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
auch von den Schifffahrtsbedingungen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> bestimmt wird. Die Be-<br />
deutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>für</strong> die Län<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt<br />
wird analysiert sowie die Bedeutung <strong>der</strong> Häfen in den betroffenen Län<strong>der</strong>n.<br />
Des Weiteren wird auf die Diskussion um den Klimawandel <strong>und</strong> die Auswir-<br />
kungen auf die <strong>Elbe</strong> eingegangen. Schließlich werden die wirtschaftlichen<br />
Entwicklungen in <strong>der</strong> Region <strong>und</strong> <strong>der</strong> demographische Wandel thematisiert.
Teil A – Güterverkehrsmarkt<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 37<br />
1. Entwicklungsdynamik des Güterverkehrs generell<br />
1.1. Einführung<br />
Im ersten Teil dieser Studie werden die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong><br />
die Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger analysiert. Der Fokus liegt auf<br />
dem Gütertransport (Mobilität) von Gütern. Der Grad <strong>der</strong> Gütermobilität ist<br />
eng verknüpft mit dem Grad <strong>der</strong> Arbeitsteilung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Intensität <strong>der</strong> Aus-<br />
tauschbeziehungen, national wie auch zunehmend international. Bestim-<br />
mungsgründe <strong>für</strong> stetig steigende Gütertransporte sind <strong>der</strong> strukturelle Wan-<br />
del <strong>der</strong> Güterarten, ein zunehmen<strong>der</strong> Motorisierungsgrad <strong>und</strong> räumlich wei-<br />
ter entfernte Wirtschaftsbeziehungen, insb. <strong>der</strong> zunehmende grenzüberschrei-<br />
tende Handel. 19<br />
Zu den Verkehrsträgern zählen <strong>der</strong> Straßenverkehr, <strong>der</strong> Schienenverkehr, die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>, die Luftfahrt, die Seeschifffahrt <strong>und</strong> <strong>der</strong> Transport über Rohr-<br />
fernleitungen. Im Rahmen <strong>der</strong> Studie wird im Wesentlichen auf die Güterver-<br />
kehrsträger Lkw, Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff fokussiert.<br />
1.2. Entwicklungsdynamik des Gütertransports generell<br />
1.2.1. Historischer Überblick<br />
Die mo<strong>der</strong>ne Verkehrsgeschichte beginnt mit <strong>der</strong> Einführung <strong>und</strong> Ausbreitung<br />
<strong>der</strong> Eisenbahn Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts auf Fernstrecken sowie dem Aus-<br />
bau <strong>der</strong> Flüsse zu sog. Wasserstraßen. Die Wasserstraßen wirkten strukturbil-<br />
dend, indem sich einerseits die Städte an Flüssen entwickelten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er-<br />
seits sich Industrien an den wesentlichen Flüssen ansiedelten. Für die <strong>Elbe</strong> war<br />
u.a. <strong>der</strong> Transport von Braunkohle <strong>und</strong> landwirtschaftlichen Produkten be-<br />
deutsam.<br />
Während im Westteil des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg die Verkehrsinf-<br />
rastrukturen insgesamt weiter entwickelt wurden, insbeson<strong>der</strong>e auch die<br />
19 Vgl. Aberle (2003) S.1 f.
38 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
„Wasserstraßen“, setzte man in <strong>der</strong> DDR <strong>für</strong> den Gütertransport vorrangig auf<br />
die Schiene. Die <strong>Elbe</strong> blieb daher, gemessen an den westdeutschen Verhält-<br />
nissen, „unterentwickelt“.<br />
Mit <strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> DDR wurden die Diskussionen über die Entwicklung <strong>der</strong><br />
Verkehrsinfrastrukturen begonnen, wobei bzgl. <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> Vorschläge <strong>für</strong> eine<br />
durchgängige Stauregulierung gemacht wurden. Diese Vorschläge konnten<br />
sich allerdings auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> immensen Kosten nicht durchsetzen.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esverkehrswegeplanung (1992) wurden Abschätzungen<br />
bzgl. <strong>der</strong> zu erwartenden Verkehre vorgenommen, die die Basis u.a. <strong>für</strong> die<br />
Verkehrsprojekte <strong>der</strong> Deutschen Einheit darstellten. Kennzeichnend war, dass<br />
die Erwartungen über die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen B<strong>und</strong>es-<br />
län<strong>der</strong>n bei weitem überzogen waren, was zugleich dazu führte, dass die er-<br />
warteten Verkehre, insbeson<strong>der</strong>e auf den Binnenwasserstraßen, deutlich ü-<br />
berschätzt wurden.<br />
1.2.2. Entwicklung seit 1950<br />
Im Jahr 1950 betrug <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Eisenbahn am binnenländischen Güter-<br />
verkehr 66,6% des Aufkommens (rd. 209 Mio. t) <strong>und</strong> 62,3% <strong>der</strong> Leistung (ca.<br />
39,3 Mrd. tkm).<br />
Der Straßengüterverkehr hatte damals einen Anteil von nur knapp 10% (32,9<br />
Mio. t bzw. 7,1 Mrd. tkm), obwohl die Länge <strong>der</strong> Straßen die Streckenlänge<br />
<strong>der</strong> Eisenbahn um den Faktor 3,5 übertraf.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hielt zum gleichen Zeitpunkt einen Anteil von 22,9% des<br />
Aufkommens (71,9 Mio. t) <strong>und</strong> 26,4% <strong>der</strong> Leistung (16,7% Mrd. tkm) im Binnen-<br />
land <strong>und</strong> damit über das Doppelte des Straßenverkehrs. 20<br />
Die sehr rasche Automobilisierung <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>und</strong> <strong>der</strong> gewerbetreiben-<br />
den Wirtschaft führte zu erheblichen Umwälzungen. Struktureller Wandel in<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> ein rasch ausgebautes Straßensystem i.V.m. sinkenden<br />
Transportkosten auf <strong>der</strong> Straße führten zu zunehmen<strong>der</strong> <strong>Stand</strong>ortdifferenzie-<br />
rung im Gewerbe <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Industrie, zu einem Bedeutungsverlust <strong>der</strong> Schie-<br />
20 Vgl. Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000) S. 9 f.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 39<br />
nenanbindung, zu zunehmen<strong>der</strong> Arbeitsteilung <strong>und</strong> Fertigungstiefe, zu einem<br />
Abbau von Lagerhaltung <strong>und</strong> dadurch zu ansteigenden „just-in-time“ Liefe-<br />
rungen. 21<br />
Die modalen Umwälzungen haben im Güterverkehr bis heute nicht an Dy-<br />
namik verloren. Die folgenden Zahlen zeigen, dass das Wachstum <strong>der</strong> Ver-<br />
kehrsleistung überwiegend auf die Dynamik des Straßenverkehrs zurück zu<br />
führen ist.<br />
Jahr Eisenbahn Straßengüterverkehr <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
1950 39,4 7,1 16,7<br />
1990 (D alt) 61,9 169,9 54,8<br />
1998 (D neu) 73,6 315,9 64,3<br />
2004 86,4 380,4 63,7<br />
2007 114,6 466,2 64,7<br />
Tab. 1: Güterverkehr B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsleistung in Mrd.<br />
tkm<br />
Quelle: Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000) S. 10, BMVBS (2005) S. 253, Statistisches<br />
B<strong>und</strong>esamt 2009; eigene Darstellung<br />
Beson<strong>der</strong>s deutlich zeigt sich <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong> Anteile von Eisenbahn, Stra-<br />
ßengüterverkehr <strong>und</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> graphisch:<br />
Abb. 4: Güterverkehr B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 1950 - 2008; Anteile ausgewählter Verkehrsbereiche<br />
an <strong>der</strong> binnenländischen Güterverkehrsaufkommen<br />
Quelle: BGL (2009)<br />
21 Vgl. Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000) S. 8
40 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Die aktuellen Zahlen <strong>der</strong> Aufteilung <strong>der</strong> Gütertransporte auf die verschiede-<br />
nen Verkehrsträger bestätigen den Trend:<br />
Abb. 5: Anteile <strong>der</strong> Verkehrsträger am Güterverkehrsaufkommen 2008<br />
Quelle: BGL (2009) eigene Darstellung<br />
1.2.3. Verän<strong>der</strong>ungen des Modal Split durch Güter- <strong>und</strong> Produktionsentwick-<br />
lung<br />
Infolge des sich vollziehenden Strukturwandels <strong>der</strong> Wirtschaft haben sich die<br />
Transportmärkte in den vergangenen Jahrzehnten stark verän<strong>der</strong>t. Diese<br />
Verän<strong>der</strong>ung lässt sich anhand folgen<strong>der</strong> Effekte charakterisieren:<br />
1.2.3.1. Verkehrsträgersubstitution<br />
Durch den sog. Substitutionseffekt erfolgte ein Austausch <strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
im Güterverkehr. Die jeweiligen Verkehrsträger zeichnen sich durch ein ganz<br />
spezifisches Leistungsprofil (Verkehrswertigkeit) aus, das sie jeweils <strong>für</strong> unter-<br />
schiedliche Transportaufgaben prädestiniert. Die wesentlichen Kriterien <strong>für</strong><br />
ein solches Leistungsprofil sind u.a. die Transportkosten, Transportsicherheit,<br />
Transportdauer, Transportberechenbarkeit, Disponierbarkeit sowie Mengen-<br />
<strong>und</strong> Flächenleistungsfähigkeit. Aufgr<strong>und</strong> einiger analoger Charakteristikkom-<br />
ponenten <strong>der</strong> Verkehrswertigkeit bestehen zwischen allen Verkehrsträgern in
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 41<br />
gewissem Umfang relationsbezogene Substitutionsbeziehungen, d.h., dass<br />
partiell Verkehrsleistungen eines Verkehrsträgers durch adäquate Leistungen<br />
eines an<strong>der</strong>en Verkehrsträgers ersetzbar sind. Dabei existieren näherungswei-<br />
se folgende Überschneidungen <strong>der</strong> Verkehrsmärkte im Binnengüterverkehr: 22<br />
� etwa 10% <strong>der</strong> Güterverkehrsmärkte im Fernverkehr können von Lkw,<br />
Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff in gleicher Weise übernommen werden<br />
� 80% <strong>der</strong> Eisenbahntransporte können durch den Lkw substituiert wer-<br />
den; 40% <strong>der</strong> Lkw-Transporte durch die Bahn<br />
� Zwischen Eisenbahn <strong>und</strong> Binnenschiff besteht ein Wettbewerbsverhält-<br />
nis in <strong>der</strong> Form, dass 80% <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>sleistungen durch die Ei-<br />
senbahn substituiert werden können, 30-40% <strong>der</strong> Eisenbahnverkehrsleis-<br />
tungen durch die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die positiven Systemeigenschaften des Straßensystems veranlassten die deut-<br />
sche verladende Wirtschaft im Wesentlichen zum Wechsel vom Schienen-<br />
zum Straßentransport (s. Abb. 1).<br />
1.2.3.2. Substitutionsgründe<br />
Es ist jedoch nicht hinreichend, die Anteilsverschiebungen ausschließlich<br />
durch den Substitutionseffekt zu erklären, denn hier fehlen noch die Ursa-<br />
chen. Der Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Verkehrsmittelsubstitution ist in einer verän<strong>der</strong>ten Gü-<br />
terstruktur i.S.d. steigenden Anteils hochwertiger Konsum- <strong>und</strong> Investitionsgü-<br />
ter bei gleichzeitiger Stagnation o<strong>der</strong> einem Rückgang <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>stoffindust-<br />
rie zu sehen. Der Strukturwandel <strong>der</strong> Gütergruppen ist unter dem Namen Gü-<br />
terstruktureffekt bekannt.<br />
22 Vgl. BMV (1997), S. A2-7
42 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Hierzu folgende Tabelle:<br />
Gütergruppe 1960 1970 1978 1990 2000 2004 2006<br />
Land- <strong>und</strong> Forstwirt.<br />
Erzeugnisse<br />
85,4 97,6 117,8 157,0 197,0 163,4 182,1<br />
Kohle 200,7 159,8 146,1 145,5 104,6 102,3 100,5<br />
Mineralölerzeugnisse 66,6 207,3 240,5 206,4 179,5 174,4 187,3<br />
Erze <strong>und</strong> Edelabfälle 83,8 105,0 94,4 96,1 116,7 99,6 105,4<br />
Eisen, Stahl <strong>und</strong> NE-<br />
Metalle<br />
72,8 114,0 128,8 146,2 129,4 174,2 158,2<br />
Steine <strong>und</strong> Erden 815,3 1.494,5 1.544,5 1.596 1.674,1 1.414,9 1433,3<br />
Düngemittel 24,1 31,4 27,7 20,5 36,7 35,1 36,6<br />
Chemische Erzeugnisse<br />
67,0 196,8 227,9 291,4 265,3 257,0 268,1<br />
Fahrzeuge, Maschinen,<br />
Halb- <strong>und</strong> Fertigfabrikate<br />
125,7 210,9 298,5 451,8 510,1 574,3 670,8<br />
Tab. 2: Entwicklung des binnenländischen Transportaufkommens ausgewählter Gütergruppen<br />
in Deutschland 1960 bis 2004 in Mio. t<br />
Quellen: Aberle, G. (2003) S. 93; 2004: BMVBS (2005) S. 256-258, BMVBS (2007a) S. 236-237<br />
Die obigen Zahlen zeigen deutlich das starke Wachstum <strong>der</strong> Transporte <strong>der</strong><br />
Stückgüter, <strong>der</strong> chemischen Erzeugnisse <strong>und</strong> <strong>der</strong> Mineralölprodukte. Rückläu-<br />
fig waren die Kohletransporte. Sie haben sich zwischen 1960 <strong>und</strong> 2006 hal-<br />
biert. Die restlichen Gütergruppen haben einen leichten Anstieg erfahren.<br />
Beeindruckend ist <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> transportierten Stückgüter. Sie haben zwi-<br />
schen 1960 <strong>und</strong> 2006 erheblich zugenommen.<br />
Zum Güterstruktureffekt (mehr Stückgüter, weniger Massengüter) kommt hin-<br />
zu, dass die Güter je transportierter Einheit einen immer größeren Wert haben.<br />
Dieser Tatbestand wird Güterwerteffekt genannt. Dieses Charakteristikum be-<br />
schreibt das Ansteigen des Wertes je transportierter Tonne bzw. Volumenein-<br />
heit. Dadurch nimmt die Bedeutung <strong>der</strong> Transportkosten des Güterverkehrs<br />
ab, da die expandierenden Gütergruppen als weniger transportkostenemp-<br />
findlich gelten. Infolge von Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Produktion, <strong>der</strong> Substitution<br />
schwerer durch leichte Materialien <strong>und</strong> dem Trend zu technologieintensive-<br />
ren Produkten nimmt das Gütergewicht ab. Entsprechend nimmt auch <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Transportkosten an den Gesamtkosten <strong>der</strong> Güterproduktion <strong>und</strong> -<br />
verteilung ab.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 43<br />
Damit wird <strong>der</strong> Vorteil von Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff, aufgr<strong>und</strong> umfangreicher<br />
Transportmengen eine Kostendegression zu erreichen, relativiert, da die<br />
Transportkosten nunmehr eine eher begrenzte Rolle spielen <strong>und</strong> von daher<br />
die Angebotseigenschaften vor allem <strong>für</strong> einige auf Massengütertransporte<br />
angewiesene Branchen von Bedeutung sind.<br />
Aus dem Güterstruktureffekt <strong>und</strong> den spezifischen Systemeigenschaften <strong>der</strong><br />
Verkehrsträger ergibt sich, dass die Eisenbahn <strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> in<br />
stagnierenden <strong>und</strong> teilweise rückläufigen Gütergruppen operieren. 23 Gleich-<br />
wohl werden von Seiten <strong>der</strong> beiden Verkehrsträger Anstrengungen unter-<br />
nommen, ihre Anteile an Stückgütertransporten (insbeson<strong>der</strong>e containerisier-<br />
te) zu erhöhen.<br />
Im Jahre 2004 lag bei Gütern im Binnenwassertransport <strong>der</strong> Anteil<br />
an <strong>der</strong> Kohlebeför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> bei 85,1 %, <strong>der</strong><br />
23 Dies wird durchaus auch von <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> wahrgenommen. Exemplarisch dazu ei-<br />
ne Pressemitteilung: BDB-Tankree<strong>der</strong> sehen schwarz<br />
Bei <strong>der</strong> diesjährigen Versammlung <strong>der</strong> im BDB organisierten Tankree<strong>der</strong> bestimmten dunkle<br />
Wolken das Bild. Schwere Marktstörung, Mengenrückgang, extremer Ratenverfall, Personal-<br />
sorgen waren die bestimmenden Themen. Dr. Gunther Dr. Jaegers, gab anlässlich <strong>der</strong> 34.<br />
Tankree<strong>der</strong>versammlung des B<strong>und</strong>esverbandes <strong>der</strong> deutschen <strong>Binnenschifffahrt</strong> (BDB) einen<br />
wenig erfreulichen Jahresbericht.<br />
Milde Winter, immer sparsamere Autos <strong>und</strong> sinken<strong>der</strong> Heizölverbrauch sorgen bei den Tank-<br />
ree<strong>der</strong>n in Deutschland <strong>und</strong> Europa <strong>für</strong> schlechte Laune. Denn <strong>der</strong> Trend ist deutlich: „Auch<br />
wenn wir im letzten Jahr leicht (+ 2,85) zulegen konnten, in Zukunft werden wir uns mit weni-<br />
ger zufrieden geben müssen“, sagte <strong>der</strong> Vorsitzende <strong>der</strong> Dr. Jaegers. Besorgnis erregend sei<br />
auch <strong>der</strong> rapide Ratenverfall. Angesichts <strong>der</strong> ständig wachsenden Tankerflotte in Europa ist<br />
das keine große Überraschung, denn jedes Jahr kommen ca. 50 neue <strong>und</strong> große Doppelhül-<br />
lentanker (DHT) in Fahrt, während kaum alte Tonnage vom Markt verschwindet.<br />
In <strong>der</strong> Diskussion wurde die Dramatik <strong>der</strong> Situation schnell deutlich. "Müssen wir angesichts<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlich dramatischen Situation nicht von einer „schweren Marktstörung“ spre-<br />
chen?“, fragte Dr. Jaegers. Um eine genaueres Bild über die Situation zu erhalten, wurde ei-<br />
ne Umfrage in den Betrieben vorgeschlagen (Bonapart 2007).
44 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
<strong>der</strong> Erze <strong>und</strong> Metalle bei rd. 68,4 % <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anteil bei den Stück-<br />
gütern bei lediglich 13,2 %.<br />
Die Bahn konnte im Stückgutbereich zulegen, ansonsten weist sie, außer bei<br />
chemischen Erzeugnissen, fallende Transportaufkommen auf.<br />
Abb. 6: Güterverkehr <strong>der</strong> Eisenbahn in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; bis 1990 alte B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>;<br />
Aufkommen ausgewählter Gütergruppen.<br />
Quelle: Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000), S. 13<br />
Der Straßengüterverkehr hat in allen Güterbereichen zugelegt. Die Trans-<br />
portmengen fast aller Gütergruppen nehmen zu.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 45<br />
Abb. 7: Straßengüterverkehr in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland; bis 1990 alte B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>;<br />
Aufkommen ausgewählter Gütergruppen.<br />
Quelle: Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000), S. 14<br />
Somit ist hier ein wesentlicher <strong>und</strong> über lange Zeit recht stabiler Trend zu se-<br />
hen, <strong>der</strong> einen stetig wachsenden Anteil des Straßengüterverkehrs gegen-<br />
über einem kontinuierlichen Rückgang <strong>der</strong> Bahn <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
am Transportaufkommen beschreibt.<br />
Diese empirischen Beobachtungen lassen sich plausibel am Substitutionsef-<br />
fekt <strong>und</strong> dem Güterstruktureffekt i.V.m. dem Güterwerteffekt beschreiben.<br />
Erst in jüngster Zeit deutet sich wie<strong>der</strong>um eine gewisse Trendwende zu Guns-<br />
ten <strong>der</strong> Bahn an. 24<br />
Mo<strong>der</strong>ne Transportkonzepte wirken sich ebenfalls auf den Modal Split <strong>der</strong><br />
Verkehrsträger aus. Diese Auswirkungen werden Logistikeffekt genannt. Im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Umsetzung mo<strong>der</strong>ner logistischer Konzeptionen erhöhen sich die<br />
Ansprüche <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> an die Qualität sowohl <strong>der</strong> physikalischen Transport-<br />
24 Vgl. Abschnitt zur Mittelfristprognose
46 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
leistung (Terminsicherheit, Flexibilität) wie auch <strong>der</strong> kommunikativen Leistun-<br />
gen (rechnergestützte Informationssysteme).<br />
Objekte <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen logistischen Konzeption sind Konsum- <strong>und</strong> hochwerti-<br />
ge Investitionsgüter als Halb- <strong>und</strong> Fertigprodukte. Diese werden überwiegend<br />
in Teilladungen transportiert.<br />
Hier sind es die Systemeigenschaften <strong>der</strong> Verkehrsträger, die den Modal Split<br />
bei logistisch kritischen Aufgaben bestimmen. Der Straßengüterverkehr kann<br />
aufgr<strong>und</strong> seiner Qualitätseigenschaften (Haus-zu-Haus Lieferung, hohe Ver-<br />
fügbarkeit, hohe Flexibilität, Reaktionsgeschwindigkeit etc.) den Marktanfor-<br />
<strong>der</strong>ungen am besten gerecht werden. 25<br />
Dieser Systemvorteil des Straßengüterverkehrs soll hier exemplarisch am just-<br />
in-time Konzept illustriert werden. Das gr<strong>und</strong>legende Bestreben dieses Sys-<br />
tems ist <strong>der</strong> Abbau <strong>der</strong> Lagerkapazitäten bis hin zu einer vollständigen Ab-<br />
schaffung. Um diesen Zustand zu erreichen, verlangen die Produktionsbetrie-<br />
be von den Zulieferern, dass diese ihre Vorprodukte synchron zur Fertigung<br />
anliefern. Für den Empfänger steht das Interesse im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>, eine Liefe-<br />
rung genau zu einem vereinbarten Zeitpunkt zu erhalten, wobei <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Regel die Möglichkeit hat, den Transportvorgang über einen längeren<br />
Zeitraum hinaus zu planen, gegebenenfalls jedoch auch auf kurzfristige An-<br />
fragen reagieren muss. Wenn zu <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> zeitpunktgenauen Lie-<br />
ferung noch die hinzukommt, dass eine Belieferung innerhalb von 24 St<strong>und</strong>en<br />
nach <strong>der</strong> Bestellung zu erfolgen hat, ist <strong>der</strong> Lkw oft als einziges Verkehrsmittel<br />
in <strong>der</strong> Lage, diesen Anfor<strong>der</strong>ungen gerecht zu werden, da die Bahn auf-<br />
gr<strong>und</strong> ihrer geringen Netzbildungsfähigkeit i.d.R. keine Haus-zu-Haus-<br />
Beför<strong>der</strong>ung anbieten kann <strong>und</strong> notwendige Umschlagvorgänge die Trans-<br />
portzeiten verlängern. Das Binnenschiff scheidet bei diesen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
auch ohne Einbeziehung <strong>der</strong> notwendigen intermodalen Umschläge auf-<br />
gr<strong>und</strong> von Vor- <strong>und</strong> Nachläufen bereits wegen <strong>der</strong> geringen Transportge-<br />
schwindigkeit aus.<br />
25 Vgl. Aberle, G. (2003) S. 95
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 47<br />
Der Abbau des Transportlagers führt zudem dazu, dass kleinere Transport-<br />
mengen mit höheren Transportfrequenzen beför<strong>der</strong>t werden müssen, so dass<br />
die Transporteinheiten nicht mehr voll ausgelastet o<strong>der</strong> kleinere Transportge-<br />
fäße eingesetzt werden. Die <strong>der</strong>art produzierten Güter weisen demnach nur<br />
eine sehr geringe Binnenschiffsaffinität auf.<br />
1.2.4. Erhöhte Verkehrsleistung durch Integration<br />
Durch die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes, <strong>der</strong> Globalisierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Öffnung Osteuropas erhöht sich das Transportauf-<br />
kommen zusätzlich. Diesen Sachverhalt nennt man den Integrationseffekt.<br />
Dieser Effekt beschreibt eher eine allgemeine Steigerung des Gütertransport-<br />
aufkommens als Auswirkungen auf die Verkehrsträgerwahl.<br />
Aus dem reichhaltigen Instrumenteneinsatz 26 <strong>der</strong> Integration hat Deutschland<br />
einerseits als Exportland Nutzen ziehen können, an<strong>der</strong>erseits wird dieser Nut-<br />
zen mit erheblichen zusätzlichen Umweltbelastungen erkauft. Die zentrale<br />
Lage Deutschlands in Europa sowie die seit 1990 sich vollziehenden marktwirt-<br />
schaftlichen Umstrukturierungen <strong>und</strong> Liberalisierungen in den Län<strong>der</strong>n Osteu-<br />
ropas verstärkten diesen „Lageeffekt“ zusätzlich. Wesentliche Steigerungen<br />
im Transportaufkommen fallen auf den grenzüberschreitenden Verkehr. Hier-<br />
von profitiert <strong>der</strong> Straßengüterverkehr am meisten, <strong>der</strong> Schienenverkehr ist mit<br />
technischen Inkompatibilitäten beim Grenzüberschritt konfrontiert <strong>und</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> ist zum größeren Teil unpaarig (Empfang von Gütern aus<br />
dem Ausland liegt bei ca. 69,2 %). Der Transitverkehr hatte im Jahre 2006 ei-<br />
nen Anteil von 3,7 % am gesamten binnenländischen Verkehrsaufkommen<br />
<strong>und</strong> 15,8 % <strong>der</strong> binnenländischen Verkehrsleistung. 27<br />
26 Zollabbau, Beseitigung nichttariflicher Hemmnisse, diskriminierungsfreier Zugang zu Märkten<br />
<strong>für</strong> Produkte <strong>und</strong> Produktionsfaktoren<br />
27 Vgl. Aberle, G. (2003) S. 96 ff, BMVS (2007) S. 206,207 <strong>und</strong> 236,237
48 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Gütergruppe 1960 1970 1978 1990 2000 2004<br />
Land- u. forstwirt. Erzeugnisse 85,4 97,6 117,8 157,0 197,0 163,4<br />
Kohle 200,7 159,8 146,1 145,5 104,6 102,3<br />
Mineralölerzeugnisse 66,6 207,3 240,5 206,4 179,5 174,4<br />
Erze <strong>und</strong> Edelabfälle 83,8 105,0 94,4 96,1 116,7 99,6<br />
Eisen, Stahl <strong>und</strong> NE-Metalle 72,8 114,0 128,8 146,2 129,4 174,2<br />
Steine <strong>und</strong> Erden 815,3 1.494,5 1.544,5 1.596,0 1.674,1 1.414,9<br />
Düngemittel 24,1 31,4 27,7 20,5 36,7 35,1<br />
Chemische Erzeugnisse 67,0 196,8 227,9 291,4 265,3 257,0<br />
Fahrzeuge, Maschinen, Halb <strong>und</strong><br />
Fertigfabrikate<br />
125,7 210,9 298,5 451,8 510,1 574,3<br />
Tab. 3: Grenzüberschreiten<strong>der</strong> Güterverkehr 1960 bis 2004 in Mio. t<br />
Quellen: Aberle, G.(2003) S. 97; BMVBS (2005) S. 200-201<br />
1.3. Fazit<br />
Der Güterverkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten immens zugenom-<br />
men. Zunächst hat unbestritten das wirtschaftliche Wachstum dazu beige-<br />
tragen. Hinzu kommt eine zunehmende internationale wirtschaftliche Integra-<br />
tion, die u.a. zu einer zunehmenden Spezialisierung <strong>der</strong> Produktion beiträgt,<br />
wodurch auch die räumliche Distanz zwischen Versen<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Empfängern<br />
<strong>der</strong> Güter zunimmt.<br />
Damit verän<strong>der</strong>t sich auch die Güterstruktur <strong>der</strong> transportierten Güter (Güter-<br />
struktureffekt durch wirtschaftlichen Strukturwandel). Dies hat wie<strong>der</strong>um Ein-<br />
fluss auf die Nachfrage nach bestimmten Verkehrsträgern (Substitutionsef-<br />
fekt). Der Güterstruktureffekt verweist darauf, dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Stückgüter<br />
gegenüber den Massengütern zunimmt, mit an<strong>der</strong>en Worten, das Wachstum<br />
im Güterverkehr findet vor allem im Stückgut- bzw. Containerverkehr statt.<br />
Eng damit verb<strong>und</strong>en ist <strong>der</strong> Güterwerteffekt. Der Wert <strong>der</strong> transportierten<br />
Güter nimmt zu, wodurch zugleich die Bedeutung <strong>der</strong> Transportkosten ab-<br />
nimmt. Hat die <strong>Binnenschifffahrt</strong> vor allem bei den Massengütern einen Wett-<br />
bewerbsvorteil, da <strong>der</strong> Transport von Massengütern preissensibel ist, so gilt<br />
dies bei Stückgütern nicht o<strong>der</strong> nur sehr begrenzt, da hier weniger die Trans-<br />
portpreise als vielmehr die Transportqualität (Logistikeffekt) (u.a. Zeit, just-in-<br />
time) bestimmend sind.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 49<br />
Die genannten Effekte führen in <strong>der</strong> Summe zu einer wachsenden Bedeutung<br />
des Güterverkehrs per Lkw, während Güterverkehrsträger wie Bahn <strong>und</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt an dem Wachstum des Güterverkehrsmarktes nur begrenzt<br />
teilhaben können.
50 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
2. Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger<br />
2.1. Generelles zur Verkehrswertigkeit<br />
Verän<strong>der</strong>te Wirtschafts- <strong>und</strong> Konsumstrukturen führen zu einer Verän<strong>der</strong>ung<br />
des Modal Split zum einen <strong>und</strong> zu einem generellen Anstieg des Transportauf-<br />
kommens zum an<strong>der</strong>en.<br />
Mit <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> jeweiligen verkehrsträgerspezifischen Verkehrswertig-<br />
keiten wird auch deutlich, dass eine pauschale For<strong>der</strong>ung nach Verkehrsver-<br />
lagerungen von <strong>der</strong> Straße auf die Schiene <strong>und</strong> insb. auf die Wasserstraße zu<br />
kurz greift <strong>und</strong> nicht problemadäquat ist. 28<br />
Um eine konkrete Gütertransportnachfrage befriedigen zu können, reicht das<br />
Angebot einer reinen Ortsverlagerung eines Gutes nicht aus. Es müssen weite-<br />
re Kriterien berücksichtigt werden. Hierzu wurde das Konzept <strong>der</strong> Verkehrswer-<br />
tigkeit, also eines verkehrsträgerspezifischen Leistungsprofils entwickelt. Der<br />
Gr<strong>und</strong>gedanke ist hierbei, dass die Leistungsfähigkeit eines Verkehrsträgers<br />
o<strong>der</strong> Verkehrsmittels mehr ist, als das Verhältnis Tonnenkilometer zum Preis. Die<br />
Leistungsfähigkeit eines Verkehrssystems soll nach <strong>der</strong> Fähigkeit eines Ver-<br />
kehrsmittels beurteilt werden, eine Transportleistung mit bestimmten Qualitä-<br />
ten zu erbringen. Somit stellt die Verkehrswertigkeit einen Maßstab <strong>für</strong> die<br />
Qualität <strong>der</strong> Verkehrsleistung dar. Die einzelnen Qualitäten können als Teilwer-<br />
tigkeiten bezeichnet werden, die als Summe ein Qualitäts- o<strong>der</strong> Wertigkeits-<br />
profil eines Verkehrssystems o<strong>der</strong> eines Verkehrsmittels ergeben. 29<br />
Die Verkehrsträger Straßenverkehr, Schienenverkehr <strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
sollen im Folgenden nach bestimmten, festgelegten Kriterien (Teilwertigkeiten)<br />
untersucht werden:<br />
• Massenleistungsfähigkeit<br />
• Schnelligkeit<br />
• Fähigkeit zur Netzbildung<br />
• Berechenbarkeit<br />
28 Vgl. Dobischat (2002) S. 51<br />
29 Vgl. ebd. S. 52<br />
50
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 51<br />
• Häufigkeit <strong>der</strong> Verkehrsbedienung (Verfügbarkeit)<br />
• Sicherheit<br />
• Bequemlichkeit<br />
Die Massenleistungsfähigkeit beschreibt die Möglichkeit eines Verkehrsträgers<br />
Transporte mit großen Gütermengen zu einem möglichst geringen Preis<br />
durchzuführen.<br />
Unter Schnelligkeit wird die Fähigkeit eines bestimmten Verkehrsmittels o<strong>der</strong><br />
Verkehrsträgers verstanden, eine Transportleistung zu einem bestimmten Preis<br />
unterschiedlich schnell zu erbringen. Dazu zählt die ermittelte Durchschnitts-<br />
geschwindigkeit inklusive <strong>der</strong> zu erwartenden Wartezeiten.<br />
Mit <strong>der</strong> Netzbildung ist die Möglichkeit gemeint, Transporte ohne Umschlag<br />
auf an<strong>der</strong>e Verkehrsträger von <strong>der</strong> Quelle zum Ziel zu beför<strong>der</strong>n. Die Infrastruk-<br />
tur, die einem Verkehrsmittel zur Verfügung steht, bestimmt die Netzbildung.<br />
Zur Berechenbarkeit von Gütertransporten gehören Aspekte wie Abfahrtszeit,<br />
Fahrzeit <strong>und</strong> Ankunftszeit. Gerade dem Aspekt <strong>der</strong> Zuverlässigkeit kommt bei<br />
den Transportanfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> verladenden Wirtschaft eine zunehmende<br />
Bedeutung zu.<br />
Die Häufigkeit <strong>der</strong> Verkehrsbedienung (auch Verfügbarkeit o<strong>der</strong> Flexibilität<br />
genannt) bezeichnet die Fähigkeit <strong>der</strong> Verkehrsmittel, die nachgefragte Ver-<br />
kehrsleistung je<strong>der</strong>zeit erbringen zu können. Dies kann die Anpassungsfähig-<br />
keit in zeitlicher wie auch in mengenmäßiger Weise umfassen, d.h. kurzfristig<br />
artikulierte Bedarfe <strong>und</strong> Bedarfsän<strong>der</strong>ungen umsetzen zu können.<br />
Schließlich beschreibt die Bequemlichkeit, inwieweit Verkehrsmittel <strong>und</strong> Ver-<br />
kehrsträger in <strong>der</strong> Lage sind Verkehrsleistungen so zu erbringen, dass sie den<br />
Benutzern möglichst wenig Arbeit verursachen. Aspekte können transportsi-<br />
chere Verpackung, Bereitstellung benötigter Papiere, Organisation von Vor-<br />
<strong>und</strong> Nachläufen <strong>und</strong> dazugehörige Umschläge in mehrgliedrigen Transport-<br />
ketten sein.<br />
Die Transportleistungsqualität ist immer auf den Einzelfall bezogen zu analysie-<br />
ren, generelle Aussagen sind daher nur begrenzt möglich.
52 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
2.2. Verkehrswertigkeiten <strong>der</strong> Verkehrsträger im Einzelnen<br />
2.2.1. Straßengüterverkehr<br />
Der Straßengüterverkehr mit dem Güterverkehrsträger Lkw dominiert sowohl<br />
Verkehrsleistung als auch Verkehrsaufkommen. 30 Die Eigenschaften des Lkw<br />
können wie folgt charakterisiert werden:<br />
Massenleistungsfähigkeit. Der Straßengüterverkehr ist kein typisches Massen-<br />
guttransportmittel. Es ist kaum möglich große Mengen kostengünstig zu trans-<br />
portieren. Durch eine Beschränkung des zulässigen Gesamtgewichts ist die<br />
Nutzlast begrenzt. 31<br />
Schnelligkeit<br />
Schienen- <strong>und</strong> Straßengüterverkehre sind im Sinne <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Transportgeschwindigkeit in etwa gleich schnell. Jedoch weist <strong>der</strong> Straßengü-<br />
terverkehr weniger bis gar keine zeitaufwendigen Umschlagprozesse sowie<br />
keine Rangier- <strong>und</strong> Bereitstellungsvorgänge auf. Das reduziert die Transportzei-<br />
ten auf den reinen Transportvorgang. Das ist insbeson<strong>der</strong>e wichtig bei kurzen<br />
<strong>und</strong> mittleren Entfernungen. Ein herausragen<strong>der</strong> Vorteil ist seine Fähigkeit, den<br />
gesamten Transport im ungebrochenen Direktverkehr von Haus-zu-Haus an-<br />
bieten zu können.<br />
Netzfähigkeit<br />
Der Straßengüterverkehr weist durch ein sehr dichtes Verkehrsnetz im Ver-<br />
gleich zur Schiene <strong>und</strong> Wasserstraße die größte Netzfähigkeit auf. Das resul-<br />
tiert aus <strong>der</strong> beabsichtigten Erschließungsfunktion <strong>der</strong> Straße, die eine Anbin-<br />
dung an praktisch jedes Gr<strong>und</strong>stück ermöglichen soll. D.h., es ist praktisch je-<br />
de Adresse durch vollständige Flächenerschließung erreichbar.<br />
Berechenbarkeit<br />
Der Straßentransport ist klimatischen Verhältnissen in Form von Regen, Wind<br />
<strong>und</strong> Glatteis <strong>und</strong> Infrastrukturengpässen (Staus) stärker ausgesetzt als an<strong>der</strong>e<br />
Verkehrsmittel. Dennoch ist die Berechenbarkeit hoch. Ein heute hoher Kom-<br />
30 Vgl. hierzu <strong>und</strong> im Folgendem Dobischat (2002) S. 58 f.<br />
31 Bei 40 t zul. Gesamtgewicht beträgt die Nutzlast ca. 26 t
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 53<br />
munikationsstandard <strong>und</strong> damit eine gewisse Flexibilität hinsichtlich <strong>der</strong> Be-<br />
wältigung von Engpasssituationen beeinflussen die Berechenbarkeit positiv.<br />
Häufigkeit <strong>der</strong> Verkehrsbedienung<br />
Die Bedienungshäufigkeit des Straßengüterverkehrs ist sehr hoch. Er kann sei-<br />
nen Transportraum flexibel in <strong>der</strong> Fläche zur Verfügung stellen, ist an keine be-<br />
stimmten Verkehrsknoten geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ist auch an den Schnittstellen <strong>der</strong><br />
Be- <strong>und</strong> Entladung äußerst flexibel. Der Transport auf <strong>der</strong> Straße ermöglicht<br />
schnelle <strong>und</strong> individuelle Reaktionen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> <strong>und</strong> besitzt eine nahezu je-<br />
<strong>der</strong>zeit abrufbare Verkehrsleistung.<br />
Sicherheit<br />
Schäden am Gut entstehen durch Unfälle <strong>und</strong> unsachgemäßen Umgang.<br />
Das Unfallrisiko hat deutlich abgenommen 32 . Schäden durch unsachgemä-<br />
ßen Umgang entstehen beim Be- <strong>und</strong> Entladen <strong>und</strong> durch unzureichende La-<br />
dungssicherung.<br />
2.2.2. Schienengütertransport<br />
Der Schienengüterverkehr ist charakterisiert durch eine starke Bindung zwi-<br />
schen Infrastruktur <strong>und</strong> Verkehrsmittel. Teileinheiten des Netzes können nur von<br />
einem Zug gleichzeitig genutzt werden. Daher spricht man hier von „Alterna-<br />
tivproduktion“, einem „Entwe<strong>der</strong>-o<strong>der</strong>“: Entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Netzabschnitt wird <strong>für</strong><br />
den Personen- o<strong>der</strong> <strong>für</strong> den Güterverkehr genutzt, es existiert also eine Nut-<br />
zungskonkurrenz zwischen verschiedenen Verkehrsalternativen.<br />
Massenleistungsfähigkeit<br />
Sie ist im Vergleich zum Straßengüterverkehr hoch. Die jeweilige Tragfähigkeit<br />
von Güterwagen beträgt 25 bis 100 Tonnen. Bei einer technisch möglichen<br />
Gesamtlänge von Zügen von bis zu 700 Metern (entspr. 48 Güterwagons)<br />
kann ein sog. Ganzzug mindestens 1200 Tonnen Güter transportieren. Beein-<br />
trächtigende Faktoren <strong>der</strong> Massenleistungsfähigkeit können resultieren aus<br />
32 Fahrleistung hat sich seit 1970 verdoppelt, gleichzeitig ist die Unfallbeteiligung um 1/6 gesunken.<br />
Gründe: Verbesserte Sicherheit <strong>der</strong> Trägerfahrzeuge, diverse elektronische Unterstützung,<br />
Maßnahmen im Bereich <strong>der</strong> Infrastruktur
54 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
<strong>der</strong> eingeschränkten Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Schienenwege, <strong>der</strong> Bahnhöfe/<br />
Umschlaganlagen, des rollenden Materials <strong>und</strong> dem Umfang <strong>und</strong> <strong>der</strong> Qualifi-<br />
kation des Personals.<br />
Schnelligkeit<br />
Sie hängt direkt mit <strong>der</strong> Zusammenstellung <strong>der</strong> Züge ab, was bedeutet, dass<br />
zielreine Züge wesentlich schneller sind als diejenigen, die <strong>für</strong> bestimmte Teile<br />
<strong>der</strong> Strecke neu zusammengestellt werden müssen. Im Wesentlichen errei-<br />
chen Güterzüge eine Geschwindigkeit von 100 bis 160 km/h. Erwähnenswert<br />
ist, dass schnelle Nachtdirektverbindungen die durchschnittliche Transportge-<br />
schwindigkeit des Straßenverkehrs deutlich übertreffen.<br />
Netzbildung<br />
Sie ist abhängig vom Schienennetz <strong>und</strong> im Gegensatz zum Straßengüterver-<br />
kehr inzwischen deutlich geringer. Beim Schienenverkehr unterscheidet man<br />
ein Haupt- <strong>und</strong> ein Nebennetz. Das Hauptnetz ist ein geschlossenes System<br />
<strong>der</strong> wichtigsten Verbindungen, die bedeutende Verkehrszentren verbindet.<br />
Das Nebennetz fungiert als Zubringer zum Hauptnetz <strong>und</strong> zur allgemeinen Er-<br />
schließung von abgelegenen Verkehrsgebieten. Die Betriebslänge beträgt rd.<br />
36.500 km, wovon rd. 19.000 km elektrifiziert sind. Um die Leistungsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> Attraktivität des Schienenverkehrs zu steigern, verfolgt die Bahn eine sog.<br />
Strategie Netz 21: Entkopplung (Entmischung) schneller von langsamen Ver-<br />
kehren <strong>und</strong> Beitrag zum besseren Verkehrsflusses bei höherer Effizienz <strong>und</strong> ge-<br />
ringeren Betriebskosten.<br />
Berechenbarkeit<br />
Sollte durch Fahrplan- <strong>und</strong> Fahrtrassenbindung hoch sein. In <strong>der</strong> Praxis ist die<br />
Berechenbarkeit jedoch geringer als beim Straßengüterverkehr. Es treten im-<br />
mer wie<strong>der</strong> Verspätungen durch Engpässe in <strong>der</strong> Infrastruktur <strong>und</strong> im Perso-<br />
nalbedarf auf. Durch die oben erläuterte Alternativproduktion <strong>der</strong> Beförde-<br />
rungsleistung wird in <strong>der</strong> Regel auf Mischstrecken dem Personenverkehr bei<br />
Verzögerungen im Betriebsablauf vor dem Güterverkehr <strong>der</strong> Vorzug gege-<br />
ben.
Häufigkeit <strong>der</strong> Verkehrsbedienung<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 55<br />
Sie ist abhängig von den betrachteten Relationen. Auf den Hauptrelationen<br />
besteht eine hohe Frequenz des Transports, während Nebenstrecken seltener<br />
bedient werden. Zudem ist die Flexibilität <strong>der</strong> Bereitstellung von Transportraum<br />
im Gegensatz zum Straßengüterverkehr deutlich geringer, weil größere Vor-<br />
läufe zu berücksichtigen sind.<br />
Sicherheit<br />
Sie kann insgesamt als hoch klassifiziert werden. Schäden an transportierten<br />
Gütern treten deutlich seltener auf als beim Straßengüterverkehr. Am häufigs-<br />
ten treten Schäden bei Rangier- <strong>und</strong> Umladeprozessen auf.<br />
2.2.3. <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wird eindeutig vom Güterverkehr dominiert. Man unter-<br />
scheidet im Allgemeinen die Werksschifffahrt <strong>und</strong> die gewerbliche Schifffahrt.<br />
Die erste wird <strong>für</strong> eigene Zwecke eines Unternehmens durchgeführt, während<br />
die zweite von Speditionen durch Selbsteintritt o<strong>der</strong> von Transportunterneh-<br />
men durchgeführt wird. 33 Etwa 70% <strong>der</strong> Gütertransporte auf deutschen Bin-<br />
nenwasserstraßen werden mit Motorgüterschiffen durchgeführt. Sie dienen als<br />
Referenz bei Bestimmungen <strong>der</strong> Fahrrinnenbreite <strong>und</strong> Fahrrinnentiefe, bei den<br />
Schleusenabmessungen <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Bestimmung von Brückendurchfahrtshö-<br />
hen. Die restlichen 30% des Güterverkehrs auf Wasserstraßen werden durch<br />
Schubverbände beför<strong>der</strong>t.<br />
Massenleistungsfähigkeit<br />
Im Vergleich zur Schiene <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e zur Straße ist die Massenleistungs-<br />
fähigkeit <strong>der</strong> Binnenschiffe sehr hoch. Mo<strong>der</strong>ne Motorgüterschiffe können bis<br />
zu 2.500 t transportieren. Schubverbände mit einem Schubschiff <strong>und</strong> mehre-<br />
ren Leichtern bewegen sogar bis zu 16.000 t Güter.<br />
33 Vgl. §1 Abs. 1 GüKG
56 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Schnelligkeit<br />
Binnenschiffe haben unter allen Verkehrsmitteln die geringste Transportge-<br />
schwindigkeit. 34<br />
Jedoch ist die Transportgeschwindigkeit im Gegensatz zur Massenleistungsfä-<br />
higkeit <strong>und</strong> den Transportkosten bei Massengütern von geringer Bedeutung. In<br />
gewissem Umfang gilt dies auch <strong>für</strong> den Containertransport im Vor- <strong>und</strong><br />
Nachlauf zu Seehäfen, weil dieser Vor- <strong>und</strong> Nachlauf per Binnenschiff lediglich<br />
einen Bruchteil <strong>der</strong> gesamten Transportzeit ausmacht.<br />
Netzbildung<br />
Die Netzbildungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> ist auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> natürlichen<br />
Bedingungen begrenzt. Selten verfügen Versen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Empfänger über was-<br />
serseitige Umschlageinrichtungen, so dass von <strong>der</strong> Quelle zur Senke des<br />
Transports mindestens ein weiterer Verkehrsträger eingesetzt werden muss.<br />
Aber die geringe Netzdichte relativiert sich, wenn man bedenkt, dass immer-<br />
hin 56 von 80 deutschen Großstädten über einen Wasserstraßenanschluss ver-<br />
fügen. Somit ist ein Großteil <strong>der</strong> deutschen Ballungsräume <strong>für</strong> Gütertransporte<br />
per Binnenschiff erreichbar.<br />
Berechenbarkeit<br />
Die Berechenbarkeit kann bei normalen Witterungsbedingungen als hoch be-<br />
zeichnet werden. Die Prozesse des Klimawandels können allerdings diese Ein-<br />
schätzungen in <strong>der</strong> Perspektive deutlich verän<strong>der</strong>n. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ver-<br />
fügt über hohe Kapazitätsreserven <strong>und</strong> es kommt zu (fast) keinen Staus auf<br />
Wasserstraßen. Jedoch hat die <strong>Binnenschifffahrt</strong> mit Witterungsbedingungen<br />
zu kämpfen, wie Wasserstand, Eis, Nebel etc., was ihre Berechenbarkeit wie-<br />
<strong>der</strong>um deutlich begrenzt.<br />
Häufigkeit <strong>der</strong> Verkehrsbedienung<br />
Die Fähigkeit, eine Transportleistung zu je<strong>der</strong> Zeit erbringen zu können, muss<br />
bei <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> als gering eingestuft werden. Die Bereitstellung von<br />
Schiffsraum braucht lange Vorlaufzeiten <strong>und</strong> das Ladungsaufkommen muss<br />
entsprechend groß sein, damit <strong>der</strong> Gütertransport wirtschaftlich erfolgen<br />
34 In Kanälen: 5-10 km/h; in kanalisierten Flüssen: 10 km/h
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 57<br />
kann. Jedoch ist das Kriterium <strong>der</strong> Häufigkeit stark von Relationen abhängig.<br />
Beispielsweise steht im <strong>Elbe</strong>-Gebiet nur ein Container-Linien-Verkehr zur Verfü-<br />
gung, <strong>der</strong> mind. zweimal die Woche Abfahrten bereitstellt, bei entsprechen-<br />
<strong>der</strong> Nachfrage sind auch außerplanmäßige Fahrten möglich. Im Gr<strong>und</strong>satz<br />
wird damit deutlich, dass die Nachfrage nach entsprechenden Transporten<br />
offenbar begrenzt ist. Die Kapazitäten, die Containertransporte deutlich zu<br />
erhöhen, bestehen offenbar.<br />
Sicherheit<br />
Schäden am Gut sind in <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> eher gering. Diese hohe Sicher-<br />
heit hat mehrere Gründe: Wasserstraßen liegen zumeist nicht in unmittelbarer<br />
Nähe zu Wohnsiedlungen, Störungen durch an<strong>der</strong>e Verkehrsteilnehmer finden<br />
kaum statt, es bestehen kaum Risiken durch Querverkehr <strong>und</strong> durch Bauwer-<br />
ke, <strong>der</strong> Verkehrsfluss ist kontinuierlich in einer nahezu einheitlichen Verkehrsge-<br />
schwindigkeit.<br />
Beson<strong>der</strong>s gut eignet sich die <strong>Binnenschifffahrt</strong> dadurch zum Gefahrguttrans-<br />
port, außer <strong>für</strong> hochgiftige Chemikalien, weil das potenzielle Schadensaus-<br />
maß in einem Fließgewässer am höchsten ist.<br />
2.3. Anfor<strong>der</strong>ungen an den Gütertransport von Seiten <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong><br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> sind vielfältig <strong>und</strong> individuell. Generelle Aussa-<br />
gen sind von daher nur begrenzt möglich <strong>und</strong> müssen auf das jeweilige zu<br />
transportierende Gut bezogen werden. Folgende Aspekte werden in <strong>der</strong> Re-<br />
gel erwähnt:<br />
• Transportkosten<br />
• Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Pünktlichkeit (i. Allg. Terminsicherheit)<br />
• Geschwindigkeit<br />
• Regelmäßige Verfügbarkeit von Transportraum. Insb. Klein- <strong>und</strong> Gele-<br />
genheitsverla<strong>der</strong> lassen sich durch Linienverkehr erreichen<br />
• Ganzjährige Gewährleistung <strong>der</strong> Transportdurchführung (i. Allg. Trans-<br />
portkontinuität)<br />
• Potenzielle Transportdurchführbarkeit hat unmittelbaren Einfluss auf<br />
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, weil Unternehmen u. U. Auf-
58 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
träge nur annehmen können, wenn Transporte per Binnenschiff o<strong>der</strong><br />
Bahn durchführbar sind (weil aufgr<strong>und</strong> großer Abmessungen <strong>und</strong>/ o<strong>der</strong><br />
Gewichte <strong>der</strong> Transport mit Lkws nicht durchführbar ist)<br />
• Transportverfolgung mit technischen Informationshilfsmitteln<br />
Die PINE-Studie 35 aus dem Jahre 2004 hat eine Rangordnung speziell <strong>für</strong> die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> verladenden Wirtschaft <strong>für</strong> Binnenschiffstransporte zu-<br />
sammengestellt. 36<br />
Danach sind die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> in harte <strong>und</strong> weiche Faktoren<br />
<strong>der</strong> Verkehrsträgerwahl zu differenzieren.<br />
Dabei sind harte Faktoren rational nachvollziehbare Kostenaspekte bzw. –<br />
berechnungen <strong>und</strong> Qualitätsaspekte.<br />
Dagegen spiegeln weiche Faktoren eher individuelle Präferenzen <strong>der</strong> Verla-<br />
<strong>der</strong> gegenüber Verkehrsmitteln wi<strong>der</strong>. Dies können Gewohnheiten, aber auch<br />
Vorurteile, gebildete Meinungen <strong>und</strong>/ o<strong>der</strong> fehlendes Wissen bezüglich Alter-<br />
nativen sein. 37<br />
Die Studie hat eine Rangordnung <strong>der</strong> Einflussfaktoren <strong>für</strong> die Verkehrsmittel-<br />
wahl erarbeitet, die im Folgenden kurz dargestellt werden soll:<br />
Demnach ist das wichtigste übergeordnete Kriterium das Preis-<br />
Leistungsverhältnis 38 .<br />
Das wichtigste Qualitätskriterium ist die Zuverlässigkeit.<br />
35 Vgl. BCI et al. (2004) S. 13 Zu beachten ist dabei, dass es sich um eine Studie handelt, die<br />
explizit darauf orientiert war die Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auszuloten <strong>und</strong> Maßnahmenvorschläge<br />
zu entwickeln, die darauf abzielen sollten, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> gestärkt<br />
werden soll.<br />
36 Vgl. BCI et al. (2004)<br />
37 Dies mag einerseits auf Informationsmängel zurückzuführen sein, verweist aber auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite darauf, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> erhebliche Kommunikationsdefizite bzgl. ihrer<br />
Leistungsfähigkeit hat o<strong>der</strong> eben doch nicht in <strong>der</strong> Lage ist, die gefor<strong>der</strong>ten Qualitäten anzubieten.<br />
38 Relativierend ist bereits an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass das Preis-<br />
Leistungsverhältnis auch nur eine relative Größe darstellt: dieses variiert f<strong>und</strong>amental zwischen<br />
unterschiedlichen zu transportierenden Gütern (bspw. Kohle vs. Mikrochip).
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 59<br />
Des Weiteren wird die Fähigkeit <strong>der</strong> Anpassung an die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Industrie-Logistik, hohe Frequenz <strong>und</strong> kleine Sendungsgrößen, be-<br />
tont.<br />
Erfor<strong>der</strong>lich ist des Weiteren eine einfache Verfügbarkeit <strong>und</strong> gewisse Regel-<br />
mäßigkeit.<br />
Schließlich ist die Einbettung <strong>der</strong> Transportketten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Daraus folgt, dass gr<strong>und</strong>sätzliche Vorteile <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> – lt. Pine Stu-<br />
die ökonomische Effizienz, Verkehrssicherheit, ökologische Verträglichkeit – bei<br />
den Entscheidungsträgern zu wenig evident sind o<strong>der</strong> zumindest eine unter-<br />
geordnete Rolle spielen.<br />
Weiter wird betont, dass die Effizienz <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> eng verb<strong>und</strong>en ist<br />
mit <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Infrastruktur, den Transportmengen, den Sendungsgrößen<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Transportentfernung.<br />
Daraus lässt sich schließen, dass Binnenschifftransporte zustande kommen,<br />
wenn<br />
� die Infrastruktur kostengünstige Transporte zulässt<br />
� genügend Transportmenge zur Verfügung steht<br />
� gewünschte Sendungsgrößen berücksichtigt werden<br />
� <strong>der</strong> Hauptlauf über weite Strecken erfolgt.<br />
Wie bereits im Rahmen <strong>der</strong> Diskussion <strong>der</strong> Verkehrswertigkeit festgestellt, dür-<br />
fen die Verlagerungspotenziale nicht losgelöst von Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Pro-<br />
zessketten des Transports betrachtet werden. Die Integration <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt in die Logistikketten ist von den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> abhängig.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wird nur dann einbezogen, wenn sie diesen Anfor<strong>der</strong>un-<br />
gen genügen kann.
60 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
2.4. Bedeutung <strong>der</strong> Logistik – kombinierter Verkehr<br />
Eine Belieferung mit Gütern von <strong>der</strong> Quelle (Versen<strong>der</strong>, Verla<strong>der</strong>) bis zur Senke<br />
(Empfänger) wird mit <strong>der</strong> sog. Transportkette bezeichnet. 39<br />
Definiert ist eine Transportkette durch die räumlich-zeitliche Kopplung von Ver-<br />
sen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Empfänger durch ein o<strong>der</strong> mehrere Verkehrsmittel inkl. aller Ver-<br />
packungs-, Be-, Ent-, Umlade- <strong>und</strong> Informationsprozesse.<br />
Die einfachste Form <strong>der</strong> Transportkette ist die eingliedrige Form, auch als un-<br />
gebrochener Verkehr bezeichnet. Die Elemente dieser eingliedrigen Form sind<br />
<strong>der</strong> Versen<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Empfänger <strong>und</strong> das Transportmittel. Dabei berührt sie le-<br />
diglich zwei Schnittstellen: Einerseits die Beladung an <strong>der</strong> Quelle <strong>und</strong> die Ent-<br />
ladung an <strong>der</strong> Senke.<br />
Die mehrgliedrige Form <strong>der</strong> Transportkette ähnelt <strong>der</strong> Charakteristik <strong>der</strong> ein-<br />
gliedrigen Form, jedoch mit mindestens einem zusätzlichen Umschlagvorgang<br />
zwischen zwei Verkehrsmitteln, wobei nicht zwingend ein Verkehrsträger-<br />
wechsel stattfinden muss.<br />
Die mehrgliedrige Form <strong>der</strong> Transportkette wird weiter unterteilt in gebroche-<br />
ne Verkehre <strong>und</strong> kombinierte Verkehre. Beide Begriffe werden vielfach syn-<br />
onym verwendet.<br />
Kombinierter Verkehr ist gekennzeichnet durch Beför<strong>der</strong>ung von Gütern in La-<br />
deeinheiten mit mehreren Transportmitteln o<strong>der</strong> mehreren Verkehrsträgern,<br />
wobei <strong>der</strong> Übergang <strong>der</strong> Güter ohne einen Wechsel des Transportgefäßes er-<br />
folgt. Dabei muss nicht zwangsläufig ein Verkehrsträgerwechsel erfolgen,<br />
son<strong>der</strong>n bspw. <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Container.<br />
Eine weitere Form <strong>der</strong> mehrgliedrigen Transportketten ist <strong>der</strong> multimodale Ver-<br />
kehr. Hierbei sind in <strong>der</strong> kombinierten Transportkette zwingend mindestens<br />
zwei verschiedene Verkehrsträger beteiligt. Definieren kann man sie als Trans-<br />
portkette, die vom Versen<strong>der</strong> über verschiedene Transportsysteme bzw. Ver-<br />
kehrsträger zum Empfänger führt. Das Ziel des kombinierten Verkehrs ist es,<br />
39 Dieser Abschnitt lehnt sich an LUB (2002) S. 67 – 70 an
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 61<br />
Transporte, die bisher im reinen Straßentransport durchgeführt werden, zu-<br />
mindest auf Teilstrecken auf die Bahn o<strong>der</strong> das Binnenschiff zu verlagern.<br />
Um den kombinierten Verkehr rationell abwickeln zu können, bedarf es einer<br />
technischen Integration <strong>der</strong> unterschiedlichen Verkehrssysteme entlang <strong>der</strong><br />
Transportkette, insb. einer <strong>Stand</strong>ardisierung <strong>der</strong> Ladeeinheit.<br />
Ansatzpunkte zur Vereinheitlichung sind in technischen, organisatorischen,<br />
preispolitischen <strong>und</strong> rechtlichen Bereichen zu suchen:<br />
� Technisch: Ladeeinheiten, Umschlaggeräte, Trägerfahrzeuge<br />
� Organisatorisch: Abstimmung <strong>der</strong> Fahrpläne, informationstechnische<br />
Verknüpfungen<br />
� Preislich: die gesamte Kette umfassende Haus-zu-Haus Preise<br />
� Rechtlich: Vereinheitlichung von Haftungsgr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Ver<br />
tragstypen<br />
Die Merkmale des Kombinierten Verkehrs lassen sich so zusammenfassen:<br />
Im Wesentlichen geht es in erster Linie um standardisierte Ladeeinheiten,<br />
Schnittstellen zwischen Verkehrssystemen <strong>und</strong> um standardisierte Verkehrsmit-<br />
tel.<br />
Hinzu tritt das zwingende Kriterium eines mindestens einmaligen Wechsels <strong>der</strong><br />
Verkehrsträger ohne Aufbruch <strong>der</strong> Ladeeinheit. Als Ladungseinheit kommen<br />
palettierte, in Behälter verstaute <strong>und</strong> im Huckepack- <strong>und</strong> RoRo-Verkehr be-<br />
för<strong>der</strong>te Güter in Betracht, wobei palettierte Güter wohl die ungeeignetste<br />
Ladeeinheit bilden.<br />
Als kombinierter Verkehr werden insbeson<strong>der</strong>e Transportketten unter Einschluss<br />
<strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
� Straßengüter- <strong>und</strong> Bahngüterverkehre<br />
� Straßengüter-, Binnenschiff- <strong>und</strong> Seeschiffverkehre<br />
gesehen.
62 | U. PETSCHOW & W. WLODARSKI<br />
Im Vor- <strong>und</strong> Nachlauf ist es bedeutsam, dass sämtliche Quellen <strong>und</strong> Senken<br />
erschlossen werden, damit die Fähigkeit zur Flächenerschließung <strong>und</strong> Flexibili-<br />
tät etabliert werden. Hier bietet sich <strong>der</strong> LKW an.<br />
Auf dem Hauptlauf, auf dem gebündelt wird, ist vielfach eine hohe Massen-<br />
leistungsfähigkeit von hoher Bedeutung. Hier bieten sich die Bahn <strong>und</strong> das<br />
Binnenschiff an. Zeit- <strong>und</strong> Kostennachteile, die durch zusätzliche Umschlag-<br />
vorgänge entstehen, müssen durch (Kosten-) Vorteile auf dem Hauptlauf<br />
kompensiert werden.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sind kombinierte Verkehre umso vorteilhafter, je länger die<br />
Hauptstrecke ist.<br />
Abb. 8: Schematische Darstellung des gebrochenen bzw. kombinierten Verkehrs <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Quelle: BDB (2009)<br />
In <strong>der</strong> Regel ist die <strong>Binnenschifffahrt</strong> nicht losgelöst von <strong>der</strong> Kombination mit<br />
an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern zu sehen, denn in den seltensten Fällen werden Gü-<br />
ter nur vom Binnenschiff transportiert. Der Grenzfall, dass Versen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Emp-<br />
fängerhafen ansässige Unternehmen bilden, wird eher die Ausnahme bilden.<br />
Somit ist ein Erfolg o<strong>der</strong> Misserfolg <strong>der</strong> Binnenschifftransporte immer in Verbin-<br />
dung mit einer Transportkette zu sehen.<br />
2.5. Fazit<br />
Die unterschiedlichen Güterverkehrsträger, also Lkw, Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt, verfügen über sehr unterschiedliche Angebotseigenschaften, die als<br />
Verkehrswertigkeit bezeichnet werden. Kriterien <strong>für</strong> die Verkehrswertigkeit sind<br />
dabei u.a. Netzbildungsfähigkeit, Schnelligkeit <strong>und</strong> Massenleistungsfähigkeit.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 63<br />
Wie bereits im Abschnitt zu den Dynamiken des Güterverkehrsmarktes deut-<br />
lich wurde, nimmt die Bedeutung <strong>der</strong> Massenleistungsfähigkeit ab. Die Bedeu-<br />
tung <strong>der</strong> Netzbildungsfähigkeit nimmt hingegen deutlich zu, nicht zuletzt auf<br />
Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Dezentralisierung <strong>der</strong> Unternehmensstandorte. Damit kommt insbe-<br />
son<strong>der</strong>e die Netzbildungsfähigkeit des Güterverkehrsträgers LKW zur Geltung.<br />
Die Bahn, <strong>und</strong> in noch viel stärkerem Maße die <strong>Binnenschifffahrt</strong> verfügen nur<br />
in begrenztem Umfang über die Netzbildungsfähigkeit (bei <strong>der</strong> Bahn ist dies<br />
nicht zuletzt eine Konsequenz <strong>der</strong> Streckenstilllegungen <strong>und</strong> dem Abbau von<br />
Werksanschlüssen). Dies bedeutet in <strong>der</strong> Folge, dass die Bahn <strong>und</strong> das Binnen-<br />
schiff in <strong>der</strong> Regel zusätzliche (kostenintensive) Umschlagsvorgänge erfor<strong>der</strong>-<br />
lich machen. Im Zusammenhang mit dem Güterwerteffekt wird auch deutlich,<br />
dass die Präferierung des Lkws, unter den gegebenen Rahmenbedingungen,<br />
letztlich harte ökonomische Gründe hat. Die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> an<br />
den Gütertransport spiegeln eben diese Verän<strong>der</strong>ungen wi<strong>der</strong>.<br />
Für die <strong>Binnenschifffahrt</strong> bedeutet dies, dass sie im Wesentlichen in traditionel-<br />
len Marktsegmenten (Massengüter) eine Rolle spielt <strong>und</strong> in den Bereichen, in<br />
denen Bündelungen des Güterverkehrs möglich sind (wie bspw. am Rhein),<br />
über den <strong>der</strong> Hinterlandverkehr <strong>der</strong> Seehäfen zu wichtigen Industriezentren<br />
abgewickelt werden kann. Dies ist auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nur sehr begrenzt <strong>der</strong> Fall, zu-<br />
mindest in Relation zu den Transportvolumina <strong>der</strong> Rheintransporte.<br />
Im Kontext des kombinierten Verkehrs können die Verkehrsträger Bahn <strong>und</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> eine durchaus wichtige Rolle spielen, indem die Stärken <strong>der</strong><br />
beiden Verkehrsträger genutzt werden. Allerdings ist darauf zu verweisen,<br />
dass durch die zusätzlichen Umschlagsvorgänge erhebliche zusätzliche Trans-<br />
portkosten (<strong>und</strong> Zeitkosten) verursacht werden, die <strong>der</strong> Realisierung des kom-<br />
binierten Verkehrs entgegenstehen. Politische Ansätze versuchen den kombi-<br />
nierten Verkehr zu för<strong>der</strong>n, indem entsprechende Schnittstellen geför<strong>der</strong>t<br />
werden. In <strong>der</strong> Summe sind die Erfolge <strong>der</strong> Politikstrategie „För<strong>der</strong>ung des<br />
kombinierten Verkehrs“ bislang sehr begrenzt.
64 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
3. Prognosen des zukünftigen Gütertransports<br />
3.1. Studien zur Vorbereitung des B<strong>und</strong>esverkehrswegeplans<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> vorlaufenden Studien zur Vorbereitung des B<strong>und</strong>esverkehrs-<br />
wegeplans wurde von den beauftragten <strong>Institut</strong>en prognostiziert, dass <strong>der</strong><br />
Güterverkehr bis zum Jahre 2015 um bis zu 64% zunehmen wird. Die Verkehrs-<br />
leistung wird demnach bis 2015 vermutlich rd. 600 Mrd. tkm betragen. 40 2004<br />
lag die Verkehrsleistung bei 380,4 Mrd. tkm. 41<br />
Im Verkehrsbericht 2000 des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>für</strong> Verkehr, Bauen <strong>und</strong> Woh-<br />
nen (BMVBW) wurde diese Prognose vorgestellt <strong>und</strong> zugleich auf die Verlage-<br />
rungspotenziale verwiesen, insbeson<strong>der</strong>e wurde auf die freien Kapazitäten<br />
<strong>der</strong> Binnen- <strong>und</strong> Küstenschifffahrt hingewiesen.<br />
Die Prognosen des Güterfernverkehrs geben ein Gesamtwachstum zwischen<br />
1997 <strong>und</strong> 2015 um 64,1% auf 608 Mrd. tkm an. Im Verkehrsbericht wurden drei<br />
unterschiedlichen Szenarien entwickelt, die in <strong>der</strong> Folge kurz dargestellt wer-<br />
den:<br />
• Laisser-faire-Szenario: es wird unterstellt, dass die B<strong>und</strong>esregierung keine<br />
verkehrspolitischen Maßnahmen zur Verän<strong>der</strong>ung des Status quo<br />
1997/1998 unternimmt<br />
• Überfor<strong>der</strong>ungsszenario: es wird eine drastische Kostenbelastung <strong>der</strong><br />
Sektoren Straße (sowohl Personen- als auch Güterverkehr) <strong>und</strong> Luftver-<br />
kehr angenommen (Anlastung <strong>der</strong> Nutzerkosten durch Road Pricing);<br />
Überfor<strong>der</strong>ung bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die gesamt-<br />
gesellschaftliche Akzeptanz<br />
• Integrationsszenario: ökonomische, ökologische <strong>und</strong> soziale Anforde-<br />
rungen an die Verkehrspolitik sollen soweit wie möglich in Übereinstim-<br />
mung gebracht werden <strong>und</strong> die extremen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> vorge-<br />
nannten Szenarien sollen vermieden werden; mit Hilfe einer bis 2015 auf<br />
0,20 €/km ansteigenden Straßennutzungsgebühr <strong>für</strong> Lkw kann ein Teil<br />
des Verkehrszuwachses von <strong>der</strong> Straße auf Schiene <strong>und</strong> Wasserstraße<br />
40 Vgl. BMVBW (2000) S. 10<br />
41 Vgl. BMVBS (2005) S. 253
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 65<br />
verlagert werden; das Integrationsszenario wird den weiteren Überle-<br />
gungen <strong>der</strong> BVWP-Überarbeitung zugr<strong>und</strong>e gelegt<br />
Unter Verwendung dieser drei Szenarien wurden folgende Werte <strong>für</strong> die Ver-<br />
kehrsleistung 2015 <strong>für</strong> die einzelnen Verkehrsträger prognostiziert.<br />
Tab. 4: Verkehrsleistungen im Modal Split im Güterverkehr, Prognose bis 2015 (Basisjahr 1997)<br />
Quelle: BMVBW (2000) S. 61<br />
In dieser tabellarischen Darstellung sind die Verkehrsleistungen <strong>der</strong> einzelnen<br />
Verkehrsträger <strong>für</strong> 1997 <strong>und</strong> 2015 (im Integrations-Szenario) sowie die Modal<br />
Split Anteile <strong>für</strong> alle drei Szenarien angegeben.<br />
Dem Gesamtgüteraufkommen wurde damit <strong>für</strong> alle drei Szenarien ein Zu-<br />
wachs um insgesamt 64,1% auf 608 Mrd. tkm prognostiziert. In Abhängigkeit<br />
vom jeweiligen Szenario kann die Bahn ihren Modal split Anteil teilweise er-<br />
heblich steigern. Für die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wurde ebenfalls eine Zunahme <strong>der</strong><br />
Verkehrsleistung um 42% prognostiziert, es ist jedoch festzustellen, dass dies zu<br />
keiner Verän<strong>der</strong>ung des Anteils an <strong>der</strong> Gesamttransportleistung führte. Nach<br />
diesen Szenarien würde zwar ein Teil des Güterverkehrswachstums <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt zu Gute kommen, eine Entlastung an<strong>der</strong>er Güterverkehrsträger<br />
würde damit nicht erfolgen. 42<br />
Inwieweit die Prognosen realitätsnah sind erscheint zudem zweifelhaft, da im<br />
Gr<strong>und</strong>satz von einem Trendbruch ausgegangen wird. Die prognostizierten Da-<br />
ten des Integrationsszenarios, welches die Orientierungsgröße <strong>der</strong> Verkehrspo-<br />
litik darstellt, weisen <strong>für</strong> den Lkw-Verkehr eine unterdurchschnittliche Steige-<br />
42 Die mögliche Argumentation, sonst würden die per Binnenschiff transportierten Güter mit<br />
an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern durchgeführt werden, überzeugt insofern nicht als die Verkehrswertigkeit<br />
berücksichtigt werden muss.
66 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
rung <strong>der</strong> Transportleistung um ca. 17% aus. Diese Zahlen erscheinen fragwür-<br />
dig unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Tatsache, dass <strong>der</strong> Straßengüterverkehr im<br />
Vergleichszeitraum 1990 bis 2000 seine Transportleistung um nahezu das zehn-<br />
fache des prognostizierten Wertes von 2000 bis 2015 erhöhte.<br />
Im Vergleich zu 2008 steigt die Verkehrsleistung bis 2015 demnach bei <strong>der</strong><br />
Straße deutlich, während die Steigerungen <strong>der</strong> Schiene <strong>und</strong> <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt im Vergleich zum Wachstum des Straßengüterverkehrs nur mäßig ausfällt.<br />
3.2. Mittelfristige Prognosen zum Güterverkehr <strong>der</strong> BVU<br />
Die Entwicklungen des Güterverkehrs werden im Auftrag des BMBVS von <strong>der</strong><br />
BVU kontinuierlich beobachtet. Zudem werden Mittelfristprognosen fortge-<br />
schrieben.<br />
Die folgende Tabelle <strong>und</strong> die folgende Grafik zeigen die aktuellen Dynamiken<br />
des Güterverkehrs auf.<br />
Tab. 5: Entwicklung <strong>der</strong> modalen Güterverkehrsleistung (in Mrd. tkm.; % p.a)<br />
Quelle: BVU et al. (2009) S. 22
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 67<br />
Abb. 9: Entwicklung <strong>der</strong> jährlichen modalen Verän<strong>der</strong>ungsraten <strong>der</strong> Güterverkehrsträger zwischen<br />
2005 <strong>und</strong> 2009<br />
Quelle: BVU et al. (2009) S. 24<br />
Wie aus Abb. 9 hervorgeht konnte <strong>der</strong> Gütertransport per Bahn im Zeitraum<br />
2005-2007 deutlich zulegen <strong>und</strong> übertraf sogar das Wachstum des Güter-<br />
transports per Lkw deutlich. Der Gütertransport per Binnenschiff stagnierte<br />
hingegen. Der Einbruch im Jahre 2008 betraf alle Verkehrsträger in besonde-<br />
rem Maße allerdings die <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
Es ist bemerkenswert bzgl. <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> vergangenen Jahre, die aktuell<br />
durch die wirtschaftliche Krise überdeckt wird, dass die Bahn zulegen konnte.<br />
Nun kann über diesen kurzen Zeitraum noch nicht von einer Trendwende ge-<br />
sprochen werden, gleichwohl ist dies ein beachtenswertes Ergebnis.<br />
Die Einflüsse auf den Modal Split sind vielfältig, BVU et al. (2007) verweisen u.a.<br />
auf folgende Faktoren, die da<strong>für</strong> ursächlich gewesen sein könnten:<br />
� Steigerungen <strong>der</strong> Kraftstoffpreise <strong>und</strong> Mauteinführung<br />
� Starkes Wachstum des Seehafen Hinterland-Verkehrs (schienenaffin;<br />
lange Transportstrecken)
68 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
� Gewisse Verlagerungen des Verkehrs (Transitverkehre in Deutschland<br />
werden reduziert, um die Kostenbelastung durch die Maut zu vermei-<br />
den)<br />
� Ausnutzung <strong>der</strong> Rationalisierungspotenziale (Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Leerfahr-<br />
ten) sowie organisatorische Verän<strong>der</strong>ungen<br />
Die Entwicklung des Modal Split im Bereich über 50 km, wie sie in <strong>der</strong> folgen-<br />
den Tabelle dargestellt wird, verdeutlicht, dass die gr<strong>und</strong>sätzlichen Verhältnis-<br />
se <strong>und</strong> Dynamiken des Modal Split, gemäß <strong>der</strong> Mittelfristprognose, sich nicht<br />
wesentlich än<strong>der</strong>n. Allerdings erwartet die Prognose einen doch deutlichen<br />
Rückgang des Anteils des Binnenschiffs.<br />
Abb. 10: Modal Split Anteile <strong>der</strong> Landverkehrsträger nach <strong>der</strong> Verkehrsleistung (Straße: nur<br />
Verkehr größer 50 km)<br />
BVU (2009) S. 26<br />
Die Transportmenge ist in den vergangenen Jahren nur schwach gewachsen,<br />
deutlich stärker haben die Transportentfernungen zugenommen <strong>und</strong> damit<br />
auch die Transportleistung 43 .<br />
Mit <strong>der</strong> Zunahme <strong>der</strong> Transportentfernungen ist aber auch verb<strong>und</strong>en, dass<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Bahn, aber auch das Binnenschiff, zumindest potenziell an<br />
43 Vgl. BVU (2006) S. 21
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 69<br />
Bedeutung gewinnen könnten, da es gerade die langen Strecken sind, auf<br />
denen sie ihre Vorteile ausspielen könnten.<br />
Die Einführung <strong>der</strong> Maut <strong>und</strong> die (zeitweilige) Erhöhung <strong>der</strong> Kraftstoffpreise<br />
haben nicht zu einer wesentlichen Begrenzung des Lkw-Verkehrs geführt <strong>und</strong><br />
Verkehrsverlagerungen sind ebenfalls nur begrenzt festzustellen. Im besten<br />
Fall könnten gewisse Verlagerungen auf die Bahn unterstellt werden, eine Ver-<br />
lagerung auf das Binnenschiff ist allerdings in keinem Fall zu erkennen.<br />
3.2.1. Progtrans Studie: Abschätzung <strong>der</strong> langfristigen Entwicklung des Güter-<br />
verkehrs in Deutschland bis 2050<br />
Ziel <strong>der</strong> Studie 44 war es die langfristige Entwicklung des Güterverkehrs abzu-<br />
schätzen. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Probleme, langfristige Entwicklungen<br />
„voraussagen“ zu können, wurde keine Prognose erstellt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> deutlich<br />
weichere Begriff „Abschätzung“ genutzt.<br />
Die Darstellung dieser Studie erfolgt im Wesentlichen deshalb, weil mit dieser<br />
Abschätzung zugleich Aussagen darüber generiert werden können, welche<br />
Einschätzungen relevante Experten im Heute über die Dynamik des Güterver-<br />
kehrsmarktes haben <strong>und</strong> welche Entwicklungen des Modal Split erwartet<br />
werden. Dies ist in diesem Kontext vor allem <strong>für</strong> die Einschätzung <strong>der</strong> Bedeu-<br />
tung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> wichtig.<br />
Die Darstellung erfolgt entlang <strong>der</strong> Untersuchung. Zunächst werden die<br />
Gr<strong>und</strong>annahmen dargestellt: Welche Entwicklungsdynamiken existieren, wel-<br />
che dieser Entwicklungsdynamiken haben einen wesentlichen Einfluss auf die<br />
Güterverkehrsentwicklung, welche Stellgrößen existieren bzgl. <strong>der</strong> Güterver-<br />
kehrsentwicklung <strong>und</strong> wie wirken sich die Stellgrößen auf die Güterverkehrs-<br />
44 Vgl. Progtrans (2007): Abschätzung <strong>der</strong> langfristigen Entwicklung des Güterverkehrs in<br />
Deutschland bis 2050. Schlussbericht im Auftrag des BMVBS
70 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
entwicklung aus, wobei hier vor allem die Wirkungen auf den Modal Split dar-<br />
gestellt werden.<br />
In <strong>der</strong> Folge werden einige Teilaspekte <strong>der</strong> Einflussfaktoren <strong>und</strong> Stellgrößen in<br />
ihren Wirkungen auf den Güterverkehr <strong>und</strong> den Modal Split dargestellt, bevor<br />
die Ergebnisse <strong>der</strong> Abschätzung, die Güterverkehrsentwicklung <strong>und</strong> die Ent-<br />
wicklung des Modal Split dargestellt wird.<br />
Entwicklungsdynamiken, Einflussbereiche, Stellgrößen des Szenarios<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Szenario-Entwicklung wurden die sozio-ökonomischen, ver-<br />
kehrspolitischen <strong>und</strong> logistischen Perspektiven mit einbezogen sowie u.a. die<br />
Globalisierungstendenzen. Im Gr<strong>und</strong>satz wird davon ausgegangen, dass kei-<br />
ne wesentlichen Brüche zu erwarten sind, mithin die bestehenden Entwick-<br />
lungsdynamiken fortbestehen. Erwartet wird, dass die Verkehrspolitik (Entgelte<br />
<strong>für</strong> die Nutzung <strong>der</strong> Verkehrswege) <strong>und</strong> die Umweltpolitik einen zunehmenden<br />
Einfluss auf den Verkehr haben werden. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Straßengüterver-<br />
kehr wird verteuert. Bzgl. <strong>der</strong> Infrastruktur wird davon ausgegangen, dass die<br />
geplanten Projekte im Rahmen von BVWP <strong>und</strong> TEN umgesetzt werden.<br />
Die Annahmen zu den künftigen Entwicklungen haben jeweils unterschiedli-<br />
che Wirkungen auf den erwarteten Modal Split. In <strong>der</strong> Summe kommt die Stu-<br />
die zu dem folgenden Ergebnis:<br />
3.2.1.1. Entwicklung des Güterverkehrsaufkommens nach Modi<br />
Straßengüterverkehr<br />
Der Straßengüterverkehr gibt bis 2050 etwas mehr als 1 Prozentpunkt am auf-<br />
kommensbezogenen Modal Split ab (nach 2030).<br />
In den grenzüberschreitenden Hauptverkehrsrelationen wird <strong>der</strong> LKW mehr als<br />
die doppelte Nachfragemenge erwarten können, im Durchgangsverkehr ist<br />
eine Verdreifachung zu erwarten.
Bahn<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 71<br />
Die Bahn wird am stärksten vom Zuwachs <strong>der</strong> Gesamtmenge profitieren mit<br />
einem Plus von 2 Prozentpunkten am aufkommensbezogenen Modal Split. Sie<br />
gewinnt insbeson<strong>der</strong>e im Binnenverkehr <strong>und</strong> im grenzüberschreitenden Ver-<br />
kehr (u.a. durch Containerisierung <strong>und</strong> Zunahme intermodaler Verkehre)<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wird ihren Anteil an <strong>der</strong> gesamten Transportmenge hal-<br />
ten können. Dahinter steht dann eine absolute Zunahme um mehr als die<br />
Hälfte <strong>der</strong> heute auf den Wasserstraßen beför<strong>der</strong>ten Gütermenge. Diese wird<br />
bis 2030 mit 1,1 % pro Jahr wachsen <strong>und</strong> danach mit 0,6%.<br />
Rückgänge in den Massengutabteilungen „Erdöl, Mineralölerzeugnisse <strong>und</strong><br />
Gase“ sowie „Steine <strong>und</strong> Erden“ können durch Zunahmen bei den „festen<br />
mineralischen Brennstoffen“ <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e den „Fahrzeugen, Maschinen,<br />
Halb- <strong>und</strong> Fertigprodukten“ kompensiert werden.<br />
In <strong>der</strong> Summe fallen die Verän<strong>der</strong>ungen innerhalb des Modal Split beim Gü-<br />
terverkehrsaufkommen nicht beson<strong>der</strong>s groß aus. Umverteilungen werden in<br />
Höhe von 2 Prozentpunkten bis 2050 erwartet, so dass keine signifikanten<br />
Neuaufteilungen <strong>der</strong> Transportmenge auf die einzelne Verkehrsträger zu ver-<br />
zeichnen sein wird.<br />
3.2.1.2. Entwicklung <strong>der</strong> Güterverkehrsleistung nach Modi<br />
Straßengüterverkehr<br />
Straßengüterverkehr: es werden doppelt so viele Tonnenkilometer geleistet<br />
werden wie heute (Wachstum 1,75 % p.a.) Damit wird <strong>der</strong> Modal Split des<br />
Lkws um 2 Prozentpunkte anwachsen.<br />
Bahn<br />
Schienengüterverkehr: Hier kommt es zur höchsten Zunahme <strong>der</strong> Verkehrsleis-<br />
tung. Die per Bahn transportierten Tonnenkilometer werden sich demnach<br />
verdoppeln <strong>und</strong> 2 Prozentpunkte am leistungsbezogenen Modal Split zulegen.
72 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>: im leistungsbezogenen Modal Split wird die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
ihren Anteil nicht halten können.<br />
Zusammenfassung<br />
Die Studie unternimmt eine Abschätzung <strong>der</strong> Güterverkehrsentwicklung bis<br />
zum Jahre 2050. Die Autoren weisen darauf hin, dass entsprechende Ab-<br />
schätzungen mit hohen Unsicherheiten verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Die Studie geht nicht davon aus, dass es zu Entwicklungsbrüchen kommt,<br />
son<strong>der</strong>n dass es sich im Wesentlichen um eine Weiterentwicklung <strong>der</strong> bisheri-<br />
gen Trends handelt. Es wird des Weiteren unterstellt, dass die geplanten Infra-<br />
strukturmaßnahmen realisiert werden <strong>und</strong> bspw. auch das För<strong>der</strong>programm<br />
NAIADES (Integriertes Europäisches Aktionsprogramm <strong>für</strong> die Binnenschiff-<br />
fahrt) 45 <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> realisiert wird.<br />
In <strong>der</strong> Summe wird mit einem deutlichen Verkehrswachstum gerechnet, so-<br />
wohl im Hinblick auf die Güterverkehrsmenge <strong>und</strong> die Güterverkehrsleistung:<br />
� Das Güterverkehrsaufkommen wird von heute 3,7 Mrd. Tonnen auf fast<br />
5,5 Mrd. Tonnen (2050) ansteigen<br />
� Die Güterverkehrsleistung wird von heute 600 Mrd. Tonnenkilometer auf<br />
mehr als 1200 Mrd. Tonnenkilometer ansteigen<br />
In Hinblick auf den Modal Split werden nur geringe Verän<strong>der</strong>ungen erwartet<br />
(Verschiebung um ca. 3 Prozentpunkte).<br />
Die Bahn wird dabei als Anteilsgewinner gesehen mit einem Plus von 2 Pro-<br />
zentpunkten sowohl beim aufkommens- als auch beim leistungsbezogenen<br />
Modal Split.<br />
Der Straßengüterverkehr wird ab 2030 etwa 1,5 Prozent im Binnenverkehr ab-<br />
geben (Güterverkehrstonnage), aber einen Zugewinn im Bereich <strong>der</strong> Fernver-<br />
kehre –Güterverkehrsleistung - (binnenländischer <strong>und</strong> grenzüberschreitenden<br />
45 Näheres zu NAIADES s. Kapitel 3.3.3
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 73<br />
Güterverkehr) erzielen, so dass <strong>der</strong> Modal Split Anteil um insgesamt 2 Prozent-<br />
punkte zulegt.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> auf deutschen Wasserstraßen mittels <strong>Binnenschifffahrt</strong> beför<strong>der</strong>-<br />
ten Güter am Gesamtaufkommen bleibt stabil. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> nur geringfügi-<br />
gen Zunahme <strong>der</strong> Transportweiten bleibt <strong>der</strong> Leistungszuwachs unter dem <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Verkehrsträger, so dass das Binnenschiff etwa 3 Prozentpunkte am<br />
leistungsbezogenen Modal Split hält.<br />
In <strong>der</strong> Summe wird deutlich, dass nach dieser Studie auch langfristig eine Ver-<br />
kehrsverlagerung nicht o<strong>der</strong> doch nur sehr begrenzt stattfinden wird. Die ein-<br />
bezogenen auch politischen Maßnahmen führen demnach nicht zu einer<br />
Verkehrsverlagerung, ggf. auch zu verän<strong>der</strong>ten Strukturen durch Intermodali-<br />
tät, zu Gunsten <strong>der</strong> Verkehrsträger, die noch freie Kapazitäten haben, bzw.<br />
vermeintlich umweltfre<strong>und</strong>licher sind.<br />
Die Begründung <strong>für</strong> eine Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen ist, auf diese<br />
Weise die erwarteten Verkehre zu ermöglichen <strong>und</strong> gleichzeitig zu einer Re-<br />
duktion <strong>der</strong> Transportpreise beizutragen. Selbst die Anlastung <strong>der</strong> externen<br />
Kosten 46 auf die einzelnen Güterverkehrsträger, wie sie von den Autoren <strong>der</strong><br />
Studie unterstellt wird, hat offenbar nur einen zu vernachlässigenden Effekt<br />
auf die Verkehrsentwicklung <strong>und</strong> den Modal Split.<br />
3.2.2. Fazit Prognosen<br />
Sämtliche Prognosen gehen von einem weiteren Wachstum des Güterver-<br />
kehrs aus. Hinsichtlich <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger wird in den<br />
Prognosen zum BVWP davon ausgegangen, dass sämtliche Verkehrsträger<br />
mit einer deutlichen Zunahme des Güterverkehrs rechnen können. Das Integ-<br />
rationsszenario, welches als Orientierungsgröße <strong>für</strong> die Verkehrspolitik dient,<br />
geht davon aus, dass die Bahn an Anteilen gewinnen kann, während <strong>der</strong> Lkw<br />
<strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> an Anteilen verlieren werden. Es ist davon auszuge-<br />
hen, dass die Erwartungen des Integrationsszenarios insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick<br />
46 Die Autoren machen allerdings keine Aussagen darüber in welchem Umfang diese externen<br />
Kosten berücksichtigt wurden.
74 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
auf die Anteilsgewinne <strong>der</strong> Bahn sehr optimistisch ausgefallen sind. Gleich-<br />
wohl ist festzuhalten, dass die aktuelle Mittelfristprognose, die im Auftrag des<br />
BMVBS erstellt wurde, ein deutliches Wachstum des Gütertransports auf <strong>der</strong><br />
Schiene feststellen kann. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hat hingegen Anteilsverluste zu<br />
verzeichnen <strong>und</strong> bleibt weit unterhalb <strong>der</strong> Erwartungen des BVWP.<br />
Eine im Auftrag des BMVBS erstellte Abschätzung <strong>der</strong> Entwicklung des Güter-<br />
verkehrs <strong>und</strong> des Modal Split bis zum Jahre 2050 kommt zu dem Ergebnis, dass<br />
trotz unterstellter politischer Maßnahmen (Kostenanlastung Wegekosten <strong>und</strong><br />
Umweltkosten) sich diese nicht durchschlagend auf den Güterverkehr bzw.<br />
den Modal Split auswirken werden. Insofern erweist sich die Dynamik des Gü-<br />
terverkehrs als mehr o<strong>der</strong> weniger ungebrochen. Der Modal Split verän<strong>der</strong>t<br />
sich in diesem Kontext nur begrenzt. Anteilsverlusten von Lkw <strong>und</strong> insbesonde-<br />
re <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> stehen leichte Gewinne <strong>der</strong> Bahn gegenüber. Anzu-<br />
merken ist in diesem Kontext, dass die Autoren im Wesentlichen davon aus-<br />
gehen, dass es nicht zu Entwicklungsbrüchen kommt. Es ist bspw. aktuell dar-<br />
auf hinzuweisen, dass massive Einbrüche <strong>der</strong> Gütertransporte festzustellen<br />
sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt können allerdings keine Aussagen dar-<br />
über gemacht werden, ob es sich um einen dauerhaften Strukturbruch han-<br />
delt. Es wird zumeist davon ausgegangen, dass die Krise überw<strong>und</strong>en wird<br />
<strong>und</strong> in <strong>der</strong> Folge auch <strong>der</strong> traditionelle Entwicklungspfad wie<strong>der</strong> eingeschla-<br />
gen wird.<br />
3.3. Verkehrspolitik<br />
Verkehr <strong>und</strong> Verkehrsinfrastrukturen werden als Vorbedingungen <strong>für</strong> wirt-<br />
schaftliches Wachstum angesehen. Die Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktu-<br />
ren wird daher auch als ein zentrales Element <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung ange-<br />
sehen.<br />
Insofern ist <strong>der</strong> Umgang mit Verkehr <strong>und</strong> Verkehrsinfrastrukturen immer ambi-<br />
valent, indem einerseits Verkehr geför<strong>der</strong>t wird (um Wirtschaftswachstum zu<br />
erreichen) <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits Versuche unternommen werden, die Nebenwir-<br />
kungen des Verkehrs zu begrenzen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 75<br />
3.3.1. Verkehrsinfrastrukturen <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklung<br />
Der Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Entwicklung von Verkehrsinfrastrukturen<br />
wird zumeist positiv interpretiert, d.h. Investitionen in Verkehrsinfrastrukturen<br />
werden als eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> das wirtschaftliche Wachstum<br />
gesehen. Diese Gr<strong>und</strong>vorstellung prägt sowohl die Verkehrspolitik als auch die<br />
Wirtschaftspolitik (auf den unterschiedlichen Ebenen – EU, B<strong>und</strong>, Län<strong>der</strong>), in-<br />
dem eine gr<strong>und</strong>sätzliche Unterstellung bzgl. <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des wirtschaftli-<br />
chen Wachstums durch Verkehrsinfrastrukturen gemacht wird.<br />
Dies gilt gerade auch <strong>für</strong> den Ausbau von <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale, die ja gerade da-<br />
mit begründet werden, dass die Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen, hier<br />
<strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> „Wasserstraßen“ <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale <strong>für</strong> die wirtschaftliche Ent-<br />
wicklung erfor<strong>der</strong>lich seien. Die Begründung <strong>für</strong> den Ausbau fokussiert im We-<br />
sentlichen darauf, dass mit dem Ausbau einerseits eine Verkehrsverlagerung<br />
ermöglicht würde (mit vermeintlich positiven Umwelteffekten <strong>und</strong> dem Aspekt<br />
<strong>der</strong> freien Kapazitäten) <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Wirt-<br />
schaft verbessert würde, u.a. durch die Preissenkungen <strong>der</strong> Transporte <strong>und</strong><br />
damit verbesserter Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />
Hinsichtlich <strong>der</strong> Analyse des Zusammenhangs von Investitionen in Verkehrsinf-<br />
rastrukturen <strong>und</strong> Wirtschaftswachstum werden in <strong>der</strong> Regel Wirkungsketten un-<br />
terstellt (vgl. Abb. 11). Ähnliche Darstellungen finden sich in einer Reihe von<br />
Studien über den Zusammenhang <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen<br />
<strong>und</strong> den daraus abzuleitenden Wachstumsprozessen.<br />
Die Darstellung scheint eine eindeutige Beziehung zwischen <strong>der</strong> Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen <strong>und</strong> den wirtschaftlichen Entwicklungsprozessen<br />
nahe zu legen <strong>und</strong> so werden entsprechende Grafiken auch interpretiert.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass Investitionen in neue Infrastrukturen die<br />
Transportkosten senken <strong>und</strong> zu einer verbesserten Erreichbarkeit <strong>der</strong> Regionen<br />
führen. Allerdings wird dabei übersehen, dass die verän<strong>der</strong>te Erreichbarkeit <strong>für</strong><br />
die betroffene Region differenzierte Wirkungen haben kann:
76 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Skalen-<br />
erträge, <br />
Agglo-<br />
meration-<br />
seffekte<br />
Abb. 11: Entwicklung <strong>der</strong> Transportinfrastruktur <strong>und</strong> ökonomische Wirkungsketten<br />
Quelle: Lakshmanan <strong>und</strong> An<strong>der</strong>son(2002)<br />
� So führt in Regionen mit Unterbeschäftigung die Verbesserung <strong>der</strong> Er-<br />
reichbarkeit nicht zwangsläufig zu einer Unternehmensansiedlung, viel-<br />
mehr können sich die Arbeitskräfte in größeren Radien Arbeitsplätze su-<br />
chen, ebenso ist es denkbar, dass die regionalen Unternehmen weg-<br />
konkurriert werden<br />
Investitionen in Transportinfrastruktur<br />
Verbesserte Transportbedingungen: niedrigere Kosten, Zeiteinsparung,<br />
Verlässlichkeit<br />
Verbesserte Erreichbarkeit <strong>und</strong> Markterweiterung<br />
(gains from trade)<br />
besseres Arbeitsangebot<br />
Ausweitung Produktion<br />
erhöhter Im- <strong>und</strong> Export<br />
Ökonomische Restrukturierung,<br />
Eintritt/Austritt von<br />
Firmen<br />
Wachstum, Produktivität <strong>und</strong> erhöhtes BIP<br />
� Neuansiedlungen kommen vielfach nur auf Gr<strong>und</strong> gezielter regionaler<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung zu <strong>Stand</strong>e, bei <strong>der</strong> eine verbesserte infrastrukturelle<br />
Ausstattung den Ansiedlungsprozess unterstützt, aber nicht auslöst. Viel-<br />
fach gehen diese Neuansiedlungen mit <strong>der</strong> Schließung von an<strong>der</strong>en<br />
<strong>Stand</strong>orten des gleichen Unternehmens einher, so dass auf <strong>der</strong> makro-<br />
ökonomischen Ebene keine Wachstumseffekte eintreten<br />
Innovation<br />
<strong>und</strong> Tech-<br />
nik-<br />
diffusion
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 77<br />
� Ebenso unklar ist, ob die Region, in <strong>der</strong> die Verkehrsinfrastruktur erstellt<br />
wird, davon letztlich auch profitiert, wenn beispielsweise durch die neue<br />
Verkehrsinfrastruktur nun entfernter liegende Regionen mit beispielswei-<br />
se geringeren Lohnkosten schneller erreicht werden können.<br />
Damit ist festzustellen, dass die Verkehrsinfrastrukturentwicklung durchaus am-<br />
bivalente Wirkungen haben kann, zumindest ist aber festzustellen, dass kei-<br />
neswegs eine eindimensionale positive Entwicklung zwangsläufig ist.<br />
Zwei Punkte sind insbeson<strong>der</strong>e hervorzuheben:<br />
Die Investitionen in die Verkehrsinfrastrukturen sind immer auch mit Opportuni-<br />
tätskosten verb<strong>und</strong>en, d.h. es wird durch die Infrastrukturinvestitionen in <strong>der</strong><br />
Tat an den Defiziten <strong>der</strong> Region angesetzt o<strong>der</strong> es wäre denkbar, dass die In-<br />
vestitionsmittel in an<strong>der</strong>en Verwendungen produktiver eingesetzt würden. Ei-<br />
ne Möglichkeit <strong>der</strong> alternativen <strong>und</strong> möglicherweise produktiveren Verwen-<br />
dung wäre die Investition in Bereiche, die eine höhere Produktivität <strong>und</strong> ggf.<br />
Beschäftigungseffekte nach sich ziehen könnten, wie bspw. die naturschutz-<br />
orientierte Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>landschaft. Dazu gehört insbeson<strong>der</strong>e auch<br />
die Erschließung <strong>der</strong> Tourismuspotenziale.<br />
Die alternative Verwendung <strong>der</strong> Mittel <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> aber auch <strong>für</strong> die Saale<br />
wird aber nicht in Betracht bezogen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Fokus wird allein auf die<br />
Verkehrsinfrastrukturen gelegt. Dies geschieht nicht zuletzt deshalb, weil die<br />
Investitionen letztlich durch den B<strong>und</strong> finanziert werden, so dass <strong>für</strong> die Regio-<br />
nen nicht die Option offen steht, wie sie diese Mittel verwenden.<br />
Die jüngste OECD-Studie zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Ver-<br />
kehrsentwicklung bekräftigt letzteren Punkt, indem sie konstatiert, dass die<br />
Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in einer Region zu Wettbewerbsproblemen in<br />
einer an<strong>der</strong>en Region führen können <strong>und</strong> so die gesamtwirtschaftlichen Effek-
78 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
te auch negativ sein können: „If the benefits to the first region are less than<br />
the benefits to the second, overall economic activity will decline“ 47<br />
Sen et al. (1998) konstatieren, dass „Long term economic growth can also<br />
occur in the absence of transport investment, especially where transport ser-<br />
vices are not a bottleneck. Other variables like technological innovation, im-<br />
proved labour productivity, investment in business plant and equipment, hu-<br />
man capital improvement, can also drive the growth process“ 48 .<br />
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Umweltb<strong>und</strong>esamt wenn es schreibt,<br />
dass die Hoffnung mit dem Infrastrukturausbau die wirtschaftliche Leistungsfä-<br />
higkeit einer Region zu erhöhen, in vielen Fällen unerfüllt bleibt. 49<br />
Mittlerweile wird teilweise anerkannt, dass auch durch Straßeninfrastruktur-<br />
maßnahmen keine bzw. nur begrenzt messbare Effekte ausgelöst werden:<br />
Denn je höher die Volkswirtschaft entwickelt ist <strong>und</strong> je besser die Verkehrsinf-<br />
rastrukturen sind, desto geringer werden die Effekte <strong>der</strong> neuen Infrastrukturen<br />
aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> abnehmenden Grenznutzen ausfallen. Als Beispiel sei eine Ana-<br />
lyse des britischen <strong>Stand</strong>ing Advisory Commitee for Trunk Road Assessment<br />
(SACTRA) unter Verwendung eines generellen Gleichgewichtsmodells <strong>und</strong><br />
konventionellen Kosten-Nutzen-Analysen angeführt. Es werden insgesamt<br />
neun Fälle verglichen. Dabei wird untersucht, wie Verkehrswegeprojekte bei<br />
unterschiedlichen Marktverhältnissen wirken. Das Ergebnis dieser Analyse zeigt<br />
die nachfolgende Tab. 6. 50<br />
Demnach kann es bei unvollkommenen Marktverhältnissen Konstellationen<br />
geben, bei denen <strong>der</strong> ökonomische Gesamtnutzen nach Beachtung aller<br />
Anpassungsprozesse von <strong>der</strong> bewerteten Zeitersparnis (Nutzengewinn auf<br />
dem Transportmarkt) abweicht. Diese so genannten zusätzlichen "wi<strong>der</strong> eco-<br />
nomic effects" können in beide Richtungen wirken, also sowohl mit zusätzli-<br />
chen Kosten als auch zusätzlichem Nutzen verb<strong>und</strong>en sein. „Dies bedeutet<br />
47 Vgl. Boarnet 1998, Sen et al. 1998, zitiert von Caïd (2006) S. 38<br />
48 Vgl. Sen et al. 1998, zitiert von Caïd (2006) S. 38<br />
49 Vgl. UBA (2005) S. 47<br />
50 Vgl. SACTRA (1999)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 79<br />
auch, dass eine generelle Aussage über die Wirkung von Verkehrsinvestitio-<br />
nen bei Marktunvollkommenheiten nicht möglich ist. Es braucht in jedem Fall<br />
eine detaillierte Analyse <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse.“ 51 .<br />
Tab. 6: Auswirkungen von unvollkommenem Wettbewerb <strong>und</strong> externen Kosten auf die Bewertung<br />
von Verkehrsprojekten (SACTRA 1999)<br />
Entsprechende Aussagen gehen von früheren Untersuchungen bzw. Annah-<br />
men aus, die im Gr<strong>und</strong>satz Verkehrsinfrastrukturen als Voraussetzung <strong>für</strong> die<br />
wirtschaftliche Entwicklung angesehen haben. Diese Untersuchungen nutzen<br />
vielfältige methodische Ansätze. Beispielhaft sei die einflussreiche Untersu-<br />
chung von Aschauer (1989) angeführt, <strong>der</strong> den Ansatz <strong>der</strong> Totalen Faktorpro-<br />
duktivität nutzte. Er kam in einer Untersuchung in den USA zu dem Ergebnis,<br />
51 Vgl. ECOPLAN (2004) S. 41
80 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
dass die Output- Elastizität des öffentlichen Infrastrukturkapitals 0,4 beträgt,<br />
demnach führt <strong>der</strong> Anstieg des staatlichen Infrastrukturkapitalstocks um 1% zu<br />
einer Erhöhung <strong>der</strong> TFP (Totale Faktorproduktivität) um 0,39%. Damit wäre die<br />
Infrastruktur ein zentraler Treiber des wirtschaftlichen Wachstums. An<strong>der</strong>e Un-<br />
tersuchungen gehen allerdings davon aus, dass diese Größenordnungen weit<br />
überschätzt sind. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Vorstellungen über<br />
den Zusammenhang von wirtschaftlicher Entwicklung <strong>und</strong> Verkehrsinfrastruk-<br />
turinvestitionen in starkem Maße auf Weltbil<strong>der</strong>n basieren <strong>und</strong> weniger auf<br />
empirisch nachweisbaren Fakten beruhen.<br />
Aussagen, dass die Verbesserung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur stets positive Wir-<br />
kungen auf den Output <strong>und</strong> das regionale Wirtschaftswachstum haben, sind<br />
demnach zurückhaltend zu bewerten, da zu <strong>der</strong>artigen Aussagen auch das<br />
Zusammenspiel mit an<strong>der</strong>en Infrastrukturbestandteilen <strong>und</strong> Interdependenzen<br />
mit dem Einsatz <strong>der</strong> privaten Faktoren Arbeit <strong>und</strong> Kapital berücksichtigt wer-<br />
den müssen. Hinsichtlich des konkreten Ausmaßes <strong>der</strong> Wachstumseffekte ei-<br />
nes Investitionsvorhabens kann <strong>für</strong> die jeweilige Zielregion keine genaue Prog-<br />
nose getroffen werden. Ob das identifizierte Wachstumspotenzial auch tat-<br />
sächlich in Wachstum umgesetzt wird, hängt wie<strong>der</strong>um von komplementären<br />
Faktoren, wie dem Arbeitskräftepool o<strong>der</strong> <strong>der</strong> privaten Investitionsbereitschaft<br />
ab.<br />
Für die Binnenwasserstraßen gelten die gemachten Aussagen in beson<strong>der</strong>er<br />
Weise, da die strukturbildende Kraft <strong>der</strong> Binnenwasserstraßen im Wesentlichen<br />
zu Zeiten <strong>der</strong> (Vor- ) Industrialisierung existierte. Dies wird auch heute noch<br />
deutlich, wenn man betrachtet, welche Güter durch die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
transportiert werden, also Massengüter wie Kohle, Eisen o<strong>der</strong> auch Stei-<br />
ne/Erden. Kein Zweifel besteht daran, dass vor allem in Sachsen-Anhalt die<br />
Gr<strong>und</strong>stoffindustrien eine wesentliche Rolle spielen, gleichwohl werden diese<br />
Industriezweige einen nur sehr geringen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwick-<br />
lung <strong>der</strong> Region leisten können.
3.3.2. Europäische Verkehrspolitik<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 81<br />
Die Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Verkehrspolitik <strong>der</strong> Europäischen Union stellt das Weißbuch<br />
Verkehr aus dem Jahre 2001 dar. Dieses Weißbuch wurde mittlerweile einer<br />
Halbzeitbilanz unterzogen. In <strong>der</strong> Folge soll diese Halbzeitbilanz skizziert <strong>und</strong><br />
vor allem die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Positionen gegenüber dem Weißbuch aus<br />
dem Jahre 2001 dargestellt werden. 52<br />
In <strong>der</strong> Halbzeitbilanz wird festgestellt, dass <strong>der</strong> Binnenmarkt positive Effekte <strong>für</strong><br />
den Straßen- <strong>und</strong> Luftverkehrssektor gehabt habe, dies wird in <strong>der</strong> Perspektive<br />
auch <strong>für</strong> die Schiene <strong>und</strong> die Wasserwege erwartet.<br />
Es wird eine Abkoppelung <strong>der</strong> negativen „Nebeneffekte“ <strong>der</strong> Mobilität durch<br />
einen breiten Instrumenteneinsatz gefor<strong>der</strong>t.<br />
Damit wird von <strong>der</strong> im Weißbuch existierenden Formulierung abgewichen,<br />
wonach eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Verkehr erreicht<br />
werden soll. Vielmehr wird die Formulierung gewählt, dass allein die negativen<br />
Umweltwirkungen des Verkehrs reduziert werden sollen. Mithin wird in <strong>der</strong><br />
Halbzeitbilanz gefor<strong>der</strong>t, dass die spezifischen <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> einzelnen Ver-<br />
kehrsträger optimiert werden sollen, um die Ziele sauberer <strong>und</strong> effizienter Ver-<br />
kehrssysteme zu erreichen. Im Vergleich zu den Vorgaben des Weißbuches<br />
erweist sich, dass Verkehrsverlagerung („Modal Shift“ auf sog. umweltfre<strong>und</strong>li-<br />
chere Verkehrsträger) eine nur mehr untergeordnete Rolle spielt. Das Umwelt-<br />
b<strong>und</strong>esamt 53 stellt dazu fest, dass zu erwarten sei, dass die Kommission <strong>der</strong><br />
„Modal-Shift-Politik“ eine geringere Rolle zuweise, als es im Weißbuch noch<br />
<strong>der</strong> Fall ist <strong>und</strong> damit auch den Maßnahmen, die dazu erfor<strong>der</strong>lich sind, einen<br />
geringeren Stellenwert zuweisen könnte (u.a. Internalisierung externer Kosten,<br />
Vorrangpolitik <strong>für</strong> Infrastrukturprojekte umweltfre<strong>und</strong>licher Verkehrsträger).<br />
Das politische Ziel <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung wird nunmehr nur noch „soweit<br />
dies möglich ist“ gefor<strong>der</strong>t. Als strategisches Ziel wird es vor allem bei längeren<br />
Strecken, in Ballungsgebieten <strong>und</strong> in überlasteten Korridoren angesehen.<br />
52 Vgl. Europäische Kommission (2006a)<br />
53 Vgl. UBA (2006)
82 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Hauptfokus <strong>der</strong> Halbzeitbilanz ist dabei, dass letztlich alle Verkehrsträger um-<br />
weltfre<strong>und</strong>licher, sicherer <strong>und</strong> energieeffizienter werden müssen. Mit <strong>der</strong> Vor-<br />
stellung <strong>der</strong> sog. “Co-Modality”, soll die effiziente Nutzung <strong>der</strong> einzelnen Ver-<br />
kehrsträger o<strong>der</strong> ihrer Kombinationen zu einer optimalen <strong>und</strong> nachhaltigen<br />
Nutzung <strong>der</strong> Ressourcen erreicht werden. Implizit wird damit aber auch deut-<br />
lich, dass die bisherige beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schienenverkehrsinfrastruktur<br />
ggf. auf dem Prüfstand steht.<br />
Das Weißbuch sah in <strong>der</strong> allmählichen Entkopplung von Verkehrszunahme<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftswachstum eine gr<strong>und</strong>legende Strategie. Es wurde erwartet,<br />
dass mit den beabsichtigten Maßnahmen eine Entkopplung des Verkehrs-<br />
wachstums vom Wirtschaftswachstum zu erreichen sei, ohne dass es dabei zu<br />
Einschränkungen <strong>der</strong> Mobilität kommen muss. Die Halbzeitbilanz kommt dabei<br />
zu einer Revision dieses Ziels, in dem mehr o<strong>der</strong> weniger deutlich ein enger Zu-<br />
sammenhang zwischen Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Verkehr unterstellt wird<br />
(dies wird u.a. damit begründet, dass das Verkehrswachstum das Wirtschafts-<br />
wachstum in den Jahren 2000-2005 deutlich überschritten hat).<br />
Das Umweltb<strong>und</strong>esamt verweist allerdings darauf, dass die umfangreiche AS-<br />
SESS Studie 54 , die in Vorbereitung <strong>der</strong> Halbzeitbilanz durchgeführt wurde, sehr<br />
unterschiedliche Szenarien <strong>der</strong> künftigen Güterverkehrsentwicklung erarbeitet<br />
hat, die den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Verkehr als we-<br />
sentlich weniger eng verkoppelt ansehen. Diese Szenarien werden im Rah-<br />
men <strong>der</strong> Halbzeitbilanz nicht berücksichtigt. Die in diesen Szenarien unterstell-<br />
ten verkehrspolitischen Maßnahmen führten zu einer Begrenzung <strong>der</strong> Ver-<br />
kehrsentwicklung bei gleichzeitiger Zunahme des Wirtschaftswachstums <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Beschäftigung. Die politische Aussage <strong>der</strong> Halbzeitbilanz <strong>der</strong> EU Kommissi-<br />
on ist vielmehr die Unterstellung eines engen Zusammenhangs zwischen Wirt-<br />
schaftswachstum <strong>und</strong> Verkehr. Damit ist zu erwarten, dass verkehrspolitische<br />
Maßnahmen, die zu einer Verringerung des Verkehrs führen könnten, nicht in<br />
54 De Ceuster et al. (2005)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 83<br />
Betracht gezogen werden, da damit Wachstumsverluste einhergehen könn-<br />
ten. Eine unterstellte Konsequenz, die vermieden werden soll.<br />
Während die Ziele <strong>der</strong> EU-Verkehrspolitik ihre Geltung behalten haben, hat<br />
sich ihr allgemeiner Kontext weiter entwickelt. Die Halbzeitbilanz verweist dar-<br />
auf, dass<br />
� die EU Erweiterung die Entwicklung <strong>der</strong> transeuropäischen Netze erfor-<br />
<strong>der</strong>lich macht, wobei vor allem die Korridore <strong>für</strong> den Schienenverkehr<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Wasserwege zu entwickeln sind<br />
� die Konsolidierung <strong>der</strong> Logistikunternehmen zu einer Erhöhung <strong>der</strong><br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Industrie führt, die auch weiter geför<strong>der</strong>t<br />
werden soll. Dabei will die Kommission vor allem die Wettbewerbsfähig-<br />
keit <strong>der</strong> multimodalen Verkehrsindustrien stärken <strong>und</strong> vor allem verkehr-<br />
trägerübergreifende integrierte Lösungen anbieten, insbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die Beseitigung von Überlastungen <strong>und</strong> Schwachstellen.<br />
Des Weiteren ist festzustellen, dass<br />
� die technologische Komponente <strong>der</strong> EU-Verkehrspolitik in beson<strong>der</strong>er<br />
Weise betont wird, indem auf die Bedeutung technologischer Innovati-<br />
onen verwiesen wird<br />
� die internationalen Umweltabkommen (insbes. Kyoto) in die Verkehrs-<br />
politik integriert werden sollen. Ebenso spielt <strong>der</strong> Verkehrsbereich eine<br />
wichtige Rolle im Hinblick auf die Energiepolitik<br />
� in Bezug auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> darauf verwiesen wird, dass diese<br />
zwar nur einen Anteil von 3% am Güterverkehr hat, allerdings in be-<br />
stimmten Korridoren bis zu 40%, zudem wird auch in <strong>der</strong> Halbzeitbilanz<br />
auf die Kapazitätsreserven <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> verwiesen. Ein weiteres<br />
Ziel ist die Integration <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in die Logistikketten.<br />
Die Halbzeitbilanz zeigt einen gewissen Wandel <strong>der</strong> Strategie <strong>der</strong> EU-<br />
Kommission an, indem gerade die Möglichkeiten <strong>der</strong> Beeinflussung des Modal<br />
Split als begrenzt angesehen werden <strong>und</strong> damit die Beeinflussbarkeit <strong>der</strong> Ver-
84 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
kehrsentwicklung generell als kaum steuerbar angesehen wird. Der unterstell-<br />
te Zusammenhang <strong>der</strong> engen Kopplung von Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Ver-<br />
kehr begrenzt letztlich per se weitergehende Maßnahmen <strong>der</strong> Verkehrspolitik.<br />
Die relative Abkehr von einer „Modal Shift-Politik“ ist auch Ausdruck <strong>der</strong> be-<br />
grenzten Beeinflussbarkeit des Güterverkehrs.<br />
Der Modal Shift Ansatz wird im Wesentlichen nur noch stark gemacht auf län-<br />
geren Strecken sowie in überlasteten Ballungsräumen. Allerdings wird auf das<br />
Programm NAIADES verwiesen, in welchem gerade die Infrastrukturentwick-<br />
lung (Beseitigung von bottlenecks) eine wesentliche Rolle spielen. Insofern er-<br />
scheint die EU Verkehrspolitik hochgradig gespalten, zwischen <strong>der</strong> Einschät-<br />
zung, den Güterverkehr kaum beeinflussen zu können (Entkoppelung wird fal-<br />
len gelassen) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Entwicklung von Infrastrukturen, die nicht mehr den<br />
Modal Shift unterstützen sollen, son<strong>der</strong>n im besten Fall die Verbesserung <strong>der</strong><br />
sog. „Co-Modality“. In <strong>der</strong> Summe wird zudem vorrangig auf innovative tech-<br />
nische Lösungen gesetzt, die die Umweltbelastungen des Verkehrs vermin-<br />
<strong>der</strong>n sollen.<br />
3.3.3. Binnenschiffsorientiertes Aktionsprogramm NAIADES <strong>der</strong> EU-Kommission<br />
Mit dem För<strong>der</strong>programm NAIADES (Integriertes Europäisches Aktionspro-<br />
gramm <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>) ist es den Vertretern <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> ge-<br />
lungen, ein Aktionsprogramm auf Europäischer Ebene zu etablieren.<br />
In dem Aktionsprogramm wird festgestellt, dass ein Ziel <strong>der</strong> EU-Verkehrspolitik<br />
die Verkehrsverlagerung (auf weniger energieintensive, umweltfre<strong>und</strong>lichere<br />
<strong>und</strong> sichere Verkehrsträger) sei.<br />
Dabei könne, so die Mitteilung <strong>der</strong> Kommission, die <strong>Binnenschifffahrt</strong> eine<br />
wichtige Rolle spielen. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> kann „zur Nachhaltigkeit des Ver-<br />
kehrssystems beitragen“. 55<br />
Das Ziel <strong>der</strong> Kommission ist es dabei, die „Wettbewerbsstellung <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt, insbeson<strong>der</strong>e durch ihre Integration in multimodale Beför<strong>der</strong>ungs-<br />
55 Vgl. Europäische Kommission (2006b) S. 2
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 85<br />
ketten, zu för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> auszubauen“. 56 Das Papier verweist darauf, dass die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> im Massengutverkehr bereits seit langem wettbewerbsfähig<br />
ist <strong>und</strong> betont des Weiteren, dass es <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> vor allem im Seeha-<br />
fenhinterlandverkehr gelungen sei neue Märkte zu erschließen.<br />
Betont wird:<br />
� die beschäftigungspolitische Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>, so wür-<br />
den allein in Deutschland 400.000 Arbeitsplätze davon abhängen 57<br />
� dass die europäischen Binnenwasserstraßen über freie Kapazitäten ver-<br />
fügen, die auch ohne Infrastrukturausbaumaßnahmen erschließbar sei-<br />
en<br />
� die Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit des Verkehrsträgers, wobei auf die geringeren<br />
externen Kosten verwiesen wird.<br />
Die Kommission will in <strong>der</strong> Folge die <strong>Binnenschifffahrt</strong> för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> dies vor al-<br />
lem durch die Beseitigung von Hemmnissen, die <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt entgegenstehen.<br />
Hemmnisse bestehen demnach vor allem:<br />
� In dem fragmentierten Markt <strong>und</strong> den scharfen Wettbewerbsbedin-<br />
gungen, die die Ertragslage <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Frage stellen, so<br />
dass die Fähigkeit zur Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Flotte begrenzt ist<br />
� Den Behörden <strong>und</strong> den Verkehrs- <strong>und</strong> Logistikunternehmen seien die<br />
56 Vgl. ebd.<br />
Vorteile <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> z.T. nicht bekannt<br />
57 Die Zahl bzgl. <strong>der</strong> Arbeitsplätze wurde aus einem Papier des Forums <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong><br />
Logistik entnommen, einer zweifelsohne interessengeleiteten Organisation. Die Gesamtzahl<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten in <strong>der</strong> gewerblichen Güterschifffahrt hat sich von 1992 mit 7.479 auf 3.769<br />
Beschäftigte im Jahre 2006 fast halbiert (vgl.: BfG 2009, S. 8). Die angeführte hohe Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten,<br />
die von <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> abhängig seien, ergibt sich aus Berechnungen zu<br />
den zumeist indirekt Beschäftigten. Diese Berechnungen sind aber, wie eine Studie <strong>für</strong> das Finanzministerium<br />
betont, vielfach stark interessengeleitet (Berthenrat 2006).
86 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
� Auf <strong>der</strong> regionalen Ebene wird <strong>der</strong> Verkehrsträger Binnenschiff im Hin-<br />
blick auf Umschlaganlagen nicht hinreichend berücksichtigt<br />
� Des Weiteren wird festgestellt, dass strategische Engpässe bei den Bin-<br />
nenwasserstraßen <strong>und</strong> Umschlaganlagen existieren <strong>und</strong> Instandhal-<br />
tungsarbeiten erfor<strong>der</strong>lich wären, die aber auf Gr<strong>und</strong> umweltpolitischer<br />
Vorbehalte nicht umgesetzt werden können.<br />
� Zudem, so die Kommission, ist <strong>der</strong> institutionelle Rahmen <strong>der</strong> europäi-<br />
schen <strong>Binnenschifffahrt</strong> fragmentiert, so dass insbeson<strong>der</strong>e auch ein<br />
mangelndes politisches Interesse die Folge ist <strong>und</strong> dies zu ungünstigen<br />
Rahmenbedingungen <strong>für</strong> die Binnenschiffer führt.<br />
Das Programm NAIADES fokussiert fünf wesentliche Bereiche einer Binnen-<br />
schifffahrtspolitik:<br />
� Markt<br />
� Flotte<br />
� Arbeitsplätze <strong>und</strong> Fachwissen<br />
� Image <strong>und</strong> Infrastruktur.<br />
Märkte<br />
Es wird betont, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>für</strong> die Märkte <strong>der</strong> Zukunft fit ge-<br />
macht werden muss. So besteht die Notwendigkeit <strong>der</strong> Einbeziehung <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt in Logistikketten, u.a. durch die Verbesserung <strong>der</strong> Zusammen-<br />
arbeit zwischen den Speditionen, <strong>der</strong> Schiffsindustrie <strong>und</strong> den Häfen.<br />
Zudem wird <strong>der</strong> Kapitalmangel hervorgehoben, <strong>der</strong> es zum einen schwierig<br />
mache neue Dienste anbieten zu können <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en die unternehme-<br />
rische Initiative begrenzt.<br />
Schließlich wird noch <strong>der</strong> Bürokratieabbau gefor<strong>der</strong>t, o<strong>der</strong> zumindest die Ver-<br />
einheitlichung des Rechtsrahmens.<br />
Flotte<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ist zwar umweltfre<strong>und</strong>lich, aber, so schränkt das Papier<br />
ein, um diesen Vorteil aufrechterhalten zu können, sind Investitionen <strong>für</strong> Mo-<br />
<strong>der</strong>nisierungen <strong>und</strong> Innovationen erfor<strong>der</strong>lich.
Image<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 87<br />
Image stellt nach <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong> Kommission ein wesentliches Hemmnis<br />
<strong>für</strong> die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> dar. So sei die Wahrnehmung <strong>der</strong><br />
Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> unterentwickelt <strong>und</strong> es bedürfe <strong>der</strong> Öf-<br />
fentlichkeitsarbeit um diese Leistungsfähigkeit bekannt zu machen.<br />
Die Einrichtung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ausbau eines europäischen För<strong>der</strong>- <strong>und</strong> Entwick-<br />
lungsnetzes <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Ahnlehnung an die best practice in ei-<br />
nigen Mitgliedsstaaten wird vorgeschlagen.<br />
Schließlich sollen die Trends <strong>und</strong> Entwicklungen auf dem <strong>Binnenschifffahrt</strong>s-<br />
markt kontinuierlich beobachtet werden.<br />
Infrastruktur<br />
Die Infrastruktur <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wird gelobt, es wird wie<strong>der</strong>um auf die<br />
freien Kapazitäten verwiesen, allerdings wird auch betont, dass „einige Eng-<br />
pässe, die durch begrenzten Tiefgang, Brückendurchfahrtshöhen <strong>und</strong> Schleu-<br />
senabmessungen verursacht werden, die volle Ausschöpfung dieses Potenzi-<br />
als“ beeinträchtigen <strong>und</strong> damit die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt behin<strong>der</strong>n.<br />
Ausbau des multimodalen Netzes<br />
Es wird ein europäischer Entwicklungsplan <strong>für</strong> Ausbau <strong>und</strong> Unterhaltung von<br />
Infrastruktur <strong>und</strong> Umschlaganlagen <strong>der</strong> Binnenwasserstraßen gefor<strong>der</strong>t um<br />
den Gütertransport auf den transeuropäischen Wasserstraßen effizienter zu<br />
gestalten, unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Umweltanfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Der Entwicklungsplan soll zudem Leitlinien <strong>für</strong> die Finanzierung beinhalten. In<br />
<strong>der</strong> Summe soll dann die Entwicklung <strong>der</strong> Wasserstraßen-Infrastruktur koordi-<br />
niert <strong>und</strong> integriert erfolgen.<br />
Zur Infrastrukturfinanzierung wird angedacht, dass die Erhebung <strong>der</strong> Infrastruk-<br />
turgebühren auf alle Verkehrsträger (basierend auf den externen Kosten) sich<br />
positiv auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auswirken könnte.<br />
In <strong>der</strong> Summe bleibt festzuhalten, dass das Programm NAIADES <strong>für</strong> die euro-<br />
päische <strong>Binnenschifffahrt</strong> von erheblicher Bedeutung ist, da damit ein weit-
88 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
gehendes För<strong>der</strong>programm zumindest in Aussicht gestellt wird <strong>und</strong> Binnen-<br />
schifffahrt als Politikbereich in <strong>der</strong> EU etabliert wird.<br />
Die Argumentationen zur Unterstützung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> sind allerdings<br />
wenig innovativ. Sie spiegeln im Wesentlichen den <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Diskussion bspw.<br />
auch in Deutschland wi<strong>der</strong> <strong>und</strong> behandeln vorwiegen die Fragen nach freien<br />
Kapazitäten o<strong>der</strong> Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit. Dies schafft das Image, nicht wirklich<br />
überzeugend zu sein, obwohl die Realität möglicherweise eine an<strong>der</strong>e ist.<br />
Die harten Fakten verweisen aber darauf, dass Investitionshilfen <strong>für</strong> die Bin-<br />
nenschifffahrt erfor<strong>der</strong>lich sind <strong>und</strong> dass die Infrastrukturen entwickelt werden<br />
müssen um die Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen zu können.<br />
Die Einbindung in Logistikketten wird als wesentlich angesehen <strong>und</strong> die Idee<br />
<strong>der</strong> Verkehrsverlagerung ist prominent vertreten.<br />
Zudem muss darauf verwiesen werden, dass zwar festgestellt wird, dass die<br />
Planungen zum Ausbau „im Einklang mit dem natürlichen Wasserhaushalt“ er-<br />
folgen sollen, wobei <strong>der</strong> Klimawandel nicht thematisiert wird. Die Beeinträch-<br />
tigung <strong>der</strong> Flussökosysteme (bspw. Gewässerstrukturgüte) wird hingegen nicht<br />
thematisiert.<br />
Insofern ist davon auszugehen, dass die Stärkung <strong>der</strong> Position <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt durch das Aktionsprogramm NAIADES zu einer weiteren erheblichen Be-<br />
einträchtigung <strong>der</strong> Flussökosysteme beiträgt <strong>und</strong> damit in Konflikt mit den Eu-<br />
ropäischen WRRL <strong>und</strong> dem Programm Natura 2000 treten wird. 58<br />
3.3.4. Ziele <strong>der</strong> deutschen Verkehrspolitik<br />
Im Rahmen des Verkehrsberichtes 2000 (integrierte Verkehrspolitik) wird dar-<br />
auf verwiesen, dass die Prognosen über die zukünftigen Verkehrsentwicklun-<br />
gen darauf hindeuten, dass das Verkehrssystem ohne investitions- <strong>und</strong> ver-<br />
kehrspolitische Steuerungstätigkeit an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit<br />
geraten könnte. 59 Dies u.a. mit <strong>der</strong> Folge, dass <strong>Stand</strong>orte, die wegen ihrer<br />
schlechten Erreichbarkeit nicht in ein arbeitsteiliges <strong>und</strong> vertaktetes Aus-<br />
58 Vgl. Europäische Kommission (2006b)<br />
59 Vgl. BMVBW (2000) S. 10
gen<br />
muss.<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 89<br />
tauschsystem eingeb<strong>und</strong>en werden können, im nationalen <strong>und</strong> internationa-<br />
len Wettbewerb an Attraktivität verlieren werden. 60<br />
Einigkeit besteht seitens <strong>der</strong> Verkehrspolitik darin, dass die Schiene <strong>und</strong> die<br />
Wasserstraße durch Investitionen so gestärkt werden müssen, dass ihre Anteile<br />
am Gütertransport deutlich erhöht werden können. Ziel <strong>der</strong> offiziellen Ver-<br />
kehrspolitik ist die Sicherung von Mobilität nach Kriterien <strong>der</strong> ökonomischen Ef-<br />
fizienz, <strong>der</strong> sozialen Verträglichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit. 61 Aufgabe<br />
ist es, eine Verbesserung des Zusammenspiels aller Komponenten des Ver-<br />
kehrssystems zu erreichen. Das BMVBW spricht von einer „integrierten Ver-<br />
kehrspolitik“, in <strong>der</strong> je<strong>der</strong> Verkehrsträger seine vollen Stärken zur Geltung brin-<br />
Die Aufgaben, wie sie von <strong>der</strong><br />
Verkehrspolitik definiert werden im Einzelnen:<br />
• Engpassbeseitigung<br />
• Aufholen des Investitionsbedarfs in <strong>der</strong> Substanzerhaltung (insb. <strong>der</strong><br />
Ausbau <strong>der</strong> Schiene <strong>für</strong> den Güterverkehr; im Bereich <strong>der</strong> Wasserstraße<br />
veraltete Substanz <strong>der</strong> Bauwerke <strong>und</strong> Anlagen mo<strong>der</strong>nisieren)<br />
• Schnittstellenoptimierung zwischen den Verkehrsträgern (Stichwort:<br />
Ver-<br />
kehrsfluss; Augenmerk auf Umschlaganlagen im Güterverkehr)<br />
• Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Wettbewerbsbedingungen <strong>der</strong> einzelnen Verkehrs-<br />
träger<br />
Trotz <strong>der</strong> politischen Absicht mehr Güterverkehr auf die Schienen <strong>und</strong> die<br />
Wasserstraße zu verlegen, sind die realen Möglichkeiten nach eigener Aussa-<br />
e begrenzt62 g<br />
.<br />
Gleichwohl werden Maßnahmen zur verbesserten Integration <strong>der</strong> Verkehrs-<br />
träger unternommen. Ziel ist eine verbesserte Integration <strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
durch eine effizientere Abwicklung <strong>der</strong> Hinterlandverkehre <strong>der</strong> Seehäfen <strong>und</strong><br />
60 Vgl. Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000) S. 16<br />
61 Vgl. ebd. S. 9<br />
62 Vgl. BMVBW (2000) S. 22
90 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>der</strong> Zu- <strong>und</strong> Ablaufverkehre <strong>der</strong> Binnenhäfen. Die Einbeziehung <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt schließt auch eine För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Containertransporte mit ein.<br />
Das politische Schwerpunktthema Entlastung <strong>der</strong> Straßenverkehre durch Was-<br />
serstraßen soll a) durch Investitionen <strong>der</strong> Hafenanbindungen <strong>und</strong> durch Ver-<br />
besserungen <strong>der</strong> intermodalen Schnittstellen <strong>und</strong> b) durch ordnungspoliti-<br />
schen Eingriffe die Verla<strong>der</strong> animieren, die Wasserwege als Transportmittel<br />
gegenüber <strong>der</strong> Landwege zu wählen. 63<br />
3.3.5. Fazit Verkehrspolitik<br />
Die Verkehrspolitiken <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> Deutschlands eint zumindest die Gr<strong>und</strong>vor-<br />
stellung, dass Verkehrsinfrastrukturen essentiell <strong>für</strong> das wirtschaftliche Wachs-<br />
tum sind. Diese Auffassung wird allerdings in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur<br />
nicht mehr durchgängig unterstützt. 64 Selbst in Teilstudien, die im Rahmen <strong>der</strong><br />
Halbzeitbilanz zum EU Weißbuch Verkehr erstellt wurden, werden Zweifel an<br />
dem Paradigma geweckt. Diese werden aber im politischen Dokument nicht<br />
aufgegriffen.<br />
In <strong>der</strong> Halbzeitbewertung des EU Weißbuches zur Verkehrspolitik werden zu-<br />
dem einige Essentials des Weißbuches in Frage gestellt.<br />
Zum einen wird die Politik des Modal Shift (also die Vorstellung, dass eine Ver-<br />
kehrsverlagerung möglich sei), die im Weißbuch selbst eine wichtige Rolle ge-<br />
spielt hat, aufgegeben <strong>und</strong> ersetzt durch eine Politik <strong>der</strong> „Co-Modality“. Bei<br />
dieser geht es im Wesentlichen darum die unterschiedlichen Güterverkehrs-<br />
träger in Logistikketten einzubinden entsprechend <strong>der</strong> jeweiligen Stärken <strong>der</strong><br />
Verkehrsträger. Es geht damit nicht mehr um einen generellen Ansatz <strong>der</strong> Ver-<br />
kehrsverlagerung son<strong>der</strong>n um einen Ansatz, <strong>der</strong> versucht, die jeweiligen Stär-<br />
ken <strong>der</strong> Verkehrsträger zu nutzen, wo immer man sich einen ökonomischen<br />
Mehrwert verspricht. Der Ansatz des Modal-Shift wird nur noch in engen Gren-<br />
zen verfolgt (bspw. in Ballungsräumen).<br />
63 Vgl. ebd. S. 28<br />
64 Vgl. bspw. Bertenrath et al. (2006), Vickerman (2000)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 91<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird die Vorstellung aufgegeben, dass eine Entkopplung von<br />
Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Verkehr zu erreichen sei. Es geht in <strong>der</strong> Halbzeitbe-<br />
wertung „nur“ noch darum, die negativen Auswirkungen des Verkehrs zu be-<br />
grenzen. Mithin ist auch in diesem Bereich festzustellen, dass die Vorstellung<br />
politisch aktiv steuernd einzugreifen zurückgefahren wird.<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (NAIADES)<br />
In dem EU-Aktionsprogramm <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> NAIADES, werden die<br />
Vorteile <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit) betont <strong>und</strong> auf die Ver-<br />
lagerungsmöglichkeiten, insbeson<strong>der</strong>e in logistischen Ketten verwiesen. Mit<br />
dem Aktionsprogramm soll insbeson<strong>der</strong>e die politische Unterstützung <strong>für</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> gestärkt werden. Dabei ist festzustellen, dass die Kommission<br />
offenbar davon ausgeht, dass <strong>der</strong> Markt nicht funktioniert <strong>und</strong> die Vorteile <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> von den Markteilnehmern nicht wahrgenommen werden. Im<br />
Fokus <strong>der</strong> Aktivitäten steht zunächst das „capacity building“ zu Gunsten <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>. Jedoch gerade hierbei kommt die For<strong>der</strong>ung nach investi-<br />
ven Maßnahmen auf, die insbeson<strong>der</strong>e die Beseitigung von sog. "bottle-<br />
necks“ <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> einen dementsprechenden Ausbau von<br />
Flüssen för<strong>der</strong>n sollen. In <strong>der</strong> Summe ist es den Akteuren <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
gelungen, sich gerade auch auf <strong>der</strong> europäischen Ebene Gehör zu verschaf-<br />
fen <strong>und</strong> damit auch indirekt Druck auf die einzelnen Mitgliedsstaaten auszu-<br />
üben.<br />
Deutsche Verkehrspolitik<br />
In Deutschland wird insbeson<strong>der</strong>e darauf verwiesen, dass eine Verkehrsverla-<br />
gerung durch umfassende Investitionen erreicht werden kann. Des Weiteren<br />
ist die Schnittstellenoptimierung ein weiterer Ansatz.<br />
In <strong>der</strong> Summe ist festzustellen, dass die Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen<br />
als essentiell <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung angesehen wird. Dementspre-<br />
chend wird auch die Engpassbeseitigung als eine wesentliche Strategie an-<br />
gesehen, da sonst Wachstumspotenziale verloren gehen könnten. Dement-
92 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
sprechend wird dem Ausbau <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen ein großer Stellenwert<br />
zugeordnet. Die Vorstellungen einer Verkehrsverlagerung werden, gegenwär-<br />
tig zumindest in <strong>der</strong> Halbzeitbewertung <strong>der</strong> EU-Kommission, zunehmend kri-<br />
tisch gesehen. Insofern wird damit zumindest anerkannt, dass Verkehrsverla-<br />
gerung alleine durch den Ausbau von Infrastrukturen nicht o<strong>der</strong> doch nur be-<br />
grenzt zu erreichen ist.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 93<br />
4. Verkehrsverlagerungen auf Gr<strong>und</strong> von Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Preise <strong>der</strong> ein-<br />
zelnen Güterverkehrsträger<br />
Der Transportpreis ist nur ein, gleichwohl wichtiger, Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Nutzung <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Güterverkehrsträger. Wie oben angeführt wurde, sind die<br />
jeweiligen Güterverkehrsträger durch eine Reihe von unterschiedlichen Eigen-<br />
schaften geprägt, so dass Substitutionen zwischen den einzelnen Verkehrsträ-<br />
gern immer nur begrenzt möglich sind <strong>und</strong> durch die Verän<strong>der</strong>ungen des<br />
Preises auch nur begrenzt beeinflusst werden können.<br />
4.1. Studien zur Güterverkehrsverlagerung<br />
In dem folgenden Abschnitt werden einige Studien dargestellt die sich mit <strong>der</strong><br />
Frage <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung befassen. Diese Studien fokussieren auf unter-<br />
schiedliche Ebenen. Geht es im Falle des Gigaliners vorrangig darum, welche<br />
Wirkungen ein neues Fahrzeugkonzept auf die an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträger<br />
hat, so besteht bei den Studien zur Einführung <strong>der</strong> Maut die Fragestellung dar-<br />
in, welche Effekte dieses preispolitische Instrumentarium hat. In allen ange-<br />
führten Studien geht es aber um die Frage, welche Effekte die jeweiligen Ver-<br />
än<strong>der</strong>ungen auf das Güterverkehrsaufkommen <strong>und</strong> die Wettbewerbssituation<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Verkehrsträger <strong>und</strong> den Modal Split haben.<br />
4.1.1. Gigaliner<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Diskussion um die Zulassung <strong>der</strong> sog. Gigaliner sind eine Reihe<br />
von Abschätzungen gemacht worden, welche Auswirkungen die Zulassung<br />
dieser Lkws haben wird.<br />
Mit dem Gigaliner sollen Lkws mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 60 t<br />
<strong>und</strong> einer Länge von 25,25 m zugelassen werden.<br />
Die Argumente, die zu Gunsten des Gigaliners angeführt werden, sind einer-<br />
seits, dass damit eine Umweltentlastung möglich sei (entsprechende Lkws be-<br />
lasten je t geladene Einheit die Umwelt weniger als kleinere Lkws) <strong>und</strong> zu-
94 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
gleich eine Entlastung <strong>der</strong> Straßen, da nunmehr weniger Lkws auf den Straßen<br />
unterwegs sein müssten, um eine gegebene Menge Güter zu transportieren.<br />
Gleichzeitig werden die Transporte allerdings billiger, da <strong>der</strong> spezifische Kraft-<br />
stoffverbrauch sinkt, weniger Fahrer benötigt werden etc., zumindest dann,<br />
wenn die Lkw’s ausgelastet werden können.<br />
Als Nebeneffekt ist allerdings festzustellen, dass mit den potenziell sinkenden<br />
Transportkosten zugleich die meist umweltfre<strong>und</strong>licheren Transportmittel, also<br />
Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff in einen verschärften Wettbewerb gestellt werden, so<br />
dass die Möglichkeit besteht, dass Transporte, die bislang mit Bahn o<strong>der</strong> Bin-<br />
nenschiff unternommen wurden, auf die Straße rückverlagert werden.<br />
Entsprechende Begleituntersuchungen deuten darauf hin.<br />
Die Bahn verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in den schienenaf-<br />
finen Produktbereichen Eisen <strong>und</strong> Stahl (Brammen, Coils), Papier <strong>und</strong> Zellstoff,<br />
Düngemittel sowie Holz (Pellets, Holzhackschnitzel) die Anhebung des zulässi-<br />
gen Gesamtgewichts zu erheblichen Verkehrsverlagerungen auf die Straße<br />
führe. Den gleichen verkehrsverlagernden Effekt hat die Anhebung <strong>der</strong> zuläs-<br />
sigen Maße bei Transporten von Volumengütern (beispielsweise Haushaltsge-<br />
räte, Möbel). Dabei verweist die Bahn vor allem auf den konventionellen La-<br />
dungsverkehr (Einzelwagen), bei dem Rückgänge um bis zu 20% zu erwarten<br />
sind. Ebenfalls werden Rückgänge des kombinierten Verkehrs um bis zu 50%<br />
erwartet. 65<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> sieht sich hingegen durch den Gigaliner wenig bedroht.<br />
In einer Pressemitteilung vom 20.4.2007 wird folgende Einschätzung gegeben:<br />
„Der B<strong>und</strong>esverband <strong>der</strong> Deutschen <strong>Binnenschifffahrt</strong> e.V. (BDB) hat <strong>der</strong>zeit<br />
keine Veranlassung, den Einsatz überlanger Lastkraftwagen als akute Bedro-<br />
hung <strong>für</strong> den Güterverkehr mit dem Binnenschiff zu betrachten“. Weiter heißt<br />
65 Vgl. DB (2007) S. 5
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 95<br />
es: „Der weit überwiegende Teil <strong>der</strong> mit dem Binnenschiff transportierten La-<br />
dung(…) setzt sich aus Massengut, etwa Produkten <strong>für</strong> die Gr<strong>und</strong>stoffversor-<br />
gung, <strong>und</strong> den Transport gefährlicher Güter zusammen. Der Containertrans-<br />
port mit dem Binnenschiff wächst zwar kontinuierlich, macht aber immer noch<br />
nur knapp 10 Prozent <strong>der</strong> insgesamt transportierten Güter aus. Und selbst bei<br />
den Containertransporten werden die Risiken einer Verkehrsverlagerung nur in<br />
Teilen gesehen. Die Straßennetze um die Seehafenterminals sind heute schon<br />
<strong>der</strong>maßen überlastet, dass Rückverlagerungen auf die Straße in großem Stil<br />
äußerst unwahrscheinlich sind.“<br />
Zwar verweist <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esverband darauf, dass umweltfre<strong>und</strong>liche Verkehrs-<br />
träger genutzt werden sollten, allerdings sehen die Vertreter <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt in den Gigalinern eine interessante logistische Option.<br />
Die Stellungnahme des Verbandes <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> macht deutlich, dass<br />
die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ihren Markt im Wesentlichen im Transport <strong>der</strong> klassischen<br />
Massengüter sieht, <strong>der</strong> durch die Gigaliner nur begrenzt in Frage gestellt wer-<br />
den kann <strong>und</strong> daher das Verlagerungspotenzial als begrenzt angesehen wird.<br />
Die Rückverlagerung des Containertransports auf den Gigaliner wird nicht er-<br />
wartet, da die Seehafenhinterlandverkehrsinfrastrukturen extrem überlastet<br />
seien.<br />
4.1.1.1. Studie von Kessel <strong>und</strong> Partner zu Gigalinern 66<br />
Die Consultants Kessel <strong>und</strong> Partner wurden vom BMVBS damit beauftragt die<br />
möglichen Wirkungen <strong>der</strong> Zulassung <strong>der</strong> Gigaliner auf den Kombinierten Ver-<br />
kehr zu analysieren. Dazu sollte analysiert werden, wie sich dieses innovative<br />
Nutzfahrzeugkonzept auf den im BVWP prognostizierten Umfang des Kombi-<br />
nierten Verkehrs im Jahre 2015 auswirken würde. Als Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> diese Ab-<br />
schätzung wurden eine Reihe von Verkehrsrelationen, die Kosten <strong>für</strong> die ent-<br />
sprechenden Relationen im kombinierten Verkehr <strong>und</strong> im Verkehr herkömmli-<br />
cher LKW <strong>und</strong> Gigaliner analysiert. Im Ergebnis konnten deutliche Kostenre-<br />
66 Vgl. Kessel+Partner (2007)
96 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
duktionen durch den Einsatz des Gigliners identifiziert werden. Dies führte bei<br />
einigen Relationen dazu, dass die bislang existierenden Kostenvorteile des<br />
kombinierten Verkehrs sich in Kostennachteile wandelten bzw. sich deutlich<br />
relativierten. Die Maßnahmen zur För<strong>der</strong>ung des kombinierten Verkehrs wären<br />
damit zugleich in Frage gestellt.<br />
Die folgende Abbildung zeigt die möglichen Effekte <strong>der</strong> Zulassung des Gigali-<br />
ners auf den kombinierten Verkehr auf:<br />
Verkehre unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Preis <strong>und</strong><br />
Auslastungsreduktion<br />
Verkehre unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Preisreduktion<br />
Betroffene Verkehre<br />
Gesamtverkehr<br />
Abb. 12: Wirkungen des Gigaliners auf an<strong>der</strong>e Verkehrsträger<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach Kessel+Partner (2007) S. 17<br />
Die Grafik stellt die Ergebnisse <strong>der</strong> Abschätzungen <strong>der</strong> Auswirkungen <strong>der</strong> Zu-<br />
lassung des Gigaliners auf den kombinierten Verkehr dar. Die einzelnen Effek-<br />
te werden in dem folgenden Fazit <strong>der</strong> Studie erläutert.<br />
Das Fazit <strong>der</strong> Studie von Kessel+Partner<br />
• Bezogen auf den „betroffenen Verkehr“ (auf Deutschland bezogener<br />
Kombinierter Verkehr - KV) wird sich nach diesen Prognosen das KV<br />
Aufkommen um ca. 14% reduzieren. Dies gilt im Fall <strong>der</strong> ausschließlichen<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> direkten Preisverän<strong>der</strong>ung durch die innovativen<br />
Nutzfahrzeuge<br />
-32,3 %<br />
-32,3 %<br />
-32,3 %<br />
-32,3 %
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 97<br />
• Werden neben den Preisverän<strong>der</strong>ungen auch die Wirkungen einer Re-<br />
duktion <strong>der</strong> Zugauslastung <strong>und</strong> <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Wettbewerbs-<br />
nachteile durch erhöhte Stückkosten berücksichtigt, reduziert sich das<br />
KV Aufkommen 2015 um mehr als 30%<br />
• Bezogen auf den gesamten auf Deutschland bezogenen KV, werden<br />
die relativen KV Verluste auf r<strong>und</strong> 7% bzw. knapp 15% geschätzt 67<br />
„Neben dem kombinierten Verkehr Straße/Schiene <strong>und</strong> Straße/Binnenschiff-<br />
fahrt wäre sicherlich auch ein Teil des konventionellen Verkehrs Straße/Schie-<br />
ne (zumeist im Einzelwagenverkehr über Gleisanschlüsse) <strong>und</strong> Binnenschiff/<br />
Straße betroffen, wenn die Wettbewerbskraft des Straßengüterverkehrs auf<br />
weiten Strecken kräftig wächst. Auch hier würde es zu Verlagerungseffekten<br />
kommen. Es war nicht Aufgabenstellung dieser Studie, dies abzuschätzen“. 68<br />
4.1.1.2. Positionspapier des UBA zum Gigaliner 69<br />
Das Umweltb<strong>und</strong>esamt wertet im Rahmen seines Positionspapiers existierende<br />
Studien aus. Es geht davon aus, dass die Transportkosten pro Tonne Ladung<br />
um 20 bis 25 Prozent gegenüber herkömmlichen Lkws verringert werden kön-<br />
nen.<br />
Das vergrößerte Volumen dieser Lkw könnte den Bedarf an Fahrzeugen sen-<br />
ken: Für die Ladung dreier herkömmlicher 40-Tonner würden dann zwei „Rie-<br />
sen-Lkws“ benötigt. Das wäre mit geringeren Personal- <strong>und</strong> Betriebskosten<br />
verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> würde damit die Frachttarife drücken.<br />
Des Weiteren verweist das UBA auf Untersuchungen zu den Elastizitäten im<br />
Güterverkehr: „Wird <strong>der</strong> Straßengüterverkehr um ein Prozent günstiger, geht<br />
die beför<strong>der</strong>te Menge auf <strong>der</strong> Schiene um 1,8 Prozent zurück. Bei <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt beträgt dieser zu erwartende Rückgang 0,8 Prozent. Sänken die<br />
Frachttarife <strong>für</strong> Transporte mit den Riesen-Lkw um 20 Prozent, so verlöre die<br />
67 Vgl. Kessel+Partner (2006) S. 43<br />
68 Vgl. Kessel+Partner (2006) S. 43<br />
69 Vgl. UBA (2007c)
98 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Schiene in den relevanten Marktsegmenten bis zu 38 Prozent <strong>und</strong> die Binnen-<br />
schifffahrt bis zu 16 Prozent ihrer Gütertransportmengen“.<br />
Des Weiteren wird auf eine nie<strong>der</strong>ländische Studie verwiesen (CE Delft 2000),<br />
die zu dem Ergebnis kam, dass die Einführung <strong>der</strong> „Riesen-Lkw“ einen Rück-<br />
gang des Schienengüterverkehrs um bis zu fünf Prozent mit sich bringen wür-<br />
de.<br />
4.1.2. Auswirkungen <strong>der</strong> LKW Maut<br />
Die Diskussion um die möglichen Verkehrseffekte <strong>der</strong> Maut wurde oben be-<br />
reits angerissen. Die Diskussion wird im Wesentlichen durch den B<strong>und</strong>esver-<br />
band Güterkraftverkehr Logistik <strong>und</strong> Entsorgung (BGL) e.V. (kontra Maut) <strong>und</strong><br />
den Bahnen (pro Maut) dominiert.<br />
Abb. 13: Modal Shift <strong>Potenziale</strong><br />
Quelle: Eigene Darstellung nach Jahncke (2006)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 99<br />
Die International Road Transport Union (IRU) <strong>und</strong> <strong>der</strong> BGL haben die Consulter<br />
TransCare AG beauftragt zu analysieren 70 , welche Verkehrsverlagerungen <strong>für</strong><br />
die Bahn bei einer Erhöhung <strong>der</strong> Maut auf das Schweizerische Niveau (ca. 60<br />
ct/km) zu erwarten wären. In einem Vortrag stellte <strong>der</strong> Geschäftsführer Jahn-<br />
cke den Zugang <strong>der</strong> Analyse dar. (vgl. die folgende Darstellung)<br />
Zunächst wurde das Gesamtvolumen <strong>der</strong> Güter, die über die Straße transpor-<br />
tiert werden, identifiziert (differenziert nach Güterarten) <strong>und</strong> die Gütermengen<br />
ausgeschlossen,<br />
� <strong>der</strong>en Volumen nicht <strong>für</strong> den Bahntransport geeignet ist (Expertenbe-<br />
fragung)<br />
� <strong>der</strong>en Transporte nur über kurze Distanzen erfolgen<br />
� bei denen <strong>der</strong> Zugang zum intermodalen Transport sich nicht rechnet<br />
• bei denen nur Angebote geringer Qualität existieren<br />
Im Ergebnis wurden die Volumen identifiziert, die, nach Ansicht dieser Gut-<br />
achter, durch Verän<strong>der</strong>ungen des Transportpreises beeinflussbar sind.<br />
Mithin ist demnach festzustellen, dass <strong>der</strong> Preis eine wichtige, allerdings nicht<br />
entscheidende Frage bzgl. <strong>der</strong> Verlagerung von Gütern darstellt.<br />
Das Modal Shift Potenzial, welches von TransCare ermittelt wurde (58 Mio. t)<br />
setzt sich im Wesentlichen aus hochpreisigen <strong>und</strong> meist kleinteiligen Gütern<br />
zusammen, die über große Entfernungen transportiert werden. Die Wirksam-<br />
keit von Preissignalen hängt damit in starkem Maße von dem Anteil <strong>der</strong> Trans-<br />
portkosten an den gesamten Logistikkosten ab.<br />
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die Verlagerungspotenziale:<br />
70 In <strong>der</strong> Präsentation von Jahncke wird gleichzeitig eine weitere „typisierte“ Rechnung aufgemacht,<br />
die nach seiner Ansicht erfolgreicher sein könnte: (i) die Liberalisierung des Bahnverkehrs,<br />
die erhebliche Einsparpotenziale eröffnen würde, (ii) die För<strong>der</strong>ung des kombinierten<br />
Verkehrs (iii) <strong>und</strong> regulative Instrumente, die den Straßenverkehr verteuern würden.
100 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 14: Verlagerungspotenziale<br />
Quelle: Jahnke (2006)<br />
Je nach zu beför<strong>der</strong>ndem Gut <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungsart haben die Frachtkos-<br />
ten einen Anteil von 10-75% <strong>der</strong> gesamten Logistikkosten. Die Wirksamkeit ei-<br />
ner Erhöhung <strong>der</strong> Transportkosten wird sich am ehesten da festmachen las-<br />
sen, wo <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Transportkosten an den Logistikkosten hoch ist.<br />
Tab. 7: Wirkungen <strong>der</strong> Kostenerhöhungen im Straßengütertransport auf Kosten <strong>der</strong> Lieferkette<br />
Quelle: Jahnke (2006)<br />
Die Tabelle stellt die Wirkungen einer Maut auf unterschiedliche zu transportie-<br />
rende Güter dar mit unterschiedlichen Anteilen <strong>der</strong> Transportkosten an den<br />
gesamten Logistikkosten. Die Tabelle geht weiterhin davon aus, dass erst ab
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 101<br />
Preiserhöhungen von 10% Anpassungen <strong>der</strong> Logistikprozesse erfolgen. Die<br />
gelb unterlegten Bereiche zeigen das Überschreiten <strong>der</strong> 10 % Grenze an.<br />
Im Ergebnis kommen die Gutachter <strong>der</strong> BGL zu dem Ergebnis, dass eine Maut<br />
in Höhe von 70 ct/km quasi keine Verlagerungswirkung zeigt, eine drastische<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Maut auf ca. 1 € / km wäre demnach erfor<strong>der</strong>lich, um spürbare,<br />
gleichwohl schwache Verlagerungswirkungen vom Lkw auf die Bahn zu errei-<br />
chen. Es könnten ca. 11% <strong>der</strong> Güter auf die Bahn verlagert werden (Erhöhung<br />
des Modal Split um 1,08%).<br />
4.1.3. McKinsey Studie 71 <strong>für</strong> CER 72<br />
Die Studie fokussiert die Konkurrenzbeziehungen zwischen Bahn <strong>und</strong> Lkw.<br />
McKinsey sieht die Bahnen in Europa vor erheblichem Anpassungsdruck <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Gefahr eines deutlichen Marktverlustes bis hin zu einer Gefährdung des<br />
Systems.<br />
Ausgangspunkt <strong>der</strong> Analyse ist <strong>der</strong> politische Wille den Anteil <strong>der</strong> Bahnen am<br />
Güterverkehr in Europa deutlich zu erhöhen.<br />
McKinsey stellt fest, dass seit dem Jahr 2000 eine deutliche Reduktion <strong>der</strong> Kos-<br />
ten des Bahntransports erreicht werden konnte, gleichzeitig sind aber die Prei-<br />
se stärker gefallen. Dies mit <strong>der</strong> Konsequenz, dass die Gewinnsituation <strong>der</strong><br />
Bahnanbieter z.T. problematisch ist.<br />
Die Liberalisierungen im Bahnbereich haben zu Neueintritten von Anbietern<br />
geführt, die bereits deutliche Marktanteilsgewinne verzeichnen konnten <strong>und</strong><br />
die die traditionellen Anbieter zusätzlich unter Druck setzen. Die neuen Anbie-<br />
ter orientieren sich vor allem auf den Ganzzugverkehr, den Güterbahnbe-<br />
reich, <strong>der</strong> durchaus gewinnbringend ist, dies insbeson<strong>der</strong>e bei den klassischen<br />
Massengütern <strong>und</strong> dem Containerverkehr, vor allem im Seehafenhinterland-<br />
verkehr.<br />
71 Vgl. McKinsey (2005) The future of rail freight in Europe.<br />
72 CER: Community of European Railways and Infrastructure Managers
102 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Der Einzelwagenverkehr (auch im Containerverkehr) ist demgegenüber weni-<br />
ger profitabel <strong>und</strong> dem Wettbewerb insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Straße in beson<strong>der</strong>em<br />
Umfang ausgesetzt.<br />
Allerdings erfor<strong>der</strong>t auch <strong>der</strong> überwiegende Teil <strong>der</strong> Ganzzugverkehre den<br />
Einzelwagenverkehr, so dass beide Bereiche letztlich auf einan<strong>der</strong> angewie-<br />
sen sind. Das Wegbrechen des Einzelwagenverkehrs könnte, nach Ansicht<br />
von McKinsey, auch den Ganzzugverkehr in Frage stellen.<br />
Im Fazit stellen die Autoren fest, dass die Liberalisierung des Güterbahnver-<br />
kehrs keineswegs hinreichend ist, um relevante Verkehrsverlagerungen zu er-<br />
reichen. Zwar können noch erhebliche Kosteneinsparungen erreicht werden,<br />
allerdings existieren erhebliche Rationalisierungspotenziale auch im Bereich<br />
des Verkehrs auf <strong>der</strong> Straße.<br />
Die Autoren erwarten damit unter sonst gleichen Bedingungen einen erhebli-<br />
chen Rückgang des Güterverkehrs auf <strong>der</strong> Bahn.<br />
Der LKW-Maut kommt daher, neben <strong>der</strong> Anpassung weiterer Rahmenbedin-<br />
gungen, eine entscheidende Rolle bei <strong>der</strong> Stabilisierung des Bahnverkehrs zu.<br />
Nach den Berechnungen von McKinsey sind Mautgebühren in einer Höhe,<br />
wie sie in <strong>der</strong> Schweiz 73 erhoben werden, die Vorbedingung da<strong>für</strong>, dass <strong>der</strong><br />
Güterverkehr auf den Bahnen stabil bleibt bzw. sich sogar entwickeln kann<br />
<strong>und</strong> eine Verlagerung des Verkehrs von <strong>der</strong> Straße ermöglicht wird. Mautge-<br />
bühren wie bspw. in Italien mit ca. 20 ct/km (o<strong>der</strong> noch geringer, wie in D)<br />
sind hingegen nicht geeignet eine Verkehrsverlagerung zu erreichen.<br />
73 Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) in <strong>der</strong> Schweiz gilt dabei zum einen<br />
auf allen Straßen <strong>und</strong> wird je tkm erhoben (2,26 bis 3,07 Rappen)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 103<br />
4.1.4. GWS Studie im Auftrag des UBA zur Auswirkung <strong>der</strong> Maut auf den Güter-<br />
verkehr 74<br />
Die GWS hat im Auftrag des Umweltb<strong>und</strong>esamtes eine Studie durchgeführt,<br />
die die Wirkungen einer Erhöhung <strong>der</strong> Maut (konkret Verdoppelung) auf dem<br />
Güterverkehrsmarkt analysiert hat. Dabei wurden sowohl die Verlagerungswir-<br />
kungen als auch die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen berücksichtigt. Dem-<br />
nach würde eine verdoppelte Maut bis zum Jahr 2020 das Güterverkehrsauf-<br />
kommen um etwa 2,7 % verringern <strong>und</strong> Transporte von <strong>der</strong> Straße auf die<br />
Schiene verlagern. Im Vergleich zur Basisprognose (bestehende Maut) bedeu-<br />
tet dies, dass die Transportintensität im Güterverkehr um 3,6 Prozentpunkte<br />
abnimmt. Das Ziel einer Entkopplung würde allein mit einer solchen erhöhten<br />
Maut nicht erreicht. Die Bahn könnte unter diesen Bedingungen ihren Trans-<br />
portanteil halten bzw. leicht steigern. Im Jahr 2015 würde <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bahn<br />
an <strong>der</strong> Güterbeför<strong>der</strong>ungsleistung insgesamt durch die Erhöhung <strong>der</strong> Maut<br />
um knapp 1,8 % auf etwa 14,3 % steigen. Des Weiteren führen die Autoren<br />
aus: „Die Ergebnisse <strong>der</strong> Simulationsrechnung zeigen, dass diese Maßnahme<br />
nicht allein positive Umweltwirkungen, son<strong>der</strong>n auch gesamtwirtschaftliche<br />
Vorteile hat. Die Kostenerhöhungen in <strong>der</strong> Transportwirtschaft werden die ge-<br />
samtwirtschaftlichen Güterpreise durchschnittlich um 0,2 % erhöhen. Die da-<br />
mit verb<strong>und</strong>enen negativen gesamtwirtschaftlichen Wirkungen werden da-<br />
durch kompensiert, dass dem Staat zusätzliche Einnahmen zur Verfügung ste-<br />
hen, die zum Teil <strong>für</strong> eine bessere Verkehrsinfrastruktur verwendet werden. Dies<br />
führt insgesamt dazu, dass langfristig die Beschäftigung <strong>und</strong> das Bruttoin-<br />
landsprodukt gegenüber <strong>der</strong> Basisprognose leicht ansteigen werden.“ In <strong>der</strong><br />
Summe machen die Ergebnisse <strong>der</strong> makroökonomischen Modellierung deut-<br />
lich, dass auch eine deutliche Erhöhung <strong>der</strong> Maut nur einen begrenzten Bei-<br />
trag zur Verkehrsverlagerung leisten kann. Gleichwohl macht die Studie auch<br />
klar, dass eine verstärkte Kostenbelastung des Straßengüterverkehrs unter be-<br />
74 GWS (Gesellschaft <strong>für</strong> Wirtschaftliche Strukturforschung mbH): Schätzung <strong>der</strong> Wirkungen<br />
umweltpolitischer Maßnahmen im Verkehrssektor unter Nutzung <strong>der</strong> Datenbasis <strong>der</strong> Gesamtrechnungen<br />
des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes; Endbericht, Osnabrück, August 2004
104 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
stimmten Bedingungen auch gesamtwirtschaftlich positive Effekte haben<br />
kann.<br />
4.1.5. Schweizer leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) 75<br />
Die Schweizer Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) konnte im<br />
Jahre 2006 bis zu 74 ct/km betragen (in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Gesamtge-<br />
wicht des LKW <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schadstoffklasse) <strong>und</strong> wird durch ein Maßnahmenpa-<br />
ket begleitet, um das Ziel <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung zu erreichen (u.a. Rücker-<br />
stattung <strong>der</strong> LSVA im Vor- <strong>und</strong> Nachlauf von KV- Terminals <strong>und</strong> weitere Anreize<br />
<strong>für</strong> den kombinierten Verkehr, Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Bahninfrastruktur, Trassen-<br />
preisreduzierung auf <strong>der</strong> Schiene, teilweise weitgehende Verkehrsbeschrän-<br />
kungen). Im Jahre 2008 wurde die Abgabe nochmals erhöht.<br />
Im Ergebnis konnte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Bahn (27,9%) stabilisiert werden. Die Erfah-<br />
rungen <strong>der</strong> Schweiz verweisen darauf, dass die Verkehrsverlagerung erhebli-<br />
che Anstrengungen benötigen um erfolgreich zu sein, <strong>der</strong> alleinige Fokus auf<br />
den Transportpreis erweist sich als nicht hinreichend.<br />
4.2. Fazit<br />
Die Verlagerung des Güterverkehrs auf sog. umweltfre<strong>und</strong>lichere Transport-<br />
mittel ist, wie das Beispiel <strong>der</strong> Bemühungen in <strong>der</strong> Schweiz zeigt, ein keinesfalls<br />
trivialer Prozess. Zum einen ist es erfor<strong>der</strong>lich, dass sehr deutliche Preissignale<br />
gesetzt werden (die deutsche Maut setzt diese nicht) <strong>und</strong> eine Reihe von wei-<br />
teren teilweise drastischen begleitenden politischen Handlungen erfor<strong>der</strong>lich<br />
sind. Die Diskussion um den Gigaliner verdeutlicht zudem, dass die „Rückver-<br />
lagerung“ des Güterverkehrs von Bahn o<strong>der</strong> Binnenschiff auf den LKW auf<br />
Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Vorteile des LKW relativ unproblematisch ist.<br />
Das alleinige Setzen auf die Entwicklung von Infrastrukturen o<strong>der</strong> die Unterstüt-<br />
zung des kombinierten Verkehrs führen keineswegs zu Verkehrsverlagerungen,<br />
75 ARE (B<strong>und</strong>esamt <strong>für</strong> Raumentwicklung) (Hg.): Volkswirtschaftliche Auswirkungen <strong>der</strong> LSVA<br />
mit höherer Gewichtslimite. Bearbeitet von ecoplan /Infras 2007
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 105<br />
son<strong>der</strong>n im Wesentlichen zu einer weiteren Verbilligung <strong>und</strong> damit zu einer<br />
Zunahme des Verkehrs.
106 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
5. Dynamik <strong>der</strong> Güterverkehrsströme<br />
5.1. Hinterlandverkehre <strong>der</strong> Seehäfen<br />
Durch eine bestehende <strong>und</strong> weiter fortlaufende Internationalisierung <strong>der</strong> Ab-<br />
satz- <strong>und</strong> Beschaffungsmärkte stieg <strong>der</strong> Güterverkehr in den letzten Jahren<br />
grenzüberschreitend <strong>und</strong> auch national. 76 Die internationale Arbeitsteilung<br />
hat sich im Zuge des Integrationsprozesses <strong>der</strong> EU, dem Beitritt <strong>der</strong> Osteuropäi-<br />
schen Län<strong>der</strong> <strong>und</strong> in <strong>der</strong> allgemeinen Liberalisierung <strong>der</strong> Weltwirtschaft ver-<br />
tieft. 77<br />
Abb. 15: Seegüterumschlag deutscher Seehäfen von 2000 bis 2006 in 1.000 t<br />
Quelle: BAG (2007)<br />
Das Wachstum des internationalen Güterverkehrs macht sich insbeson<strong>der</strong>e<br />
auch in den deutschen Seehäfen bemerkbar. 78 Im Zeitraum von 1993 bis<br />
76 Vgl. BAG (2005) S. 1<br />
77 Vgl. BMVBW (2000) S. 7<br />
78 Vgl. Zukunft <strong>Elbe</strong> (2006) S. 3
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 107<br />
2003 stieg <strong>der</strong> Güterumschlag deutscher Seehäfen von 184 Mio. t auf 255 Mio.<br />
t an. Das ergibt eine Steigerung um 71 Mio. t o<strong>der</strong> r<strong>und</strong> 38%. Prozentual stieg<br />
<strong>der</strong> Containerumschlag stärker an. Sein Anteil am gesamten Güterumschlag<br />
im Hamburger Hafen lag 2003 bei 31% im Gegensatz zu 1993 mit 19%.<br />
Die drei bedeutendsten Seehäfen in Deutschland sind Hamburg (93,6 Mio. t),<br />
Bremen/ Bremerhaven (42,5 Mio. t) <strong>und</strong> Wilhelmshaven (39,4 Mio. t). Auf die<br />
„großen Drei“ entfielen im Jahr 2003 r<strong>und</strong> 69% des gesamten Seegüterum-<br />
schlags aller deutschen Seehäfen. 80<br />
Der beobachtete Anstieg des Seegüterumschlags deutscher Seehäfen be-<br />
dingt einen Anstieg des Hinterlandverkehrs mit entsprechenden Ansprüchen<br />
an die Infrastruktur <strong>und</strong> dessen Verkehrsträger.<br />
Die deutschen Nordseehäfen sind trimodal angeschlossen, während die<br />
deutschen Ostseehäfen keinen Anschluss an Binnenwasserstraßen aufweisen.<br />
Somit spielen letztere bei <strong>der</strong> Betrachtung des Güterverkehrs auf Binnenge-<br />
wässern – speziell <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-Schifffahrt – keine Rolle. Generell zeichnen sich die<br />
großen Seehäfen an <strong>der</strong> Nordseeküste durch eine gute Anbindung an die<br />
Schiene aus, während <strong>der</strong> Lkw die (Fähr-) Häfen an <strong>der</strong> Ostsee durch <strong>der</strong>en<br />
hohen Anteil an Ro-Ro-Verkehren dominiert. 81<br />
Individuelle Entscheidungen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> determinieren die Verkehrsmittel-<br />
wahl nach ökonomischen Gesichtspunkten (Preis, Qualität) <strong>und</strong> dessen Ver-<br />
fügbarkeit 82 . Die geographische Lage <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> wirkt sich an<strong>der</strong>erseits auf<br />
die Wahl eines Seehafens aus. 83 Das B<strong>und</strong>esamt <strong>für</strong> Güterverkehr beobach-<br />
tet, dass Verla<strong>der</strong> aus West- <strong>und</strong> Süddeutschland die ARA-Häfen (Amsterdam,<br />
Rotterdam, Antwerpen) bevorzugen <strong>und</strong> Verla<strong>der</strong> mit Sitz in Nord-, Süd- <strong>und</strong><br />
Ostdeutschland deutsche Seehäfen (Hamburg, Bremen, Wilhelmshaven) prä-<br />
ferieren, weil dem Vor- <strong>und</strong> Nachlauf im Hinterland hinsichtlich <strong>der</strong> gesamten<br />
79 Vgl. BAG (2005) S. 1<br />
80 Vgl. ebd. S. 1<br />
81 Vgl. ebd. S. 2<br />
82 D.h., nicht alle deutschen Seehäfen sind trimodal mit dem Hinterland angeschlossen. Modi:<br />
LKW, Bahn, Binnenschiff<br />
83 Vgl. BAG (2005) S. 3<br />
79
108 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Transportkosten auf dieser sehr kurzen Wegstrecke in Relation zum Gesamt-<br />
weg (Vorlauf, Seeweg, Nachlauf) eine sehr hohe Bedeutung zukommt. 84<br />
Containerverkehre. Der Einsatz von Containern hat im internationalen Seever-<br />
kehr mittlerweile eine dominierende Rolle im Stückgutbereich. Diese Tatsache<br />
lässt sich relativ gut an <strong>der</strong> Container-Quote großer Seehäfen zeigen. Der<br />
Container-Anteil <strong>für</strong> Stückgüter liegt in Hamburg bei 96,5% <strong>und</strong> in Bre-<br />
men/Bremerhaven bei 83,6%. 85<br />
Abb. 16: Stückgutumschlag im Hafen Hamburg von 1960 bis 2007 in 1.000 t<br />
Quelle: Hamburg Port Authority 2008<br />
Selbst Massengüter werden zunehmend in Containern transportiert. Waren<br />
bspw. Bananen o<strong>der</strong> Kaffee in <strong>der</strong> Vergangenheit eher ungeeignet <strong>für</strong> Con-<br />
tainertransporte, so stehen <strong>für</strong> diese <strong>und</strong> ähnliche Güter mittlerweile Spezial-<br />
container zur Verfügung.<br />
84 Dieser Aspekt ist im internationalen Güterverkehr nicht unwesentlich, weil bspw. die Strecke<br />
Prag – Hongkong via Hamburg auf dem Teilstück Prag – Hamburg r<strong>und</strong> 80% <strong>der</strong> Transportkosten<br />
auf ca. 3,4% Wegstrecke verursacht. Vgl. Zukunft <strong>Elbe</strong> (2006) S. 9<br />
85 Vgl. BAG (2005) S. 4
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 109<br />
Mitunter werden sogar klassische Massengüter in Containern transportiert. Dies<br />
ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Fall bei unpaarigen Transporten, damit Leerfahrten mög-<br />
lichst vermieden werden 86 .<br />
Die Weiterbeför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Container im Hinterland <strong>der</strong> deutschen Seehäfen<br />
erfolgt zumeist mit Lkw <strong>und</strong> die Güter verbleiben zunächst überwiegend im<br />
näheren Umkreis <strong>der</strong> Seehäfen zur Weiterverarbeitung o<strong>der</strong> werden in Distri-<br />
butionszentren gebündelt. Es ist darauf zu verweisen, dass die <strong>Elbe</strong> in keiner<br />
Weise mit den Bedingungen auf dem Rhein zu vergleichen ist. Die Bedeutung<br />
des Binnenschiffs auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wird von daher in keinem Fall vergleichbare<br />
Dimensionen erreichen können. Mit zunehmen<strong>der</strong> Wegstrecke nehmen, nach<br />
Marktbeobachtungen <strong>der</strong> BAG, <strong>der</strong> Anteil des Lkw ab <strong>und</strong> die Bedeutung <strong>der</strong><br />
Schiene <strong>und</strong> des Binnenschiffs zu. Im Einzugsgebiet von Hamburg entfallen ab<br />
150 km Wegstrecke ca. 70% <strong>der</strong> Gütertransporte auf die Bahn. 87<br />
Abb. 17: Modal Split in den Häfen Antwerpen (2002) <strong>und</strong> Hamburg (2003)<br />
Quelle: BAG (2005) S. 5<br />
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass große Ree<strong>der</strong>eien sich an (Container)<br />
Terminalbetreibern beteiligen. Diese kooperieren landseitig wie<strong>der</strong>um mit<br />
nachgelagerten Verkehrsträgern (zumeist mit <strong>der</strong> Schiene). „Strategische Alli-<br />
anzen zwischen Ree<strong>der</strong>eien <strong>und</strong> Terminalbetreibern haben damit auch un-<br />
86 Insbeson<strong>der</strong>e im Handel mit Fernost. Importen stehen Exporte nicht in gleicher Zahl gegen-<br />
über. Vgl. ebd.<br />
87 Vgl. BAG (2005) S. 9 f.
110 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
mittelbaren Einfluss auf die Beför<strong>der</strong>ungsabläufe im Hinterland <strong>der</strong> Seehäfen“.<br />
88<br />
5.1.1. Hinterlandverkehr anhand ausgewählter deutscher Seehäfen<br />
Hinterlandverkehre sind regional abgegrenzt, d.h. <strong>der</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachlauf<br />
sucht sich seine günstigste Verbindung zum nächsten Seehafen. Die Betrach-<br />
tung <strong>der</strong> ARA-Häfen ist <strong>für</strong> das <strong>Elbe</strong>-Gebiet unbedeutend, weil sich <strong>der</strong> Hinter-<br />
land-Transport <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen <strong>und</strong> belgischen Häfen fast ausschließlich<br />
auf die Rhein-Main Region bezieht. Für den Güterverkehr im <strong>Elbe</strong>-Raum sind<br />
Hamburg <strong>und</strong> Bremen/Bremerhaven von Bedeutung.<br />
5.1.1.1. Universalhäfen Bremen/Bremerhaven <strong>und</strong> Hamburg<br />
5.1.1.1.1. Bremen/Bremerhaven<br />
Nach Untersuchungen <strong>der</strong> BAG wurden im Jahre 2003 insgesamt in den Hä-<br />
fen Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven 52,3 Mio. t Güter umgeschlagen. Davon entfie-<br />
len 35 Mio. t (67%) auf Güter, die in Containern transportiert wurden. 89<br />
Der Modal Split <strong>der</strong> beiden Häfen setzt sich folgen<strong>der</strong>maßen zusammen: Der<br />
Lkw-Verkehr nimmt einen Anteil von r<strong>und</strong> 41% ein, wobei zu beachten ist, dass<br />
die Lkw-Transporte hauptsächlich bis zu einer Entfernung von ca. 300 km von<br />
beson<strong>der</strong>er Relevanz sind. So werden in Bremen <strong>und</strong> im bremischen Hinter-<br />
land beheimatete Kaffeeröstereien, Lagerstätten <strong>und</strong> Distributionszentren mit<br />
dem Lkw beliefert. Auf weiteren Entfernungen werden lediglich zeitsensible<br />
Güter mit dem Lkw bedient.<br />
Über größere Entfernungen gewinnt die Bahn im bremischen Hinterland zu-<br />
nehmend an Bedeutung. Ihr Anteil im bremischen Hinterlandverkehr beträgt<br />
50%, im Containerverkehr erreicht die Bahn sogar einen Anteil von r<strong>und</strong> zwei<br />
Dritteln.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> spielt im Hinterland <strong>der</strong> bremischen Hafens mit insgesamt<br />
4,4 Mio. t (8,4%) transportierter Güter eher eine untergeordnete Rolle. 90 Dabei<br />
88 Vgl. BAG (2005) S. 6<br />
89 Vgl. BAG (2005) S. 12<br />
90 Vgl. BAG (2005) S. 14
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 111<br />
soll lediglich ein verschwindend geringer Teil von etwa 3400 t Güter im Wech-<br />
selverkehr mit <strong>der</strong> Tschechischen Republik abgewickelt worden sein.<br />
Das gesamte Transitaufkommen mit <strong>der</strong> Tschechischen Republik belief sich im<br />
Jahre 2003 auf 420.291 t Güter. 91 Im Vergleich zum Transitaufkommen per Bin-<br />
nenschiff (3400 t Güter) sieht man ganz deutlich die Dominanz <strong>der</strong> Bahn im in-<br />
termodalen Wettbewerb, bezogen auf die bremischen Häfen. Nach Markt-<br />
beobachtungen <strong>der</strong> BAG seien allerdings Bemühungen erkennbar mehr Con-<br />
tainertransporte auf das Binnenschiff zu verlegen. 92<br />
5.1.1.1.2.Hamburg<br />
Hamburg belegt mit einem Umschlagvolumen von 114,5 Mio. t im Jahre 2004<br />
Platz 9 im internationalen Ranking, davon entfielen 76,6 Mio. t (67%) auf den<br />
Containerumschlag.<br />
Abb. 18: Seegüterumschlag im Hafen Hamburg von 2000 bis 2007 in Mio. t<br />
Quelle: Hamburg Port Authority (2008)<br />
91 Vgl. BAG (2005) S. 13 <strong>und</strong> Anhang D, Tabelle D2, S. 32<br />
92 Vgl. ebd. S. 14
112 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Der Hamburger Hafen vereint zwei wesentliche Merkmale: Einerseits liegt er<br />
tief im Binnenland, wobei Vor- <strong>und</strong> Nachläufe verkürzt werden. Die transpor-<br />
tierten Güter bleiben länger auf dem Seeschiff <strong>und</strong> <strong>der</strong> teure Vor- <strong>und</strong> Nach-<br />
lauf verkürzt sich über 100 km. 93 An<strong>der</strong>erseits besitzt er eine sog. Loko-Quote 94 .<br />
Das heißt, dass in etwa ein Drittel aller ankommenden Waren in <strong>der</strong> sog. Met-<br />
ropolregion Hamburgs verbleiben. Im näheren Umland dominiert, aus glei-<br />
chen Gründen wie bei den bremischen Häfen dargestellt, <strong>der</strong> Lkw.<br />
Anteile am Modal Split im Hinterland des Hamburger Hafens sehen wie folgt<br />
aus: 44% Lkw, 32% Bahn, 15% Durchgangsverkehr <strong>und</strong> 10% Binnenschiff. 95<br />
Des Weiteren hat <strong>der</strong> Hamburger Hafen eine herausragende Stellung als Tran-<br />
sithafen <strong>für</strong> die angrenzenden MOE-Län<strong>der</strong>. Es entstehen Transit-<br />
Güterverkehre, da Transporteure osteuropäischer Staaten ihre Güter über<br />
den Hafen Hamburg auf Seeschiffen verschicken. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> Tsche-<br />
chien ist Hamburg <strong>der</strong> wichtigste Seehafen. Laut Statistischem B<strong>und</strong>esamt be-<br />
lief sich die Menge an Gütern im Transitverkehr im Jahre 2003 auf 1.149.432 t.<br />
Der Modal Split liegt hier bei 75% bei <strong>der</strong> Schiene, 15% beim Lkw <strong>und</strong> lediglich<br />
5% beim Binnenschiff 96 . Der Großteil <strong>der</strong> Transporte zwischen Hamburg <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Tschechischen Republik (<strong>und</strong> auch <strong>der</strong> Slowakei) erfolgt auf dem Land-<br />
weg per Bahn. We<strong>der</strong> Lkw noch das Binnenschiff spielen im grenzüberschrei-<br />
tenden Verkehr mit Tschechien eine nennenswerte Rolle. So stieg das Abwick-<br />
lungsvolumen am (Schienen-)Terminal Prag von 12.789 TEU 97 (1993) auf<br />
125.575 TEU (2004) 98 . Hieran sieht man exemplarisch die zunehmende Bedeu-<br />
tung <strong>der</strong> Schiene bei Osteuropaverkehren.<br />
93 Vgl. Zukunft <strong>Elbe</strong> S. 9<br />
94 Vgl. ebd. S. 7<br />
95 Vgl. BAG (2005) S. 15<br />
96 Bei einer Menge von 1.149.432 t <strong>und</strong> einem Anteil von 5% ist die transportierte Menge von<br />
57.471,6 t via Binnenschiff grenzüberschreitend mit <strong>der</strong> Tschechischen Republik marginal.<br />
97 TEU = Twenty-foot Equivalent Unit; 20 Fuß ISO-<strong>Stand</strong>ardcontainer<br />
98 Vgl. ebd. S. 15
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 113<br />
Aber auch im Bereich übriger Transporte von Massengütern ist die Schiene im<br />
Einzugsgebiet des Hamburger Hafens gut positioniert. Zu nennen sind Trans-<br />
porte von Erz <strong>und</strong> Kohle nach Salzgitter <strong>und</strong> Eisenhüttenstadt sowie die Belie-<br />
ferung mit Kohle <strong>für</strong> Kraftwerke in Nie<strong>der</strong>sachsen <strong>und</strong> Schleswig-Holstein. Das<br />
absolute Gesamtgüteraufkommen <strong>der</strong> Bahn hat sich in den vergangenen<br />
Jahren gesteigert, obwohl sie Anteile an den Fee<strong>der</strong>verkehr abgeben musste.<br />
Osteuropäische Staaten mit Seeanbindung, sowie <strong>der</strong> Balkan, verschiffen Gü-<br />
ter zunehmend im Fee<strong>der</strong>verkehr nach Hamburg.<br />
Tab. 8: Modal Split im Hinterland des Hamburger Hafens von 1990 bis 2003<br />
Quelle: BAG (2005) S. 16<br />
Im Modal Split zeigt das Binnenschiff im Hinterlandverkehr des Hamburger Ha-<br />
fens mit 10% Verkehrsanteil im Jahre 2003 eine vergleichsweise untergeordne-<br />
te Rolle, insbeson<strong>der</strong>e im Vergleich zum Modal Split Anteil <strong>der</strong> Binnenschiffver-<br />
kehre im Rhein-Gebiet im Hinterland <strong>der</strong> ARA-Häfen. 99<br />
Verkehre des Binnenschiffs mit dem Ausland sind im nicht nennenswerten Um-<br />
fang vorhanden. Bei einem Anteil i.H.v. 5% des Binnenschiffes beim Güterver-<br />
kehr zwischen Hamburg <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Republik im Jahr 2003 <strong>und</strong> ei-<br />
nem Transitaufkommen von 1.149.432 t ergibt sich ein Anteil von 57.472 t (rd.<br />
0,5% des Gesamtumschlags des Hamburger Hafens) <strong>für</strong> den Verkehrsträger<br />
Binnenschiff. 100<br />
99 Bahnanteile in 2002: Rotterdam (56%), Amsterdam (39,7%), Antwerpen (32%); Quelle: BAG<br />
(2005) S. 3 ff.<br />
100 Vgl. BAG (2005) S. 14-17
114 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
5.1.1.2. Nie<strong>der</strong>sächsische Seehäfen<br />
Zu den nie<strong>der</strong>sächsischen Häfen zählen Brake, Cuxhaven, Emden, Leer, Nor-<br />
denham, Oldenburg, Papenburg, Stade-Bützfleth <strong>und</strong> Wilhelmshaven. Alle<br />
Häfen setzten im Jahre 2004 kumuliert ein Gütervolumen von 64,2 Mio. t um.<br />
Die nie<strong>der</strong>sächsischen Seehäfen sind sog. Spezialhäfen, die sich auf bestimm-<br />
te Güter spezialisiert haben. Bspw. ist Wilhelmshaven Deutschlands Rohölim-<br />
porthafen Nr.1. Der Großteil <strong>der</strong> Güter wird im Hinterland durch Rohrleitungen<br />
transportiert <strong>und</strong> entzieht sich unserem Schwerpunkt <strong>der</strong> Betrachtung. 101<br />
Weil die Infrastruktur <strong>der</strong> Wasserstraßen die <strong>Binnenschifffahrt</strong> a priori determi-<br />
niert <strong>und</strong> letztere im Vergleich zum Rhein-Gebiet nicht konkurrenzfähig ist 102 ,<br />
scheidet <strong>für</strong> die nie<strong>der</strong>sächsischen Seehäfen das Rhein-Gebiet aus.<br />
Betrachtet man die folgende Tabelle, so beeinflussen die nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Seehäfen die <strong>Elbe</strong>-Region kaum. Die Güterverkehrsaufkommen mit den Län-<br />
<strong>der</strong>n Brandenburg <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt sind gering.<br />
101 Vgl. ebd. S. 17 f.<br />
102 Niedrigere Brückendurchfahrten, kürzere Schleusen
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 115<br />
Tab. 9: Binnenschiffsumschläge ausgewählter Seehäfen nach Einlade- <strong>und</strong> Ausladeland in<br />
2003 (in 1000 t)<br />
Quelle: Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
5.2. Ost-Erweiterung <strong>und</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
5.2.1. Güterverkehrsaufkommen mit Grenzüberschritt<br />
Nach Angaben des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes betrug die absolute Trans-<br />
portmenge auf deutschen Wasserstraßen 2007 r<strong>und</strong> 249 Mio. t an Gütern. Das<br />
allgemeine grenzüberschreitende Güterverkehrsaufkommen (ohne Durch-<br />
gangsverkehr) im gleichen Zeitraum hatte ein Volumen von r<strong>und</strong> 167 Mio. t
116 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Güter. Im Vergleich dazu fällt <strong>der</strong> Wechselverkehr mit neuen MOE-Län<strong>der</strong>n<br />
nach dem Beitritt im Mai 2004 mit insgesamt r<strong>und</strong> 3,5 Mio. t (Polen, Tsche-<br />
chien, Slowakei <strong>und</strong> Ungarn) kaum ins Gewicht. 103<br />
Tab. 10: Grenzüberschreitende Güterbeför<strong>der</strong>ung per Binnenschiff in regionaler Glie<strong>der</strong>ung in<br />
1.000 t<br />
Quelle: Statistisches B<strong>und</strong>esamt, Fachserie 8 / Reihe 4<br />
Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Zahlen ist festzustellen, dass sich die EU-<br />
Osterweiterung im grenzüberschreitenden Güterverkehr mit den östlichen EU-<br />
Mitglie<strong>der</strong>n über Binnenwasserstraßen mengenmäßig (noch) nicht positiv<br />
ausgewirkt hat. 104<br />
Aus den Zahlen lässt sich auch ablesen, dass die grenzüberschreitenden<br />
Transporte mit den neuen EU-Mitglie<strong>der</strong>n höchst unpaarig sind. Damit wird ein<br />
Aufbau von wirtschaftlichen Relationen zusätzlich erschwert. Gründe hier<strong>für</strong><br />
liegen nach <strong>der</strong> Einschätzung des B<strong>und</strong>esamtes <strong>für</strong> Güterverkehr in den un-<br />
103 Vgl. BAG (2006) S. 21 ff.<br />
104 Vgl. BAG (2006) S. 2 <strong>und</strong> S. 22
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 117<br />
verän<strong>der</strong>ten Rahmenbedingungen <strong>und</strong> den Infrastrukturhemmnissen 105 sowie<br />
dem Auftreten von häufigem Niedrigwasser <strong>und</strong> <strong>der</strong> damit begrenzten Zuver-<br />
lässigkeit des Güterverkehrs.<br />
Die transportierten Güter im grenzüberschreitenden Binnenschifftransport mit<br />
MOE-Län<strong>der</strong>n sind Massengüter <strong>der</strong> Trockengüterschifffahrt, wie Steine <strong>und</strong><br />
Erden, feste mineralische Brennstoffe, Erze <strong>und</strong> Metallabfälle, ferner Nahrungs-<br />
<strong>und</strong> Futtermittel, Düngemittel <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e landwirtschaftliche Erzeugnisse.<br />
Halb- <strong>und</strong> Fertigerzeugnisse spielen bis heute keine o<strong>der</strong> lediglich eine unter-<br />
geordnete Rolle. 106<br />
Wechselverkehr Deutschland – Polen:<br />
Zwischen den Jahren 2001 <strong>und</strong> 2002 ist ein deutlicher Rückgang <strong>der</strong> grenz-<br />
überschreitenden Transporte zu erkennen. Der Gr<strong>und</strong> hier<strong>für</strong> ist ein Rückgang<br />
<strong>der</strong> Kohleeinfuhren. Ab dem Jahr 2003 ist ein leichter Aufwärtstrend erkenn-<br />
bar.<br />
Im Jahr 2005 waren über die Hälfte <strong>der</strong> grenzüberschreitenden Güter in Rich-<br />
tung deutscher Häfen feste mineralische Brennstoffe, gefolgt von Erzen <strong>und</strong><br />
Metallabfällen, Düngemitteln sowie Steine <strong>und</strong> Erden.<br />
In Richtung Polen wurden überwiegend Eisen, Stahl <strong>und</strong> NE-Metalle, sowie<br />
Nahrungs- <strong>und</strong> Futtermittel <strong>und</strong> Halb- <strong>und</strong> Fertigerzeugnisse 107 transportiert.<br />
Wechselverkehr Deutschland – Tschechische Republik:<br />
Nach stetigen Rückgängen <strong>der</strong> grenzüberschreitenden Güterverkehre in den<br />
letzten Jahren zwischen Deutschland <strong>und</strong> Tschechien stieg <strong>der</strong> Güterverkehr<br />
im Jahre 2005 wie<strong>der</strong> deutlich an. Im Wechsel zwischen beiden Län<strong>der</strong>n do-<br />
minieren „an<strong>der</strong>e Nahrungs- <strong>und</strong> Futtermittel“ sowie „Düngemittel“ <strong>und</strong><br />
„landwirtschaftliche Erzeugnisse“. 108<br />
105 Vgl. BAG (2006) S. 22<br />
106 Vgl. BAG (2006) S. 22<br />
107 Dieser Gütergruppe kommt mit ca. 2% momentan eine sehr geringe Bedeutung zu. Vgl.<br />
BAG (2006) S. 23<br />
108 Vgl. BAG (2006) S. 23
118 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
5.2.2. Flaggenanteile im Kabotage-Verkehr<br />
Im vergangenen Jahr hatte die polnische, die tschechische <strong>und</strong> die ungari-<br />
sche Flotte zusammen einen Anteil am Verkehrsaufkommen in deutschen Bin-<br />
nengewässern (Kabotage) i.H.v. 3,5% im Zeitraum von Januar bis September<br />
2005. Zum Vergleich: B<strong>und</strong>esweit transportieren deutsche Binnenschiffer rd. 80<br />
Mio. t/a, d.h. 36% <strong>der</strong> Transportleistung auf deutschen Wasserstraßen. 109 An-<br />
hand dieser Zahl könnte man meinen, dass die osteuropäischen Flotten keine<br />
nennenswerte Bedeutung haben. Hier muss man anschließend regional diffe-<br />
renzieren. Festzuhalten bleibt, dass alle genannten Flaggen ihre Beför<strong>der</strong>ungs-<br />
leistung im angegebenen Zeitraum steigern konnten.<br />
5.2.3. Flotten-Struktur<br />
Die osteuropäischen Flotten weisen eine geringe Wettbewerbsfähigkeit auf.<br />
Die Schiffsbestände sind veraltet, die Schiffe habe eine geringe Größe <strong>und</strong><br />
die Schiffsführer verfügen vielfach nicht über ein Rheinschifffahrtspatent. Letz-<br />
ter Punkt beschränkt das Handlungsfeld insb. <strong>der</strong> polnischen <strong>und</strong> tschechi-<br />
schen Flotten auf das Kanalgebiet zwischen Rhein <strong>und</strong> O<strong>der</strong> <strong>und</strong> das Elbge-<br />
biet. Markteintritte sind lediglich im Bereich <strong>der</strong> Trockengüterschifffahrt zu be-<br />
obachten. Auffällig sind die Bemühungen <strong>der</strong> osteuropäischen Binnenschiff-<br />
fahrtsunternehmen ihre Flotten zu mo<strong>der</strong>nisieren <strong>und</strong> auf das Westniveau zu<br />
heben.<br />
Zwar ist <strong>der</strong> gesamtdeutsche Anteil <strong>der</strong> MOE-Flotten relativ gering, allerdings<br />
hat bspw. eine einzige polnische Ree<strong>der</strong>ei „Odratrans“ 110 einen Anteil am Gü-<br />
terverkehr per Binnenschiff von 10% im <strong>Elbe</strong>-O<strong>der</strong> Gebiet. Die tschechische<br />
Flotte erreicht im grenzüberschreitenden Verkehr, gemessen am Transportvo-<br />
lumen, an <strong>der</strong> deutsch tschechischen Grenze einen Anteil von r<strong>und</strong> 93%. Ähn-<br />
lich dominant sind polnische Binnenschiffer an <strong>der</strong> deutsch-polnischen Gren-<br />
ze.<br />
109 Vgl. Forum <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> Logistik (2004)<br />
110 Die BDR gehört seit kurzem ebenfalls zu diesem Unternehmen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 119<br />
Seit <strong>der</strong> Osterweiterung ist eine erhöhte Kabotage-Tätigkeit <strong>der</strong> MOE-Schiffer<br />
zu beobachten. Mittlerweile erreicht die polnische Tätigkeit auf deutschen<br />
Binnengewässern einen Anteil von 1,8% 111 . Eine mögliche Erklärung liegt hier<br />
im rückläufigen grenzüberschreitenden Verkehr 112 . Die im Zeitablauf frei ge-<br />
wordenen Kapazitäten <strong>der</strong> „Grenzgänger“ suchen naturgemäß alternative<br />
Verwendungsmöglichkeiten. Dieser Such- <strong>und</strong> Entdeckungsprozess mündet<br />
momentan in <strong>der</strong> Erschließung deutscher Binnengewässer. Daraus ergibt sich<br />
eine höhere Wettbewerbsintensität <strong>für</strong> deutsche Binnenschiffer, die sich ei-<br />
nem höheren Preisdruck im Trockengüterschiffsverkehr gegenüber sehen.<br />
Daraus resultiert eine Verdrängung <strong>und</strong> eine potenzielle Abwan<strong>der</strong>ungswahr-<br />
scheinlichkeit deutscher Binnenschiffer in den genannten Relationen 113 Der<br />
Verkauf <strong>der</strong> Deutschen Binnenree<strong>der</strong>ei an die Odratrans symbolisiert diese<br />
Entwicklung.<br />
5.3. Fazit<br />
Der zunehmende internationale Warenaustausch (insbeson<strong>der</strong>e mit Süd-Ost-<br />
Asien) wird zunehmend über die Seehäfen <strong>der</strong> Nordrange abgewickelt. Da-<br />
mit werden die Seehafenhinterlandanbindungen immer bedeutsamer. Dabei<br />
spielt die <strong>Binnenschifffahrt</strong> vor allem <strong>für</strong> Rotterdam eine wesentliche Rolle, da<br />
<strong>der</strong> Rhein Rotterdam mit den Industriezentren verbindet.<br />
Für die Gütertransporte des Hamburger Hafens ins Hinterland (insbes. den<br />
MOE Staaten) spielt die <strong>Binnenschifffahrt</strong> eine begrenzte Rolle. Die Verkehre<br />
werden überwiegend mit den Lkw <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bahn abgewickelt, dies gilt insbe-<br />
son<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Containertransporte in Richtung Tschechien. Für diese Trans-<br />
porte ist insbeson<strong>der</strong>e die Bahn bedeutsam, die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hat hinge-<br />
gen vernachlässigenswerte Anteile am Transportaufkommen.<br />
111 Diese Zahl ist klein. Zu beachten ist immer noch, dass sich diese Kabotage-Tätigkeit lediglich<br />
auf die Rhein-O<strong>der</strong>-Relation bezieht.<br />
112 Im Zeitraum von 2001 bis 2005 ist <strong>der</strong> grenzüberschreitende Verkehr <strong>der</strong> Osteuropäer tendenziell<br />
rückläufig. Lediglich im Zeitraum zwischen 2004 <strong>und</strong> 2005 stieg das Transportvolumen<br />
wie<strong>der</strong> leicht an.<br />
113 Eine (ungenannte) deutsche Ree<strong>der</strong>ei beabsichtigt Schiffskapazitäten nach Polen zu verlagern,<br />
um damit Kosten zu senken <strong>und</strong> ihre Kabotage-Tätigkeit wie<strong>der</strong> wettbewerbsfähig in<br />
Deutschland durchzuführen
120 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Auch die EU-Osterweiterung hat kaum positive Auswirkungen auf den grenz-<br />
überschreitenden Gütertransport per <strong>Binnenschifffahrt</strong> gehabt.<br />
In <strong>der</strong> Summe ist dies weniger auf fehlende Transportmöglichkeiten <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt zurückzuführen, als vielmehr auf die begrenzte Wettbewerbsfä-<br />
higkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>.
6. Gütertransport <strong>und</strong> Umweltwirkungen<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 121<br />
Der Güterverkehr (<strong>und</strong> Verkehr generell) ist mit erheblichen Umweltwirkungen<br />
verb<strong>und</strong>en. Die Verlagerungsdiskussion wird dabei vor allem mit Blick auf die<br />
Emissionen des Verkehrs geführt, dabei werden vor allen Dingen die Schad-<br />
stoffemissionen <strong>und</strong> Lärmemissionen berücksichtigt. Strukturelle Wirkungen auf<br />
Natur <strong>und</strong> Landschaft bleiben in diesem Zusammenhang <strong>der</strong> Bewertung meist<br />
unberücksichtigt bzw. werden in den entsprechenden Verfahren „weggewo-<br />
gen“ o<strong>der</strong> „ausgeglichen“.<br />
Die Zerschneidungswirkungen von Straßen werden vielfach nicht berücksich-<br />
tigt, die strukturellen Eingriffe, die zur Schiffbarmachung <strong>der</strong> Flüsse erfor<strong>der</strong>lich<br />
sind, werden nicht o<strong>der</strong> nur begrenzt berücksichtigt.<br />
6.1. Umweltrelevanz (Emissionen) von Transporten: <strong>der</strong> Verkehrsträger Bin-<br />
nenschifffahrt im Vergleich<br />
Die Verlagerungspotenziale, die u.a. in den Studien von LUB <strong>und</strong> Planco be-<br />
nannt werden, werden damit begründet, dass mit dem Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> die<br />
Transporte via <strong>Binnenschifffahrt</strong> durchgeführt <strong>und</strong> damit eine Entlastung <strong>der</strong><br />
Umwelt erreicht werden könne. Dabei wird insbeson<strong>der</strong>e Bezug genommen<br />
auf die Verlagerungsmöglichkeiten vom Lkw bzw. <strong>der</strong> Bahn auf das Binnen-<br />
schiff.<br />
Wie die folgende Darstellung deutlich macht, sind die Umwelt entlastenden<br />
Effekte keineswegs sichergestellt: die Transporte per Bahn wären, so sie denn<br />
möglich sind, in <strong>der</strong> Regel umweltfre<strong>und</strong>licher als die Transporte mit <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt. Alleine die Verlagerungspotenziale vom Lkw auf das Binnen-<br />
schiff könnten eine Umweltentlastung bewirken – allerdings ist fraglich, inwie-<br />
weit nicht eine Verlagerung auf die Bahn möglich wäre. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e<br />
vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass die Bahnkapazitäten im Gr<strong>und</strong>satz vorhanden sind.<br />
Im Gr<strong>und</strong>satz geht es bei dem Ausbau <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur weniger dar-<br />
um tatsächlich Umweltentlastungen zu ermöglichen, als vielmehr um das<br />
zweifelsohne nachvollziehbare Interesse <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong>, nach Möglichkeit
122 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Transportkostenersparnisse zu erreichen <strong>und</strong> dies einerseits durch die vielfach<br />
preisgünstigen Angebote <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits durch die<br />
Möglichkeit, die unterschiedlichen Transportträger in den Wettbewerb zuein-<br />
an<strong>der</strong> zu setzen.<br />
6.1.1. Die Darstellung durch die Vertreter <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Argumentation <strong>der</strong> Vertreter <strong>und</strong> Unterstützer <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> ver-<br />
weist in <strong>der</strong> Regel darauf, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ein umweltfre<strong>und</strong>licher<br />
Verkehrsträger sei. Dies wird in <strong>der</strong> Regel mit folgenden Aussagen unterstützt:<br />
„Der geringe Energiebedarf <strong>und</strong> die hohe Verkehrssicherheit machen die Bin-<br />
nenschifffahrt wirtschaftlich <strong>und</strong> umweltfre<strong>und</strong>lich zugleich. Mit gleicher Ener-<br />
giemenge wird eine Gütertonne auf dem Binnenschiff wesentlich weiter<br />
transportiert als mit Lkw o<strong>der</strong> Eisenbahn.“<br />
„Ein Vergleich <strong>der</strong> Verkehrsträger zeigt, dass ein mo<strong>der</strong>nes Motorgüterschiff<br />
die Ladung von 45 Lkw o<strong>der</strong> 34 Waggons übernehmen kann.“<br />
Die Berechnungsgr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> die Aussagen hinsichtlich des Energie-<br />
verbrauchs werden allerdings nicht benannt. Auf den Seiten des B<strong>und</strong>esver-<br />
bandes <strong>der</strong> Deutschen <strong>Binnenschifffahrt</strong> e. V. (BDB) wird immerhin auf eine<br />
Quelle <strong>der</strong> Regierungskommission B<strong>und</strong>esbahn aus dem Jahre 1991 verwie-<br />
sen. Entsprechende Aussagen haben in zweierlei Hinsicht wenig mit <strong>der</strong> Reali-<br />
tät zu tun: auf <strong>der</strong> einen Seite sind die Aussagen im Hinblick auf die Energie-<br />
verbräuche zumindest umstritten, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite sind entsprechende<br />
Aussagen fern von je<strong>der</strong> Realität des Güterverkehrs.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 123<br />
Abb. 19: Ladekapazität Binnenschiff zu Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff zu Lkw<br />
Quelle: WSA (2008)<br />
6.1.2. Zugänge zu den Umwelteffekten des Güterverkehrs<br />
Es gibt gr<strong>und</strong>sätzlich zwei Herangehensweisen zur Analyse <strong>der</strong> Energie-<br />
verbräuche einzelner Transportmittel. Auf <strong>der</strong> einen Seite einen top-down An-<br />
satz, <strong>der</strong> versucht auf <strong>der</strong> Makroebene die zurückgelegten tkm <strong>der</strong> einzelnen<br />
Transportmittel zu erfassen <strong>und</strong> gleichzeitig die von den jeweiligen Transport-<br />
mitteln genutzten Energien zu identifizieren <strong>und</strong> daraus den spezifischen Ener-<br />
gieverbrauch <strong>der</strong> Transportmittel zu identifizieren.
124 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Hauptprobleme dieser Vorgehensweisen in Bezug auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
bestehen im Wesentlichen darin, dass einerseits die Transportstatistiken <strong>und</strong><br />
die Energiebilanzen unterschiedlich abgegrenzt werden <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die<br />
Bunkerung von Treibstoffen im Ausland nicht berücksichtigt wird. 114 Die Aussa-<br />
gen dieser top-down Herangehensweise erweisen sich vor diesem Hinter-<br />
gr<strong>und</strong> als problematisch.<br />
Die Revision <strong>der</strong> top down Ansätze, wie sie bspw. vom DIW durchgeführt wur-<br />
de, kam zu dem folgenden Ergebnis:<br />
spezifischer Endenergie-<br />
verbrauch<br />
(kJ / tkm)<br />
Straßengüter-<br />
verkehr<br />
Eisenbahnverkehr<br />
(ohne Nichtb<strong>und</strong>esei-<br />
gene Eisenbahnen)<br />
Binnen-<br />
schiffs-<br />
verkehr<br />
1362 210 351<br />
Tab. 11: Energieverbrauch <strong>der</strong> Güterverkehrsträger 1996 (Bahn 1997)<br />
Quelle: nach DIW (1999)<br />
Deutlich wird, dass diese top down Ansätze mit erheblichen methodischen<br />
Problemen verb<strong>und</strong>en sind, die z.T. oben benannt wurden.<br />
Jüngere Untersuchungen gehen sehr viel differenzierter vor. Van Essen et al.<br />
(2004) 115 verweisen darauf: „ The next generation studies had a more sophis-<br />
ticated approach. By incorporating technological and logistical characteris-<br />
tics, differences within each transport mode were revealed.”<br />
Für diesen Zugang stehen u.a. die Studien von Gohlisch et al. (2005), van Es-<br />
sen et al. (2003) o<strong>der</strong> auch Schilperoord (2004) o<strong>der</strong> auch das tool, das die<br />
Bahn Tochter Stinnes im Internet anbietet. 116<br />
114 Vgl. Gohlisch et al. (2005), van Essen et al. (2004, S. 7) verweisen darauf: „The first studies<br />
on this subject compared emissions of transport modes by top down calculations, based on<br />
the total emissions and total transport volumes of whole transport modes.”<br />
115 Vgl. van Essen (2004) S. 7<br />
116 Vgl. DB Schenker Rail Deutschland (2009)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 125<br />
Zentraler Ansatzpunkt dieser neueren Studien ist die Feststellung, dass es nicht<br />
sinnvoll ist die globalen Werte, wie bspw. Emissionen, je tkm zu analysieren, da<br />
in den jeweiligen Marktsegmenten <strong>und</strong> <strong>der</strong> jeweiligen Transportkette sich die<br />
Situation sehr spezifisch darstellen kann.<br />
Ein Vergleich unterschiedlicher Arten des Gütertransports macht nur Sinn <strong>für</strong><br />
wohl definierte Marktsegmente <strong>und</strong> die gesamte Transportkette.<br />
Allemeyer (1993) verweist bspw. darauf, dass vielfach übersehen wird, „dass<br />
die Maßgröße tkm, auf die sich die Verbrauchswerte beziehen, völlig unter-<br />
schiedlich sein kann, wenn es sich z.B. um die Feinverteilung von Arzneimitteln<br />
an Apotheken einerseits <strong>und</strong> den Erztransport in Sechserverbänden an<strong>der</strong>er-<br />
seits handelt. Beide Transportbeispiele bringen tkm <strong>und</strong> einen zugehörigen<br />
spezifischen Energieverbrauch, aber im Ergebnis absurde Vergleiche. Der Ein-<br />
satz des [...] Binnenschiffes anstelle von Bahn <strong>und</strong> LKW wird stets nur in einem<br />
kleinen Marktsegment möglich sein.“ 117<br />
Ganz generell kann gesagt werden, dass sich auch hinter den einzelnen<br />
Transportmodi sehr unterschiedliche Transportvorgänge verbergen: Bspw. ist<br />
<strong>der</strong> Straßengüterverkehr vielfach segmentiert, indem dort Lkws unterschiedli-<br />
cher Größe zum Einsatz kommen mit jeweils sehr unterschiedlichen Emissionen,<br />
dies trifft auch auf die an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträger zu.<br />
Die Ausdifferenzierung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen von Transporten kann aller-<br />
dings <strong>für</strong> eine allgemeine Studie nicht zu weit getrieben werden. Im Folgen-<br />
den werden die Ergebnisse einiger Studien dargestellt, die die Umweltrelevanz<br />
unterschiedlicher Transportmodi analysiert haben.<br />
6.1.3. Studien zur Umweltrelevanz des Güterverkehrs<br />
6.1.3.1. Schilperoord (2004)<br />
Die Studie von Schilperoord (2004), die im Auftrag <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> vor-<br />
genommen wurde, analysiert die Umweltperformance von Lkw <strong>und</strong> Binnen-<br />
schiff auf unterschiedlichen Relationen <strong>und</strong> Entfernungen, zudem werden un-<br />
117 Vgl. Allemeyer (1993) S. 281
126 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
terschiedliche Güter transportiert (Massengut, Container, Lkw). 118 Es wird in<br />
dem Vergleich insbeson<strong>der</strong>e auf den Energieverbrauch abgestellt <strong>und</strong> dort,<br />
wo das Binnenschiff unter Energieverbrauchsaspekten die günstigere Variante<br />
darstellt, wird zudem aufgezeigt, welcher Transportradius bspw. per Lkw im<br />
Nachlauf noch erschlossen werden kann.<br />
In <strong>der</strong> Folge sollen drei Fallbeispiele dargestellt werden.<br />
Verbindung Rotterdam-Köln<br />
Abb. 20: Rotterdam nach Köln (Massengüter 11.500 t):<br />
Quelle: Schilperoord (2004)<br />
Die Fahrt mit dem Binnenschiff (vierer Schubverband) ist aus Umweltgesichts-<br />
punkten deutlich günstiger als <strong>der</strong> Transport mit Lkw’s, obgleich die Binnen-<br />
schiffe ca. 60 km mehr zurücklegen müssen. Der Kreis um Köln zeigt an, dass<br />
diese Distanz im Nachlauf zusätzlich zurückgelegt werden könnte.<br />
118 Bedauerlicherweise wurde die Bahn in diese Untersuchung nicht mit einbezogen.
Verbindung Prag - Regensburg<br />
Abb. 21: Prag (Hafen) nach Regensburg (470 TEU)<br />
Quelle: Schilperoord (2004)<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 127<br />
In diesem Fall wird deutlich, dass ein Containerschiff ca. 1825 km zurücklegen<br />
muss, Lkw’s hingegen nur 261 km. In <strong>der</strong> Summe ist festzustellen, dass die Um-<br />
weltperformance des Binnenschiffs bei dieser Relation deutlich schlechter ist<br />
als bei <strong>der</strong> Nutzung von Lkw’s.
128 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Verbindung Rotterdam Thionville<br />
Abb. 22: Rotterdam nach Thionville (Massengut /flüssig 3500 t)<br />
Quelle: Schilperoord (2004)<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> (großes Tankschiff) wird mit großen Lkw’s verglichen. Im<br />
Ergebnis erweist sich die Umweltperformance des Transports mit Lkw dem <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> als überlegen. Der Hauptgr<strong>und</strong> liegt in <strong>der</strong> deutlich längeren<br />
Transportrelation, die mit dem Binnenschiff zurückgelegt werden muss.<br />
An den wenigen Beispielen aus <strong>der</strong> Studie von Schilperoord (2004) wird deut-<br />
lich, dass es sehr stark von den jeweiligen Randbedingungen abhängt, ob die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> aus Umweltgesichtspunkten positiver o<strong>der</strong> negativer ab-<br />
schneidet als <strong>der</strong> Lkw.<br />
Beson<strong>der</strong>s deutlich wird, dass mit dem Binnenschiff vielfach längere Wege zu-<br />
rückgelegt werden müssen, so dass die potenziellen Vorteile des Binnenschiffs<br />
nicht zum tragen kommen.<br />
6.1.3.2. Van Essen et al. (2003): Emissionen des Güterverkehrs<br />
Die Analysen von van Essen et al. (2003) differenzieren stark nach den einzel-<br />
nen Verkehrsträgern (bspw. unterschiedliche Binnenschiffstypen, unterschied-<br />
liche Kapazitäten <strong>der</strong> Lkw’s <strong>und</strong> unterschiedliche Antriebsarten <strong>der</strong> Bahn). Sie<br />
gehen davon aus, dass erst ab mittleren Distanzen (100 km plus) die Bahn <strong>und</strong>
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 129<br />
Binnenschiff zum Einsatz kommen. Des Weiteren werden unterschiedliche<br />
Umweltparameter analysiert, u.a. CO2, NOx <strong>und</strong> PM 10 Emissionen (Feinstaub).<br />
Abb. 23: Durchschnittliche Emissionen je tkm <strong>für</strong> den Massenguttransport mit unterschiedlichen<br />
Verkehrsträgern<br />
Quelle: van Essen et al. (2003)
130 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Abbildung verdeutlicht, dass die Umweltperformance <strong>der</strong> unterschiedli-<br />
chen Verkehrsträger sehr differenziert zu betrachten ist.<br />
Zum einen kann im Hinblick auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> nicht von einer generel-<br />
len Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit gesprochen werden, vielmehr wird aus den Abbil-<br />
dungen deutlich, dass insbeson<strong>der</strong>e die kleineren Binnenschiffe kaum Vorteile<br />
gegenüber an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern (auch dem Lkw) haben, teilweise sogar<br />
deutlich schlechter abschneiden.<br />
Im Hinblick auf die Freisetzung von Partikeln (PM 10) <strong>und</strong> den NOx Emissionen<br />
hat die <strong>Binnenschifffahrt</strong> fast durchgängig die schlechteste Performance.<br />
Im Hinblick auf die Freisetzung von CO2 wird deutlich, dass erst ab einer be-<br />
stimmten Größe <strong>der</strong> Binnenschiffe Vorteile gegenüber dem Lkw existieren <strong>und</strong><br />
dass nur die sehr großen Binnenschiffe einen Vorteil gegenüber <strong>der</strong> Bahn ha-<br />
ben.<br />
Perspektivisch ist zu erwarten, dass aufgr<strong>und</strong> des Einsatzes nachgeschalteter<br />
Technologien bei den Lkw’s die relativen Nachteile <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> sich<br />
noch einmal verschärfen werden.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 131<br />
Abb. 24: Durchschnittliche Emissionen je tkm <strong>für</strong> Transporte von Nicht-Massengütern<br />
Quelle: van Essen et al. (2003)
132 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Analyse des Transports von Nicht-Massengütern wurden im<br />
Bereich Straßengütertransport kleinere Lkws mit einbezogen, da diese auf<br />
dem Güterverkehrsmarkt eine bedeutende Rolle spielen.<br />
Im Vergleich zu den Massengütertransporten ist festzustellen, dass sich die<br />
Umweltperformance <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> verschlechtert. Dies gilt sowohl <strong>für</strong><br />
die CO2 Emissionen als auch <strong>für</strong> die weiteren betrachteten Emissionen.<br />
6.1.3.3. Die Analyse von Gohlisch et al. (2005)<br />
Mitarbeiter des Umweltb<strong>und</strong>esamtes haben exemplarisch drei Transportrelati-<br />
onen <strong>und</strong> die Umweltperformance <strong>der</strong> unterschiedlichen Verkehrsträger ana-<br />
lysiert. In dieser sorgfältigen <strong>und</strong> zugleich konservativen Studie wird <strong>der</strong> Trans-<br />
port von 2500 t Güter mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln <strong>und</strong> Relationen<br />
analysiert. Eindeutiges Ergebnis dieser Studie ist, dass bei den betrachteten<br />
Relationen (Hamburg – Berlin; Duisburg – Mannheim; Mannheim – Basel) <strong>der</strong><br />
Lkw in Bezug auf die CO2-Emissionen am schlechtesten abschneidet, dass<br />
aber das Binnenschiff eine schlechtere Umweltperformance (auch hier CO2)<br />
hat als <strong>der</strong> Gütertransport per Bahn. Hinsichtlich <strong>der</strong> Luftschadstoffe ist das<br />
Binnenschiff vergleichbar mit dem Lkw.<br />
6.1.3.4. Die Studie von Planco/BfG (2007)<br />
Die Studie ist offensichtlich eine Reaktion auf die zahlreichen Untersuchungen<br />
<strong>der</strong> letzten Jahre, die hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> zu eher ungünstigen Er-<br />
gebnissen kommen, wie bspw. Analysen von Mitarbeitern des Umweltbun-<br />
desamtes <strong>und</strong> des Instrumentes EcoTransIT. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird in <strong>der</strong><br />
Studie dargelegt: „angeregt durch den Verein <strong>für</strong> europäische Binnenschiff-<br />
fahrt <strong>und</strong> Wasserstraßen (VBW), hat die Wasser- <strong>und</strong> Schifffahrtsverwaltung<br />
des B<strong>und</strong>es (…) dieses Gutachten in Auftrag gegeben“. Und weiter wird dort<br />
nach Meinung <strong>der</strong> Autoren <strong>der</strong> Studie dargestellt, dass sich die negativen Er-<br />
gebnisse <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Studien vor allem auf Gr<strong>und</strong> von Undifferenziertheit in
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 133<br />
den Zugängen <strong>und</strong> vielfach „unzutreffenden Randbedingungen <strong>und</strong> An-<br />
nahmen“ ergeben hätten 119 .<br />
Planco stellt bspw. bzgl. <strong>der</strong> Ansätze <strong>der</strong> Ermittlung <strong>der</strong> Energieverbräuche<br />
<strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> fest, dass ein hochaggregierter top-down Ansatz <strong>für</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> nicht geeignet ist (119). Etwas überraschend ist <strong>der</strong> Hinweis<br />
auf detaillierte Analysegr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> den Verkehrsträgervergleich von sol-<br />
chen Autoren, die jahrelang mit völligen Pauschalaussagen bzgl. <strong>der</strong> ver-<br />
meintlichen Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> hausieren, gegangen<br />
sind. Es ist allerdings zu begrüßen, dass Planco die eigenen Pauschalaussagen<br />
nunmehr relativiert120 <strong>und</strong> darauf verweist, dass man doch spezifischer vor-<br />
gehen muss.<br />
Planco verweist dabei darauf, dass aktuelle Studien <strong>und</strong> Ansätze, wie die des<br />
UBA <strong>und</strong> des Instrumentes EcoTransIT bspw. „differenzierte Werte sowohl <strong>für</strong><br />
die eingesetzte Leistung als auch <strong>für</strong> die Wasserstraßenbedingungen unter-<br />
stellt“ (119). Planco kritisiert allerdings, dass diese Studien nicht noch weitere<br />
Differenzierungsschritte vorgenommen haben. So wurden bspw. die Kanal-<br />
strecken nicht hinreichend berücksichtigt, sodass Berechungen bei bestimm-<br />
ten Relationen, bei denen Kanäle eine Rolle spielen, ggf. unexakt sind. Dem<br />
Binnenschiff werden damit zu hohe Emissionen zugeschrieben.<br />
Des Weiteren verweist Planco darauf, dass die Differenzierung <strong>der</strong> eingesetz-<br />
ten Schiffstypen <strong>und</strong> -größenklassen (bzw. Tragfähigkeitsklassen) sowohl im<br />
UBA Ansatz als auch im Ansatz von EcoTransIT nicht hinreichend ist. Konkret<br />
wird vor allem auf die Schiffstypen verwiesen, die über eine sehr große Trag-<br />
fähigkeit verfügen. In den genannten Studien wird damit nach Auffassung<br />
von Planco die Größenordnung des Brennstoffverbrauchs (<strong>und</strong> damit natür-<br />
lich auch <strong>der</strong> Emissionen) bei weitem über- bzw. unterschätzt. Dies lasse sich<br />
anhand <strong>der</strong> differenzierten Studie des VDB <strong>für</strong> Nordrhein-Westfalen aufzeigen.<br />
119 Planco / BfG (2007) S. 2<br />
120 Es wäre hilfreich, wenn das BMVBS diese Aussagen von Planco <strong>für</strong> ihre eigene Kommunikation<br />
nutzen würde: dort werden noch immer falsche generalisierte Angaben gemacht. (vgl.<br />
dazu die Abbildung 19 in dieser Studie)
134 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
In <strong>der</strong> Folge werden von Planco, entsprechend <strong>der</strong> VBD Studie, weitere z. T.<br />
tiefgehende Differenzierungen vorgenommen, in dem u. a. aufgezeigt wird,<br />
wie die Energieverbräuche in Abhängigkeit vom Fahrgeschwindigkeit, Fahr-<br />
wassertiefen <strong>und</strong> Schiffstypen etc. variieren. In <strong>der</strong> Folge kommt Planco bspw.<br />
zu folgenden Aussagen:<br />
„…..bei einer Abladetiefe von 2,50 Metern transportiert das Großmotorschiff<br />
ca. 490 t bzw. knapp 790 t mehr Ladung als die kleineren Schiffstypen Johann<br />
Welker bzw. Gustav Koenigs <strong>und</strong> benötigt da<strong>für</strong> weniger Leistung. In diesem<br />
Fall wirkt <strong>der</strong> Vorteil <strong>der</strong> Schiffsgröße mehrfach. Mehr Ladung wird mit weniger<br />
Leistung transportiert. Bei niedrigen Wassertiefen <strong>und</strong> entsprechend niedrigen<br />
Abladetiefen kehrt sich <strong>der</strong> Leistungsvorteil großer Schiffe allerdings in einen<br />
Leistungsnachteil um.“ (123 f.) Damit werden generelle Aussagen unmöglich,<br />
vielmehr müssten neben Schiffstypen, Geschwindigkeiten etc. einerseits die<br />
konkreten Relationen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die ganz konkreten Fahrbedingungen<br />
vorgegeben werden, um Aussagen über die Umweltrelevanz des Transports<br />
per Binnenschiff zu machen. Wie Planco selbst schreibt, kann ein Vorteil eines<br />
„großen“ Schiffes unter bestimmten Bedingungen ins Gegenteil umschlagen.<br />
Diese Berechnungen, die sich insbeson<strong>der</strong>e auf die Faktoren Tragfähigkeit<br />
<strong>und</strong> Wassertiefe fokussieren, haben aber gerade <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> die hier vor-<br />
liegende Studie keine Relevanz, da einerseits die Wassertiefen weitergehend<br />
restringiert sind <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die entsprechenden Schiffstypen mit den<br />
angeführten Tragfähigkeiten auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht verkehren. Insofern ist davon<br />
auszugehen, dass die vorliegenden Untersuchungen des Umweltb<strong>und</strong>esam-<br />
tes aber auch des Instrumentes EcoTransIT eine gute Aussagefähigkeit bzgl.<br />
<strong>der</strong> Energieverbräuche auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> haben. Planco selbst kommt bzgl. <strong>der</strong><br />
Umweltrelevanz von Binnenschiffstransporten <strong>für</strong> den <strong>Elbe</strong>raum im Wesentli-<br />
chen zu den Ergebnissen, die auch in <strong>der</strong> vorliegenden Studie vertreten wer-<br />
den. Die Studie Planco hebt bzgl. <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> hervor, dass die Wegelängen, die<br />
auf dieser Strecke durch die unterschiedlichen Verkehrsträger zurückgelegt<br />
werden müssen, sehr unterschiedlich sind. Für die Relation Hamburg nach<br />
Decin muss ein LKW 558 km, die Bahn 532 km <strong>und</strong> das Binnenschiff 635 km zu-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 135<br />
rücklegen 121 . Daraus wird bereits deutlich, dass damit potenzielle Vorteile <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> nicht zur Geltung kommen: die zurückzulegende Strecke <strong>für</strong><br />
die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ist deutlich länger mit <strong>der</strong> Konsequenz höherer Kosten<br />
<strong>und</strong> längerer erfor<strong>der</strong>licher Zeit. So wird festgestellt, dass „gegenüber Elb-<br />
schubverbänden […] Containerzüge Vorteile von bis zu 15% je TEU<br />
auf[weisen]“ (bezogen auf die CO2 Emissionen). 122<br />
Für die politische Diskussion bspw. <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong>, die ja auf die Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit<br />
des Gütertransports per Binnenschiff verweist, ergibt sich, dass pauschale Angaben<br />
über die vermeintliche Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit des Gütertransports per Binnenschiff <strong>für</strong><br />
die <strong>Elbe</strong> falsch sind. Die konkreten Zahlen <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> zeigen auf, dass bereits hin-<br />
sichtlich <strong>der</strong> Emissionen, das Binnenschiff im Nachteil ist.<br />
6.1.3.5. Umweltrelevanz von Transporten im <strong>Elbe</strong>raum<br />
Mit dem Instrument EcoTransIT kann die Umweltperformance des Gütertrans-<br />
ports analysiert werden. Dabei können unterschiedliche Relationen, unter-<br />
schiedliche Güter <strong>und</strong> Verkehrsträger nach ihrer Umweltperformance (diffe-<br />
renziert nach Energieverbrauch, CO2 Emissionen <strong>und</strong> weiteren Luftschadstof-<br />
fen) analysiert <strong>und</strong> damit recht realitätsnahe Ergebnisse erzeugt werden. 123<br />
Die Analyse von Relationen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> (bzw. entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>) macht deut-<br />
lich, dass die Bahn sich aus Umweltsicht als überlegenes Transportmittel er-<br />
weist, selbst auf solchen Relationen, die die Häfen als Entsende- bzw. Emp-<br />
fangsort haben.<br />
Zugr<strong>und</strong>egelegte Werte: LKW: 40 t (Euro 2)<br />
Bahn: mittellanger Zug (Elektro)<br />
Zu transportierende Güter: 1000 t Massengut<br />
Binnenschiff (Tragfähigkeit bis zu 1250 t)<br />
121 Planco/BfG (2007) Zusammenfassung S. 25<br />
122 Ebd. S. 21<br />
123 Damit wird versucht den neueren Ansprüchen an entsprechende Untersuchungen, wie sie<br />
oben formuliert wurden, gerecht zu werden.
136 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Primärenergieverbrauch<br />
Energieressourcenverbrauch<br />
[Megajoule]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 203.584,619 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 88.538,152 0,000<br />
Stickoxide Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000<br />
Versauerung, Überdüngung, Sommersmog<br />
0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 89.295,397<br />
[Kilogramm]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 157,739 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 6,623 0,000<br />
Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000 0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 111,935<br />
Gesamtstaub (inkl. Rußpartikel)<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschäden, Klimaverän<strong>der</strong>ung<br />
Schwefeldioxid<br />
[Kilogramm]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 2,473 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 0,287 0,000<br />
Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000 0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 3,211<br />
Versauerung, Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />
[Kilogramm]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 8,270 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 5,289 0,000<br />
Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000 0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 3,627<br />
Kohlendioxid<br />
Treibhausgas, Klimaverän<strong>der</strong>ung<br />
[Tonnen]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 15,047 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 5,278 0,000<br />
Nicht-Methan-Kohlenwasserstoffe<br />
Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000<br />
Sommersmog, Ges<strong>und</strong>heitsschäden<br />
0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 6,600<br />
[Kilogramm]<br />
Rußpartikel<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 8,087 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 0,378 0,000<br />
Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000 0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 9,896<br />
Ges<strong>und</strong>heitsschäden, Klimaverän<strong>der</strong>ung<br />
Entfernungen<br />
[Kilogramm]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
Lkw 2,231 0,000 0,000<br />
Zug 0,000 0,028 0,000<br />
Seeschiff 0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000 0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 3,105<br />
Entfernungen <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsmittel<br />
Lkw<br />
Zug<br />
Seeschiff<br />
[Kilometer]<br />
Lkw Zug Binnenschiff<br />
240,534 0,000 0,000<br />
0,000 220,689 0,000<br />
0,000 0,000 0,000<br />
Flugzeug 0,000 0,000 0,000<br />
Binnenschiff 0,000 0,000 260,806
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 137<br />
Tab. 12: Ergebnisse <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Transportrelation von Dresden (Hafen) nach Magdeburg<br />
(Hafen).<br />
Quelle: Berechnung nach ecoTransIT (2009)<br />
t CO2<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
CO2 Emissionen nach Güterverkehrsträgern<br />
(Strecke Dresden - Magdeburg)<br />
LKW Bahn Binnenschif f<br />
Güterverkehrsträger<br />
Abb. 25: CO2 Emissionen nach Güterverkehrsträgern (Dresden-Magdeburg)<br />
Quelle: ECOTRANSIT (2009)<br />
In <strong>der</strong> Summe wird deutlich, dass die Bahn in fast allen Kategorien die beste<br />
Umweltperformance hat. Eine Ausnahme bildet die Freisetzung von Schwe-<br />
feldioxid.<br />
In allen an<strong>der</strong>en Kategorien liegt die Bahn vorn. Dabei spielt vor allem auch<br />
eine Rolle, dass die Transportentfernung <strong>für</strong> die Bahn mit 220 km deutlich ge-<br />
ringer ist als <strong>für</strong> das Binnenschiff.<br />
Mit diesen Analysen wird aber auch deutlich, dass die Argumentation <strong>der</strong><br />
Ausbaube<strong>für</strong>worter des Ausbaus <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, es gebe erhebliche Verlagerungs-<br />
möglichkeiten <strong>für</strong> Transporte auf das Binnenschiff <strong>und</strong> dies habe positive Um-<br />
welteffekte, kaum gelten können.<br />
Die Umweltperformance des Binnenschiffs im <strong>Elbe</strong>raum erweist sich als<br />
schlechter als die <strong>der</strong> Bahn <strong>und</strong> insofern wäre aus Umweltsicht (Luftemissio-
138 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
nen) die prioritäre Handlungsrichtung, die Transporte auf die Bahn zu verla-<br />
gern, wenn sie denn per Lkw getätigt werden. Eine Verlagerung von <strong>der</strong> Bahn<br />
auf das Binnenschiff, wie sie bspw. von den Stickstoffwerken Piesteritz GmbH<br />
gewünscht wird, ist schon ohne die durch die schifffahrtsgeleitete Unterhal-<br />
tung des Flusses hervorgerufenen Schäden an <strong>der</strong> Gewässerstruktur unter<br />
Umweltgesichtspunkten kontraproduktiv.<br />
Relation Hamburg - Prag<br />
Die Ergebnisse <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Umweltbilanz <strong>für</strong> die Relation Hamburg – Prag<br />
wurden von <strong>der</strong> DB AG dargestellt. 124<br />
Unter <strong>der</strong> Annahme, dass 500 t Massengut auf <strong>der</strong> Strecke Hamburg – Prag<br />
(<strong>und</strong> retour) transportiert werden, ergeben sich deutliche Vorteile <strong>für</strong> die<br />
Bahn:<br />
� Der Energieverbrauch ist fünf Prozent geringer.<br />
� Die Kohlendioxidemissionen sind um 30 Prozent niedriger.<br />
� Die Schwefeldioxidemissionen sind um 25 Prozent höher.<br />
� Bei Stickoxiden, Feinstaub <strong>und</strong> Kohlenwasserstoffen (ohne Methan)<br />
produziert die Bahn nur ein Bruchteil <strong>der</strong> Emissionen <strong>der</strong> Binnenschiffe.<br />
6.1.4. Gewässerstrukturgüte <strong>und</strong> Naturschutz 125<br />
Die Umweltwirkungen des Gütertransports werden gegenwärtig vor allem aus<br />
<strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Emissionen diskutiert. Strukturelle Wirkungen <strong>der</strong> Eingriffe in sen-<br />
sible aquatische Ökosysteme werden in <strong>der</strong> Regel in den Vergleichen nicht<br />
berücksichtigt. Insofern erweisen sich die entsprechenden Vergleiche als<br />
problematisch.<br />
In <strong>der</strong> Folge soll auf die genannten strukturellen Probleme eingegangen wer-<br />
den, dies am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
124 Vgl. DB (2006) Datenblatt <strong>Elbe</strong> – Strecke Hamburg-Tschechien. Oktober 2006<br />
125 Vgl. IÖW (2001) bzgl. folgen<strong>der</strong> Ausführungen
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 139<br />
Die <strong>Elbe</strong> weist von allen schiffbaren Flüssen Deutschlands noch die relativ<br />
größte Naturnähe auf. Das naturnahe Fließgewässer mit seiner Auenland-<br />
schaft erfüllt eine Reihe von elementaren Funktionen <strong>für</strong> den Naturhaushalt 126 :<br />
� Natürliche Hochwasserrückhaltung: insbeson<strong>der</strong>e die naturbelassene<br />
Aue mit ihrer Überschwemmungskapazität trägt zur Dämpfung <strong>und</strong> Ver-<br />
zögerung <strong>der</strong> Hochwasserwellen bei<br />
� Natürliche Niedrigwasserhaltung: insbeson<strong>der</strong>e hohe Gr<strong>und</strong>wasserstän-<br />
de in <strong>der</strong> naturbelassenen Aue tragen zur Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schäden<br />
an Vegetation <strong>und</strong> Lebewesen durch Niedrigwasser bei<br />
� Natürliche Strukturregeneration: <strong>der</strong> natürliche Geschiebetransport <strong>und</strong><br />
die Varianz in <strong>der</strong> Abflussdynamik führen zu einer ständigen Wie<strong>der</strong>her-<br />
stellung <strong>und</strong> Erneuerung <strong>der</strong> natürlichen gewässertypischen Strukturen<br />
� Natürliche Selbstregulation: witterungs- <strong>und</strong> anthropogenbedingte<br />
Stresssituationen können vom Gewässerbettsystem <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gewässer-<br />
biozönose abgefangen, kompensiert <strong>und</strong> vermin<strong>der</strong>t werden<br />
� Natürliche Refugienbildung: gewässer- <strong>und</strong> auentypische Teillebens-<br />
räume bilden <strong>und</strong> regenerieren sich selbstständig<br />
� Natürliche Biotopvernetzung: Lenkung <strong>und</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausbreitung<br />
<strong>und</strong> natürlichen Wan<strong>der</strong>ung von vielen Organismen<br />
� Natürliche Landschaftsbereicherung: Mit <strong>der</strong> großen Struktur- <strong>und</strong> Bio-<br />
topvielfalt des Gewässers <strong>und</strong> seiner Dynamik bereichert <strong>der</strong> Lebens-<br />
raum Fließgewässer das Landschaftsbild <strong>und</strong> damit den Erlebnis- <strong>und</strong><br />
Erholungswert <strong>für</strong> den Menschen<br />
Ökonomische Bewertung natürlicher Ressourcen<br />
Ausgangspunkt <strong>für</strong> die ökonomische Bewertung von Flusslandschaften, insbe-<br />
son<strong>der</strong>e von Flussauen, ist, dass sie zwei Bedingungen erfüllen, die von <strong>der</strong><br />
ökonomischen Theorie gefor<strong>der</strong>t werden: erstens stiften Auen individuellen<br />
Nutzen <strong>und</strong> erhöhen somit die gesellschaftliche Wohlfahrt, zweitens stellen sie<br />
ein knappes Gut dar. Es soll im Rahmen dieser Studie nicht auf Gr<strong>und</strong>proble-<br />
126 Es ist darauf hinzuweisen, dass die <strong>Elbe</strong> diese Funktionen nur noch sehr eingeschränkt erfüllt.
140 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
me <strong>der</strong> ökonomischen Theorie eingegangen werden, vielmehr sei allein dar-<br />
auf verwiesen, dass Umwelt in den Nutzenfunktionen <strong>der</strong> Individuen sowohl<br />
via Marktgüter, aber auch als Naturnutzungsmöglichkeit (bspw. Fischerei) <strong>und</strong><br />
durch die Sorge des Individuums bzgl. des Niveaus des Naturschutzes eine Rol-<br />
le spielt,<br />
Knappheit bedeutet, dass die verschiedenen Verwertungsinteressen, die auf<br />
eine Ressource o<strong>der</strong> ein Gut gerichtet sind, im Konflikt zueinan<strong>der</strong> stehen. Am<br />
Beispiel <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> besteht <strong>der</strong> Konflikt darin, dass <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als Was-<br />
serstraße in Konflikt zur Entwicklung <strong>der</strong> Naturlandschaft <strong>Elbe</strong> stehen kann. Die<br />
nicht zu beseitigende Knappheit wird daher auch als ökonomisches Kardinal-<br />
problem angesehen 127 . Ist eine Ressource o<strong>der</strong> ein Gut nicht beliebig ver-<br />
mehrbar, dann besteht die Lösung des Nutzungskonfliktes in <strong>der</strong> effizienten<br />
Verwendung <strong>der</strong> knappen Ressourcen <strong>und</strong> Güter. Eine effiziente Verwendung<br />
wie<strong>der</strong>um ist dadurch gekennzeichnet, dass die Ressource in diejenigen Ver-<br />
wendungen gelenkt wird, die insgesamt ein Maximum an Nutzen erzeugen<br />
<strong>und</strong> damit die gesellschaftliche Wohlfahrt in größtmöglicher Weise steigern.<br />
Die genannten Möglichkeiten <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als Wasserstraße o<strong>der</strong> als<br />
Naturlandschaft verdeutlichen den Nutzungskonflikt. Dabei ist allerdings zu<br />
berücksichtigen, dass <strong>für</strong> den Gütertransport Alternativen bestehen, <strong>für</strong> die<br />
naturorientierte Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> (Knappheit an naturbelassenen Fluss-<br />
landschaften) existieren diese Alternativen allerdings nicht.<br />
Das Problem besteht aber dann <strong>für</strong> die ökonomische Bewertung, wenn nicht<br />
mehr von gegebenen Präferenzen ausgegangen werden kann, son<strong>der</strong>n<br />
vielmehr davon ausgegangen werden muss, dass die Präferenzen überhaupt<br />
erst in <strong>der</strong> jeweiligen Entscheidungssituation gebildet werden 128 .<br />
127 Vgl. Weimann (1996) S. 418<br />
128 Vgl. Weimann 1996, 1997
6.1.4.1. Ansatz <strong>der</strong> Naturschutz-Ökonomie 129<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 141<br />
Gibt es gegenüber <strong>der</strong> Natur mehrere Nutzungsansprüche, die sich gegensei-<br />
tig ausschließen, dann ist Natur zu einem knappen Gut geworden. Knappheit<br />
bedeutet aus ökonomischer Sicht, dass das entsprechende Gut einer Bewirt-<br />
schaftung bedarf, einer Zuweisung an diejenige Nutzung, die den höchsten<br />
Nutzen stiftet. Die unterschiedlichen Nutzungsinteressen an <strong>der</strong> Natur lassen<br />
sich vereinfacht durch folgende zwei Gr<strong>und</strong>positionen beschreiben, die sich<br />
gegenseitig ausschließen: 130<br />
� Auf <strong>der</strong> einen Seite stehen die Nutzer bzw. die Nutzungsinteressierten.<br />
Sie haben ein wirtschaftliches Nutzungsinteresse an <strong>der</strong> Umwelt <strong>und</strong> ver-<br />
wenden die Umwelt als privaten, marktfähigen Produktionsfaktor (hier<br />
Durchführung von Strombaumaßnahmen).<br />
� Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite befinden sich die Schützer bzw. die Schutzinte-<br />
ressierten. Sie sind an einer möglichst naturnahen Bewahrung des Um-<br />
weltguts in seinem ursprünglichen Zustand interessiert (hier: keine Durch-<br />
führung von Strombaumaßnahmen). Für die Schützer stehen die ver-<br />
schiedenen konsumtiven <strong>und</strong> nicht-konsumtiven Nutzen <strong>der</strong> natürlichen<br />
Umwelt im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />
Es ist daher zu klären, welche Verwendung einen höheren Nutzen stiftet, um<br />
dadurch das knappe Gut <strong>der</strong> effizientesten Nutzung zuweisen zu können.<br />
Während die Nutzungsinteressen in den Untersuchungen über die Wirtschaft-<br />
lichkeit erfasst werden, finden die Schutzinteressen hierin aber oftmals keine<br />
Berücksichtigung. Dies liegt vor allem daran, dass es sich bei ”Natur <strong>und</strong> Land-<br />
schaft” um ein öffentliches Gut handelt: Ein solches Gut ist dadurch gekenn-<br />
zeichnet, dass niemand vom Konsum ausgeschlossen werden kann <strong>und</strong> auch<br />
keine Rivalität im Konsum besteht. Jemand, <strong>der</strong> eine Landschaft besucht o<strong>der</strong><br />
129 Für eine umfassende Darstellung <strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> ökonomischen Bewertung von Natur,<br />
speziell <strong>der</strong> Biodiversität, sei hier auf das folgende Forschungsvorhaben im Auftrag des<br />
BMU/UBA hingewiesen: S. Geisendorf, S. Gronemann, U. Hampicke, H. Immler: Die Bedeutung<br />
des Naturvermögens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Biodiversität <strong>für</strong> eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Möglichkeiten<br />
<strong>und</strong> Grenzen ihrer Erfassbarkeit <strong>und</strong> Wertmessung. Kassel, August 1996.<br />
130 Vgl. Blöchliger (1992) S. 8ff
142 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>der</strong> sich allein schon daran erfreut, dass er um ihre Existenz weiß, kann we<strong>der</strong><br />
von dieser Nutzung ausgeschlossen werden, noch konkurriert er mit an<strong>der</strong>en<br />
Individuen im Konsum.<br />
Im Gegensatz zu den privaten Gütern werden die öffentlichen Güter nicht<br />
über den Markt angeboten. Während <strong>der</strong> Konsument im Bereich privater Gü-<br />
ter seine Zahlungsbereitschaft offenbaren muss, wenn er einen Nutzen aus<br />
diesen Gütern ziehen will, besteht bei den öffentlichen Gütern kein Anreiz,<br />
bspw. die (monetäre) Wertschätzung <strong>für</strong> diese Güter entsprechend zu äußern.<br />
Es kann davon ausgegangen werden, dass eine Nachfrage - nach Umwelt im<br />
naturnahen Zustand - besteht, sich diese aber nicht artikuliert bzw. artikulieren<br />
kann. Ein zentraler Bestandteil <strong>der</strong> Naturschutz-Ökonomie ist es daher, die Prä-<br />
ferenzen <strong>der</strong> Individuen <strong>für</strong> Natur in einem bestimmten Zustand zu ermitteln,<br />
um sie aggregiert als Nachfrage nach Natur <strong>und</strong> Landschaft dem Nutzen aus<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Nutzung gegenüberzustellen. 131<br />
6.1.4.2. Konzept des Total Economic Value<br />
Ein umfassendes Konzept zur Ermittlung des ökonomischen Werts von Natur<br />
<strong>und</strong> Landschaften ist das des "Total Economic Value (TEV)". 132 Es umfasst zum<br />
einen verschiedene Motive <strong>für</strong> die individuelle Wertschätzung. Darüber hinaus<br />
werden aber noch weitere Ansatzpunkte <strong>für</strong> die Bewertung, wie direkter Nut-<br />
zen, herangezogen. Gr<strong>und</strong>gedanke ist, dass <strong>der</strong> gesamte ökonomische Wert<br />
aus mehreren Bestandteilen besteht. Die Zusammensetzung des gesamten<br />
ökonomischen Werts lässt sich wie folgt beschreiben, die Tabelle gibt Beispiele<br />
<strong>für</strong> entsprechenden Nutzen: 133<br />
131 Es ist darauf hinzuweisen, dass entsprechende Analysen methodisch anspruchsvoll sind<br />
<strong>und</strong> dabei die Art <strong>der</strong> Fragestellungen von erheblicher Bedeutung ist. Die Art <strong>der</strong> Fragestellung<br />
<strong>der</strong> TNSEMID Studie (2008)erweckt zumindest zum Teil den Eindruck, als sei sie eine Art<br />
Marktstudie <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
132 Vgl. Pearce (1993),S. 15<br />
133 Die Zuordnung <strong>der</strong> verschiedenen Wertkomponenten zu use-values <strong>und</strong> non-use-values<br />
wird in <strong>der</strong> Literatur nicht einheitlich vorgenommen. So wird <strong>der</strong> Optionswert von Pommerehne<br />
z.B. als ein non-use-value angesehen, Pearce dagegen rechnet ihn zu den use-values.<br />
Und auch die Zuordnung des Vermächtniswerts ist nicht eindeutig: Von einigen wird er als eigenständige<br />
Wertkomponente angesehen, an<strong>der</strong>e sehen darin eine spezielle Form des Optionswertes.<br />
Die hier vorgenommene Aufteilung lehnt sich im Wesentlichen an Pearce (1993).
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 143<br />
TEV = [nutzungsabhängige Werte] + [nicht-nutzungsabhängige Werte]<br />
= [Direkte Werte + Indirekte Werte + Optionswert] + [Existenzwert]<br />
(1) Direkte Wer-<br />
te +<br />
Tourismus, Erholung<br />
(Vogelk<strong>und</strong>ler, Na-<br />
turliebhaber),Ge- s<strong>und</strong>heit<br />
Total Economic Value (TEV)<br />
nutzungsabhängige Werte + nicht - nutzungs-<br />
(2) Indirekte Wer-<br />
te +<br />
Erhalt <strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>-<br />
ansiedlung von Tier-<br />
<strong>und</strong> Pflanzenarten<br />
Fischerei Schutz von Wasser-<br />
ökologische Land-<br />
wirtschaft<br />
• Marktanalyse<br />
• Reisekostenan-<br />
satz<br />
• Hedonistischer<br />
Preisansatz<br />
• direkte Zahlungs-<br />
bereitschaftsanaly-<br />
se <br />
ressourcen(Assimi- lation von Nitraten<br />
<strong>und</strong> Phosphaten)<br />
Verringerung <strong>der</strong><br />
Luftverschmutzung<br />
Mikro-Klima<br />
(3) Options-<br />
wert +<br />
zukünftige Nutzun-<br />
gen von (1) <strong>und</strong> (2)<br />
jeweils mögliche ökonomische Bewertungsverfahren<br />
• vermiedene<br />
Schadenskosten<br />
• Ausgaben <strong>für</strong><br />
präventive Maß-<br />
nahmen<br />
• Bewertung von<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Produktivität<br />
• Wie<strong>der</strong>herstel-<br />
lungskosten<br />
Tab. 13: Total Economic Value<br />
Quelle: TU/IÖW 2003<br />
• direkte Zahlungs-<br />
bereitschaftsanaly-<br />
se <br />
abhängige Werte<br />
(4) Existenzwert<br />
Objekte von in-<br />
trinsischem Wert,<br />
(einmalige Natur-<br />
landschaften),<br />
Verantwortung ge-<br />
genüber Späteren<br />
• direkte Zahlungs-<br />
bereitschaftsanaly-<br />
se
144 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Tabelle stellt auf <strong>der</strong> einen Seite die nutzungs- <strong>und</strong> die nicht-<br />
nutzungsabhängigen Werte dar <strong>und</strong> auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite die möglichen<br />
Bewertungsverfahren. Mit dem Konzept des TEV wird deutlich, dass eine Viel-<br />
zahl von Nutzungen <strong>der</strong> Flusslandschaft existieren, <strong>der</strong>en ökonomische Bewer-<br />
tung allerdings bei den gängigen Entscheidungsverfahren <strong>der</strong> Infrastruktur-<br />
entwicklung (BVWP) nicht mit einbezogen werden, son<strong>der</strong>n im Gr<strong>und</strong>satz<br />
ausgelagert (Umweltrisikoanalyse) <strong>und</strong> damit weg gewogen werden.<br />
Ein Ansatz, zumindest Teilaspekte des TEV in Bezug auf die <strong>Elbe</strong> zu erfassen<br />
<strong>und</strong> zu bewerten, wurde im Rahmen einer Studie <strong>der</strong> TU Berlin <strong>und</strong> des IÖW<br />
vorgenommen. Diese Studie soll in <strong>der</strong> Folge dargestellt werden.<br />
6.1.4.3. Ergebnisse eines Forschungsvorhabens zur Ermittlung von Elementen<br />
des TEV an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> 134<br />
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens <strong>der</strong> TU Berlin <strong>und</strong> dem IÖW wurden<br />
die Nutzen <strong>und</strong> Kosten von ökologieorientierten Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
durchgeführt. Dabei handelte es sich um die Bewertung von Deichrückverle-<br />
gungen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, wobei bzgl. <strong>der</strong> Ermittlung von Teilaspekten des Total E-<br />
conomic Value (TEV) zwei Zugänge gewählt wurden. Zum einen wurde im<br />
Rahmen einer Befragung die Zahlungsbereitschaft <strong>für</strong> Maßnahmen <strong>der</strong> Deich-<br />
rückverlegung analysiert. Dabei wurden die Verän<strong>der</strong>ungen von Natur <strong>und</strong><br />
Landschaft durch die Deichrückverlegung zum einen beschrieben (welche<br />
Verän<strong>der</strong>ungen treten auf, d.h. welche Nutzen sind damit verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />
welche Kosten entstehen durch die Maßnahmen).<br />
Zum an<strong>der</strong>en wurde überprüft, welche Wirkungen die Deichrückverlegungen<br />
unter bestimmten Rahmenbedingungen 135 auf die Wasserqualität haben<br />
(Nährstoffretention).<br />
134 Vgl. TU Berlin/IÖW (2003)<br />
135 Diese Verbesserungen werden dadurch ermöglicht, dass mit <strong>der</strong> Deichrückverlegung Überschwemmungsflächen<br />
bereitgestellt werden, die zu einer Verbesserung <strong>der</strong> Gewässergüte<br />
beitragen. Die Bewertung dieser Funktion <strong>der</strong> Überschwemmungsgebiete geschieht durch<br />
den sog. replacement cost Ansatz, d.h., die natürliche Funktion des Überschwemmungsgebietes<br />
wird bewertet, indem die Kosten <strong>für</strong> eine entsprechende Leistung durch Klärwerke zum<br />
Vergleich herangezogen werden.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 145<br />
Die Werte in Tabelle 14 geben den ökonomischen Wert <strong>für</strong> die Variante an,<br />
bei <strong>der</strong> die maximal möglichen 15.000 ha an Retentionsfläche hinzugewon-<br />
nen werden. Die Werte in <strong>der</strong> Spalte „niedrig“ stehen im Fall <strong>der</strong> Zahlungsbe-<br />
reitschaft <strong>für</strong> die konservativste Schätzung, im Fall <strong>der</strong> Nährstoffreduktion <strong>für</strong><br />
den Bewertungsansatz „Landwirtschaft“. Dagegen stehen die Werte in <strong>der</strong><br />
Spalte „hoch“ im Fall <strong>der</strong> Zahlungsbereitschaft <strong>für</strong> die lediglich um den Em-<br />
bedding-Effekt korrigierte Wertschätzung, im Fall <strong>der</strong> Nährstoffreduktion <strong>für</strong><br />
den Bewertungsansatz „Kläranlage“.<br />
Wie deutlich wird, ist <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> ökologischen Leistung „Nährstoffretention“<br />
um ein Vielfaches geringer als die aggregierte Zahlungsbereitschaft. Aller-<br />
dings ist bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Relation zwischen diesen beiden Größen zu<br />
beachten, dass mit <strong>der</strong> Nährstoffretention nur <strong>für</strong> eine einzige ökologische<br />
Leistung indirekte Nutzen bewertet wurden. An<strong>der</strong>e Leistungen, wie z.B. <strong>der</strong><br />
ökologische Hochwasserschutz, spielten <strong>für</strong> die Bewertung <strong>der</strong> möglichen<br />
Deichrückverlegungen keine Rolle, da die hinzukommende Überflutungsflä-<br />
che zu keiner signifikanten Reduktion von Hochwasserereignissen führen wür-<br />
de. 136<br />
niedrig hoch<br />
Zahlungsbereitschaft 153,0 252,0<br />
Nährstoffreduktion 8,8 26,0<br />
Gesamt 161,8 278,0<br />
Tab. 14: Ökonomischer Gesamtwert <strong>der</strong> Maßnahmen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> in Mio. €<br />
Quelle: TU Berlin/IÖW 2003<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Studie wurden unterschiedliche Varianten <strong>der</strong> Deichrückver-<br />
legungen durchgespielt, mit dem Ergebnis, dass in sämtlichen Varianten die<br />
Nutzen die Kosten bei Weitem überstiegen.<br />
136 Bei <strong>der</strong> Bewertung dieser Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Flächen nicht<br />
mit dem Ziel ausgesucht wurden, einen möglichst effektiven Hochwasserschutz zu erreichen.<br />
Vielmehr wurden nur diejenigen Flächen als potenzielle <strong>Stand</strong>orte <strong>für</strong> eine Deichrückverlegung<br />
ausgesucht, <strong>für</strong> die unter den vor <strong>der</strong> Flut im August 2002 herrschenden Rahmenbedingungen<br />
zumindest eine Chance auf Umsetzung gesehen wurde.
146 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Nutzen-Kosten-Verhältnis<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
3,1<br />
2,5<br />
4,1<br />
3,2<br />
4,2<br />
3,3 3,2<br />
I II III IV V VI VII VIII<br />
Varianten<br />
Abb. 26: Nutzen-Kosten-Verhältnisse <strong>der</strong> bewerteten Varianten<br />
Quelle: TU/IÖW 2003<br />
Die Abb. 26 zeigt die Nutzen-Kosten-Verhältnisse <strong>für</strong> die acht bewerteten Va-<br />
rianten. Das wesentliche Ergebnis dieser Berechnung ist, dass auch das Szena-<br />
rio mit den höchsten Kosten – sowohl beim Deichneubau als auch bei den<br />
Landnutzungskosten – <strong>und</strong> dem höchsten Umfang an neu zu gewinnenden<br />
Retentionsflächen deutlich wirtschaftlich ist. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis<br />
weist in diesem Fall einen Wert von 2,5:1 auf. Damit würde durch jeden inves-<br />
tierten Euro ein Nutzen in Höhe von 2,5 Euro entstehen. Analog ist die Variante<br />
mit <strong>der</strong> höchsten Wirtschaftlichkeit die mit den geringsten Kosten – sowohl<br />
beim Deichneubau als auch bei den Kosten <strong>der</strong> Landnutzungsän<strong>der</strong>ung –<br />
<strong>und</strong> mit einer zusätzlichen Retentionsfläche von 10.000 ha. Bei <strong>der</strong> Variante V<br />
würde <strong>für</strong> jeden investierten Euro ein Nutzen von 4,2 Euro entstehen.<br />
2,6
Szenarien Nutzen-Kosten-<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 147<br />
Verhältnis<br />
Nettogegenwarts-<br />
wert<br />
(Mio. €)<br />
interner Zins-<br />
satz<br />
Szenario V 4,2 1074 41,8<br />
Szenario III 4,1 1062 39,7<br />
Szenario VI 3,3 986 29,4<br />
Szenario VII 3,2 967 36,3<br />
Szenario IV 3,2 972 27,6<br />
Szenario I 3,1 955 34,6<br />
Szenario VIII 2,6 876 25,3<br />
Szenario II 2,5 854 23,6<br />
Tab. 15: Nutzen-Kosten-Verhältnis <strong>der</strong> bewerteten Szenarien<br />
Quelle: TU Berlin/IÖW 2003 137<br />
Die durchgeführten Sensitivitätsanalysen zeigten, dass die Stabilität <strong>der</strong> erziel-<br />
ten Ergebnisse sehr hoch ist.<br />
Die Gegenüberstellung <strong>der</strong> ermittelten Nutzen <strong>und</strong> Kosten <strong>für</strong> die zu untersu-<br />
chenden Maßnahmen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> zeigt, dass alle Varianten eine ver-<br />
gleichsweise hohe Wirtschaftlichkeit aufweisen. Selbst in dem Fall, dass mit<br />
15.000 ha <strong>der</strong> größtmögliche Umfang an neuen Retentionsflächen hinzuge-<br />
wonnen wird <strong>und</strong> von den höchsten Kosten <strong>für</strong> Deichneubauten <strong>und</strong> Ände-<br />
rungen <strong>der</strong> Landnutzung ausgegangen wird (Variante II), liegt das Nutzen-<br />
Kosten-Verhältnis noch bei 2,5:1. Im Fall von Variante V, die bei <strong>der</strong> Wirtschaft-<br />
lichkeitsberechnung am besten abschneidet, liegt das NKV bei 4,2:1. Wie die<br />
Sensitivitätsanalysen zeigen, können die Ergebnisse als stabil angesehen wer-<br />
den. Auch eine Halbierung o<strong>der</strong> Verdoppelung zentraler Einflussgrößen führt<br />
nicht dazu, dass Variante II mit dem geringsten Nutzen-Kosten-Verhältnis unter<br />
die Grenze <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit rutscht. Sowohl <strong>für</strong> den Nutzen als auch <strong>für</strong><br />
die Kosten wurden jeweils sehr konservative Werte herangezogen. Wird die<br />
Einschätzung von Naturschutzexperten, dass es sich bei <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> um einen in<br />
137 Anmerkung: Die Ergebnisse sind sortiert nach Höhe des Nutzen-Kosten-Verhältnisses.
148 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
seiner Form einzigartigen Fluss in Deutschland o<strong>der</strong> sogar in Europa handelt<br />
von <strong>der</strong> Bevölkerung geteilt, dann ist davon auszugehen, dass die aggregier-<br />
te Zahlungsbereitschaft insgesamt höher ist als die hier in die Nutzen-Kosten-<br />
Analyse (NKA) eingestellte.<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die ökonomische Bewertung<br />
Das Ziel <strong>der</strong> dargestellten Studie war es nicht, Aussagen bzgl. <strong>der</strong> Ausbau-<br />
maßnahmen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> zu generieren. Gleichwohl wurde diese<br />
Studie dargestellt, um einerseits das oben angeführte Konzept des TEV zu ver-<br />
anschaulichen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits deutlich zu machen, dass entsprechende<br />
ökonomische (monetäre) Bewertungsverfahren zu Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
verdeutlichen, dass es eine Zahlungsbereitschaft (<strong>und</strong> damit eine Nachfrage)<br />
nach Natur <strong>und</strong> Landschaft gibt. Daran war <strong>und</strong> ist auch jenseits <strong>der</strong> ökono-<br />
mischen Bewertung nicht zu zweifeln, die Monetarisierung kann aber dazu<br />
beitragen, die Nutzungskonflikte an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> transparenter zu gestalten. Im<br />
Gr<strong>und</strong>satz ist <strong>der</strong> Nutzen, <strong>der</strong> aus Natur <strong>und</strong> Landschaft gezogen werden<br />
kann, in einen Vergleich zu setzen zu den Nutzen (aber auch Kosten), die mit<br />
<strong>der</strong> verbesserten Schiffbarkeit verb<strong>und</strong>en sind.<br />
Die <strong>Elbe</strong> stellt unterschiedlichste Güter zur Verfügung. Zum einen bietet sie die<br />
Möglichkeit Güter zu transportieren <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en bietet sie vielfältige Na-<br />
turschutzfunktionen <strong>und</strong> Erholungsfunktionen. Die unterschiedlichen Nutzun-<br />
gen stehen zueinan<strong>der</strong> zumindest partiell in Konkurrenz. Die Nutzung als<br />
(zweitklassige) Wasserstraße mit den damit verb<strong>und</strong>enen Ausbaumaßnahmen<br />
stellt die Funktionen <strong>für</strong> den Naturschutz in Frage. Dabei ist insbeson<strong>der</strong>e zu<br />
beachten, dass a priori keine Aussagen über die Wertigkeit <strong>der</strong> Nutzungen<br />
gemacht werden können. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Nutzung zur<br />
Erholung <strong>für</strong> die Regionen eine wichtige <strong>und</strong> sich entwickelnde Einnahme-<br />
quelle darstellt. Zudem konnten in Analysen zur Zahlungsbereitschaft bzgl. von<br />
Deichrückverlegungen im <strong>Elbe</strong>raum aufzeigen, dass <strong>für</strong> den Erhalt <strong>und</strong> die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Auenlandschaften im <strong>Elbe</strong>raum erhebliche Mittel zur Verfü-<br />
gung stehen könnten. Zwar sind die Analysen nicht in Bezug auf die Abwä-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 149<br />
gung <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> Naturschutz vorgenommen worden, gleichwohl<br />
geben sie Hinweise auf die Bedeutung des Naturschutzes gerade im <strong>Elbe</strong>-<br />
raum.<br />
6.2. Fazit<br />
Die Aussagen zur Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit von Verkehrsträgern beziehen sich zu-<br />
meist auf die Emissionen <strong>der</strong> jeweiligen Verkehrsträger. Vor allem im Falle <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> sind aber weitere umweltrelevante Effekte mit einzubezie-<br />
hen, so insbeson<strong>der</strong>e die Auswirkungen auf Natur <strong>und</strong> Landschaft, da Flüsse<br />
i.d.R sensible Ökosysteme darstellen. 138<br />
Die Darstellungen, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> einen beson<strong>der</strong>s umweltverträg-<br />
lichen Verkehrsträger in Bezug auf die Emissionen darstellt, sind in <strong>der</strong> Allge-<br />
meinheit nicht aufrecht zu erhalten. Zum einen wird zunehmend anerkannt,<br />
dass generalisierte Aussagen bzgl. <strong>der</strong> Umweltverträglichkeit von Verkehrsträ-<br />
gern nur begrenzt sinnvoll sind, es geht vielmehr um die Betrachtung <strong>der</strong> Um-<br />
weltrelevanz des jeweiligen Transportvorgangs (u.a. was wird transportiert,<br />
welche Verbindungen werden realisiert etc.). Des Weiteren ist festzustellen,<br />
dass die Datenbasis <strong>für</strong> die Bewertung <strong>der</strong> Umweltrelevanz von Transportvor-<br />
gängen zentral ist <strong>und</strong> hier waren in <strong>der</strong> Vergangenheit aber auch heute<br />
noch erhebliche Unsicherheiten festzustellen. So wurde vorrangig auf die CO2<br />
Emissionen Bezug genommen, wobei je nach Datengr<strong>und</strong>lage unterschiedli-<br />
che Ergebnisse zu verzeichnen waren. In jüngerer Zeit sind deutliche Anpas-<br />
sungen festzustellen, die die Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> deut-<br />
lich relativiert haben. Des Weiteren wurden die Analysen dahingehend erwei-<br />
tert, dass weitere Luftschadstoffe in entsprechende Vergleiche einbezogen<br />
werden. Durch die nur begrenzten Maßnahmen zur Luftreinhaltung bei <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> verschlechtert sich in <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong>en Umweltrelevanz (in-<br />
sbeson<strong>der</strong>e auch im Hinblick auf die Schiffgrößen <strong>und</strong> Auslastungsgrade).<br />
138 Dies ist bei <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> generell <strong>der</strong> Fall, bei an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern wäre zu überprüfen<br />
inwieweit die Trassenführung sensible Ökosysteme beeinflussen.
150 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Einbeziehung <strong>der</strong> realen Transportvorgänge <strong>und</strong> die Ausdifferenzierung<br />
bspw. <strong>der</strong> Schiffsgrößenklassen im Hinblick auf die Emissionen machen deut-<br />
lich, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> gegenüber <strong>der</strong> Bahn keineswegs im Vorteil ist.<br />
Die Analyse eines Transportvorgangs entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> zeigt auf, dass die Bahn<br />
hinsichtlich <strong>der</strong> Umweltrelevanz in allen Kategorien günstiger dasteht als das<br />
Binnenschiff, abgesehen von den Lärmemissionen.<br />
Die Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (bzw. besser <strong>der</strong> Effekte <strong>der</strong> Infrastruk-<br />
turentwicklung <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>) auf Natur- <strong>und</strong> Landschaft werden<br />
bei den Vergleichen <strong>der</strong> Umweltrelevanz <strong>der</strong> Verkehrsträger i.d.R. nicht be-<br />
rücksichtigt. Diese können aber, wie es am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> deutlich gemacht<br />
wurde, erheblich sein. Bei allen Problemen, die mit <strong>der</strong> Monetarisierung ver-<br />
b<strong>und</strong>en sind, deutet nach den vorliegenden Analysen viel darauf hin, dass<br />
die negativen externen Effekte <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf Natur <strong>und</strong> Landschaft<br />
als hoch einzuschätzen sind. Diese werden bei den üblichen Vergleichen <strong>der</strong><br />
sog. Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit allerdings i.d. R. nicht berücksichtigt.<br />
In <strong>der</strong> Summe bleibt festzuhalten, dass die generelle Aussage <strong>der</strong> Umwelt-<br />
fre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> so nicht aufrecht zu erhalten ist. Vielmehr<br />
weisen die dargelegten Analysen darauf hin, dass dies insbeson<strong>der</strong>e auch<br />
auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht <strong>der</strong> Fall ist (im Vergleich zu Transporten mit <strong>der</strong> Bahn).
7. Kostenvergleich <strong>der</strong> Verkehrssysteme<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 151<br />
Der Sektor Verkehr sieht sich im Wesentlichen mit drei Kostenblöcken konfron-<br />
tiert: Es sind<br />
(a) die Kosten <strong>für</strong> die Erhaltung <strong>und</strong> den Betrieb <strong>der</strong> Infrastrukturen,<br />
(b) die privaten Kosten <strong>der</strong> Vorhaltung <strong>und</strong> dem Betrieb <strong>der</strong> Verkehrsmittel<br />
<strong>und</strong><br />
(c) die sozialen Kosten des Verkehrs, die nicht von den Verkehrsverursachern,<br />
son<strong>der</strong>n von Dritten – zumeist aus Mitteln des öffentlichen Haushalts – getra-<br />
gen werden.<br />
Kosten <strong>der</strong> Infrastruktur (Bau, Erhalt <strong>und</strong> Betrieb) zusammen mit den Sozialen<br />
Kosten des Verkehrs geben einerseits Aufschluss über die gesamtwirtschaftli-<br />
che Effizienz von Verkehrsträgern <strong>und</strong> zeigen an<strong>der</strong>erseits Preisverzerrungen<br />
auf zwischen dem tatsächlich entrichteten Preis <strong>für</strong> Transportleistungen <strong>und</strong><br />
dem „wahren“ Preis dessen, wenn alle kostenwirksamen Effekte des Güter-<br />
transports, in die Transportpreise mit einfließen würden.<br />
7.1. Externe Kosten<br />
Negative Externe Effekte werden allgemein mit negativen Wirkungen ökono-<br />
mischer Aktivität eines o<strong>der</strong> einer Gruppe von Wirtschaftssubjekten zu Lasten<br />
Dritter bezeichnet. 139 Externe Effekte führen zu Kosten, die nicht vom Verursa-<br />
cher, son<strong>der</strong>n von Personen getragen werden, die diese Effekte treffen.<br />
Im Bereich Verkehr sollen folgende Beispiele externe Effekte illustrieren:<br />
� Schäden, Belästigungen o<strong>der</strong> Wertmin<strong>der</strong>ungen durch Schadstoffemis-<br />
sionen o<strong>der</strong> Lärm<br />
� Folgekosten von Unfällen, sofern sie nicht vom Verursacher getragen<br />
sind<br />
� Beanspruchung von Umweltressourcen ohne Bezahlung (Biosphäre als<br />
CO2 Senke – dadurch bedingter anthropogener Treibhauseffekt)<br />
� Ges<strong>und</strong>heitliche Beeinflussung o<strong>der</strong> Schädigung durch Unfälle, Emissio-<br />
nen etc.<br />
139 Vgl. Lohre (2002) S. 78
152 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Externe Kosten können jedoch unter Umständen mit Nutzen verrechnet wer-<br />
den. Es muss sich hierbei aber um eine geschlossene Gruppe handeln. Hilf-<br />
reich ist hierbei die Unterscheidung: Interne Kosten/Nutzen vs. Externe Kos-<br />
ten/Nutzen.<br />
Ein Beispiel:<br />
Durch die Nutzung eines Verkehrsmittels entsteht interner Nutzen, bspw.<br />
Transportkapazität, Zeitersparnis, Flexibilität, etc.. Dem stehen interne<br />
Kosten gegenüber, wie Anschaffungs-, Haltungs- <strong>und</strong> Betriebskosten.<br />
Um den persönlichen Nutzen in Anspruch zu nehmen ist <strong>der</strong> Benutzer<br />
bereit die internen Kosten zu tragen. In <strong>der</strong> Regel halten sich in einem<br />
marktwirtschaftlichen System interne Nutzen <strong>und</strong> interne Kosten die<br />
Waage, d.h. <strong>der</strong> Benutzer von Transportmitteln wird in etwa bereit sein<br />
so viel zu investieren, wie es seinem internen Nutzen entspricht.<br />
Im Falle Externer Kosten, die nicht vom Transportmittelbetreiber getragen<br />
werden, steht kein allgemeiner Nutzen gegenüber <strong>und</strong> die Kosten werden –<br />
bei fehlen<strong>der</strong>, eindeutiger Zuordnung zum Verursacher – auf die Allgemein-<br />
heit abgewälzt. Daher werden sie in <strong>der</strong> Literatur Soziale Kosten genannt.<br />
Würden die Externen Kosten vom Verursacher getragen, dann würde sich die<br />
wirtschaftliche Aktivität verteuern, ohne dass sich <strong>der</strong> (interne) Nutzen erhöht.<br />
Gelingt das, dann spricht man von verursachungsgerechter Internalisierung<br />
Externer Kosten, d.h. dass alle entstehenden Kosten individueller wirtschaftli-<br />
cher Aktivität auch dem Verursacher anlasten <strong>und</strong> in sein Kosten-Nutzen-<br />
Kalkül einfließen.<br />
Externe Kosten des Verkehrs inklusive vom Nutzer ungedeckte Infrastrukturkos-<br />
ten gehen zu Lasten <strong>der</strong> Allgemeinheit <strong>und</strong> werden aus dem allgemeinen<br />
Steuerhaushalt finanziert. Diese von allen zu tragenden Kosten sind in den<br />
Preisen <strong>für</strong> (Güter-) Mobilitätsleistungen nicht enthalten <strong>und</strong> fließen somit auch<br />
nicht in die individuellen Entscheidungen <strong>der</strong> Nutzer ein.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 153<br />
Bei gegebenen Preisrelationen (also bei Nicht-Internalisierung) werden Trans-<br />
portleistungen in Anspruch genommen, die bei Einbeziehung <strong>der</strong> gesamten<br />
Kosten (eben einschließlich <strong>der</strong> Externen Kosten) höher sind als <strong>der</strong> Nutzen.<br />
Die gegenwärtigen Preise geben somit falsche Entscheidungssignale. Das in-<br />
dividuell rationale Verhalten ist gesamtwirtschaftlich irrational. Hier spricht<br />
man vom Marktversagen.<br />
Damit ist eine elementare Voraussetzung zur Vermeidung von Fehlentschei-<br />
dungen im Verkehrssektor bei individuellen <strong>und</strong> verkehrspolitischen Entschei-<br />
dungsprozessen gegeben: Der Einbezug <strong>der</strong> Externen Kosten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kosten<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur durch Internalisierung (Preiswahrheit).<br />
In den Schlussfolgerungen <strong>der</strong> sog. Pällmann-Kommission zur Verkehrsinfra-<br />
strukturfinanzierung wird darauf verwiesen, dass die Umstellung <strong>der</strong> Verkehrs-<br />
infrastrukturfinanzierung auf eine verursachungsgerechte Nutzerfinanzierung,<br />
insb. Strecken bezogene Straßenbenutzungsentgelte, eine sinnhafte Strategie<br />
sein kann. So wird von Rationalisierungseffekten mit dem Ergebnis verbesserter<br />
Routenplanung <strong>und</strong> Auslastung, von Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>Stand</strong>ortwahl mit<br />
Transportwegeverkürzung, von Reduzierung <strong>der</strong> Arbeitsteilung bzw. <strong>der</strong> Erhö-<br />
hung <strong>der</strong> Fertigungsstufen mit gewünschter Minimierung <strong>der</strong> Wege <strong>und</strong><br />
schließlich von Verlagerungseffekten vom LKW-Verkehr zu an<strong>der</strong>en Verkehrs-<br />
trägern gesprochen. 140<br />
Allerdings bleibt die Kommission auf dem halben Wege stehen, sie plädiert al-<br />
leine <strong>für</strong> die Anlastung <strong>der</strong> Infrastrukturkosten <strong>und</strong> lehnt eine Anlastung <strong>der</strong> ex-<br />
ternen Kosten (insbes. Umweltkosten) ab. „Entgelte im Verkehr sollten bezo-<br />
gen auf ihre Zwecke <strong>und</strong> Mittelverwendungen so transparent wie möglich ge-<br />
staltet werden, damit sie <strong>der</strong> Nutzer nicht lediglich als eine Variante <strong>der</strong> Be-<br />
steuerung auffasst bzw. interpretieren kann. [...] Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte also gel-<br />
ten: Nutzungsentgelte werden ausschließlich an den Wegekosten orien-<br />
tiert. 141 “ Die Begründung <strong>für</strong> die Fokussierung auf die Infrastrukturkosten er-<br />
scheint inkonsequent. Sie unterstellt einerseits, dass die Wegekosten eindeutig<br />
140 Vgl. Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung (2000) S. 26<br />
141 Vgl. ebd. S. 31 f.
154 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
zuzuordnen wären (dagegen bspw. die Frage <strong>der</strong> Zurechnung <strong>der</strong> Infrastruk-<br />
turkosten: außerverkehrliche Nutzen) <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits, dass bspw. die um-<br />
weltorientierten externen Kosten entwe<strong>der</strong> im Wesentlichen politisch determi-<br />
niert werden o<strong>der</strong> nicht vermittelbar seien.<br />
Die methodische Bewertung von externen Effekten wird meist möglichst konsi-<br />
stent auf Basis des Ansatzes <strong>der</strong> Wohlfahrtsmaximierung durchgeführt. Die ein-<br />
zelnen Kostenbestandteile werden dabei entwe<strong>der</strong> als aufgetretene Schä-<br />
den über einen Schadenskostenansatz o<strong>der</strong> als entgangene Nutzen mittels<br />
Zahlungsbereitschaftsansatz ermittelt. Eine Ausnahme bilden dabei die Klima-<br />
schäden, die, dem <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Technik entsprechend, über den Risikoansatz<br />
abgeschätzt, <strong>und</strong> auch mit dieser Methode in die Berechnungen übernom-<br />
men werden. 142<br />
Die Bewertung <strong>der</strong> externen Effekte ist zweifelsohne mit einer Reihe von<br />
Schwierigkeiten behaftet <strong>und</strong> wird letztlich immer auch strittig sein. Im Gr<strong>und</strong>-<br />
satz beruhen diese Bewertungen letztlich auf Konventionen darüber, was be-<br />
wertet (welche Effekte werden als externe Effekte bezeichnet) <strong>und</strong> wie be-<br />
wertet werden soll (welche Methoden sollen zum Einsatz kommen?). 143<br />
Die Einschätzung <strong>der</strong> Umweltrelevanz <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger hat sich im<br />
Zeitablauf z.T. deutlich verän<strong>der</strong>t. In <strong>der</strong> Folge werden einige Einschätzungen<br />
im Zeitablauf dargestellt. In <strong>der</strong> Summe wird deutlich, dass die ersten Studien<br />
(bspw. Planco 1990) zu sehr positiven Einschätzungen <strong>der</strong> Umweltrelevanz des<br />
Gütertransports per Binnenschiff gekommen sind, diese Einschätzungen ha-<br />
ben sich im Zeitablauf deutlich (zu Ungunsten) <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> entwi-<br />
ckelt.<br />
Eine <strong>der</strong> ersten Studien zu den externen Kosten des Güterverkehrs, die die Bin-<br />
nenschifffahrt mit einbezogen hat, war die Studie von Planco (1990), die zu<br />
dem Ergebnis kam, dass die externen Kosten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> sehr gering<br />
seien. 144<br />
142 Vgl. Herry (2001) S. 21<br />
143 Vgl. dazu UBA (2007b); Maibach et al. (2007)<br />
144 Vgl. Lohre, D. (2002) S. 87
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 155<br />
Nach dieser Studie wurden den unterschiedlichen Güterverkehrsträgern fol-<br />
gende externe Kosten auf die Transportleistung bezogen. (zu Preisen von<br />
1990): 145<br />
Straßengüterverkehr 25,05 € /1000 tkm<br />
Eisenbahn 5,75 € /1000 tkm<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> 1,75 € /1000 tkm<br />
Abb. 27: Externe Kosten <strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach Planco 1990<br />
Die Planco Studie hat insofern einen erheblichen Einfluss auf die Diskussion<br />
gehabt, als die externen Effekte <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> als relativ gering gerade<br />
auch gegenüber <strong>der</strong> Bahn waren.<br />
Da die externen Kosten des Güterverkehrs sich letztlich auf das Mengengerüst<br />
<strong>der</strong> Umwelteffekte <strong>und</strong> das (monetäre) Bewertungskonzept <strong>der</strong> Umwelteffek-<br />
te beziehen, wird bereits an Hand <strong>der</strong> im vorherigen Kapitel dargestellten<br />
Umwelteffekte <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger deutlich, dass das Mengengerüst<br />
<strong>der</strong> Planco Studie relativiert werden muss.<br />
Neuere Studien <strong>der</strong> monetären Bewertung <strong>der</strong> unterschiedlichen Güterver-<br />
kehrsträger kommen in <strong>der</strong> Folge auch zu deutlich revidierten Ergebnissen (im<br />
Vergleich zur Planco-Studie).<br />
Die generellen Aussagen <strong>der</strong> Studien sind:<br />
• Der Lkw Verkehr ist bei weitem mit den höchsten externen Kosten ver-<br />
b<strong>und</strong>en.<br />
• Die Bahn hat emissionsseitig die geringsten externen Kosten, allerdings<br />
sind die Lärmkosten relativ hoch.<br />
• Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> verursacht emissionsseitig höhere externe Kosten<br />
als die Bahn, schneidet allerdings bei den Lärmemissionen gut ab.<br />
145 Vgl. PLANCO (1990) S. 9
156 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Eingriffe in Natur <strong>und</strong> Landschaft werden durch die unterschiedlichen<br />
Studien bislang im Wesentlichen vernachlässigt, wobei methodische Proble-<br />
me keineswegs im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehen, da bspw. <strong>der</strong> Ansatz <strong>der</strong> Zahlungsbe-<br />
reitschaft bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Luftverschmutzung lange eine wichtige Rolle<br />
gespielt hat.<br />
Die Bewertung von Natur <strong>und</strong> Landschaft spielt von daher eine wichtige Rolle,<br />
da, wie im vorherigen Kapitel aufgezeigt wurde, die Beeinträchtigung von<br />
Natur <strong>und</strong> Landschaft in dem sensiblen Bereich <strong>der</strong> Gewässerstrukturen<br />
(Feuchtgebiete) eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt. Die Nicht-Einbeziehung dieser<br />
Wirkungen des Ausbaus von Wasserstraßen in die monetäre Bewertung von<br />
externen Effekten führt letztlich zu einer deutlichen Unterbewertung <strong>der</strong> nega-<br />
tiven externen Effekte <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in den gängigen Berechnungen.<br />
Gleichwohl sollen aktuelle Studien zu <strong>der</strong> monetären Bewertung <strong>der</strong> externen<br />
Effekte kurz dargestellt werden.<br />
Eine neue Abschätzung <strong>der</strong> externen Kosten des Güterverkehrs, erstellt im Auf-<br />
trag des Internationalen Eisenbahnverbandes UIC 146 aus dem Jahre 2000,<br />
kommt zum folgenden Ergebnis. Bezugsjahr ist das Jahr 1995 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Untersu-<br />
chungsraum umfasst 17 europäische Län<strong>der</strong> (ehem. EU-15 sowie Norwegen<br />
<strong>und</strong> die Schweiz): 147<br />
Straßengüterverkehr 88 € /1000 tkm<br />
Eisenbahn 19 € /1000 tkm<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> 17 € /1000 tkm<br />
Abb. 28: Externe Kosten <strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
Quelle: Eigene Darstellung nach UIC (2000)<br />
146 Union Internationale des Chemins de Fer<br />
147 Vgl. UIC (2000) S. 11
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 157<br />
Zu berücksichtigen ist, dass <strong>der</strong> Güterverkehr in den kommenden Jahren stark<br />
zunehmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Straßengüterverkehr den überwiegenden Teil dieses Zu-<br />
wachses transportieren wird. Hieraus folgt eine erhebliche Zunahme <strong>der</strong> sum-<br />
mierten Externen Kosten aller Verkehrsträger <strong>und</strong> des Straßengüterverkehrs<br />
speziell. Schätzungen <strong>für</strong> 2010 gehen – bezogen auf 1995 – von einem Anstieg<br />
<strong>der</strong> Externen Kosten des Gesamtverkehrs in Westeuropa von 42 % aus, sofern<br />
keine politischen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden. 148 Dieser Anstieg re-<br />
sultiert jedoch auch aus einer höheren monetären Bewertung <strong>der</strong> umweltre-<br />
levanten Mengengerüste.<br />
In einer Studie hat Infras (2007) frühere Studien zu den Externen Kosten <strong>für</strong><br />
Deutschland aktualisiert. Die Ergebnisse dieser Studie sollen in <strong>der</strong> Folge kurz<br />
dargestellt werden.<br />
Die folgende Tabelle stellt die Durchschnittskosten des (Güter-) Verkehrs im<br />
Jahre 2005 dar.<br />
Tab. 16: Durchschnittskosten 2005 in 1.000 Euro pro Pkm bzw. tkm<br />
Quelle: Infras (2007) S. 7<br />
148 Vgl. UIC (2000) S. 14
158 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 29: Durchschnittskosten Güterverkehr<br />
Quelle: Infras (2007) S. 9<br />
Die vorstehende Tabelle <strong>und</strong> die vorstehende Graphik zeigen die Durch-<br />
schnittskosten im Güterverkehr in € je 1000 tkm. In die Bewertung wurden ein-<br />
bezogen: Unfälle, Lärm, Luftverschmutzung, Klimakosten, Natur <strong>und</strong> Land-<br />
schaft, vor- <strong>und</strong> nachgelagerte Prozesse sowie Zusatzkosten im städtischen<br />
Raum.<br />
Die wesentlichen Unterschiede zwischen Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff bestehen, wie<br />
bereits angemerkt, in den Lärmkosten <strong>der</strong> Bahn, sowie in den sog. vor- <strong>und</strong><br />
nachgelagerten Prozessen. Die Problematik <strong>der</strong> Bewertung von Natur <strong>und</strong><br />
Landschaft wird insofern verdeutlicht, als diese Effekte bei <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt auf null gesetzt sind 149 , also nicht mit einbezogen werden.<br />
149 Bei den Gesamtkosten taucht diese Position allerdings auf.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 159<br />
Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass gerade die Lärmkosten, die <strong>der</strong><br />
Bahn zugerechnet werden, vor dem methodischen Problem stehen, dass es<br />
sich um durchschnittliche auf Deutschland bezogene Kosten handelt. In ge-<br />
ring besiedelten Gebieten, wie eben in den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n, erweisen<br />
sich die Kosten als deutlich geringer, da weniger Einwohner betroffen sind.<br />
Wie die Darstellung <strong>der</strong> Infras-Studie aber auch die Ergebnisse <strong>der</strong> Umwelt-<br />
wirkungen <strong>der</strong> unterschiedlichen Güterverkehrsträger (im vorigen Abschnitt)<br />
zeigen, sind die Umweltwirkungen (auch die monetarisierten Kosten) stark von<br />
den betrachteten Umweltmedien <strong>und</strong> den regionalen Kontexten aber auch<br />
den jeweiligen Transportvorgängen ab. Die Durchschnittswerte, wie sie hier<br />
dargestellt wurden, geben allein eine gr<strong>und</strong>sätzliche Orientierung.<br />
Tendenziell haben alle Studien eine Aussage gemein:<br />
„Unabhängig von den einbezogenen externen Kostenkategorien <strong>und</strong> den<br />
zugr<strong>und</strong>e liegenden Bewertungsmethoden ist die Tendenzaussage aus nahe-<br />
zu sämtlichen Studien jedoch die gleiche: Die weitaus höchsten externen Kos-<br />
ten <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e Umweltbelastungen <strong>der</strong> landgeb<strong>und</strong>enen Verkehrsträ-<br />
ger verursacht <strong>der</strong> Straßengüterverkehr. 150 “<br />
7.2. Wegekosten<br />
7.2.1. Allgemeines<br />
Wegekosten beschäftigen sich mit <strong>der</strong> Ermittlung <strong>und</strong> Anlastung <strong>der</strong> Verkehrs-<br />
infrastrukturkosten <strong>der</strong> jeweiligen Verkehrsträger. In den Wegekosten enthal-<br />
ten sind die vom Staat vorgehaltenen Verkehrsinfrastrukturanlagen. Deren<br />
Abgrenzung zu den Verkehrsträgern Straße, Schiene <strong>und</strong> Binnenwasserstraße<br />
sind jedoch unterschiedlich. 151<br />
Beim Verkehrsträger Straße sind alle dem öffentlichen Verkehr dienenden<br />
Straßen einbezogen, unabhängig von rechtlichen Zuordnungen zu Gebiets-<br />
150 Lohre, D (2002) S. 88<br />
151 Vgl. im Folgenden Aberle, G. (2003) S. 377 ff.
160 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
körperschaften. Bei <strong>der</strong> Schiene zählen das Schienennetz <strong>und</strong> die Stationen<br />
dazu. Bei Binnenwasserstraßen sind alle natürlichen <strong>und</strong> künstlichen Binnen-<br />
wasserstraßen sowie alle Hebe- <strong>und</strong> Schleusewerke relevant.<br />
Die Wegekosten werden generell in fixe <strong>und</strong> variable – fahrleistungsabhängi-<br />
ge – Kosten unterteilt. 152<br />
Im Wesentlichen geht es um folgende Kosten <strong>der</strong> Infrastruktur:<br />
� Maßnamen zur Unterhaltung <strong>und</strong> zum laufenden Betrieb <strong>der</strong> Infrastruk-<br />
tur<br />
� Maßnahmen zur Erneuerung <strong>der</strong> Infrastruktur<br />
� Kosten <strong>für</strong> die Verkehrspolizei (nur Straßenverkehr)<br />
Alle drei Positionen beinhalten nicht-marginalisierbare <strong>und</strong> marginalisierbare<br />
Kostenanteile. Erstere werden in <strong>der</strong> deutschen Wegekostenrechnung als<br />
„Kapazitätskosten“ bezeichnet. Dazu zählen:<br />
� Nicht-marginalisierbare Anteile <strong>der</strong> Unterhaltung/laufen<strong>der</strong> Betrieb, Er-<br />
neuerung <strong>und</strong> Verkehrspolizei (nur Straßenverkehr)<br />
� Ausgaben <strong>für</strong> Erweiterungsinvestitionen <strong>und</strong> Neubau, kalkulatorische<br />
Abschreibungen (abh. v. gewählter Rechnungsmethodik)<br />
� Kalkulatorischen Zinsen (falls angesetzt, abh. v. gewählter Rechnungs-<br />
methodik)<br />
� Differenz zwischen den realen Größen <strong>und</strong> dem entsprechenden Wert<br />
zu laufenden Preisen<br />
Marginalisierbare Wegekosten sind „Grenzkosten <strong>der</strong> Benutzung“ <strong>der</strong> Infra-<br />
struktur, d.h. sie sind fahrleistungsabhängig.<br />
Grenzkosten sind die von einer zusätzlichen Verkehrseinheit (Fahrzeug/ Zug/<br />
Binnenschiff) bei <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Infrastruktur induzierten Kosten. Bei Fixkosten<br />
geht man davon aus, dass die Kapazität <strong>der</strong> Infrastruktur als gegeben anzu-<br />
152 In diesem Zusammenhang spricht man auch von marginalisierbaren <strong>und</strong> nichtmarginalisierbaren<br />
Kosten im Bezug auf die Verkehrsleistung. Vgl. Aberle, G. (2003) S. 378
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 161<br />
sehen ist (Kosten <strong>der</strong> Infrastrukturherstellung sind das einfachste Beispiel). Sie<br />
werden letztlich wenig mit dem Verkehrsniveau variieren. 153<br />
Die Entscheidungen über Investitionen, die Erhaltung <strong>und</strong> die Ausgaben <strong>für</strong><br />
den Betrieb <strong>der</strong> Verkehrswege sind zwischen den Schienenwegen auf <strong>der</strong> ei-<br />
nen <strong>und</strong> den Straßen <strong>und</strong> Wasserstraßen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite differenziert zu<br />
betrachten. Durch die Bahnreform 1994 <strong>und</strong> damit einer Umwandlung <strong>der</strong><br />
Bahn in eine privatrechtliche Unternehmensform dürfte eine „Fiktion <strong>der</strong> Un-<br />
ternehmereigenschaft“ bei <strong>der</strong> Investitionsentscheidung in dessen Verkehrs-<br />
wege zutreffen. Damit dürfte bei <strong>der</strong> Bahn nunmehr eine betriebswirtschaftli-<br />
che Wegekostenrechung ein adäquates Mittel darstellen.<br />
Nicht geeignet ist die Unternehmerfiktion <strong>für</strong> die Entscheidungen in Investitio-<br />
nen <strong>und</strong> Betrieb <strong>der</strong> Verkehrswege des Straßen- <strong>und</strong> Binnenschiffverkehrs. Hier<br />
handelt es sich nicht um marktmäßige Entscheidungsprozesse unter Mitwir-<br />
kung <strong>der</strong> Nutzer, son<strong>der</strong>n um gesellschaftspolitische Entscheidungsprozesse. 154<br />
Bei allen Verkehrsträgern werden die Investitionsentscheidungen über ein ver-<br />
kehrsträgerübergreifendes Bewertungsverfahren im B<strong>und</strong>esverkehrswegeplan<br />
(BVWP) geprüft <strong>und</strong> festgelegt. 155 Jedoch wird die Bahn als unternehmensge-<br />
führter Verkehrsträger Investitionsentscheidungen nur dann realisieren, wenn<br />
eine betriebswirtschaftliche Rentabilität gesichert ist. 156<br />
Im Gegensatz zur betriebswirtschaftlichen Fiktion mit entsprechenden Ent-<br />
scheidungselementen bei <strong>der</strong> Bahn kommen bei Investitionsentscheidungen<br />
bei Straßen- <strong>und</strong> Wasserwegen gesamtwirtschaftliche Erwägungen zum tra-<br />
gen, die teilweise auch außerverkehrliche Elemente beinhalten, wie regional-<br />
<strong>und</strong> raumpolitische Nutzenkomponenten.<br />
Methodisch verbietet es sich nicht, die Wegekostenrechnung als Instrument<br />
zur Internalisierung externer Kosten des Verkehrs zu verwenden. Hierzu bedarf<br />
es geson<strong>der</strong>ter Verfahren außerhalb <strong>der</strong> Wegekostenrechung. Eine Vermi-<br />
153 Vgl. Blonk, W. (1999) S. 7<br />
154 Vgl. Aberle, G. (2003) S. 379<br />
155 Vgl. BVWP (2003)<br />
156 Liegt eine betriebswirtschaftliche Rentabilität nicht vor <strong>und</strong> soll aus gesamtwirtschaftlichen<br />
Interessen dennoch investiert werden (d.h. die Kosten/Nutzen-Rechnung im BVWP ist positiv),<br />
dann wird <strong>der</strong> Neu- <strong>und</strong> Ausbau vom B<strong>und</strong> übernommen.
162 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
schung verkompliziert den Wegekostendiskurs <strong>und</strong> erschwert die Diskussion<br />
über Gr<strong>und</strong>fragen <strong>der</strong> Verkehrspolitik. 157<br />
7.2.2. Wegekosten <strong>der</strong> Verkehrsträger im Einzelnen<br />
Verkehrsträgerunabhängig wird in <strong>der</strong> Wegekostenrechnung zwischen zwei<br />
Vorgehensweisen unterschieden:<br />
(a) Ausgabenrechnung: jährliche, faktische Ausgaben <strong>für</strong> Investitionen,<br />
Unterhaltung, Verwaltung, Verkehrspolizei (nur Straßenverkehr)<br />
(b) Betriebswirtschaftliche Kostenrechung: Anstelle <strong>der</strong> Investitionen wer-<br />
den Abschreibungen <strong>und</strong> kalkulatorische Zinsen auf das Netto-<br />
Anlagevermögen gebildet. Ansonsten gleichen die übrigen Positionen<br />
<strong>der</strong> Ausgabenrechnung<br />
Der Unterschied bei<strong>der</strong> Rechnungsarten liegt fast ausschließlich im Einbezug<br />
<strong>der</strong> kalkulatorischen Zinsen.<br />
Im Bereich des Straßenverkehrs ist die Berücksichtigung kalkulatorischer Zinsen<br />
strittig, weil <strong>der</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Staatsausgaben hohe Son<strong>der</strong>abgaben des<br />
Straßenverkehrs (Mineralölsteuer, KFZ-Steuer, Maut auf BAB <strong>für</strong> schwere Lkw)<br />
gegenüberstehen <strong>und</strong> die Ausgaben <strong>der</strong> Gebietskörperschaften überde-<br />
cken.<br />
Bei <strong>der</strong> Bahn tritt hinsichtlich <strong>der</strong> absoluten Höhe ein weiteres Problem auf:<br />
� Durch die Bahnstrukturreform erfolgte eine f<strong>und</strong>amentale Abwertung<br />
<strong>und</strong> Ausbuchung des Anlagevermögens um rd. 75%<br />
� Langfristige Schulden i.H.v. damals ca. 34,28 Mrd. € wurden auf das<br />
B<strong>und</strong>eseisenbahnvermögen als Schattenhaushalt des B<strong>und</strong>es übertra-<br />
gen<br />
� Zwischen 1994 <strong>und</strong> 1998 wurden Neu- <strong>und</strong> Ausbauinvestitionen <strong>der</strong><br />
Deutschen Bahn AG (DB AG) durch zinslose Darlehen des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong><br />
seit 1998 fast ausschließlich durch Baukostenzuschüsse – ohne Zins- <strong>und</strong><br />
157 Vgl. Aberle, G. (2003) S. 381
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 163<br />
Rückzahlungsverpflichtungen <strong>und</strong> ohne Aktivierung im Anlagevermö-<br />
gen – finanziert.<br />
Unterstellt man, dass die betriebswirtschaftlichen Gesamtkosten <strong>der</strong> DB AG<br />
knapp vom Umsatz ausgeglichen werden, dann können <strong>der</strong>en Gesamtkosten<br />
den Umsatzzahlen in etwa gleichgestellt werden.<br />
Daraus ergeben sich Kosten in einer Bandbreite von rd. 4,86 bis 5,73 Mrd. €<br />
(ohne Kosten <strong>für</strong> Stationen) <strong>der</strong> DB AG <strong>für</strong> das DB Netz. Damit werden in etwa<br />
35 bis 40% des Verkehrsumsatzes <strong>der</strong> DB AG als Wegekosten angesehen, die<br />
über die Trassenentgelte erwirtschaftet wurden. Werden die tatsächlichen,<br />
volkswirtschaftlichen – inkl. <strong>der</strong> vom B<strong>und</strong> entrichteten Wegeaufwendungen –<br />
angesetzt, so ergeben sich Wegekosten von 8,95 bis 9,47 Mrd. € p.a. (bei An-<br />
satz von 2,5% kalkulatorischer Zinsen). 158 Volkswirtschaftlich gesehen wächst<br />
somit <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Wegekosten <strong>der</strong> DB AG auf 65%. Bezogen auf die Länge<br />
des Streckennetzes von 38.500 km ergeben sich durchschnittlich Kosten von<br />
rd. 133.000 €/km (betriebswirtschaftlich) <strong>und</strong> rd. 239.500 €/km (volkswirtschaft-<br />
lich).<br />
Beim Straßenverkehr betrugen die Gesamtausgaben netto rd. 16,37 Mrd. €.<br />
Bezogen auf das Verkehrsnetz mit einer Länge von ca. 657.000 km ergibt sich<br />
ein Betrag von durchschnittlich 24.900 €/km. Bei Vollkostenrechnung mit an-<br />
genommenen 2,5% kalkulatorischer Verzinsung <strong>und</strong> Hinzunahme <strong>der</strong> Ver-<br />
kehrspolizei kommt man auf Gesamtkosten von rd. 25,58 Mrd. € <strong>und</strong> durch-<br />
schnittlich auf einen Deckungsbetrag von 38.900 € pro km.<br />
Die Streckenkilometer-Wegekosten <strong>der</strong> Bahn ergeben somit im Ergebnis in et-<br />
wa das 3,4-fache (betriebswirtschaftlich) <strong>und</strong> das ca. 6-fache (volkswirtschaft-<br />
lich) <strong>der</strong> Straße.<br />
Für die B<strong>und</strong>eswasserstraßen wurden im Haushaltsjahr 2000 Ausgaben i.H.v.<br />
1,55 Mrd. € von <strong>der</strong> Wasser- <strong>und</strong> Schifffahrtsverwaltung ausgegeben. Der An-<br />
teil <strong>der</strong> Binnenwasserstraßen an den Ausgaben beläuft sich auf rd. 90% (1,39<br />
Mrd. € p.a.) <strong>der</strong> Gesamtausgaben, die restlichen 10% werden im Bereich <strong>der</strong><br />
158 Vgl. hierzu <strong>und</strong> im Folgenden Aberle (2001), Enquete-Kommission „Globalisierung <strong>und</strong><br />
Weltwirtschaft“
164 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Küsten- <strong>und</strong> Seeschifffahrt eingesetzt. Setzt man die Ausgaben <strong>für</strong> Binnenwas-<br />
serstraßen ins Verhältnis zur Streckenlänge von 6740 km so ergibt sich ein De-<br />
ckungsbetrag von 206.230 € pro Streckenkilometer.<br />
Bezogen auf die Verkehrsleistung ergeben sich folgende Beträge (betriebs-<br />
wirtschaftlich):<br />
DB AG 35,46 €/ 1000 tkm (Personen- <strong>und</strong> Gütertonnen)<br />
Straße: 14,74 €/ 1000 tkm (Personen- <strong>und</strong> Gütertonnen)<br />
Binnenschiff 46,03 €/ 1000 tkm (Gütertonnen)<br />
Abb. 30: Wegekosten <strong>der</strong> Verkehrsträger<br />
Quelle: Eigene Darstellung<br />
Obgleich die obigen Werte <strong>für</strong> die Schiene <strong>und</strong> die Straße als Gesamtleistung<br />
(Personen- sowie Güterkilometer) ihre jeweilige Transportkostenintensität nicht<br />
offen legen, so kann man davon ausgehen, dass <strong>der</strong> Schienen geb<strong>und</strong>ene<br />
Gütertransport kostenintensiver ist als <strong>der</strong> Straßengütertransport. 159 Deutlich<br />
wird aber insbeson<strong>der</strong>e, dass die Kosten <strong>für</strong> das Binnenschiff höher sind. Zu-<br />
dem ist zu berücksichtigen, dass Umwelteffekte hier nicht einbezogen sind.<br />
7.2.2.1. Deckung <strong>der</strong> Wegekosten durch die Verkehrsträger<br />
Eine Gegenrechnung <strong>der</strong> Wegekosten mit den Einnahmen durch Abgaben<br />
<strong>der</strong> Verkehrsträger ist bei weitem nicht eindeutig, son<strong>der</strong>n hängt von den<br />
gewählten Methoden ab. Insbeson<strong>der</strong>e die Rechnungsmethode (Ausgaben-<br />
o<strong>der</strong> Vollkostenrechung), die Berücksichtigung kalkulatorischer Zinsen, <strong>der</strong><br />
Höhe des angesetzten Staatsanteils, <strong>der</strong> gewählten Zurechnungsschlüssel so-<br />
wie Einnahmewerte beeinflussen die Ergebnisse. Wie bereits oben erwähnt<br />
159 Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass hier im Unterschied zur Bahn kein Staatsanteil <strong>für</strong> verkehrsfremde<br />
bzw. regionalwirtschaftliche Aufgaben einbezogen wurde.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 165<br />
wurde, so unterscheiden sich die Rechenergebnisse am deutlichsten durch<br />
die (Nicht-) Berücksichtigung von kalkulatorischen Zinsen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Höhe. 160<br />
Deckungsgrad:<br />
Wegeausgaben global 15,18 Wegeeinnahmen global 36,45 240,2%<br />
davon PKW 7,96 davon PKW 27,91 350,9%<br />
LKW 6,60 LKW 7,40 111,8%<br />
Wegekosten global 24,65 Wegeeinnahmen dito 147,9%<br />
davon PKW 12,92 216,0%<br />
LKW 10,7 68,8%<br />
Wegekosten global<br />
ohne Kalk. Zinsanlastung 15,12 Wegeeinnahmen dito 239,7%<br />
davon PKW 7,97 350,2%<br />
LKW 6,62 111,5%<br />
Tab. 17: Wegeausgaben, Wegekosten (betriebswirtschaftlich), Wegeeinnahmen im Straßenverkehr<br />
1997 umgerechnet in Mrd. EURO (ohne MWSt.)<br />
Quelle: Aberle (2001) S. 8<br />
Aus dem obigen Zahlenmaterial lassen sich folgende Aussagen machen. Zur<br />
Deckung <strong>der</strong> Wegekosten durch schwere Lkw ab 12 t Gesamtgewicht tragen<br />
inländische Lkw mit rd. 110% (Ausgabenrechnung), mit rd. 65% (Kostenrech-<br />
nung inkl. Zinsen) <strong>und</strong> mit etwa 108% ohne Zinsverrechnung bei. Ausländische<br />
Lkw tragen zur Deckung 60%, 37% bzw. 60% nach Rechnungsmethode bei.<br />
Laut Untersuchungsergebnis <strong>der</strong> Enquete-Kommission überdecken Lkw insb.<br />
auf den Autobahnen die Wegekosten deutlich: In <strong>der</strong> höchsten Kategorie<br />
(betriebswirtschaftliche Wegekostenrechnung mit Kapitalverzinsung) mit rd.<br />
160% bei inländischen <strong>und</strong> mit 127% bei ausländischen Lkw (nicht in <strong>der</strong> Tabel-<br />
le 17 ausgewiesen). Zu erklären ist die hohe Überdeckung durch das relativ<br />
hohe Verkehrsaufkommen des schweren Lastentransports auf Autobahnen<br />
(rd. 31% aller Fahrzeugkilometer). 161<br />
160 Es könnten in <strong>der</strong> Wegekostenrechnung noch weitere Unterteilungen in Gewichtsklassen<br />
<strong>der</strong> LKW, nach Straßenkategorien <strong>und</strong> nach in- <strong>und</strong> ausländischen Fahrzeugen unternommen<br />
werden. Jedoch steigen die methodisch bedingten Unschärfen durch die Wahl <strong>der</strong> Aufschlüsselungen<br />
echter Gemeinkosten <strong>und</strong> verzerren das Ergebnis.<br />
161 Aberle (2001)
166 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
In den Zahlen ist bereits <strong>der</strong> Staatsanteil 162 <strong>für</strong> den Straßengüterverkehr enthal-<br />
ten.<br />
Die Überdeckungen erhöhen sich noch einmal durch die eingeführte LKW-<br />
MAUT im Jahre 2005.<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Eisenbahn lassen sich folgende Deckungsgerade zeigen:<br />
Wegeausgaben global 9,07 Wegeeinnahmen global 5,27<br />
Deckungsgrad:<br />
58,2%<br />
davon Personenverkehr 4,08 davon Personenverkehr 4,44 113,5%<br />
Güterverkehr 4,99 Güterverkehr 0,83 16,7%<br />
Wegekosten global 9,58 Wegeeinnahmen dito 55,0%<br />
davon Personenverkehr 4,31 103,0%<br />
Güterverkehr 5,27 15,8%<br />
Tab. 18: Wegeausgaben, Wegekosten <strong>und</strong> Wegeeinnahmen <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esschienenwege 1997<br />
umgerechnet in Mrd. EURO (ohne MWSt.)<br />
Quelle Aberle (2001) S. 10<br />
Die Ergebnisse beziehen die im Zuge <strong>der</strong> Bahnreform 1994 ausgebuchten An-<br />
lagevermögen mit ein, sodass die Vergleichbarkeit mit <strong>der</strong> Wegekostenrech-<br />
nung des Straßengüterverkehrs <strong>und</strong> dessen einbezogenen Anlagevermögen<br />
(Bestehende Infrastruktur) hergestellt ist.<br />
Beachtlich ist <strong>der</strong> sehr niedrige Deckungsgrad im Güterverkehr i.H.v. 16,7%<br />
(nach Ausgabenrechung) <strong>und</strong> mit 15,8% (bei Wegekostenrechnung inkl. Ver-<br />
zinsung). Im Personenverkehr wird ein Deckungsgrad von 107% nur mit Hilfe<br />
<strong>der</strong> Regionalisierungsmittel des B<strong>und</strong>es erreicht. Im Personenfernverkehr tritt<br />
wie<strong>der</strong>um eine Unterdeckung mit einem Deckungsgrad von 90% auf.<br />
Für die <strong>Binnenschifffahrt</strong> reichen die letzten Wegekostenrechnungen bis in das<br />
Jahr 1987 zurück. 163 Der Deckungsgrad in <strong>der</strong> Kostenrechnung inkl. Verzinsung<br />
erreicht <strong>für</strong> die abgabepflichtigen Wasserstraßen einen Wert von 10,3% <strong>und</strong><br />
<strong>für</strong> alle Binnenwasserstraßen den Wert von 8,5%. Als Einnahmen wurden Was-<br />
serstraßenabgaben <strong>und</strong> Schleusengebühren berücksichtigt. Eine Wasserstra-<br />
ßeneinnahmen- <strong>und</strong> Ausgabenrechung weißt einen Deckungsgrad von 10,4%<br />
162 Zwecke <strong>der</strong> allgemeinen Kommunikation, regionalpolitische <strong>und</strong> militärische Gründe. Berücksichtigt<br />
wurden rd. 1,75 Mrd. € p.a.<br />
163 Vgl. Aberle (2001) S. 11 nach En<strong>der</strong>lein/ Kunert (1990)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 167<br />
<strong>für</strong> abgabepflichtige Wasserstraßen aus. 1987 wurden 0,57 Mrd. € gedeckt<br />
<strong>und</strong> 0,459 Mrd. € nicht gedeckt.<br />
Anmerkung: Binnenwasserstraßen stellen außerhalb unserer Fokussierung<br />
auf verkehrliche Funktionen weitere gesellschaftliche Dienstleistungen zur<br />
Verfügung, wie Bewässerung, Überflutungsschutz, Energiegewinnung, Tou-<br />
rismus, wie<strong>der</strong> zunehmend Fischerei <strong>und</strong> einen allg. Existenzwert. Es liegen<br />
allerdings keine verlässlichen Zahlen über den außerverkehrlichen Nutzen<br />
vor. Schätzungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> bzw. des Verkehrsministeriums ge-<br />
hen davon aus, dass <strong>der</strong> nicht dem Verkehr anzulastende Kostenanteil et-<br />
wa 30 bis 50% beträgt. Dies wird allerdings von an<strong>der</strong>er Seite als deutlich zu<br />
hoch kritisiert, indem darauf verwiesen wird, dass die Zuordnungen <strong>der</strong> ver-<br />
kehrlichen/außerverkehrlichen Maßnahmen unscharf sind <strong>und</strong> die außer-<br />
verkehrlichen Maßnahmen erhebliche Anteile zu Gunsten des Verkehrs<br />
enthalten.<br />
Der Differenzbetrag aus Einnahmen <strong>und</strong> Wegekosten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in<br />
Umlage auf die erbrachte Transportleistung weist einen relativ günstigen Wert<br />
i.H.v. 11,57 €/1000 tkm aus. In diesem Wert sind – wohl gemerkt – keine ver-<br />
kehrsfremden Funktionen eingerechnet. Allerdings hängt dieser Wert ganz<br />
entscheidend von <strong>der</strong> Abgrenzung <strong>der</strong> verkehrsfremden Leistungen ab.<br />
Im Vergleich dazu liegt die leistungsabhängige Unterdeckung des Schienen-<br />
güterverkehrs bei 60,89 €/ 1000 tkm <strong>und</strong> im Straßengüterverkehr bei inländi-<br />
schen Lkw mit 9,54 €/ 1000 tkm <strong>und</strong> bei ausländischen bei 29,90 €/ 1000 tkm.<br />
7.2.2.2. Weitere Internalisierung <strong>der</strong> Kostenanlastung bei Unterdeckung<br />
Bei den herausgearbeiteten Unterdeckungen <strong>der</strong> Verkehrsträger im Güterver-<br />
kehr könnten Überlegungen angestellt werden, die ungedeckten Wegekos-<br />
ten bei den jeweiligen Verkehrsträgern zu internalisieren.<br />
Berechnungen <strong>der</strong> Wegekosten des DIW 164 , auf die sich die Enquete-<br />
Kommission bezieht, werden im Allgemeinen als zu niedrig eingeschätzt. Hier<br />
164 Deutsches <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung
168 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
wurden insb. die Kosten <strong>für</strong> die Straßenverwaltung <strong>und</strong> die Gerichtskosten<br />
nicht berücksichtigt. 165<br />
Die eingeführte MAUT <strong>für</strong> schwere Lkw ab 12 t Gesamtgewicht trägt dem<br />
Rechnung, obwohl nach Einnahmen/ Ausgabenrechnung durch allgemeine<br />
Überdeckung <strong>der</strong> Straßenverkehrsträger keine Erfor<strong>der</strong>nis bestand. Jedoch<br />
besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Achslast <strong>und</strong> dem Poten-<br />
zial <strong>der</strong> Schädigung des Straßenbelages, so dass schwere Lkw den Fahrbahn-<br />
belag überproportional schädigen. Vermutlich war auch eine politische Ab-<br />
sicht einer Beeinflussung <strong>der</strong> Verkehrsmittelwahl durch Verteuerung des Stra-<br />
ßengüterverkehrs beabsichtigt. Nach ersten Ergebnissen <strong>für</strong> das Jahr 2005,<br />
gewonnen durch Verkehrsbeobachtungen des BAG 166 , lassen vermuten, dass<br />
die MAUT eher die Unternehmen des Straßengüterverkehrs zu Rationalisierun-<br />
gen 167 animiert, als eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene o<strong>der</strong> gar Was-<br />
serstraße zu bewirken. Mit an<strong>der</strong>en Worten, die Erhebung <strong>der</strong> LKW-MAUT führt<br />
eher zu Effizienzsteigerungen <strong>und</strong> Kostenersparnissen als zur Verlagerung bzw.<br />
Vermeidung. 168<br />
Bei <strong>der</strong> Bahn kann ebenfalls von einer Notwendigkeit einer Internalisierung<br />
ungedeckter Wegekosten durch mittelbare <strong>und</strong> unmittelbare Entlastung ihrer<br />
betriebswirtschaftlichen Wegekostenrechnung durch den B<strong>und</strong> gesprochen<br />
werden. Nach Schätzungen <strong>der</strong> Enquete-Kommission, dürfte die Unterde-<br />
ckung <strong>der</strong> Schienenwegekosten, auch bei Berücksichtigung teilweise wertlo-<br />
ser Anlagevermögen bei ca. 2,5 Mrd. € p.a. auflaufen. Angesichts <strong>der</strong> schwie-<br />
rigen Wettbewerbsposition <strong>der</strong> Bahn im Güterverkehr erscheint es nicht mög-<br />
lich, höhere Wegekosten preisneutral aufzufangen o<strong>der</strong> sie ohne Marktan-<br />
teilseinbußen preiswirksam werden zu lassen.<br />
Im Bereich <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> sind lediglich die Kanäle <strong>und</strong> die kanalisierten<br />
Flüssen sowie Hebewerke <strong>und</strong> Schleusen abgabepflichtig. Dabei decken<br />
selbst die abgabepflichtigen Wasserwege nicht annähernd die Wegekosten.<br />
165 Vgl. UIC (2000)<br />
166 B<strong>und</strong>esamt <strong>für</strong> Güterverkehr<br />
167 Abbau unrentabler Strecken/ Fahrzeuge, Verschiebung von Ersatzinvestitionen, Reduktion<br />
des Leerfahrtenanteils<br />
168 Vgl. BAG (2006) S. 14 ff.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 169<br />
Eine entsprechende Kostenanlastung würde die Angebotsbedingungen <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> deutlich schwächen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite allerdings ggf.<br />
<strong>der</strong> Bahn zu Gute kommen.<br />
7.2.2.3. Wirkungen von Wegekosteninternalisierung auf intermodalen Wett-<br />
bewerb<br />
Weitere Anlastung <strong>der</strong> Wegekosten – mithin Verteuerung – des Straßengüter-<br />
verkehrs durch die LKW-MAUT Anfang 2005 hat nicht die gewünschte Verän-<br />
<strong>der</strong>ung im Modal Split gebracht. Gründe liegen hier<strong>für</strong> im Systemcharakter<br />
des Straßengüterverkehrs. Hier<strong>für</strong> ist die Dominanz des marktbedeutenden<br />
<strong>und</strong> steigenden Anteils des Transports von höher- <strong>und</strong> hochwertigen Gütern<br />
<strong>und</strong> die Entscheidungsgröße Logistikqualität (Flexibilität, Zuverlässigkeit, pro-<br />
duktionssynchrone Auslieferung, Sendungsgrößenreduzierung, Prozessintegra-<br />
tionseignung) ausschlaggeben<strong>der</strong> als <strong>der</strong> reine Transportpreis, <strong>der</strong> ohnehin<br />
seit <strong>der</strong> Liberalisierung im Transportwesen stark gefallen ist. 169 Wegekostenin-<br />
ternalisierung in Form von Benutzungsgebühren führt lediglich zur Entlastung<br />
bestehen<strong>der</strong> Wettbewerbsverzerrungen mit dem Ausland. Mit <strong>der</strong> Entrichtung<br />
<strong>der</strong> MAUT sind nun auch ausländische Schwerverkehre an <strong>der</strong> Finanzierung<br />
<strong>der</strong> deutschen Verkehrswege anteilig beteiligt. Jedoch verbleiben weitere<br />
künstliche Wettbewerbsdisparitäten 170 in diesem Bereich. 171<br />
Internalisierungen ungedeckter Wegekosten bei <strong>der</strong> Bahn i.H.v. rd. 2,5 Mrd. €<br />
p.a. würden eine Anhebung <strong>der</strong> Trassenpreise von schätzungsweise 50% be-<br />
wirken. Es erscheint nicht möglich höhere Wegekosten preisneutral aufzufan-<br />
gen o<strong>der</strong> diese ohne Einbußen von Marktanteilen preiswirksam werden zu las-<br />
sen. 172<br />
169 Vgl. ebd. S. 14 f.<br />
170 Niedrigere Sozialabgaben <strong>und</strong> KFZ-Steuern, niedrigere Mineralölsteuersätze im Ausland<br />
<strong>und</strong> spezielle Subventionstatbestände ausländischer Transportunternehmen<br />
171 Vgl. ebd. S. 15<br />
172 Vgl. ebd. S. 16.
170 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Bei den Binnenwasserstraßen ist die Wegekostendeckung in erster Linie ein<br />
verkehrspolitisches Problem. Zwar wurde bspw. von Seiten <strong>der</strong> Pällmann-<br />
Kommission darauf verwiesen, dass auch die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ihre Wegekos-<br />
ten tragen sollte. Allerdings ist durch verschiedene internationale Abkommen<br />
die Abgabefreiheit <strong>der</strong> Flüsse (Rhein, <strong>Elbe</strong>, Donau) geregelt. Im Bereich <strong>der</strong><br />
Kanäle wäre eine verursachergerechte Belastung möglich, konkret findet al-<br />
lerdings nur eine Teilanlastung <strong>der</strong> Kosten statt. Ziel kann es allerdings nur sein,<br />
dass sämtliche Verkehrsträger zur Finanzierung ihrer Verkehrswege herange-<br />
zogen werden, eine alleinige Fokussierung auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wäre nicht<br />
sachgerecht.<br />
Die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Pällmann-Kommission, nämlich die Anlastung <strong>der</strong> Wege-<br />
kosten <strong>für</strong> die einzelnen Güterverkehrsträger wird u.a. mit <strong>der</strong> Maut im Bereich<br />
des Lkw Verkehrs zumindest ansatzweise gefolgt. Ebenfalls ist dies in Ansätzen<br />
bei <strong>der</strong> Bahn <strong>der</strong> Fall. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> muss allerdings vorrangig auf den<br />
Kanälen Abgaben leisten, es liegen allerdings keine Aussagen darüber vor,<br />
welchen Beitrag an den Gesamtkosten die <strong>Binnenschifffahrt</strong> leistet. Auf den<br />
internationalen Flüssen ist die <strong>Binnenschifffahrt</strong> freigestellt von jeglichen Ab-<br />
gaben. Dazu existieren zwar internationale Verträge, eine Anpassung, gerade<br />
vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> EU-Integration, erscheint allerdings mehr als sinnvoll.<br />
Insofern erweist sich eine Anpassung <strong>der</strong> Verträge an die neuen verkehrspoliti-<br />
schen Rahmenbedingungen als erfor<strong>der</strong>lich.<br />
7.3. Fazit<br />
Externe Kosten<br />
Die Bewertung <strong>der</strong> externen Kosten des Güterverkehrs hat sich in den ver-<br />
gangenen ca. 20 Jahren deutlich verän<strong>der</strong>t. Insbeson<strong>der</strong>e die Bewertung <strong>der</strong><br />
Externen Kosten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> wurde deutlich revidiert. Die Externen<br />
Kosten müssen im Gr<strong>und</strong>satz kontext- <strong>und</strong> schadstoff- <strong>und</strong> verkehrsträgerspezi-<br />
fisch analysiert werden. Ein genereller Vorteil des Binnenschiffs lässt sich dabei<br />
nicht feststellen. Als allgemeine Aussage lässt sich nur die relative Vorteilhaf-<br />
tigkeit <strong>der</strong> Bahn <strong>und</strong> des Binnenschiffs gegenüber dem Lkw festhalten. Hin-<br />
sichtlich des Einflusses auf sensible aquatische Ökosysteme ist festzustellen,
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 171<br />
dass diese in <strong>der</strong> Regel nicht o<strong>der</strong> nicht hinreichend in die entsprechenden<br />
Bewertungsverfahren einbezogen werden.<br />
Wegekosten<br />
In <strong>der</strong> Summe ist festzuhalten, dass we<strong>der</strong> Bahn noch Binnenschiff ihre Wege-<br />
kosten decken (müssen). D.h. die Finanzierung(-lücke) muss letztlich aus staat-<br />
lichen Mitteln bereitgestellt werden. Die Finanzierung parallel verlaufen<strong>der</strong> Inf-<br />
rastrukturen, <strong>der</strong>en Wegekosten nicht gedeckt werden, erscheint von daher<br />
höchst fragwürdig. Dies gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass diese Verkehrsträ-<br />
ger in einem Wettbewerb stehen, mit <strong>der</strong> Folge, dass die durchsetzbaren<br />
Transportpreise durch Wettbewerb zwischen den beiden Verkehrsträgern sin-<br />
ken. Die Verla<strong>der</strong> profitieren von dieser Wettbewerbssituation auf Gr<strong>und</strong> sin-<br />
ken<strong>der</strong> Transportpreise ermöglicht durch die Subventionierung <strong>der</strong> Verkehrs-<br />
wege.
172 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
8. Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> Vergleich mit an<strong>der</strong>en<br />
Verkehrsträgern<br />
In <strong>der</strong> Folge wird im Wesentlichen eine Analyse <strong>der</strong> Versuchsanstalt <strong>für</strong> Bin-<br />
nenschiffbau e.V. (VBD) 173 dargestellt, die sich mit <strong>der</strong> Frage des Zusammen-<br />
hangs von Tauchtiefen, den zu transportierenden Gütern <strong>und</strong> den Frachttari-<br />
fen befasst <strong>und</strong> damit eine Analyse zur Wirtschaftlichkeit von Binnenschiff-<br />
transporten untersucht. Insbeson<strong>der</strong>e werden die wirtschaftlichen Bedingun-<br />
gen mit berücksichtigt <strong>und</strong> neue Schiffskonzepte in die Analyse einbezogen.<br />
Letztlich steht die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auch permanent in intermodaler Konkur-<br />
renz zum LKW <strong>und</strong> vor allem zur Bahn. Immer unter Beachtung <strong>der</strong> Nebenbe-<br />
dingungen <strong>der</strong> Transportqualitäten 174 sind die Transportpreise <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Verkehrsmittel untereinan<strong>der</strong> <strong>für</strong> die Nachfrage entscheidungsrelevant. Die<br />
Frachtraten <strong>der</strong> drei Verkehrsmittel werden folglich ebenfalls miteinan<strong>der</strong> ver-<br />
glichen.<br />
8.1. Zusammenhang von Fahrwassertiefe, -breite <strong>und</strong> Tiefgang<br />
Der maximal zulässige Tiefgang von Binnenschiffen wird in frei fließenden Ge-<br />
wässern (<strong>Elbe</strong>, Donau, Rhein) nicht reglementiert, son<strong>der</strong>n richtet sich nach<br />
den vorhandenen Fahrwassertiefen unter Berücksichtigung des dynamischen<br />
Absunks <strong>und</strong> eines angemessenen Sicherheitsabstands zwischen Gewässer-<br />
gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Schiffsboden (Flottwasser).<br />
Absunk plus Flottwasser ergeben die Kielfreiheit, d.h. den Abstand zwischen<br />
Gewässergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Schiffsboden beim stehenden Schiff. Der Tiefgang des<br />
Schiffs erhöht sich aus hydrodynamischen Gründen bei <strong>der</strong> Fahrt nochmals<br />
um 10 bis 20 cm, bzw. <strong>der</strong> Abstand zwischen Schiffsboden <strong>und</strong> Gewässer-<br />
gr<strong>und</strong> verringert sich entsprechend.<br />
173 Die Studie wurde im Auftrag des B<strong>und</strong>esministers <strong>für</strong> Verkehr, Bau- <strong>und</strong> Wohnungswesen<br />
(BVBW) durchgeführt (VBD 2004)<br />
174 Unter bestimmten Umständen ist <strong>der</strong> Preis irrelevant <strong>und</strong> die Transportqualitäten entscheiden<br />
über die Verkehrsmittelwahl: Beispielsweise findet ein Transportangebot keinerlei Nachfrage,<br />
wenn die Ware unterwegs verdirbt, auch wenn die Frachtrate gleich Null ist.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 173<br />
Die folgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Fahrwas-<br />
sertiefe, Absunk <strong>und</strong> Flottwasser.<br />
Abb. 31: Zusammenhang zwischen Fahrwassertiefe, Absunk <strong>und</strong> Flottwasser<br />
Quelle: VBD (2004) S. 18<br />
Zentrale Fachtermini in <strong>der</strong> Betrachtung wirtschaftlicher Zusammenhänge bil-<br />
det die Begriffsgruppe: Fahrrinnentiefe (Fahrwassertiefe) <strong>und</strong> die Abladetiefe<br />
(Schiffstiefgang). Wichtig ist hierbei, dass die Fahrrinnentiefe nicht mit dem<br />
maximal möglichen Tiefgang <strong>der</strong> Schiffe gleichgesetzt werden darf <strong>und</strong> ein<br />
Sicherheitsabstand (Flottwasser) zwischen Schiffsboden <strong>und</strong> Gewässergr<strong>und</strong><br />
berücksichtigt werden muss.<br />
Die Basis zur Ermittlung des maximalen Tiefgangs in frei fließenden Gewässern<br />
bildet <strong>der</strong> Fahrwasserquerschnitt (Fahrwasserbreite plus wasserstandsabhän-<br />
gige Fahrwassertiefe.
174 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 32: Zusammenhang zwischen Gl.W, Pegelanzeige, Fahrwassertiefe <strong>und</strong> Schiffstiefgang<br />
Quelle: VBD (2004) S. 15<br />
Dabei ist die Fahrwasserbreite die engste Stelle eines Flussabschnitts bei Nied-<br />
rigwasser. Die Fahrwassertiefe bezieht sich auf den amtlich festgelegten<br />
Gleichwertigen Wasserstand (Gl.W). Das ist ein Wasserstand, <strong>der</strong> durchschnitt-<br />
lich an 20 Tagen im Jahr nicht unterschritten wird. Die tatsächlich herrschende<br />
Fahrwassertiefe – <strong>und</strong> <strong>der</strong> daraus resultierende maximale Schiffstiefgang – er-<br />
gibt sich aus dem jeweiligen Wasserstand nach <strong>der</strong> Beziehung: FW=PA-<br />
PB+Gl.W <strong>und</strong> ist vom jeweiligen Pegelstand abhängig.<br />
8.1.1. Technische Zusammenhänge<br />
In <strong>der</strong> Folge werden einige Gegebenheiten zwischen technischen <strong>und</strong> öko-<br />
nomischen Zusammengängen dargestellt, die Einflüsse auf den Betrieb <strong>und</strong><br />
die wirtschaftlichen Bedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> Einfluss haben können.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 175<br />
Es wird deutlich, dass einfache Aussagen nur begrenzt möglich sind, vielmehr<br />
ist die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> von den jeweiligen Kontexten<br />
abhängig, wie bspw. Schiffstyp <strong>und</strong> Frachtraten zu transportieren<strong>der</strong> Güter. 175<br />
Schiffsgröße, Tiefgang, Tragfähigkeit:<br />
Zwischen Schiffsgröße, Tiefgang <strong>und</strong> Tragfähigkeit bestehen auf einer allge-<br />
meinen Ebene folgende Zusammenhänge: Die Vergrößerung des Schiffes<br />
(Länge, Breite) führt zu einer Erhöhung des Leertiefgangs <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tragfähig-<br />
keit. Die Tragfähigkeit steigt etwa proportional zu <strong>der</strong> Vergrößerung des Schif-<br />
fes an (bei gewissen Unterschieden zwischen Vergrößerung <strong>der</strong> Länge bzw.<br />
<strong>der</strong> Breite). Zudem muss davon ausgegangen werden, dass die Schiffe in <strong>der</strong><br />
Regel schwerer werden (Folge geringere Tragfähigkeit). Dementsprechend<br />
können größere Schiffe mehr (Massen- ) Güter transportieren, wenn <strong>der</strong> ent-<br />
sprechend erhöhte Tiefgang realisiert werden kann.<br />
Beim Einfluss des Tiefgangs auf die Tragfähigkeit ist auf drei Zusammenhänge<br />
zu achten:<br />
(i) Größere Schiffe haben durch eine verhältnismäßig schwerere Bau-<br />
weise einen größeren Leertiefgang als kleinere Schiffseinheiten. Das<br />
bedeutet, dass kleinere Schiffe bei geringeren Tauchtiefen bereits<br />
Ladung aufnehmen <strong>und</strong> transportieren können.<br />
(ii) Größere Schiffe verursachen höhere Betriebskosten. Die einzelbe-<br />
triebliche Wirtschaftlichkeit dieser Schiffe ist dann gegeben, wenn<br />
die entsprechenden Fahrbedingungen gegeben sind <strong>und</strong> die ent-<br />
sprechenden Kapazitäten nachgefragt werden. Auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> e-<br />
conomies of scale können größere Schiffe dann kostengünstiger an-<br />
bieten<br />
(iii) Mit größeren Schiffen sind bei größeren Tiefgängen deutlich größere<br />
Tragfähigkeiten zu realisieren.<br />
175 Die Darstellung lehnt sich an die Untersuchungen des VBD an.
176 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
8.2. Wirtschaftliche Bewertung<br />
Die technischen Bedingungen bzw. Zusammenhänge haben einen zentralen<br />
Einfluss auf den wirtschaftlichen Einsatz <strong>der</strong> entsprechenden Schiffe. Der wirt-<br />
schaftliche Einsatz wird allerdings durch eine Reihe weiterer Faktoren beein-<br />
flusst, <strong>der</strong> Nachfrage nach Transportdienstleistungen (differenziert nach zu<br />
transportierenden Gütern; Tiefgang ist insbeson<strong>der</strong>e bei den schweren Mas-<br />
sengütern bspw. Kohle gefragt), den am Markt durchzusetzenden Transport-<br />
preisen <strong>und</strong> natürlich <strong>der</strong> Kostenstrukturen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
In <strong>der</strong> Analyse des VBD wurden folgende Schiffstypen zu Gr<strong>und</strong>e gelegt:<br />
Tab. 19: Ausgewählte existierende Schiffstypen <strong>und</strong> Hauptabmessungen<br />
Quelle: VBD (2004) S. 24<br />
Es werden fünf Schiffstypen zu Gr<strong>und</strong>e gelegt, die auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> verkehren<br />
können, <strong>der</strong>en maximale Tiefgänge zwischen 2,32 m <strong>und</strong> 3,50 m <strong>und</strong> <strong>der</strong>en<br />
maximale Tragfähigkeiten zwischen 1100 t <strong>und</strong> 3000 t liegen. Deutlich wird be-<br />
reits bei dieser Übersicht, dass bspw. <strong>der</strong> Schubverband <strong>Elbe</strong> bei einem ma-<br />
ximalen Tiefgang von 2,32 m 1450 t transportieren kann, während Johann<br />
Welker (verl.) bei einem maximalen Tiefgang von 2,70 m über eine maximale<br />
Tragfähigkeit von 1500 t verfügt. Damit wird deutlich, dass die Schubverbän-<br />
de offenbar eine ähnliche Transportleistung realisieren können wie Johann<br />
Welker (verl.) bei deutlich geringeren Tiefgängen. Allerdings ermöglicht die<br />
Darstellung <strong>der</strong> technischen Zusammenhänge noch keine Aussage hinsicht-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 177<br />
lich <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit des Transports, da dann noch die Kostenstrukturen<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Schiffstypen mit berücksichtigt werden müssen. 176<br />
8.2.1. Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit durch Schiffsinnovationen<br />
Der VBD sollte in seiner Analyse Schiffsinnovationen einbeziehen <strong>und</strong> überprü-<br />
fen, inwieweit damit eine Verbesserung <strong>der</strong> Transportbedingungen erreicht<br />
werden kann. Es sollte also die Frage beantwortet werden, welche techni-<br />
schen Verän<strong>der</strong>ungen einen Einfluss auf den Tiefgang <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Folge auf<br />
die Tragfähigkeit <strong>und</strong> schließlich die Wirtschaftlichkeit haben. Bei diesen<br />
Schiffsinnovationen handelt es sich nicht um Spezialschiffe, son<strong>der</strong>n beste-<br />
hende Schiffstypen wurden entsprechen <strong>der</strong> Fragestellung modifiziert, bei<br />
Konstanz <strong>der</strong> Außenabmessungen <strong>der</strong> <strong>Stand</strong>ardschiffe.<br />
(a) Modifikation (Innovation) des Motorschiffes Johann Welcker (verl.)<br />
Analysiert wurden vier Modifikationen des Schiffstyps JW (verl.) die dann als<br />
Schiffstyp 4 (innovatives Motorschiff) in den Vergleich mit aufgenommen wur-<br />
den:<br />
• Vermin<strong>der</strong>ung des Leertiefgangs durch Ausgleich <strong>der</strong> Leertrimms<br />
Mit dieser Modifikation ist es möglich den Tiefgang am Heck von 1,20 auf<br />
0,80 m zu reduzieren (u.a. durch Verlagerung <strong>der</strong> Hilfsmaschinen etc. vom<br />
Hinterschiff zum Vor<strong>der</strong>schiff <strong>und</strong> dem Einbau leichterer Antriebsmotoren –<br />
zwei Pumpjet-Antriebe, statt Propeller-Antrieb). Damit wird <strong>der</strong> Tiefgang<br />
deutlich reduziert, allerdings werden damit auch die wirtschaftlichen Kon-<br />
texte verän<strong>der</strong>t: höherer Treibstoffverbrauch <strong>und</strong> Wartungshäufigkeit <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en Antriebe.<br />
• Erhöhung <strong>der</strong> Tragfähigkeit durch Gewichtsmin<strong>der</strong>ung<br />
Der Einsatz leichterer <strong>und</strong> höherwertiger Materialien, u.a. im Kaskobereich<br />
<strong>der</strong> Einbau von leichteren Antriebssystemen, ermöglichte eine Gewichts-<br />
reduktion um ca. 10% <strong>und</strong> damit eine Reduzierung des Leergewichts um<br />
etwa 40 t (bei JW verl.).<br />
176 Von weiteren Randbedingungen einmal abgesehen
178 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
• Erhöhung <strong>der</strong> Tragfähigkeit durch innovatives Hinterschiff<br />
Durch den Einbau von zwei Pumpjet-Antriebseinheiten (wie bereits in a <strong>und</strong><br />
b vorausgesetzt) wird zudem <strong>der</strong> Umbau des Schiffshecks ermöglicht, so<br />
dass das Schiff einen höheren Auftrieb erhält. Im Ergebnis führt diese Modi-<br />
fikation zu einer Erhöhung <strong>der</strong> Tragfähigkeit bei vollem Schiff um ca. 40 t.<br />
• Geringerer Leistungsbedarf durch Optimierung <strong>der</strong> Schiffsform<br />
Schließlich <strong>und</strong> vor allem auch ermöglicht durch den Einbau von zwei Jet-<br />
Antrieben kann die Schiffsform des Unterschiffes optimiert werden. Damit<br />
kann <strong>der</strong> Fahrwi<strong>der</strong>stand verringert <strong>und</strong> <strong>der</strong> Leistungsbedarf dieses modifi-<br />
zierten Schiffes um 10% reduziert werden. 177<br />
(b) Modifikationen (Innovation) des Schubverbandes<br />
In diesem Fall wurde <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-Schubverband (Schiffstyp 4a) zu Gr<strong>und</strong>e gelegt,<br />
<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Folge als innovativer Schubverband Schiffstyp 6 bezeichnet wird.<br />
Die gr<strong>und</strong>sätzlichen Modifikationsmöglichkeiten sind analog zu denen, die bei<br />
JW (verl.) beschrieben wurden. Der Leertiefgang des innovativen Schubboots<br />
lässt sich im Vergleich zum konventionellen Schubboot von 1,20 m auf 0,90 m<br />
reduzieren (tiefgangsbestimmend ist bei den Schubverbänden das Schub-<br />
boot).<br />
Die Modifikation <strong>der</strong> Leichter fokussiert allein auf Maßnahmen zur Gewichtsre-<br />
duktion <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Tragfähigkeit.<br />
Ebenso lässt sich durch Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Form <strong>und</strong> durch die Verän<strong>der</strong>ung<br />
des Wi<strong>der</strong>stands an den Übergängen zwischen Schubboot <strong>und</strong> Leichter <strong>und</strong><br />
zwischen den Leichtern, sowie durch die Modifikation <strong>der</strong> Vorschiffsform <strong>der</strong><br />
Leichter eine Reduzierung des Wi<strong>der</strong>stands erreichen.<br />
8.2.2. Wirtschaftlichkeit bei unterschiedlichen Fahrwassertiefen<br />
In <strong>der</strong> Folge wurde vom VBD die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes <strong>der</strong> unter-<br />
schiedlichen Schiffstypen (bestehend <strong>und</strong> modifiziert) analysiert. Modellhaft<br />
177 Es muss allerdings darauf verwiesen werden, dass diese Motoren ca. 25% Mehrverbrauch<br />
haben, diese Modifikation führt in <strong>der</strong> Folge dazu, dass die Differenz nunmehr 15% betragen<br />
würde.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 179<br />
wurden die potenziellen jährlichen Transportmengen <strong>und</strong> Transportkosten bei<br />
unterschiedlichen Fahrwassertiefen <strong>für</strong> die sieben Schiffstypen (fünf existieren-<br />
de <strong>und</strong> zwei modifizierte –innovative- Schiffstypen) ermittelt.<br />
Anschließend erfolgt eine Berechnung <strong>der</strong> durchschnittlichen kostendecken-<br />
den Frachtraten, die mit ermittelten mittleren Transportpreisen verglichen<br />
werden.<br />
8.2.2.1. Rahmenbedingungen<br />
Die VBD legte dem Vergleich folgende Rahmenbedingungen zu Gr<strong>und</strong>e:<br />
• Frachtraten: Die ermittelten <strong>und</strong> zu Gr<strong>und</strong>e gelegten Frachtraten stellen<br />
einen Mittelwert zwischen Berg- <strong>und</strong> Talfahrt dar (um den Vergleich mit<br />
den Frachtraten von Bahn <strong>und</strong> Lkw leichter herstellen zu können). Die<br />
Bergfahrt ist mit höheren Betriebskosten (auch zeitlich) verb<strong>und</strong>en.<br />
• Transportentfernung: Als Transportentfernung wurden 560 km vorgege-<br />
ben (Relation Hamburg – Dresden)<br />
• Streckenpreise: die ermittelten Streckenpreise (ermittelt zwischen Janu-<br />
ar 2002 <strong>und</strong> März 2003) beliefen sich auf ca. 6,50 €/t (durchschnittlich:<br />
ist als Richtwert zu betrachten)<br />
• Auslastungsgrad: <strong>der</strong> Auslastungsgrad wurde mit 100% entsprechend<br />
<strong>der</strong> tiefgangsabhängigen Möglichkeiten <strong>für</strong> Massengüter angenom-<br />
men.<br />
• Verladezeiten: es wurde ein Mittelwert von 300t/h angenommen (bei<br />
Schwankungsbreiten von 200 <strong>und</strong> 800t/h)<br />
• Dispositions- <strong>und</strong> Leerfahrtenanteil: es wurde von einem Durchschnitts-<br />
wert von 20% ausgegangen (bei Schwankungsbreiten von 5-50%)<br />
In Abhängigkeit <strong>der</strong> unterschiedlichen Tiefgänge <strong>der</strong> betrachteten Schiffsty-<br />
pen <strong>und</strong> unter Berücksichtigung einer Kielfreiheit von 0,40 m ergeben sich fol-<br />
gende Fahrwassertiefen:
180 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 20: Erfor<strong>der</strong>liche Fahrwassertiefen in Abhängigkeit <strong>der</strong> Tiefgänge<br />
Quelle: VBD (2004) S. 120<br />
Anmerkungen:1) Bei den Motorschiffen handelt es sich um den durch die achterliche Vertrimmung<br />
sich ergebenden hinteren Leertiefgang.<br />
2) Bei leeren Leichtern ist das Schubboot tiefgangsbestimmend.<br />
3) Bei beladenen Leichtern sind die Leichter tiefgangsbestimmend.<br />
Im Ergebnis können die existierenden Schiffstypen ab einer Fahrwassertiefe<br />
von 1,60 m bzw. 1,90 m unbeladen eingesetzt werden. Dagegen sind die mo-<br />
difizierten –innovativen- Schiffstypen nach dem heutigen <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Technik<br />
bereits bei einer Fahrwassertiefe von 1,05 m bzw. 1,30 m einsetzbar.<br />
8.2.2.2. Transportleistungen<br />
Unter den genannten Rahmendbedingungen ergeben sich folgende jährli-<br />
che Transportleistungen <strong>für</strong> die betrachteten Schiffstypen in Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Fahrwassertiefen:
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 181<br />
Tab. 21: Jährliche Transportmengen <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
Fahrwassertiefe [tsd. t/a]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 121<br />
Aus <strong>der</strong> obigen Tabelle lässt sich gut ablesen, dass keins <strong>der</strong> existierenden<br />
Schiffe bei niedrigen Fahrwassertiefen von 1,3 m Ladung aufnehmen kann.<br />
Lediglich Typ 1 kann ab einer Wassertiefe von 1,5 m Güter transportieren.<br />
Dagegen können die innovativen Schiffstypen bereits ab einer sehr geringen<br />
Tiefe von 1,05 m bzw. 1,3 m Ladung aufnehmen <strong>und</strong> transportieren.<br />
Bei Wassertiefen ab 2,00 m (Fahrrinnentiefe 1,60 m) sind hingegen alle Schiffs-<br />
typen in <strong>der</strong> Lage zum Gütertransport.<br />
Unabhängig vom Schiffstyp hat die Fahrwassertiefe einen großen Einfluss auf<br />
die jährlichen Transportmengen. Lässt die Wassertiefe die Ausnutzung des<br />
maximalen konstruktionsbedingten Tiefgangs zu, dann lässt sich die jährliche<br />
Transportmenge noch durch eine Erhöhung <strong>der</strong> Transportgeschwindigkeit<br />
steigern.<br />
Die Steigerung <strong>der</strong> Transportmenge ist insbeson<strong>der</strong>e bei den unteren Schwel-<br />
lenwerten höher als in <strong>der</strong> Folge bei den mittleren <strong>und</strong> höheren Wassertiefen,<br />
d.h. die Größenvorteile nehmen im unteren Bereich deutlicher zu.<br />
8.2.2.3. Kostendeckende Frachtraten<br />
Die jährlichen Transportkosten (auch diese abgeleitet aus den oben vorge-<br />
gebenen Rahmenbedingungen) werden in <strong>der</strong> folgenden Tabelle dargestellt.
182 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 22: Jährliche Transportkosten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in Abhängigkeit <strong>der</strong> Fahrwassertiefe,<br />
[Mio. €/a]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 124<br />
Die Tabelle zeigt die jährlichen Betriebskosten <strong>der</strong> unterschiedlichen Schiffsty-<br />
pen. Die Fahrwassertiefe spielt dabei eine eher begrenzte Rolle, die Kosten<br />
nehmen mit <strong>der</strong> Fahrwassertiefe zwar ab, aber in sehr unterschiedlichem Um-<br />
fang: Typ 1 verursacht bei eine Fahrwassertiefe von 1,5 m Kosten in Höhe von<br />
367.000€ <strong>und</strong> bei einer Fahrwassertiefe von 7,5 m 325.000 €., beim Typ 5 bei<br />
einer Fahrwassertiefe von 2m 573.000 € <strong>und</strong> bei einer Fahrwassertiefe von 7,5<br />
m 474.000 €.<br />
Die jährlichen Transportkosten werden in <strong>der</strong> Folge auf die Transportmengen<br />
umgelegt. Damit erhält man Anhaltspunkte <strong>für</strong> die jährlichen durchschnittli-<br />
chen kostendeckenden Frachtraten.<br />
Tab. 23: Kostendeckende Frachtraten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
Fahr wassertiefe [€/t Strecke]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 126<br />
Es wird deutlich, dass die kostendeckenden Frachtraten mit <strong>der</strong> Tauchtiefe<br />
abnehmen. Schiff Typ 1 muss demnach bei einer Fahrwassertiefe von 1,50 m
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 183<br />
15,85 €/t einnehmen, damit die Kosten gedeckt werden. Bei einer Fahrwasser-<br />
tiefe von 7,50 m betragen die kostendeckenden Frachtraten 2,11 €/t. Damit<br />
sind erhebliche Kostendegressionen möglich, unter <strong>der</strong> Bedingung, dass eine<br />
entsprechende Auslastung sicher gestellt ist. Das Schiff Typ 3 hat dabei die ge-<br />
ringsten kostendeckenden Frachtraten insgesamt bei einer Fahrwassertiefe<br />
von 7,50m.<br />
Die Schubverbände können bereits bei niedrigen Fahrwassertiefen relativ kos-<br />
tengünstig anbieten, die Kostendegression fällt allerdings geringer aus als bei<br />
den an<strong>der</strong>en Schiffstypen.<br />
Betrachtet man die Verhältnisse graphisch, so fällt auf, dass bei geringeren<br />
Wassertiefen die Schiffstypen 1 <strong>und</strong> 2 <strong>und</strong> insb. die Schubverbände Kostenvor-<br />
teile gegenüber dem Großmotorschiff Typ 3 haben:<br />
Bei einer Fahrwassertiefe von 2,50 m bis 3,00 m liegen die kostendeckenden<br />
Frachtraten <strong>der</strong> Schiffstypen 1 bis 3 <strong>und</strong> Typ 4a auf etwa gleichem Niveau. Erst<br />
wenn das Fahrwasser tiefer wird, ist das Großmotorschiff durch Größenvorteil<br />
überlegen. Eine Son<strong>der</strong>stellung nimmt <strong>der</strong> Kanal-Schubverband ein. Bis zu ei-<br />
ner Wassertiefe von 4,50 m ist er allen an<strong>der</strong>en Schiffen unter Kostengesichts-<br />
punkten überlegen.<br />
Der Vorteil <strong>der</strong> Frachtaufnahme bei sehr geringen Wassertiefen des Schiffs Typ<br />
1 <strong>und</strong> insb. <strong>der</strong> beiden innovativen Schiffstypen zeigt im Kostenvergleich deut-<br />
liche Nachteile. So liegen die jeweiligen Frachtraten bei Wassertiefen von 1,50<br />
m in etwa doppelt so hoch wie bei <strong>der</strong> Wassertiefe von 2,00 m <strong>und</strong> erreicht<br />
ca. das vier- bis sechsfache bei Tiefgängen von 4,99 m. Noch deutlicher sind<br />
die höheren Kosten <strong>der</strong> beiden innovativen Schiffstypen 5 <strong>und</strong> 6 (28,27 bzw.<br />
15,74 €/t <strong>und</strong> Strecke), wenn sie bei einer Wassertiefe von 1,30 m eingesetzt<br />
werden.
184 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 33: Kostendeckende Frachtraten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
Fahrwassertiefe [€/t Strecke]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 126<br />
Die graphische Darstellung verdeutlicht, dass die Differenzen <strong>der</strong> kostende-<br />
ckenden Frachtraten vor allem in den Bereichen geringer Fahrwassertiefe er-<br />
heblich differieren <strong>und</strong> sich ab einer Fahrwassertiefe von ca. 2 m einan<strong>der</strong><br />
annähern. Deutlich wird auch, dass nach dieser Darstellung die konventionel-<br />
len Schubschiffe offenbar ihre Kosten decken können bis zu einer Fahrwasser-<br />
tiefe von ca. 1,60 m (auch unabhängig von den Kleinwasserzuschlägen).<br />
Nach <strong>der</strong> Analyse des VBD ist <strong>der</strong> modifizierte (innovative) Schubverband ab<br />
einer Fahrwassertiefe von 1,3 m in <strong>der</strong> Lage Transporte durchzuführen, aller-<br />
dings seien die anfallenden Kosten nicht am Markt durchzusetzen, wenn man<br />
von dem ermittelten Transportpreis (inkl. Kleinwasserzuschlägen) ausgeht.
Abb. 34: Identisch zu Abb. 33, mit größerem Maßstab<br />
Quelle: VBD (2004)<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 185<br />
Werden die kostendeckenden Frachtraten (gestrichelte schwarze Linie) zu<br />
den erzielbaren Transportpreisen inkl. <strong>der</strong> Kleinwasserzuschläge in Beziehung<br />
gesetzt, so ergeben sich <strong>für</strong> die Schiffstypen 1, 2, 3 <strong>und</strong> 5 kostendeckende<br />
Transportpreise erst ab einer Fahrwassertiefe von 2,10 m (Typ 1,2 <strong>und</strong> 5) bzw.<br />
2,20 m (Typ 3).<br />
An<strong>der</strong>s sieht es bei den Schubverbänden Typ 4 <strong>und</strong> 6 aus. Typ 4, <strong>Elbe</strong>-<br />
Schubverband, erwirtschaftet bis zur Mindesttauchtiefe kostendeckende<br />
Transportpreise, während Typ 6 ab einer Tauchtiefe von ca. 2,10 m kostenun-<br />
terdeckend transportiert. Allerdings steigen die Frachtraten geringer an als im<br />
Vergleich zu den Motorgüterschiffen.
186 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 24: Kostendeckende Frachtraten <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen in Abhängigkeit <strong>der</strong><br />
Fahrwassertiefe, Berücksichtigung <strong>der</strong> existierenden Schiffe als Neubauten [€/t Strecke]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 133<br />
Tab. 25: Auf die existierenden Schiffe gemäß Tab. 31 indizierte kostendeckenden Frachtraten<br />
<strong>der</strong> innovativen Schiffstypen [%]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 134<br />
Nun stellt sich die Frage, ob die innovativen Schiffstypen signifikante Kosten-<br />
vorteile gegenüber existierenden Schiffstypen haben.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 187<br />
Stellt man die Frachtraten gegenüber <strong>und</strong> indexiert man die Werte, dann<br />
stellt man fest, dass die kostendeckenden Frachtraten des Schiffstyps 5, unter<br />
<strong>der</strong> Annahme von Innovationen zum gegenwärtigen <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Technik bei<br />
geringen Wassertiefen geringfügig unter <strong>und</strong> in tieferen Fließgewässern in et-<br />
wa auf <strong>der</strong> Höhe des als Neubau berücksichtigen Schiffstyp 2 liegen. Beim Ein-<br />
satz des innovativen Schubverbands liegen die kostendeckenden Frachtraten<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich über den Werten des <strong>Elbe</strong>-Schubverbands vom Typ 4a.<br />
Innovationen nach dem heutigen <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Technik erweisen sich demnach<br />
als kaum rentabel, <strong>der</strong> Anreiz entsprechende Schiffe zu bauen bzw. zu nutzen<br />
ist gering.<br />
Nur unter <strong>der</strong> Annahme weiterer technischer Innovationen (Erhöhung <strong>der</strong><br />
jährlichen Einsatztage, Kompensierung des höheren Leistungsbedarfs <strong>der</strong> Jet-<br />
Antriebe <strong>und</strong> Kompensierung <strong>der</strong> höheren Baukosten durch neue Herstell-<br />
technologien o<strong>der</strong> Serienfertigung) kann ein Kostenvorteil <strong>und</strong> ein Anreiz zum<br />
Bau innovativer Güterschiffe geschaffen werden. In dieser sog. Innovationsstu-<br />
fe II <strong>der</strong> obigen Abbildung liegen die kostendeckenden Frachtraten somit<br />
deutlich unter denen <strong>der</strong> Schiffsneukonstruktionen nach heutigem <strong>Stand</strong> <strong>der</strong><br />
Technik <strong>und</strong> auch unter denen <strong>der</strong> existierenden Schiffe.<br />
Die kostendeckenden Frachtraten unter den gemachten Annahmen (Trans-<br />
portdistanz, Verladeleistung, 100% Auslastung zum herrschenden Tiefgang<br />
u.a.) sind eher als Untergrenze zu sehen. Würde sich bspw. die Transportdis-<br />
tanz <strong>und</strong> die Verladeleistung verringern <strong>und</strong> <strong>der</strong> Dispositions- <strong>und</strong> Leerfahr-<br />
tenanteil erhöhen, so könnte allein das die kostendeckenden Frachttarife um<br />
über ein Drittel erhöhen.<br />
Ungeachtet <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Annahmen lassen sich jedoch folgende generelle<br />
Aussagen zusammenfassen:<br />
Unabhängig vom betrachteten Schiffstyp stellen die Fahrwassertiefen <strong>und</strong> die<br />
daraus resultierenden Abladetiefen den entscheidenden Wettbewerbsfaktor
188 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
dar. An zweiter Stelle ist <strong>der</strong> Größeneffekt <strong>der</strong> Schiffe zu nennen, <strong>der</strong> sich al-<br />
lerdings nur bei größeren Fahrwassertiefen einstellt.<br />
Die Schubverbände sind den Motorschiffen bei kleineren Tauchtiefen deutlich<br />
überlegen.<br />
Von den existierenden Schiffen kann nur <strong>der</strong> Typ 1 GK verl. bei einer Wassertiefe<br />
von 1,50 m Ladung aufnehmen. Jedoch unterdecken die gegenwärtig erziel-<br />
baren mittleren Transportpreise die Frachtraten. Somit ist die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
unter den gegebenen Bedingungen in dieser Fahrwassertiefe nicht wettbe-<br />
werbsfähig.<br />
Innovative Schiffstypen haben den Vorteil gegenüber existierenden Schiffen,<br />
dass sie bereits ab einer Tauchtiefe von 1,05 m, respektive 1,30 m, Ladung<br />
aufnehmen können. Dabei unterdecken die Transportpreise auch hier die<br />
Frachtraten nach Kosten <strong>und</strong> eine Wettbewerbsfähigkeit ist ebenfalls nicht<br />
gegeben. Vorteile gegenüber existierenden Schiffen stellen sich erst bei <strong>der</strong><br />
Realisierung <strong>der</strong> zweiten Innovationsstufe ein. Jedoch wird <strong>der</strong> Vorteil des<br />
Größeneffekts bei ausreichenden Tauchtiefen durch weiterführende Innovati-<br />
onen nicht kompensiert. Es sollte aber beachtet werden, dass sich die Vorteile<br />
von Schiffsinnovationen auch bei größeren Schiffseinheiten realisieren lassen.<br />
8.2.2.4. Relation Hamburg – Dresden<br />
Zur konkreten Untersuchung wurden relationsbezogene Bedingungen in die<br />
Modellierung einbezogen.<br />
Die Berücksichtigung <strong>der</strong> Tiefgänge wurde am tiefstandsrelevanten Pegel-<br />
standort Wittenberge berücksichtigt. Dabei wurden drei Fälle einbezogen.<br />
Mittlerer Wasserstand <strong>der</strong> Periode 1990 bis 1999, ungünstige Wasserstände<br />
1991 <strong>und</strong> günstige Wasserstände 1995.<br />
Der bereits erwähnte mittlere Transportpreis von 6,50 €/t <strong>und</strong> Strecke wurde<br />
den Kosten gegenübergestellt.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 189<br />
Und die Ausfalltage wurden nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />
gewählt. 178<br />
Der herausragende Vorteil <strong>der</strong> innovativen Güterschiffe im Vergleich zu den<br />
konventionellen Modellen liegt in <strong>der</strong> höheren Mengenleistung im Bereich <strong>der</strong><br />
Grenzwasserstände <strong>und</strong> einer Reduzierung <strong>der</strong> Ausfalltage (betriebswirt-<br />
schaftlich), wie die folgende Tabelle zeigt:<br />
Tab. 26: Ladungsmenge <strong>und</strong> Tiefgang, bei dem die Einnahmen die transportabhängigen Kosten<br />
nicht mehr decken <strong>und</strong> hieraus resultierende Anzahl <strong>der</strong> Tage pro Jahr, an denen die<br />
Schiffe nicht mehr eingesetzt werden.<br />
Quelle: VBD (2004) S. 149<br />
Vergleicht man die konventionellen mit den innovativen Schiffstypen, dann<br />
wird deutlich, dass bei den innovativen Schiffen die möglichen Ladungsmen-<br />
gen im Grenzbereich höher <strong>und</strong> die Ausfalltage niedriger sind als bei den<br />
konventionellen Schiffstypen.<br />
Das spricht zunächst einmal <strong>für</strong> die neuen Schiffstypen.<br />
Jedoch schneiden sie unter Kostengesichtspunkten wegen höherer kosten-<br />
decken<strong>der</strong> Frachtraten schlechter ab, wie die nächste Abbildung deutlich<br />
macht:<br />
178 Mitunter ist zu beobachten, dass auch bei Unterschreitung betriebswirtschaftlicher Vernunft<br />
(Unterdeckung <strong>der</strong> variablen Kosten) Transport stattfindet. Das ist damit zu erklären, dass in<br />
<strong>der</strong> Realität Vertragsbindungen herrschen o<strong>der</strong> ein Wechsel auf an<strong>der</strong>e Verkehrsträger vermieden<br />
werden soll.
190 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 35: Kostendeckende Frachtraten <strong>und</strong> Transportpreise <strong>der</strong> verschiedenen Schiffstypen, <strong>für</strong><br />
verschiedene Betrachtungszeiträume, Relation I, Hamburg-Dresden [€/t Strecke]<br />
Quelle: VBD (2004) S. 153<br />
Wie aus <strong>der</strong> obigen Abbildung deutlich wird, hat sich <strong>der</strong> durchschnittliche<br />
Transportpreis auf einem Niveau eingependelt, <strong>der</strong> in einem durchschnittli-<br />
chen Jahr zu kostendeckenden Preisen führt. Unter den Bedingungen des Kli-<br />
mawandels könnten sich die Abflüsse deutlich verschlechtern mit <strong>der</strong> Folge,<br />
dass die Kosten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> nicht mehr gedeckt werden könnten<br />
<strong>und</strong> die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Frage stehen würde.<br />
Dies kann an Hand <strong>der</strong> Kleinwasserzuschläge aufgezeigt werden, die von Sei-<br />
ten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> erhoben werden, wenn die Schifffahrtsbedingungen<br />
auf Gr<strong>und</strong> unzureichen<strong>der</strong> Tauchtiefen keine volle Beladung <strong>der</strong> Binnenschiffe<br />
zulassen.<br />
Kleinwasserzuschläge<br />
In den Geschäftsbedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> werden so genannte<br />
Kleinwasserzuschläge erhoben, wenn die Wassertiefen nicht hinreichend sind<br />
um eine volle Transportkapazität nutzen zu können <strong>und</strong> damit auch nicht die
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 191<br />
Einnahmen zu haben, die <strong>für</strong> die „normale“ Wirtschaftlichkeit erfor<strong>der</strong>lich wä-<br />
ren.<br />
Die Deutsche Binnenree<strong>der</strong>ei hat in ihren Geschäftsbedingungen festgelegt,<br />
welche Kleinwasserzuschläge unter welchen Bedingungen erhoben werden.<br />
Werden diese Bedingungen von dem Verla<strong>der</strong> o<strong>der</strong> Spediteur anerkannt,<br />
dann bedeutet das, dass bei Niedrigwasser die genannten Kleinwasserzu-<br />
schläge gezahlt werden müssen, also als Aufschlag auf den vereinbarten<br />
Transporttarif.<br />
Auszug aus den Geschäftsbedingungen 179 :<br />
a. Für die Berechnung des Kleinwasserzuschlags gilt, soweit nicht an<strong>der</strong>s<br />
festgelegt, die Fahrrinnentiefe minus 20% o<strong>der</strong> Tauchtiefe <strong>für</strong> die zu<br />
durchfahrende Strecke am Tag <strong>der</strong> Fertigstellung <strong>der</strong> Beladung<br />
aa. Die vereinbarte Fracht wird um Kleinwasserzuschläge gemäß folgen<strong>der</strong><br />
Staffelsätze ohne Weiteres erhöht:<br />
1,80-1,76 5%<br />
1,75 -1,71 10%<br />
1,70-1,66 15%<br />
1,65-1,61 20%<br />
1,60-1,56 25%<br />
1,55-1,51 30%<br />
1,50-1,46 35%<br />
1,45-1,41 40% usw. <strong>der</strong> Fracht<br />
b. Die Abnahme- <strong>und</strong> Transportverpflichtung des Frachtführers erlischt bei<br />
einer Tauchtiefe von 1,40 (Fahrrinnentiefe 1,60 m)<br />
Unklar ist allerdings, ob diese Zuschläge auf dem Markt durchgesetzt werden<br />
können o<strong>der</strong> ob die Marktbedingungen dies nicht o<strong>der</strong> nur begrenzt ermögli-<br />
chen. Die Fahrrinnentiefe von 1,60 ist demnach <strong>für</strong> die Schiffe <strong>der</strong> Deutschen<br />
Binnenree<strong>der</strong>ei <strong>der</strong> Punkt, an dem von dem Angebot <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungsleis-<br />
179 Quelle: Deutsche Binnenree<strong>der</strong>ei AG: Allgemeine Geschäftsbedingungen - Fassung vom<br />
01.10.2003
192 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
tung zurück getreten werden kann, da dann offenbar auch weitere Kleinwas-<br />
serzuschläge nicht mehr weiter helfen.<br />
Eine Studie des WWF zum Donauausbau stellt die unterschiedlichen Tiefgänge<br />
in Abhängigkeit von den transportierten Gütern dar. 180<br />
Tab. 27: Tiefgänge unterschiedlicher Schiffstypen in Abhängigkeit von den geladenen Gütern<br />
(in cm)<br />
Quelle: WWF (2002) S. 124<br />
180 Vgl. WWF (2002)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 193<br />
Aus <strong>der</strong> Tabelle geht hervor, dass die Tauchtiefen auch von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> gela-<br />
denen Güter abhängen. Bestimmte Güter können auf <strong>der</strong> Donau (auch ohne<br />
Ausbau) ganzjährig transportiert werden, einige an immerhin mehr als 300 Ta-<br />
gen. Entsprechende Differenzierungen sind somit erfor<strong>der</strong>lich. Beispielsweise<br />
sind Containertransporte, da sie ein deutlich geringeres Gewicht haben als<br />
Massengüter, nicht auf maximale Tauchtiefen angewiesen. Dies gilt im Übri-<br />
gen auch <strong>für</strong> die von <strong>der</strong> LUB erwähnten Son<strong>der</strong>transporte. 181<br />
8.3. Wettbewerbsfähigkeit des Binnenschiff-Containertransports<br />
Der VBD 182 hat eine Untersuchung vorgenommen, die die Wettbewerbsfähig-<br />
keit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> im Containertransport auf <strong>der</strong> Strecke zwischen Kob-<br />
lenz <strong>und</strong> Regensburg analysieren sollte. Das zentrale Ziel <strong>der</strong> Untersuchung<br />
war es zu überprüfen, unter welchen schifffahrtstechnischen Bedingungen die<br />
Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist. Dabei ging es insbeson<strong>der</strong>e darum zu a-<br />
nalysieren, inwieweit <strong>der</strong> dreilagige Containerverkehr bei unterschiedlichen<br />
Schiffstypen möglich ist bzw. unter welchen infrastrukturellen Bedingungen<br />
diese Wettbewerbsfähigkeit hergestellt werden kann (Brückenhöhen <strong>und</strong><br />
Tauchtiefen).<br />
Als Referenzmaßstab <strong>für</strong> die Wettbewerbsfähigkeit wurden die Transportkos-<br />
ten des LKW gegenüber gestellt, wobei allerdings auch darauf verwiesen<br />
wird, dass die Transportkosten nur einen beeinflussenden Faktor darstellen.<br />
Auf Gr<strong>und</strong> des Transportgeschwindigkeitsvorteils des Lkw müssen die Trans-<br />
portkosten deutlich unter denen des Lkws liegen, wenn das Binnenschiff als Al-<br />
ternative in Betracht gezogen werden sollte.<br />
Die folgende Tabelle zeigt einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen<br />
Schiffstypen hinsichtlich: zweilagig/ dreilagig <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> transportierbaren<br />
181 Vgl. LUB (2002)<br />
182 Vgl. VBD (2004)
194 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Container, die Schiffstransportkosten <strong>für</strong> die Referenzstrecke <strong>und</strong> einen Kos-<br />
tenvergleich zu dem Schiffstyp JW verl. (zweilagig).<br />
Tab. 28: Transportkosten pro TEU <strong>für</strong> die verschiedenen Schiffstypen in Abhängigkeit des Auslastungsgrades<br />
in <strong>der</strong> dritten Lage<br />
Quelle: VBD (2003) S. 7<br />
Im Ergebnis werden die mehr o<strong>der</strong> weniger typischen Größenvorteile deutlich,<br />
so kostet <strong>der</strong> dreilagige Containertransport mit dem GMS-135m nur noch 48%<br />
in Relation zu dem Transport mit dem Binnenschiffstyp JW verl.<br />
Damit werden letztlich die Kostenvorteile verdeutlicht, die den Ausbau <strong>der</strong><br />
entsprechenden Strecke rechtfertigen sollen.<br />
Die folgende Tabelle vergleicht drei Schiffstypen <strong>und</strong> alternativ einen zwei-<br />
bzw- dreilagigen Containertransport (inkl. Variationen <strong>der</strong> Auslastung <strong>der</strong> drit-<br />
ten Lage) <strong>und</strong> vergleicht die jeweiligen Kosten mit denen des Gütertransports<br />
per LKW.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 195<br />
Tab. 29: Vergleich <strong>der</strong> gesamten Transportkosten pro Fahrtrichtung unter Einbindung des Binnenschiffes<br />
mit den Transportpreisen des direkten Lkw-Verkehrs<br />
Quelle: VBD (2003) S. 8<br />
Die Studie stellt fest, dass <strong>der</strong> dreilagige Containerverkehr per Binnenschiff<br />
deutliche Kostenvorteile des Transports mit sich bringt <strong>und</strong> zu einem Wettbe-<br />
werbsvorteil <strong>für</strong> das Binnenschiff bei weniger zeitsensiblen Gütern führen kann.<br />
Im Ergebnis wird festgestellt, dass sich <strong>der</strong> Kostenvorteil mit abnehmen<strong>der</strong> Aus-<br />
lastung relativiert, bis hin zu einem zweilagigen Binnenschiffstransport mit dem<br />
Binnenschiffstyp Johann Welcker (verl.) (JW), bei dem nach Angaben des<br />
VBD <strong>der</strong> Transport per LKW kostengünstiger ist.
196 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Ein dreilagiger Containertransport wird auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, trotz <strong>der</strong> ausreichenden<br />
Brückendurchfahrtshöhen wie behauptet, nicht möglich sein, weil ein dreila-<br />
giger Containertransport höhere Anfor<strong>der</strong>ungen an Fahrwassertiefen stellt.<br />
So sinkt ein JW (Verl.) selbst bei einer geringen Auslastung von 20% <strong>der</strong> dritten<br />
Containerlage <strong>und</strong> einem geringen durchschnittlichen (leichten) Container-<br />
gewicht von 8,5 t/TEU bereits 1,41 m (GMS 110 m: 1,81 m) tief unter die Fahr-<br />
wasseroberfläche. Ist das Containerschiff JW (Verl.) in <strong>der</strong> dritten Container-<br />
reihe zu 100% ausgelastet (<strong>und</strong> befinden sich keine Leercontainer auf dem<br />
Schiff), so hat es bereits einen Tiefgang von 1,65 m (GMS 110m: 2,10 m).<br />
Wird die Annahme <strong>der</strong> durchschnittlichen Containergewichte angehoben<br />
(bspw. auf 13 t/TEU im Export), so steigt die Abladetiefe selbst bei 20%iger Aus-<br />
lastung auf 1,75 m (GMS 110m: 2,24 m) <strong>und</strong> bei 100%iger Auslastung bereits<br />
auf 2,12 m (GMS 110m: 2,70 m). 183<br />
Tab. 30: Tiefgänge <strong>und</strong> Fixpunkthöhen in Abhängigkeit des Beladungsfalls<br />
Quelle: VBD (2003) S. 17<br />
183 Vgl. hierzu VDB (2003) S. 16 f.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 197<br />
Anhand dieser Zahlen <strong>und</strong> unabhängig von <strong>der</strong> Funktion zwischen Brücken-<br />
durchfahrtshöhe <strong>und</strong> Tiefgang <strong>der</strong> Schiffe (größerer Tiefgang mit mehr Con-<br />
tainern beeinflusst die Brückendurchfahrtshöhe positiv, vgl. obige Tabelle)<br />
werden auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> die notwendigen Tiefgänge <strong>für</strong> einen dreilagigen Con-<br />
tainertransport nicht zur Verfügung stehen. Gleichwohl wird deutlich, dass die<br />
Tauchtiefen <strong>der</strong> Binnenschiffe <strong>für</strong> den Containertransport deutlich unter de-<br />
nen <strong>der</strong> Massengüterbinnenschifffahrt liegen. Der Verkehr auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ist de-<br />
mentsprechend auch unter den gegenwärtigen Bedingungen über lange Zei-<br />
ten möglich.<br />
Diese These stützen die Bemühungen <strong>der</strong> DBR, eher in die „Breite“ (mehr Con-<br />
tainerreihen nebeneinan<strong>der</strong>) zu investieren, als in die „Höhe“. So hat die DBR<br />
bereits Anstrengungen unternommen die eingesetzten Leichter zu verbreitern<br />
<strong>und</strong> dadurch Effizienzgewinne zu suchen. 184<br />
Kommt neben dem Erfor<strong>der</strong>nis ausreichen<strong>der</strong> Tiefgänge noch die Restriktion<br />
<strong>der</strong> Brückendurchfahrtshöhe hinzu, dann muss zusätzlich ballastiert werden,<br />
damit die Fixpunkthöhe abgesenkt wird. Ist das erfor<strong>der</strong>lich, so steigt die An-<br />
for<strong>der</strong>ung an die Fahrrinnentiefe. 185<br />
8.4. Diskussion flachgehendes Binnenschiff im Donaugebiet<br />
In <strong>der</strong> Diskussion um den Ausbau <strong>der</strong> Donau wurden in einer Analyse die Mög-<br />
lichkeiten des Einsatzes eines sog. flachgehenden Binnenschiffs diskutiert. Da-<br />
bei wurde Bezug genommen auf Analysen <strong>der</strong> Roßlauer Schiffswerft. In den<br />
auf die Donau (Einsatz im Niedrigwasserbereich <strong>der</strong> bayrischen Donau) zuge-<br />
schnittenen Szenarien wurde ebenfalls ein Vergleich <strong>der</strong> Transportkosten zwi-<br />
schen dem flachgehenden Binnenschiff <strong>und</strong> dem Großmotorschiff vorge-<br />
nommen.<br />
184 Vgl. LUB (2006) S. 21<br />
185 Vgl. dazu VBD (2003) Tabelle 7, S. 18
198 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 31: Flachgehendes Binnenwasserschiff; modellhafte Kalkulation <strong>der</strong> jährlichen Betriebskosten<br />
<strong>und</strong> Vergleich mit Großmotorschiffen bei verschiedenen Wasserständen<br />
Quelle: Günthner (2001)<br />
Wie die Tabelle (Ermittlung <strong>der</strong> Transportkosten) deutlich macht, ist im Szenario<br />
I ein deutlicher Vorteil des flachgehenden Binnenschiffes festzustellen, im Sze-<br />
nario II sind in etwa gleiche Transportkosten festzustellen <strong>und</strong> erst beim Szena-<br />
rio III <strong>und</strong> <strong>der</strong> dort gemachten Annahme einer über einen größeren Zeitraum<br />
existierenden größeren Wassertiefe sind die Transportkostenvorteile <strong>für</strong> das<br />
Großmotorschiff erheblich.<br />
Die Autoren <strong>der</strong> Studie verweisen darauf, dass „<strong>der</strong> Einsatz des „Flachgehen-<br />
den Binnenschiffs“ [...] somit nur auf Flachwasserstraßen z.B. <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wirt-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 199<br />
schaftlich sinnvoll [ist]“…. Im Weiteren wird in Bezug auf die Donau argumen-<br />
tiert: „Eine Umstellung <strong>der</strong> Flottenstruktur auf das „Flachgehende Binnen-<br />
schiff“, nur um den 69 km langen Engpass zwischen Straubing <strong>und</strong> Vilshofen<br />
auf <strong>der</strong> insgesamt 3.500 km langen Rhein-Donau-Wasserstraße zu überwinden,<br />
ist als unwirtschaftlich <strong>und</strong> geradezu unsinnig zu bewerten.“<br />
Insofern wird dem flachgehenden Binnenschiff durchaus ein Potenzial <strong>für</strong> die<br />
<strong>Elbe</strong> zugestanden, <strong>für</strong> die Donau wird es allerdings als unwirtschaftlich abge-<br />
lehnt.<br />
8.5. Fazit<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> hängt von einer Vielzahl von<br />
Parametern ab. Dies sind zunächst technische Rahmenbedingungen, wie<br />
Schiffsgrößen, Tiefgänge, daraus resultierende Tragfähigkeiten, die Antriebs-<br />
leistung etc.<br />
Die Wasserstraßen (Flüsse <strong>und</strong> Kanäle) geben in Abhängigkeit <strong>der</strong> jeweils herr-<br />
schenden Wasserstände die Fahrwassertiefen vor. Diese wirken sich wie<strong>der</strong>um<br />
auf den möglichen Tiefgang <strong>und</strong> die Tragfähigkeit aus. Diese technischen<br />
<strong>und</strong> natürlichen Randbedingungen bestimmen die Transportkosten, die Wett-<br />
bewerbsbedingungen zu an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern <strong>und</strong> letztlich die zu<br />
erzielenden Preise.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist davon auszugehen, dass mit zunehmen<strong>der</strong> Schiffsgröße <strong>und</strong><br />
damit zunehmen<strong>der</strong> Tiefgänge die Kosten je Ladungseinheit (bei Vollauslas-<br />
tung) sinken <strong>und</strong> somit die Angebotspreise <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> zumindest im<br />
Gr<strong>und</strong>satz (in Abhängigkeit von den Konkurrenzbedingungen) sinken können.<br />
Zieht man tatsächlich herrschende Wasserstände mit in die Analyse ein <strong>und</strong><br />
berücksichtigt, dass nötige Fahrwassertiefen auf <strong>der</strong> mittleren <strong>Elbe</strong> oft nicht er-<br />
reicht werden, dann kann eine betriebswirtschaftliche Wirtschaftlichkeit nur<br />
hergestellt werden, wenn die Frachtraten durch Kleinwasserzuschläge ange-<br />
hoben werden.
200 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Wirtschaftlichkeit von Stückgütern, i.d.R. Containern, hat im Wesentlichen<br />
die gleichen Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Massengüter zu beachten. Hierzu tritt<br />
die Frage nach <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Containerlagen <strong>und</strong> <strong>der</strong> ausreichenden Brü-<br />
ckendurchfahrtshöhe hinzu. Ein zweilagiger Containertransport ist auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
möglich, jedoch sind die Angebotsbedingungen <strong>der</strong> übrigen Verkehrsträger<br />
hierzu besser <strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> im Stückgutverkehr unwirtschaftlich.<br />
Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen schlossen auch den technischen Fort-<br />
schritt in Form von innovativen Schiffskonstruktionen <strong>für</strong> Flachgewässer mit ein.<br />
Diese sog. flachgehenden Binnenwasserschiffe wurden mit Neubauten be-<br />
stehen<strong>der</strong> Schiffe verglichen. Das, was nach heutigem <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Technik rea-<br />
lisierbar wäre, hat in <strong>der</strong> langen Frist keinerlei Kostenvorteile gegenüber exis-<br />
tierenden Schiffstypen. Die Gutachter schätzen, dass noch weiterer Entwick-<br />
lungsbedarf notwendig sei, um die Anreize zu schaffen in diese Schiffstypen zu<br />
investieren.<br />
Die flachgehenden Binnenschiffe erweisen sich aus zwei Gründen als proble-<br />
matisch: Zum einen bedingt <strong>der</strong> Wettbewerb mit den üblichen Binnenschiffen,<br />
dass das flachgehende Binnenschiff nur dann sinnvoll ist, wenn lange Nied-<br />
rigwasserperioden existieren.<br />
Zum an<strong>der</strong>en sind die Kostenvorteile des flachgehenden Binnenschiffs ge-<br />
genüber an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern geringer.
Zusammenfassung Teil A<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 201<br />
Der Güterverkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten immens zugenom-<br />
men. Hierzu hat zunächst unbestritten das wirtschaftliche Wachstum beige-<br />
tragen sowie die zunehmende internationale wirtschaftliche Integration. Diese<br />
führt zu einer Ausdifferenzierung <strong>und</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> Produktion, die durch<br />
die verbesserten Möglichkeiten des Gütertransports überhaupt erst möglich<br />
wird.<br />
Damit verän<strong>der</strong>t sich auch die Güterstruktur <strong>der</strong> transportierten Güter (Güter-<br />
struktureffekt durch wirtschaftlichen Strukturwandel). Dies hat wie<strong>der</strong>um Ein-<br />
fluss auf die Nachfrage nach bestimmten Verkehrsträgern (Substitutionsef-<br />
fekt). Der Güterstruktureffekt verweist darauf, dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Stückgüter<br />
gegenüber den Massengütern zunimmt, mit an<strong>der</strong>en Worten., das Wachstum<br />
im Güterverkehr findet vor allem im Stückgut- bzw. Containerverkehr statt. Eng<br />
damit verb<strong>und</strong>en ist <strong>der</strong> Güterwerteffekt. Der Wert <strong>der</strong> transportierten Güter<br />
nimmt zu, wodurch zugleich die Bedeutung <strong>der</strong> Transportkosten abnimmt. Hat<br />
die <strong>Binnenschifffahrt</strong> vor allem bei den Massengütern einen Wettbewerbsvor-<br />
teil, da <strong>der</strong> Transport von Massengütern preissensibel ist, so gilt dies bei Stück-<br />
gütern nicht o<strong>der</strong> nur sehr begrenzt, da weniger die Transportpreise als viel-<br />
mehr die Transportqualität (Logistikeffekt) (u.a. Zeit, just-in-time) bestimmend<br />
ist.<br />
Die genannten Effekte führen in <strong>der</strong> Summe zu einer wachsenden Bedeutung<br />
des Güterverkehrs per LKW, während Güterverkehrsträger, wie Bahn <strong>und</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt, an dem Wachstum des Güterverkehrsmarktes nur begrenzt<br />
teilhaben können.<br />
Für die <strong>Binnenschifffahrt</strong> bedeutet dies, dass sie im Wesentlichen in traditionel-<br />
len Marktsegmenten (Massengüter) eine Rolle spielt <strong>und</strong> in den Bereichen, in<br />
denen Bündelungen des Güterverkehrs möglich sind (wie bspw. am Rhein).<br />
Über den Rhein wird <strong>der</strong> Hinterlandverkehr <strong>der</strong> Seehäfen zu wichtigen Indust-
202 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
riezentren abgewickelt. Dies ist auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nur sehr begrenzt <strong>der</strong> Fall, zumin-<br />
dest in Relation zu den Transportvolumina auf dem Rhein.<br />
Von <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung zur „Co-Modality“<br />
Die Verlagerung des Güterverkehrs auf sog. umweltfre<strong>und</strong>lichere Transport-<br />
mittel ist, wie das Beispiel <strong>der</strong> Bemühungen in <strong>der</strong> Schweiz zeigt, ein keinesfalls<br />
trivialer Prozess. Zum einen ist es erfor<strong>der</strong>lich, dass sehr deutliche Preissignale<br />
gesetzt werden (die deutsche Maut setzt diese nicht) <strong>und</strong> eine Reihe von wei-<br />
teren teilweise drastischen begleitenden politischen Maßnahmen notwendig<br />
sind.<br />
Die Diskussion um den Gigaliner verdeutlicht zudem, dass die „Rückverlage-<br />
rung“ von Güterverkehren auf den LKW sich auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Vorteile des LKW<br />
als einfacher darstellen als die Verlagerung von Güterverkehren vom LKW auf<br />
an<strong>der</strong>e Güterverkehrsträger. Mit <strong>der</strong> Zulassung <strong>der</strong> Gigaliner werden umwelt-<br />
fre<strong>und</strong>liche Verkehrsträger, wie die Bahn, insbeson<strong>der</strong>e im Einzelwagenver-<br />
kehr massiv unter Druck gesetzt. Das alleinige Setzen auf die Entwicklung von<br />
Infrastrukturen mit dem Ziel <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung ist bei Weitem nicht hin-<br />
reichend.<br />
Auf <strong>der</strong> EU-Ebene ist eine Abkehr von <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung fest-<br />
zustellen, indem nunmehr auf das Konzept <strong>der</strong> „Co-Modality“ gesetzt wird.<br />
„Co.Modality“ zielt vor allem auf die Einbindung <strong>der</strong> unterschiedlichen Güter-<br />
verkehrsträger in die Logistikketten. Die Idee des „Modal-shift“ zu Gunsten<br />
umweltfre<strong>und</strong>licherer Verkehrsträger wird nur noch in (umwelt-) belasteten<br />
Ballungsräumen verfolgt.<br />
Mit diesem Wandel des politischen Ansatzes ist eng verb<strong>und</strong>en, dass die<br />
Chancen <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung kaum noch als realistisch angesehen wer-<br />
den.<br />
Prognosen des zukünftigen Gütertransports<br />
Sämtliche Prognosen gehen von einem weiteren Wachstum des Güterver-<br />
kehrs aus. Hinsichtlich <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger wird in den<br />
Prognosen zum BVWP davon ausgegangen, dass sämtliche Verkehrsträger
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 203<br />
mit einer deutlichen Zunahme des Güterverkehrs rechnen können. Das Integ-<br />
rationsszenario, welches als Orientierungsgröße <strong>für</strong> die Verkehrspolitik dient,<br />
geht davon aus, dass die Bahn an Anteilen gewinnen kann, während <strong>der</strong> LKW<br />
<strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> an Anteilen verlieren werden. Es ist davon auszuge-<br />
hen, dass die Erwartungen des Integrationsszenarios insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick<br />
auf die Anteilsgewinne <strong>der</strong> Bahn sehr optimistisch ausgefallen sind. Gleich-<br />
wohl ist festzuhalten, dass die aktuelle Mittelfristprognose, die im Auftrag des<br />
BMVBS erstellt wurde, ein deutliches Wachstum des Gütertransports auf <strong>der</strong><br />
Schiene feststellen konnte. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hat hingegen Anteilsverluste<br />
zu verzeichnen <strong>und</strong> bleibt weit unterhalb <strong>der</strong> Erwartungen des BVWP.<br />
Eine im Auftrag des BMVBS erstellte Abschätzung <strong>der</strong> Entwicklung des Güter-<br />
verkehrs <strong>und</strong> des Modal Split bis zum Jahre 2050 kommt zu dem Ergebnis, dass<br />
trotz unterstellter politischer Maßnahmen (Kostenanlastung Wegekosten <strong>und</strong><br />
Umweltkosten) sich diese nicht durchschlagend auf den Güterverkehr bzw.<br />
den Modal Split auswirken werden. Insofern erweist sich die Dynamik des Gü-<br />
terverkehrs als mehr o<strong>der</strong> weniger ungebrochen. Der Modal Split verän<strong>der</strong>t<br />
sich in diesem Kontext nur begrenzt. Anteilsverlusten von LKW <strong>und</strong> insbesonde-<br />
re <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> stehen leichte Gewinne <strong>der</strong> Bahn gegenüber.<br />
Verkehrsinfrastrukturen <strong>und</strong> wirtschaftliche Entwicklung<br />
Die Verkehrspolitiken <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> Deutschlands eint zumindest die Gr<strong>und</strong>vor-<br />
stellung, dass Verkehrsinfrastrukturen essentiell <strong>für</strong> das wirtschaftliche Wachs-<br />
tum seien. Dieser Auffassung wird allerdings auch in Studien wi<strong>der</strong>sprochen,<br />
die im Rahmen <strong>der</strong> Halbzeitbilanz zum EU Weißbuch Verkehr erstellt wurden.<br />
Die wirtschaftliche Entwicklung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, da-<br />
zu gehören auch die Verkehrsinfrastrukturen. Allerdings ist darauf zu verwei-<br />
sen, dass einerseits die Wirkungen <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen<br />
(generell) keineswegs zwangsläufig positive wirtschaftliche Effekte nach sich<br />
zieht, son<strong>der</strong>n auch gegenteilige Effekte nach sich zeihen kann <strong>und</strong> zum an-<br />
<strong>der</strong>en, dass insbeson<strong>der</strong>e die Entwicklung <strong>der</strong> Infrastrukturen <strong>für</strong> die Binnen-<br />
schifffahrt <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung deutlich abgenommen hat. Sie<br />
wirkt nicht mehr strukturbildend wie in früheren Zeiten.
204 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Aussagen zur Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit von Verkehrsträgern beziehen sich zu-<br />
meist auf die Emissionen <strong>der</strong> jeweiligen Verkehrsträger. Vor allem bei <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt sind aber weitere umweltrelevante Effekte mit einzubeziehen,<br />
so insbeson<strong>der</strong>e die Auswirkungen auf Natur <strong>und</strong> Landschaft, da Flüsse i.d.R.<br />
sensible Ökosysteme darstellen. 186<br />
Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Darstellungen, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> einen beson<strong>der</strong>s umweltverträg-<br />
lichen Verkehrsträger in Bezug auf die Emissionen darstellt, sind in <strong>der</strong> Allge-<br />
meinheit nicht aufrecht zu erhalten. Zum einen wird zunehmend anerkannt,<br />
dass generalisierte Aussagen bzgl. <strong>der</strong> Umweltverträglichkeit von Verkehrsträ-<br />
gern nur begrenzt sinnvoll sind, es geht vielmehr um die Betrachtung <strong>der</strong> Um-<br />
weltrelevanz des jeweiligen Transportvorgangs (u.a. was wird transportiert,<br />
welche Verbindungen werden realisiert etc.). Des Weiteren ist festzustellen,<br />
dass neuere Analysen zu dem Ergebnis kommen, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> im<br />
Hinblick auf die Emissionen (außer Lärm) keineswegs generelle Vorteile ge-<br />
genüber <strong>der</strong> Bahn hat. Zudem ist anzumerken, dass die Auswirkungen <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt (bzw. besser <strong>der</strong> Effekte <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung <strong>für</strong> die Bin-<br />
nenschifffahrt) auf Natur- <strong>und</strong> Landschaft bei den Vergleichen <strong>der</strong> Umweltre-<br />
levanz <strong>der</strong> Verkehrsträger i.d.R. nicht berücksichtigt werden. Diese können<br />
aber, wie es am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> deutlich gemacht wurde, erheblich sein. In<br />
<strong>der</strong> Summe bleibt festzuhalten, dass die generelle Aussage <strong>der</strong> Umweltfre<strong>und</strong>-<br />
lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> so nicht aufrecht zu erhalten ist. Vielmehr weisen<br />
die dargelegten Analysen darauf hin, dass dies insbeson<strong>der</strong>e auch auf <strong>der</strong><br />
<strong>Elbe</strong> nicht <strong>der</strong> Fall ist (im Vergleich zu Transporten mit <strong>der</strong> Bahn).<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> hängt von einer Vielzahl von<br />
Parametern ab. Dies sind zunächst technische Rahmenbedingungen wie<br />
186 Dies ist bei <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> generell <strong>der</strong> Fall, bei an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern wäre zu überprüfen<br />
inwieweit die Trassenführung sensible Ökosysteme beeinflussen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 205<br />
Schiffsgrößen, Tiefgänge, daraus resultierende Tragfähigkeiten, die Antriebs-<br />
leistung etc.<br />
Die Wasserstraßen (Flüsse <strong>und</strong> Kanäle) geben in Abhängigkeit <strong>der</strong> jeweils herr-<br />
schenden Wasserstände die Fahrwassertiefen vor. Diese wirken sich wie<strong>der</strong>um<br />
auf den möglichen Tiefgang <strong>und</strong> die Tragfähigkeit aus. Diese technischen<br />
<strong>und</strong> natürlichen Randbedingungen bestimmen die Transportkosten, die Wett-<br />
bewerbsbedingungen zu an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern <strong>und</strong> letztlich die zu<br />
erzielenden Preise.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist davon auszugehen, dass mit zunehmen<strong>der</strong> Schiffsgröße <strong>und</strong><br />
damit zunehmen<strong>der</strong> Tiefgänge die Kosten je Ladungseinheit (bei Vollauslas-<br />
tung) sinken <strong>und</strong> somit die Angebotspreise <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> zumindest im<br />
Gr<strong>und</strong>satz (in Abhängigkeit von den Konkurrenzbedingungen) sinken können.<br />
Generell ist allerdings festzuhalten, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> nur dort ihre kos-<br />
tenseitigen Vorteile ausspielen kann, wo die entsprechenden natürlichen <strong>und</strong><br />
sozio-ökonomischen Bedingungen existieren. Typisierend kann dazu auf den<br />
Rhein verwiesen werden, <strong>der</strong> zum einen Binnenschiffstransporte mit großen<br />
Schiffen (Kostendegression) zulässt <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en die Versorgung von Ge-<br />
bieten mit hoher Siedlungs- <strong>und</strong> Industriedichte ermöglicht.<br />
Auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> sind diese Bedingungen so nicht gegeben. Zum einen ist die Be-<br />
völkerungsdichte im Einzugsgebiet <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> deutlich geringer, zum an<strong>der</strong>en<br />
sind die Schifffahrtsbedingungen bei Weitem nicht vergleichbar. Flachge-<br />
hende Binnenschiffe bieten <strong>für</strong> den Gütertransport im <strong>Elbe</strong>raum kaum eine Al-<br />
ternative. Dies aus zwei Gründen: Einerseits bedingt <strong>der</strong> Wettbewerb mit den<br />
üblichen Binnenschiffen, dass das flachgehende Binnenschiff nur dann sinn-<br />
haft ist, wenn lange Niedrigwasserperioden existieren.<br />
An<strong>der</strong>erseits sind die Kostenvorteile des flachgehenden Binnenschiffs gegen-<br />
über an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern geringer.<br />
In <strong>der</strong> Summe ist festzuhalten, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ein wichtiger Ver-<br />
kehrsträger <strong>für</strong> die Massengüter ist <strong>und</strong> bleibt. Unter geeigneten naturräumli-<br />
chen <strong>und</strong> sozioökonomischen Bedingungen hat sie das Potenzial auch in Zu-
206 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
kunft eine bedeutende Rolle <strong>für</strong> den Containertransport zu spielen. Entspre-<br />
chende Bedingungen sind bspw. am Rhein gegeben.<br />
Die Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit des Binnenschiffstransports ist keineswegs per se ge-<br />
geben, son<strong>der</strong>n muss u.a. auf den jeweiligen Transportvorgang bzw. die<br />
Transportrelation bezogen werden. Generell ist festzustellen, dass die Bahn in<br />
weiten Bereichen besser abschneidet, dies gilt insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Transporte<br />
im <strong>Elbe</strong>raum, nicht zuletzt auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> naturräumlichen Bedingungen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 207<br />
Teil B – <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> Güterverkehr im <strong>Elbe</strong>raum<br />
Nach dem im Wesentlichen allgemeinen Überblick über die Entwicklungen<br />
des Gütertransportes, des Modal Split etc. wird in Teil B <strong>der</strong> Analyse auf die<br />
Prognosen bzgl. <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale eingegangen <strong>und</strong><br />
auf die Bedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf den beiden Flüssen. Dabei<br />
werden die Studien zu den Verlagerungspotenzialen <strong>und</strong> die Bedeutung <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung <strong>der</strong> Region analysiert (ins-<br />
bes. auch im Hinblick auf die Häfen). Des Weiteren werden die Auswirkungen<br />
des Klimawandels auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> diskutiert.<br />
9. Überblick <strong>der</strong> Ausbau- <strong>und</strong> Unterhaltungsmaßnahmen <strong>Elbe</strong> /Saale<br />
9.1. Unterhaltungsziele <strong>und</strong> –maßnahmen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Ein Dokument über die zukünftigen Aufgaben <strong>der</strong> WSD-Ost veranschaulicht<br />
knapp die Unterhaltungsziele <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong>. 187 Die Rahmenbedingungen <strong>für</strong> Un-<br />
terhaltungsziele jeglicher Art bildet die Koalitionsvereinbarung vom 16. Okto-<br />
ber 2002. Daraus ergibt sich, dass Ausbaumaßnahmen <strong>und</strong> Unterhaltungs-<br />
maßnahmen, die mit Ausbaumaßnahmen vergleichbare Wirkungen haben,<br />
<strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> unzulässig sind.<br />
Für die Ziele einer schiffbaren <strong>Elbe</strong> verbleiben somit lediglich Unterhaltungs-<br />
maßnahmen sowie sicherheitsrelevante Maßnahmen.<br />
Die angestrebten Unterhaltungsziele <strong>der</strong> deutschen Binnenelbe bestehen in<br />
<strong>der</strong> Gewährleistung einer Fahrrinnentiefe von 1,60 m zwischen Geesthacht<br />
<strong>und</strong> Dresden <strong>und</strong> 1,50 m zwischen Dresden <strong>und</strong> Tschechien unter Bezugnah-<br />
me auf den jeweils gültigen Bezugswasserstand (GLW) bei unterschiedlichen<br />
Fahrrinnenbreiten.<br />
Bei höheren Abflüssen stehen <strong>der</strong> Schifffahrt auch entsprechend größere<br />
Fahrrinnentiefen zur Verfügung. Das 1,60 m - Ziel soll an 345 eisfreien Tagen bei<br />
187 Vgl. WSD-Ost (2004)
208 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
mittlerem Niedrigwasser sichergestellt werden <strong>und</strong> an mindestens 180 Tagen<br />
soll eine Fahrrinnentiefe von 2,50 m erreicht werden.<br />
Die angestrebte Fahrrinnenbreite soll oberhalb von Dresden gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
40m <strong>und</strong> unterhalb von Dresden bis nach Geesthacht gr<strong>und</strong>sätzlich 50m be-<br />
tragen. Nicht allein im Bereich <strong>der</strong> Magdeburger Stadtstrecke bleibt die Fahr-<br />
rinnenbreite auf 35 m reduziert, so dass abschnittsweise entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> Ein-<br />
schränkungen <strong>der</strong> Fahrrinnenbreite möglich bleiben, an denen nur ein ein-<br />
schiffiger Verkehr möglich ist.<br />
Damit werden Ziele von Unterhaltungsmaßnahmen formuliert, die sich an den<br />
Zuständen von vor dem <strong>Elbe</strong>hochwasser 2002 an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> orientieren.<br />
Die Wasser- <strong>und</strong> Schifffahrtsdirektion Ost betont, dass es sich allein um Unter-<br />
haltungsmaßnahmen handele (unterlassene Unterhaltungsmaßnahmen, Fol-<br />
gen <strong>Elbe</strong>-Hochwasser). 188<br />
In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet eine Fahrrinnentiefe von min. 1,60 m bei<br />
mittlerem Niedrigwasser noch keine Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
Untersuchungen des VBD <strong>und</strong> LUB kommen dementsprechend auch zum<br />
Schluss, dass das Ziel einer ganzjährigen Fahrrinnentiefe von 1,60 m sich weni-<br />
ger an Wirtschaftlichkeitskriterien bei dieser konkreten Rinnentiefe, son<strong>der</strong>n<br />
eher am Aspekt eines kontinuierlichen Schiffsbetriebs orientiert. Denn die Wirt-<br />
schaftlichkeit bei Fahrwassertiefen von 1,60 m ist in Frage zu stellen, jedoch<br />
bleibt des Öfteren unberücksichtigt, dass mit dieser Minimalfor<strong>der</strong>ung an min-<br />
destens 50% <strong>der</strong> Tage eines Jahres Fahrwassertiefen von min. 2,50 m herr-<br />
schen sollen. Damit werden die Fahrten im wirtschaftlichen Grenzbereich<br />
(1,60 m) durch die günstigeren Schifffahrtsbedingungen (>2,50 m) ausgegli-<br />
chen, wenn nicht gar überkompensiert. 189<br />
188 Vgl. Aster, D. (2004)<br />
189 Vgl. LUB (2002) S. 11
9.2. Ausbaumaßnahmen <strong>der</strong> Saale<br />
9.2.1. Überblick<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 209<br />
Zur gütertransportfähigen Flusslandschaft <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong> zählt auch die<br />
Saale als Nebenfluss. Sie verbindet den Agglomerationsraum Halle/Leipzig mit<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
Die Saale wurde bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
vom Hafen Halle-Trotha aus auf 68 km <strong>der</strong> insgesamt 88 km bis zur Mündung in<br />
die <strong>Elbe</strong> <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ausgebaut. Auf <strong>der</strong> schiffbaren Strecke vom<br />
Hafen Halle/Trotha bis zur Einmündung <strong>der</strong> Saale in die <strong>Elbe</strong> bei Calbe wur-<br />
den bereits Staustufen gebaut, Ufer befestigt <strong>und</strong> Talsperren gebaut, um<br />
möglichst gleich bleibende Schifffahrtsbedingungen zu ermöglichen. Fünf <strong>der</strong><br />
sechs notwendigen Schleusen - bei Wettin, Rothenburg, Alsleben, Bernburg<br />
<strong>und</strong> Calbe - machen seither die Saale auf dieser Strecke <strong>für</strong> das Europa-Schiff<br />
verkehrsfähig. 1942 wurden die Bauarbeiten abgebrochen. Die geplante 6.<br />
Staustufe bei Klein Rosenberg konnte wegen des damals beginnenden zwei-<br />
ten Weltkriegs nicht verwirklicht werden. Lediglich <strong>der</strong> untere Teil <strong>der</strong> Saale<br />
nahe <strong>der</strong> Einmündung in die <strong>Elbe</strong> stellt heutzutage einen transporttechni-<br />
schen Engpass aufgr<strong>und</strong> von schwierigen Schifffahrtsbedingungen dar.<br />
Nach <strong>der</strong> deutschen Wie<strong>der</strong>vereinigung begann erneut die Diskussion um<br />
den (End-) Ausbau <strong>der</strong> Saale (selbst ein Stichkanal nach Leipzig wurde in Er-<br />
wägung gezogen). Man wollte die Pläne <strong>für</strong> die letzte Staustufe wie<strong>der</strong> auf-<br />
nehmen <strong>und</strong> diese letztlich auch umsetzen. Nach <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-Flut im August 2002<br />
kam das politische Aus <strong>für</strong> die Staustufe Klein-Rosenberg auf <strong>der</strong> Saale.<br />
Daraufhin wurde ein Saale-Seitenkanal als Alternative zur favorisierten Staustu-<br />
fe in die Diskussion gebracht, <strong>der</strong> mit einem Kostenaufwand von ebenfalls 80<br />
Mio. € die ganzjährige Schiffbarkeit <strong>für</strong> Europaschiffe gewährleisten soll, indem<br />
er die letzten schwer schiffbaren Kilometer <strong>der</strong> Saale umgeht. 190<br />
190 Vgl. UFZ (2003) S. 4
210 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Dieser Entwurf wurde anschließend vom damaligen Verkehrsminister Manfred<br />
Stolpe im BVWP in den vordringlichen Bedarf aufgenommen.<br />
Im Dezember 2004 wurde das Raumordnungsverfahren <strong>für</strong> den „Schleusen-<br />
kanal Tornitz ohne Wehr“, <strong>der</strong> den letzten Engpass <strong>der</strong> Saale bis zur Mündung<br />
in die <strong>Elbe</strong> beseitigen soll, mit <strong>der</strong> Antragskonferenz vom 10. Dezember 2004<br />
im Landesverwaltungsamt in Halle eingeleitet. 191 Der geplante Kanal ist ca.<br />
7,5 km lang <strong>und</strong> in <strong>der</strong> oberen Haltung gedichtet. Er zweigt bei km 17,5 aus<br />
<strong>der</strong> Saale ab (bei Calbe), umgeht weiträumig die naturschutzfachlich be-<br />
deutsamen Bereiche am Saale-Unterlauf <strong>und</strong> mündet bei km 2,0 wie<strong>der</strong> in die<br />
Saale. Da kein Wehr vorgesehen ist, bleibt die Untere Saale wie bisher frei flie-<br />
ßend. Eine Schleuse sorgt da<strong>für</strong>, dass das Wasser im Kanal gehalten wird <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Höhenunterschied zwischen Ober- <strong>und</strong> Unterwasser des Kanals von ca. 3<br />
m überw<strong>und</strong>en werden kann. Ein Sperrtor am oberen Abzweig riegelt den<br />
Kanal bei Hochwasser ab. Die Deiche von <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale werden an die<br />
Schleuse bzw. das Sperrtor angeschlossen.<br />
191 Bündnis 90/Die Grünen (2004)
Abb. 36: Schleusenkanal Tornitz <strong>der</strong> unteren Saale<br />
Quelle: VHdS (2008)<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 211<br />
9.2.2. Die Begründung des Saaleausbaus (Planco 2004)<br />
Dem Raumordnungsverfahren vorausgegangen war eine Studie <strong>der</strong> Planco<br />
GmbH zur Bewertung des Ausbaus <strong>der</strong> Saale unterhalb Calbe, die hier kurz<br />
dargestellt werden soll.<br />
Die Ist-Situation (Vergleichsfall) <strong>und</strong> die Analyse <strong>der</strong> erwogenen Maßnahme<br />
(Planfall) werden verglichen. Im Vergleichsfall ist die Saale zwischen Halle <strong>und</strong><br />
Calbe <strong>für</strong> das teilbeladene Europaschiff ausgebaut. Für den unteren Teil <strong>der</strong><br />
Saale bestehen allerdings Hemmnisse <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>. PLANCO be-<br />
gründet den Bedarf eines Schleusenkanals mit unbefriedigenden Abladetie-<br />
fen <strong>und</strong> einem wirtschaftlichen Bedarf mit positivem Kosten-Nutzen-Faktor.<br />
Zur Begründung: Der untere Teil <strong>der</strong> Saale zwischen Calbe <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<br />
Mündung (ca. 20 km Länge) weist über größere Teile des Jahres unbefriedi-<br />
gende Abladetiefen auf 192 <strong>und</strong> kurzfristig stark schwankende Wasserstände<br />
erschweren die Abladeplanungen zusätzlich. Lt. Planco ist <strong>der</strong> untere Ab-<br />
schnitt <strong>der</strong> Saale ein wesentliches Hemmnis <strong>für</strong> die Kontinuität <strong>der</strong> Binnen-<br />
192 1,6 m an 180 Tagen, 1,8 m an 151 Tagen <strong>und</strong> 2,0 m an durchschnittlich 126 Tagen im Jahr<br />
im Mittel von 1971 bis 2000
212 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
schifffahrt auf <strong>der</strong> Saale. Der Streckenabschnitt ist gekennzeichnet durch<br />
„schwierige Befahrbarkeit“, u.a. durch felsigen Untergr<strong>und</strong>, wechselnde Tie-<br />
fen, Mäan<strong>der</strong> mit Kurvenradien <strong>der</strong> Mäan<strong>der</strong> bis zu 220 m, zudem sind ortsun-<br />
k<strong>und</strong>ige Schiffer auf Lotsendienste angewiesen.<br />
Erwogen wird daher ein Bau eines einschiffigen Schleusenkanals in diesem<br />
Streckenabschnitt zur Verbesserung <strong>der</strong> Ablade- <strong>und</strong> Fahrverhältnisse. Zur<br />
Verkürzung <strong>der</strong> Fahrtstrecke kommen weitere Vorteile hinzu: Leichtigkeit <strong>und</strong><br />
Sicherheit des Schiffsverkehrs <strong>und</strong> die Ausnutzung <strong>der</strong> Abladetiefen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
„Konkret bedeutet dies, dass <strong>für</strong> Wechselverkehre mit <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht mehr die<br />
Bedingungen auf <strong>der</strong> Saale, son<strong>der</strong>n diejenigen auf den jeweils zu passieren-<br />
den <strong>Elbe</strong>abschnitten die wasserstandsabhängige maximale Abladung <strong>der</strong><br />
Binnenschiffe begrenzen“. 193 Somit determinieren die Wasserstände <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
die Abladebedingungen <strong>der</strong> Saale <strong>und</strong> nicht umgekehrt. Konkret bedeutet<br />
dies, dass die Wasserstände <strong>der</strong> Strecke <strong>Elbe</strong> 5 194 nordwärts <strong>und</strong> <strong>der</strong> Strecke<br />
<strong>Elbe</strong> 1 195 südwärts die Beladung <strong>der</strong> Schiffe mit Start o<strong>der</strong> Ziel in Halle im Plan-<br />
fall begrenzen würden. 196<br />
9.3. Fazit<br />
Die Ausbaumaßnahmen an <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale zielen darauf ab, die Bedingun-<br />
gen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> zu verbessern. Dabei hängen die Maßnahmen an<br />
<strong>der</strong> Saale wesentlich auch von den Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ab.<br />
Für die <strong>Elbe</strong> ist nach Aussagen <strong>der</strong> Planungsverantwortlichen lediglich eine<br />
Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Schifffahrtsbedingungen, wie sie vor dem <strong>Elbe</strong>hoch-<br />
wasser 2002 herrschten, angestrebt. Maßnahmen, die über das Ziel hinausge-<br />
hen, seien unzulässig.<br />
Die Maßnahmen an <strong>der</strong> Saale sollen die bereits stauregulierten Teile <strong>der</strong> Saale<br />
erschließen.<br />
193 Vgl. PLANCO (2004) S. 6<br />
194 Rothenseer Verbindungskanal bis Saale-Mündung<br />
195 Dresden bis Schöna<br />
196 Die Strecke <strong>Elbe</strong> 1 determiniert die Abladetiefe <strong>der</strong> Saale-Verkehre nur im Fall des grenzüberschreitenden<br />
Verkehrs mit <strong>der</strong> Tschechischen Republik
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 213<br />
Die Schifffahrtsbedingungen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> werden nicht mit in diese Planung ein-<br />
bezogen. Nach dem Ausbau soll die Saale <strong>für</strong> Europaschiffe befahrbar sein<br />
<strong>und</strong> somit eine stabile Fahrrinnentiefe von durchschnittlich 2,50 m bereitstel-<br />
len. Jedoch steht diese Fahrrinnentiefe auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> lt. Planung an durch-<br />
schnittlich nur 180 Tagen zur Verfügung.<br />
Somit lassen die Wasserstände <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> den Ausbau als äußerst fragwürdig er-<br />
scheinen. Trotz einer durchschnittlichen Fahrrinnentiefe <strong>der</strong> Saale von 2,5 m<br />
werden Kleinwasserzuschläge nötig, auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Begrenzungen <strong>der</strong> Fahr-<br />
rinnentiefe <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>. Dies bedeutet, dass die Wettbewerbsfähigkeit auch <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> in Frage steht. Damit könnte angesichts <strong>der</strong> Investitionskosten<br />
<strong>der</strong> Druck auf eine Verbesserung <strong>der</strong> Fahrrinnentiefe <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wachsen. Je-<br />
doch wird betont, dass <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> politisch nicht gewollt sei.<br />
Auf den parallel verlaufenden Schienentrassen ist genügend Transportkapazi-<br />
tät vorhanden. 197<br />
197 Vgl. DB (2008)
214 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
10. Studien zu den Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Im Rahmen dieses Abschnitts werden zunächst die Prognosen bzgl. <strong>der</strong> Trans-<br />
porte <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> oberhalb von Magdeburg dargestellt,<br />
wobei zunächst auf die Daten des BVWP 2003 eingegangen wird <strong>und</strong> dann<br />
die Studien von LUB (2006) zur <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Planco (2004) zur Saale <strong>und</strong> eine UBA<br />
Studie zur „Umweltorientierten Bewertung von B<strong>und</strong>eswasserstraßenplanun-<br />
gen“, die sich auch mit <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit des Ausbaus <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> befasste,<br />
vorgestellt werden.<br />
10.1. Prognosen zu den Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
10.1.1. Entwicklung des Gütertransports auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nach BVWP<br />
Das Verkehrsaufkommen <strong>der</strong> gesamtdeutschen <strong>Binnenschifffahrt</strong> stagnierte in<br />
den letzten 30 Jahren zwischen 220 <strong>und</strong> 240 Mio. t. 198 Zukünftig erwartet<br />
PLANCO ein jährliches Wachstum <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> i.H.v. 2 % zusätzlich pro<br />
Jahr. 199 Diese Prognose bildete die Basis <strong>für</strong> den BVWP 2003 <strong>für</strong> die Voraus-<br />
schau des Aufkommens bis 2015 mit 86 Mrd. tkm (62 Mrd. tkm, 1997). In einem<br />
Gutachten von PROGTRANS wird von deutlich geringeren Wachstumsraten<br />
ausgegangen <strong>und</strong> zwar von 1,8% jährlich. Damit reduziert sich die prognosti-<br />
zierte Menge auf 74,5 Mrd. Gütertonnenkilometer. 200<br />
In Bezug auf Deutschland insgesamt haben sich die Prognosen bzgl. des<br />
Transportaufkommens <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> bislang in keiner Weise bestätigt,<br />
während sich die <strong>der</strong> Bahn, wie an an<strong>der</strong>er Stelle dargestellt, zumindest posi-<br />
tiv entwickelt haben.<br />
Die folgende Abbildung zeigt die Prognosen zur Entwicklung <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt <strong>und</strong> die reale Entwicklung bis zum Jahre 2005.<br />
198 Vgl. BMVBS (2005) S. 248 f.<br />
199 Vgl. PLANCO (2001)<br />
200 Vgl. PROGTRANS (2004)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 215<br />
Abb. 37: Vergleich <strong>der</strong> Binnenschiffsgüterverkehrsprognosen 2015 <strong>und</strong> 2025 <strong>für</strong> Deutschland in<br />
Mrd. tkm<br />
Quelle: BGL (2008) S. 18<br />
Es wird deutlich, dass die Prognosen, die dem BVWP zu Gr<strong>und</strong>e lagen, <strong>für</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> in Deutschland insgesamt bei weitem verfehlt werden. Die<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> entspricht von daher nicht den in<br />
den Prognosen gemachten Unterstellungen – auch preispolitische Maßnah-<br />
men, wie die Einführung <strong>der</strong> Maut – haben in diesem Sinne keine „Wende“<br />
herbeiführen können.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sind die Aussagen über das zukünftige Güterauf-<br />
kommen zu relativieren. Berechnungen des BVWP 2003 gehen von einer Stei-<br />
gerung <strong>der</strong> Verkehrsmenge in 2015 gegenüber 1997 unterhalb Magdeburgs<br />
von 80% (von 2,6 Mio. t auf 4,6 Mio. t) <strong>und</strong> oberhalb von Magdeburg gar von<br />
150% (von 1,5 Mio. t auf 3,8 Mio. t) aus. Mit dem Ausbau <strong>der</strong> Saale-Mündung<br />
werden zusätzlich bis zu 1,5 Mio. t p.a. erwartet, davon 1,2 Mio. t im Versand<br />
<strong>und</strong> ca. 0,2 Mio. t im Empfang. Ergebnisse <strong>der</strong> Abschätzung ergaben eine<br />
Dominanz <strong>der</strong> Relation Halle (Saale) – Magdeburg im Versand. 201<br />
201 Vgl. PLANCO (2004) S. 21 f.
216 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
10.1.2. LUB Studie (2006) 202<br />
Die Studie <strong>der</strong> LUB stellt zunächst das Ausbauziel <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> dar <strong>und</strong> analy-<br />
siert die Wettbewerbssituation zwischen den einzelnen Verkehrsträgern. In <strong>der</strong><br />
Folge werden die Verkehrsprognosen <strong>der</strong> BVWP’s bzgl. <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
dargestellt sowie eine von <strong>der</strong> LUB entwickelte eigene „aktualisierte“ Progno-<br />
se.<br />
Die Erreichung des Unterhaltungsziels <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> führt nach LUB (2006) dazu,<br />
dass das 2,5 m Ziel (50% des Jahres) <strong>und</strong> 1,60 m (95% des Jahres) eine <strong>für</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> verbesserte Situation schafft. Nunmehr soll an zusätzlichen<br />
55 Tagen die 2,50 m <strong>und</strong> an zusätzlichen 70 Tagen die 1,60 m zur Verfügung<br />
stehen. Mit den damit verb<strong>und</strong>enen Möglichkeiten <strong>der</strong> Bereitstellung verbes-<br />
serter Transportmöglichkeiten könnte die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt deutlich gestärkt werden.<br />
Allerdings verweist LUB einschränkend darauf hin, dass das Fachkonzept zur<br />
Unterhaltung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, welches zwischen dem Verkehrsministerium <strong>und</strong> dem<br />
Umweltministerium vereinbart wurde, nunmehr auf solche Unterhaltungsmaß-<br />
nahmen fokussiert, die sich an dem Zustand vor dem Augusthochwasser 2002<br />
orientieren. LUB weist darauf hin, dass das Ziel 1,6 m an 345 Tagen aufrecht<br />
erhalten wird, während das Ziel <strong>der</strong> 2,50 m an <strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Tage des Jahres<br />
in dem gegenwärtig verfolgten Fachkonzept nicht enthalten sei. Zudem sei<br />
das Ziel oberhalb von Dresden auf allein 1,5m festgelegt worden. Unklar bleibt<br />
bei <strong>der</strong> Analyse von LUB, welche Situation <strong>der</strong> Analyse zu Gr<strong>und</strong>e gelegt wird.<br />
Wettbewerbssituation<br />
Die LUB verweist darauf, dass die Bahn beim Gütertransport letztlich vom feh-<br />
lenden Wettbewerb im <strong>Elbe</strong>raum profitiert. LUB verweist auf die Befragung<br />
202 Vgl. LUB (2006)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 217<br />
von Bela<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Spediteuren, die angeblich mitteilten, dass die Bahntarife<br />
bei Massengütern im <strong>Elbe</strong>raum auf dem Niveau <strong>der</strong> Lkw Transporte liegen. 203<br />
Die Tarife lägen um 20-40% über den Tarifen, die die <strong>Binnenschifffahrt</strong> „bei<br />
stabilen Abladetiefen“ anbieten könnte. In <strong>der</strong> Folge werden diese Zahlen zu<br />
Gr<strong>und</strong>e gelegt <strong>und</strong> die potenziellen Transportkostenersparnisse von einzelnen<br />
Verla<strong>der</strong>n werden berechnet.<br />
Schließlich wird auf Kapazitätsengpässe <strong>der</strong> Bahn in dem Streckenabschnitt<br />
zwischen Dresden <strong>und</strong> Pirna verwiesen, die zumindest zu temporären Engpäs-<br />
sen bei <strong>der</strong> Bahn führen könnten.<br />
Prognosen<br />
Im Kontext des BVWP 92 wurde im Rahmen <strong>der</strong> NKA <strong>für</strong> die als erfor<strong>der</strong>lich<br />
angesehenen Strombaumaßnahmen ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 9,3 er-<br />
rechnet. Dabei wurde davon ausgegangen, dass im Jahre 2010 11,6 Mio. t<br />
oberhalb von Magdeburg transportiert werden sollten, inkl. <strong>der</strong> Saaleverkehre<br />
<strong>und</strong> 4,4 Mio. t. unterhalb von Magdeburg.<br />
Bei den Analysen zur Vorbereitung des BVWP wurden diese Zahlen (Verkehrs-<br />
mengen) deutlich nach unten reduziert, so wird nach diesen Prognosen nun<br />
davon ausgegangen, dass 4,6 Mio. t (2015) unterhalb Magdeburgs prognos-<br />
tiziert <strong>und</strong> 3,8 Mio. t oberhalb von Magdeburg.<br />
Dies stellt zwar noch immer eine deutliche Steigerung gegenüber <strong>der</strong> gegen-<br />
wärtigen Situation dar (auch im Vergleichfalls zu 1997), dennoch ist doch eine<br />
radikale Revision des Verkehrs oberhalb von Magdeburg vorgenommen wor-<br />
den.<br />
LUB entwickelt unter heroischen Annahmen eine „neue“ erweiterte Prognose.<br />
Begründet wird diese neue Prognose damit, dass in den Analysen zur Vorbe-<br />
reitung des BVWP 03<br />
• die Verkehre nach Tschechien zu zurückhaltend eingeschätzt wurden.<br />
203 Vgl. LUB (2006) S.27
218 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
• <strong>der</strong> Saaleausbau nicht berücksichtigt wurde.<br />
• das immense Wachstum <strong>der</strong> Containerverkehre nicht hinreichend be-<br />
rücksichtigt worden sei.<br />
• Schließlich wird behauptet, dass die LUB Prognose auf einer verbesser-<br />
ten Datenbasis bzgl. <strong>der</strong> Marktpreise <strong>der</strong> Verkehrsträger basiert.<br />
Im Ergebnis kommt LUB zu <strong>der</strong> folgenden Prognose 204 :<br />
Tab. 32: Prognosewerte nach <strong>der</strong> Studie <strong>der</strong> LUB (2006)<br />
Quelle: LUB (2006)<br />
Im Ergebnis bleibt LUB zwar unter den Prognosen, die dem BVWP 92 zu Grun-<br />
de lagen, geht aber von mehr als einer Verdoppelung des Aufkommens o-<br />
berhalb von Magdeburg aus.<br />
Bedauerlicherweise werden die Berechnungen, auf denen die „aktualisierte<br />
Prognose nach BVWP-Methodik“ basiert, nicht mitgeliefert, so dass ein Nach-<br />
vollzug <strong>der</strong> Berechnung nicht möglich ist.<br />
Die Annahmen sind dabei durchaus fragwürdig, ein zentraler Punkt, den LUB<br />
erwähnt, ist, dass auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> besseren Datenbasis bzgl. <strong>der</strong> Marktpreise ei-<br />
ne bessere Einschätzung gemacht werden könne. Dieses Argument verkennt<br />
die Anpassungsdynamik <strong>der</strong> Märkte, da LUB darlegt, dass die Bahn im Güter-<br />
verkehr in <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>region eher höhere Preise verlangt als in an<strong>der</strong>en Regio-<br />
204 Vgl. LUB (2006) S. 47
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 219<br />
nen 205 . Geht diese Annahme in die Prognose ein, dann wird die Dynamik <strong>der</strong><br />
Güterverkehrsmärkte nicht wirklich berücksichtigt. Unter verän<strong>der</strong>ten Wettbe-<br />
werbsbedingungen werden sich auch die Angebotspreise <strong>der</strong> einzelnen Gü-<br />
terverkehrsträger verän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> ob es dann zu Verlagerungen kommt, ist ei-<br />
ne Frage <strong>der</strong> Marktkräfte in <strong>der</strong> betreffenden Region.<br />
10.1.3. Planco Saaleausbau 206<br />
Die Planco Studie geht im Gr<strong>und</strong>satz ähnlich vor wie die Gutachter von LUB.<br />
Einerseits wird Bezug genommen auf die Revision <strong>der</strong> Daten über die Güter-<br />
verkehre auf <strong>der</strong> Saale von <strong>der</strong> BVWP 92 zur BVWP 03.<br />
Im Basisjahr <strong>der</strong> Prognosen zum BVWP 2003 (1997) wurden auf <strong>der</strong> Saale ca.<br />
87.000 t transportiert, die Transportmenge nahm in <strong>der</strong> Folge deutlich ab.<br />
Planco (2004) verweist in seiner Saalestudie darauf, dass die 1997 erstellte<br />
Prognose <strong>für</strong> den BVWP 2003, nach <strong>der</strong> bis zum Jahre 2015 das per Binnen-<br />
schiff transportierte Güteraufkommen auf <strong>der</strong> Saale auf 120.000 t ansteigen<br />
würde, als hochgradig optimistisch einzuschätzen sei. Eine Neubewertung <strong>der</strong><br />
Situation (ohne den Saaleausbau) von Planco geht davon aus, dass nur noch<br />
mit einem Aufkommen von ca. 36.000 t zu rechnen sei, also keine Entwicklung<br />
in Relation zum Jahre 2000 zu erwarten sei.<br />
Die Planco Untersuchung geht in vier Schritten vor,<br />
• zunächst werden die Analysen <strong>der</strong> Verkehrsprognose des BVWP 2003<br />
<strong>für</strong> das Jahr 2015 zu Gr<strong>und</strong>e gelegt<br />
• in einem zweiten Schritt wurde das Aufkommen sowie <strong>der</strong> Verbrauch<br />
<strong>der</strong> binnenschiffsaffinen Güter in <strong>der</strong> relevanten Region analysiert (Be-<br />
fragung <strong>der</strong> verladenden Wirtschaft (bottom-up) um Verlagerungspo-<br />
tenziale zu identifizieren<br />
205 LUB stellt fest, dass die Bahntarife auf gleicher bzw. ähnlicher Höhe liegen, wie die des<br />
Lkw’s <strong>und</strong> sich offensichtlich deutlich von den Angeboten <strong>der</strong> Bahn in an<strong>der</strong>en Regionen unterscheidet.<br />
206 Vgl. Planco (2004)
220 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
• in einem dritten Schritt wurde auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Güterverkehrsentwick-<br />
lung des Zeitraumes 1997 <strong>und</strong> 2002 eine Plausibilitätsprüfung vorge-<br />
nommen<br />
• in einem vierten Schritt wurden potenzielle Aufkommensverlagerungen<br />
an Hand von Transportkostenvergleichsrechnungen durchgeführt (Da-<br />
tenbasis Unternehmens- <strong>und</strong> Hafenbefragungen)<br />
Die Daten, die in die Prognose (1997) eingeflossen sind, wurden aktualisiert, so<br />
wird bspw. festgestellt, dass sich die Getreideexporte <strong>und</strong> <strong>der</strong> Export von In-<br />
dustriesalzen über den Seehafen Hamburg deutlich erhöht haben. Diese<br />
Mengenströme werden in <strong>der</strong> Folge als Ausgangsbasis <strong>für</strong> die aktualisierte<br />
Prognose unter den Bedingungen des Ausbaus genommen.<br />
In <strong>der</strong> Folge werden Transportkostenvergleichsrechnungen vorgenommen,<br />
um abzuschätzen, inwieweit die Verlagerungspotenziale auch erschlossen<br />
werden können. Dies geschieht auf <strong>der</strong> Basis von empirischen Erhebungen<br />
des status quo. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass die Transportkosten auf <strong>der</strong><br />
Saale bzw. den Saalehäfen deutlich über denjenigen Kosten liegen, die in<br />
Vergleichshäfen erhoben werden (Wobei insbeson<strong>der</strong>e darauf verwiesen<br />
wird, dass offenbar eine Art Risikoaufschlag in fast prohibitiver Höhe erhoben<br />
wird, auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> schwierigen Schifffahrtsbedingungen auf <strong>der</strong> Saale). Die<br />
Binnenschiffsfrachten werden auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Preise des Magdeburger Ha-<br />
fens berechnet (angepasst an die verän<strong>der</strong>ten Relationen <strong>und</strong> Bedingun-<br />
gen).<br />
Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> hier nur grob skizzierten Rahmenbedingungen geht Planco<br />
im Falle des Ausbaus <strong>der</strong> unteren Saale davon aus, dass im Jahre 2015 ein<br />
Gesamtaufkommen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> von 1,5 Mio. t. erwartet werden<br />
kann (davon 1,3 Mio. t im Versand <strong>und</strong> 0,2 Mio. t im Empfang).<br />
Dabei wird davon ausgegangen, dass es zu umfassenden Verlagerungen von<br />
an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern kommt <strong>und</strong> zwar zu 48% von <strong>der</strong> Bahn <strong>und</strong> 40%<br />
vom LKW. Diese Abschätzung wird von den Gutachtern als vorsichtig be-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 221<br />
zeichnet. Dem ist zumindest insofern zuzustimmen, als <strong>der</strong> Verein zur Hebung<br />
<strong>der</strong> Saaleschifffahrt den Ausbau <strong>der</strong> Saale u.a. mit <strong>der</strong> Begründung for<strong>der</strong>t,<br />
dass direkt verlagerbare Mengen in Höhe von 2,5 Mio. t <strong>und</strong> weiteren mögli-<br />
chen 1,1 Mio. t existieren würden.<br />
Die von Planco ermittelten Mengen gehen in die Nutzen-Kosten-Analyse ein<br />
<strong>und</strong> es wird ein Nutzen-Kosten Verhältnis <strong>für</strong> die Ausbaumaßnahmen (Schleu-<br />
senkanal) in Höhe von 2,3 festgestellt, in begleitenden Sensitivitätsberechnun-<br />
gen wird die Stabilität des Ergebnisses nachgewiesen. 207<br />
Die Analyse von Planco geht dabei davon aus, dass <strong>der</strong> limitierende Faktor in<br />
<strong>der</strong> Tat alleine die Saalemündung darstellt, die Fahrbedingungen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
werden in <strong>der</strong> Studie nicht als Hemmnis <strong>für</strong> die Saaleschifffahrt angesehen.<br />
Vergleich <strong>der</strong> Studien von LUB <strong>und</strong> Planco<br />
Vergleicht man nun die beiden Studien, so wird deutlich, dass die Herange-<br />
hensweise sowohl hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als auch <strong>der</strong> Saale sehr ähnlich sind,<br />
indem einerseits darauf verwiesen wird, dass die Prognosedaten aus dem<br />
Jahre 1997 „aktualisiert“ wurden, regionale Analysen bzw. Befragungen <strong>der</strong><br />
ansässigen Unternehmen vorgenommen wurden <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits konkrete<br />
aktuelle Transportpreise einbezogen wurden. Damit wird eine “bottom-up“<br />
Analyse vorgenommen. Diese aktualisierten Daten werden in <strong>der</strong> Folge in die<br />
Systematik <strong>der</strong> BVWP eingespeist, ohne dass allerdings die dazu gehörigen<br />
Datensätze mit publiziert wurden. Planco geht insofern weiter, als sie eine „ak-<br />
tualisierte“ Nutzen-Kosten-Analyse durchführt <strong>und</strong> die Wirtschaftlichkeit des<br />
Ausbaus nachweist, was von LUB nicht geleistet wird.<br />
Ein Gr<strong>und</strong>problem dieser Vorgehensweisen ist generell, dass das Datengerüst<br />
<strong>der</strong> BVWP <strong>für</strong> die spezifischen Kontexte verän<strong>der</strong>t wird. Dies ist im Hinblick auf<br />
das Verfahren <strong>der</strong> BVWP insofern unbefriedigend, als <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esverkehrswe-<br />
207 Wobei darauf hinzuweisen ist, dass dieses Nutzen Kosten Verhältnis außerordentlich gering<br />
ist, eine Vielzahl von Vorhaben des BVWP liegen deutlich darüber.
222 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
geplan im Gr<strong>und</strong>satz gerade das Ziel hat, die unterschiedlichen potenziellen<br />
Infrastrukturinvestitionen im Hinblick auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis zu ran-<br />
ken, um solche Investitionen zu identifizieren, die das beste Nutzen-Kosten-<br />
Verhältnis haben. Die Aktualisierung <strong>der</strong> Daten <strong>für</strong> einzelne Investitionsvorha-<br />
ben (wie am Beispiel <strong>der</strong> Saale) passt insofern nicht in das Verfahren <strong>der</strong><br />
BVWP. Im Gr<strong>und</strong>satz wäre eine völlige Neuaufstellung des BVWP erfor<strong>der</strong>lich<br />
um dieses Ranking realisieren zu können.<br />
Die Prognosen von Planco (2004) werden in <strong>der</strong> „neuen“ Prognose von LUB<br />
nicht übernommen, vielmehr werden die Daten zu den möglichen Verkehren<br />
auf <strong>der</strong> Saale direkt vom Verein zur Hebung <strong>der</strong> Saaleschifffahrt in Höhe von<br />
2,5 Mio. t übernommen. Insofern existiert hier eine gewisse Beliebigkeit in <strong>der</strong><br />
Erfassung <strong>der</strong> Daten.<br />
10.1.4. Studie „Umweltorientierte Bewertung von B<strong>und</strong>eswasserstraßenpla-<br />
nungen“ 208<br />
Alternative Vorgehensweisen im Kontext <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esverkehrswegeplanung<br />
Das <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Wirtschaftspolitik <strong>und</strong> Wirtschaftsforschung (IWW) hatte im Jahre<br />
1999 eine Studie „Entwicklung eines Verfahrens zur Aufstellung umweltorien-<br />
tierter Fernverkehrskonzepte als Beitrag zur B<strong>und</strong>esverkehrswegeplanung“ im<br />
Auftrag des UBA durchgeführt. Eines <strong>der</strong> Ziele <strong>der</strong> Studie war es, ein Verfahren<br />
zur umweltorientierten Bewertung von Fernverkehrskonzepten zu entwickeln.<br />
Im Ergebnis dieser Studie wurde vorgeschlagen, „Natur- <strong>und</strong> Umweltbelange<br />
nicht innerhalb des BVWP Verfahrens gegeneinan<strong>der</strong> abzuwägen, son<strong>der</strong>n<br />
bestimmte Natur- <strong>und</strong> Umweltbelange gegeneinan<strong>der</strong> abzuwägen“, wie<br />
bspw. die nicht kompensierbare Zerstörung von Naturräumen. Die umweltori-<br />
entierten Fernverkehrskonzepte sollten dann in einer verän<strong>der</strong>ten Vorgehens-<br />
weise analysiert werden, indem zunächst die Umweltziele <strong>und</strong> <strong>Stand</strong>ards vor-<br />
gegeben werden. Die in <strong>der</strong> Folge entwickelten Szenarien werden daraufhin<br />
untersucht, inwieweit sie die (Umwelt-) Ziele einhalten. Sind mehrere Varianten<br />
208 UBA (2002)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 223<br />
geeignet diese Ziele einzuhalten, wird eine ökonomische Analyse zum Ver-<br />
gleich <strong>der</strong> Alternativen (die die Umweltziele einhalten) durchgeführt.<br />
Diese Gr<strong>und</strong>vorstellung wird im Rahmen des Vorhabens „Umweltorientierte<br />
Bewertung von B<strong>und</strong>eswasserstraßenplanungen“ einbezogen <strong>und</strong> es wurden<br />
die ökologischen aber auch die ökonomischen Wirkungen eines Referenzsze-<br />
narios sowie Szenarien des Ausbaus bzw. auch Rückbaus <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> analysiert.<br />
Das Rückbauszenario wurde im Wesentlichen auf die mittlere <strong>Elbe</strong> bezogen<br />
(bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>seitenkanal hinreichende Transportmöglichkeiten bietet).<br />
Die ökonomische Bewertung, also auch die Nutzen-Kosten-Analyse, wurde in<br />
Anlehnung an die Verfahren des BVWP 92 durchgeführt, in dem Annahmen<br />
über die Strukturdaten u.a. bzgl. des Wirtschaftswachstums in West- <strong>und</strong> Ost-<br />
europa vorgegeben wurden. Die von Planco 1998 erstellten Prognosen (in<br />
Vorbereitung des BVWP 03) beruhten auf einer modifizierten BVWP 92 Progno-<br />
se <strong>für</strong> das Jahr 2010. Diese kam zu dem Ergebnis, dass die Prognosen im Bin-<br />
nenverkehr um 8,9% <strong>und</strong> im grenzüberschreitenden Verkehr um 11% niedriger<br />
lagen (im Vergleich zur Prognose 1992).<br />
Eines <strong>der</strong> Ergebnisse von Planco war in diesem Zusammenhang, dass <strong>der</strong><br />
Containerverkehr von Hamburg nach Magdeburg <strong>und</strong> Berlin über ein hinrei-<br />
chendes Potenzial verfügt, um Verlagerungspotenziale von <strong>der</strong> Straße auf das<br />
Binnenschiff zu ermöglichen. Explizit wird allerdings auch erwähnt, dass die Re-<br />
lationen nach Aken, Dresden <strong>und</strong> Prag nicht über „genügend wirtschaftliches<br />
Potenzial verfügen um hier einen regelmäßigen <strong>und</strong> rentablen Containerver-<br />
kehr zu etablieren“.<br />
Die vom IWW durchgeführte Nutzen-Kosten-Analyse auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> neuen<br />
Daten kommt zu einem Nutzen-Kosten Verhältnis von 0,68. Damit wären die<br />
Investitionen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht unrentabel. 209<br />
209 Vgl. IWW (2002)
224 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Das IWW unternimmt eine geson<strong>der</strong>te Betrachtung des Ausbaus <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> o-<br />
berhalb von Magdeburg. Der Ausbau zwischen Magdeburg <strong>und</strong> Dresden<br />
würde zu einer Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schifffahrtsflotte führen, so dass Schiffe mit<br />
größerer Kapazität eingesetzt werden könnten. Dies mit <strong>der</strong> Folge, dass Kos-<br />
tensenkungen zu erwarten wären. In <strong>der</strong> Folge wird davon ausgegangen,<br />
dass sich <strong>der</strong> Modal Split verän<strong>der</strong>t <strong>und</strong> 50% <strong>der</strong> Massengüter von <strong>der</strong> Bahn<br />
auf das Binnenschiff verlagert werden.<br />
Die Nutzen dieses Ausbaus nach <strong>der</strong> BVWP ergeben sich vorrangig durch die<br />
Verlagerung des Gütertransports (in geringerem Umfang werden die induzier-<br />
ten Beschäftigungseffekte <strong>und</strong> die Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Geräuschbelastung<br />
wirksam). Nutzenmin<strong>der</strong>nd sind dabei die steigenden Erhaltungskosten – in<br />
<strong>der</strong> Summe kommt das IWW zu dem Ergebnis, dass das Nutzen Kosten Ver-<br />
hältnis unter 1 liegt <strong>und</strong> damit nicht zu rechtfertigen sei.<br />
Fazit <strong>der</strong> Analyse: „als Ergebnis aus verkehrlicher <strong>und</strong> wirtschaftlicher Sicht er-<br />
scheint die Rückstufung (hinsichtlich <strong>der</strong> Schiffbarkeit d.V.) unterhalb Magde-<br />
burgs angezeigt, zumal sich <strong>der</strong> Güterverkehr ohnehin auf die alternative Rou-<br />
te über die Kanäle verlagern wird. Ein Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> oberhalb Magdeburgs<br />
ergibt nur einen geringen wirtschaftlichen Nutzen, <strong>der</strong> durch die Kosten deut-<br />
lich übertroffen wird <strong>und</strong> ist daher ökonomisch nicht sinnvoll“.<br />
Dies wird weiterhin begründet mit dem Hinweis, dass die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> auf dieser Strecke gering sein wird <strong>und</strong> nur geringe Güter-<br />
mengen zu erwarten sind. „Hier stellt sich auch die Frage, ob es sinnvoll ist,<br />
zwei verlustbringende Verkehrsträger parallel zu för<strong>der</strong>n. Dies in einem Markt-<br />
bereich, nämlich dem Massengüterverkehr, <strong>der</strong> in Zukunft schrumpfen wird.“<br />
10.1.5. Prognosen zu grenzüberschreitendem Transport nach Tschechien<br />
Tschechische Prognosen bzgl. des internationalen Verkehrs rechnen bis zum<br />
Jahre 2015 mit einem Gütertransport von 1,5 Mio. t <strong>und</strong> gehen damit von ei-<br />
ner Steigerung um ca. 20 % aus (Containertransporte sind dabei nicht inbe-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 225<br />
griffen). Für das Jahr 2020 wird mit einer Menge von 2,0-2,5 Mio. t gerechnet<br />
<strong>und</strong> damit einer Zunahme des Transports per Binnenschiff um 60 bis 100%. 210<br />
In <strong>der</strong> Summe bleibt festzuhalten, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Tschechien ei-<br />
nen sehr geringen Anteil an den transportierten Gütern hat, dass im Export<br />
1,4% <strong>der</strong> Güter per <strong>Binnenschifffahrt</strong> transportiert werden <strong>und</strong> dass auch die<br />
Schifffahrt im Binnenverkehr von Tschechien eine untergeordnete Rolle spielt,<br />
trotz einer auf weiten Strecken ausgebauten Wasserstraße. Der Anteil des Bin-<br />
nenschiffs an den Transporten ist damit vergleichbar mit denen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt.<br />
10.1.6. Fazit<br />
Die unterschiedlichen Studien kommen zu durchaus heterogenen Aussagen.<br />
Die bottom-up Ansätze sowohl von LUB als auch von Planco aktualisieren die<br />
Datenbasis <strong>der</strong> BVWP insbeson<strong>der</strong>e durch die regionale Analysen, also durch<br />
die Befragung von Unternehmen, Verla<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Spediteuren <strong>und</strong> identifizie-<br />
ren binnenschiffsaffine Güter, die gegenwärtig aus unterschiedlichen Grün-<br />
den (insbes. die begrenzte Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>) nicht per<br />
Binnenschiff transportiert werden. Aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Transportpreise in <strong>der</strong><br />
Region (Bahn, LKW), die als relativ hoch angesehen werden <strong>und</strong> den poten-<br />
ziellen Angebotsmöglichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (im Hinblick auf die Trans-<br />
portpreise) wird c.p. davon ausgegangen, dass ein erheblicher Teil <strong>der</strong> Mas-<br />
sengüter per <strong>Binnenschifffahrt</strong> abgewickelt werden könnte.<br />
In beiden Fällen bleibt unklar, welche Schifffahrtsbedingungen unterstellt<br />
werden. Bei Planco werden Fahrbedingungen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> unterstellt, die nur be-<br />
grenzt realistisch sind, LUB verweist auf die politischen Vereinbarungen, die al-<br />
lerdings im Gr<strong>und</strong>satz das eigene Szenario in Frage stellen.<br />
Die Fragen, die mit <strong>der</strong> PIK Studie aufgeworfen wurden, werden nicht thema-<br />
tisiert (Planco hat seine Analyse allerdings vor <strong>der</strong> PIK Studie erstellt), LUB ver-<br />
210 Vgl. LUB (2002)
226 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
weist auf Untersuchungen <strong>der</strong> BfG, die bald zur Verfügung stünden <strong>und</strong> keine<br />
relevanten Verän<strong>der</strong>ungen nachwiesen.<br />
Bei den Annahmen über die künftigen verlagerbaren Mengen geht Planco<br />
zumindest in Relation zu LUB „konservativ“ vor <strong>und</strong> übernimmt nicht allein die<br />
Zahlen <strong>der</strong> regionalen Interessenverbände. Beide Studien gehen davon aus,<br />
dass zwar die Prognosen, die dem BVWP 92 zu Gr<strong>und</strong>e lagen, überhöht wa-<br />
ren, gleichwohl kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ganz be-<br />
son<strong>der</strong>s die Studie von LUB im Gr<strong>und</strong>satz alle <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
als erschließbar ansieht.<br />
Die Studie „Umweltorientierte Bewertungen von B<strong>und</strong>eswasserstraßen“ ver-<br />
folgt den top-down Ansatz <strong>der</strong> BVWP <strong>und</strong> geht von den prognostizierten Gü-<br />
terverkehren aus. Die Studie verweist insbeson<strong>der</strong>e auf die geringe Wirtschaft-<br />
lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> oberhalb von Magdeburg <strong>und</strong> kommt zu zwei<br />
wesentlichen Ergebnissen: Erstens werden die Ausbaumaßnahmen oberhalb<br />
von Magdeburg als unwirtschaftlich angesehen, da die Kosten die Nutzen<br />
überschreiten, zweitens stellt sie fest, dass die Nutzenbestandteile sich ganz<br />
überwiegend aus den Verlagerungen ergeben <strong>und</strong> schließlich wird die Frage<br />
aufgeworfen, inwieweit die För<strong>der</strong>ung paralleler Infrastrukturen, die insbeson-<br />
<strong>der</strong>e auf den in <strong>der</strong> Summe eher schrumpfenden Markt <strong>der</strong> Massengüter ori-<br />
entiert sind, eine sinnhafte Strategie darstellt.<br />
10.2. Studien von LUB <strong>und</strong> Planco zu konkreten Verlagerungspotenzialen zu<br />
Gunsten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
10.2.1. Verlagerungspotenzial durch Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> – Studie LUB 2002<br />
Die LUB-Consulting GmbH geht davon aus, dass insbeson<strong>der</strong>e die ganzjährige<br />
Kontinuität <strong>der</strong> Transportmöglichkeiten in Verbindung mit Zuverlässigkeit <strong>und</strong><br />
Pünktlichkeit die zentrale Voraussetzung da<strong>für</strong> darstellt, dass Verla<strong>der</strong> einen<br />
Verkehrsträger nutzen. Auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ist diese Kontinuität in vielen Jahren nicht<br />
gegeben. Um eine Steigerung des Transports durch die <strong>Binnenschifffahrt</strong> zu er-<br />
reichen, ist es demzufolge unabdingbar, dass Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> reali-<br />
siert werden, die diese Kontinuität <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ermöglichen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 227<br />
Die LUB führt eine Entwicklungspotenzial-Analyse durch, sie versucht solche<br />
Verkehrsmengen zu identifizieren, die im Jahre 2001 unter stabilen Schiff-<br />
fahrtsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Binnenschiff trans-<br />
portiert worden wären (<strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> ungenügen<strong>der</strong> Tauchtiefen nicht reali-<br />
siert wurden). Mit an<strong>der</strong>en Worten handelt es sich um Güteraufkommen, die<br />
nach Ansicht <strong>der</strong> LUB nach <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong> Regulierungsmaßnahmen<br />
hätten transportiert werden können.<br />
Methodisch wird das Entwicklungspotenzial <strong>der</strong> Ausbaumaßnahmen folgen-<br />
den Überlegungen entnommen:<br />
(a) Verkehrsmengen mit Quelle/Ziel im Untersuchungsraum,<br />
(b) binnenschiffsaffine Güter, die mit an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern zu technisch<br />
o<strong>der</strong> preislich ungünstigen Bedingungen transportiert werden <strong>und</strong><br />
(c) Annahme verbesserter Abladetiefen mit durchschnittlich 1000 t.<br />
Das prognostizierte zusätzliche Güterverkehrsaufkommen setzt sich wie folgt<br />
zusammen:<br />
(a) Gutmengen, die per Binnenschiff transportiert werden, jedoch per Vor-<br />
<strong>und</strong> Nachlauf von o<strong>der</strong> zu Binnenhäfen unterhalb des Untersuchungs-<br />
raums transportiert werden<br />
(b) Schiffstransporte, die nachweislich aufgr<strong>und</strong> von Niedrigwasser nicht zu<br />
<strong>Stand</strong>e gekommen sind, weil die Niedrigwasserzuschläge den Transport<br />
auf dem Wasser unwirtschaftlich gemacht haben, o<strong>der</strong> weil <strong>der</strong> Schiffs-<br />
transport gänzlich eingestellt wurde<br />
(c) Zusätzliche Verkehre mit hoher Verlagerungswahrscheinlichkeit, d.h.<br />
wenn Schiffsverkehre unter normalen Bedingungen preislich o<strong>der</strong> tech-<br />
nisch günstiger sind<br />
Unter obigen Annahmen ist ein zusätzliches Aufkommen von insgesamt 4,272<br />
Mio. t (4.272 Schiffe) ermittelt worden. Davon entfallen 3,591 Mio. t (3.591<br />
Schiffe) auf den Empfang <strong>und</strong> Versand aus <strong>und</strong> in die Region <strong>und</strong> anteilig<br />
0,680 Mio. t (680 Schiffe) auf den Transitverkehr mit Tschechien.
228 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Außer den Containertransporten handelt es sich bei den angenommen Men-<br />
gen um Massengüter (insb. Getreide, Dünger, Schrott), die gegenüber Nied-<br />
rigwasserzuschlägen beson<strong>der</strong>s preissensitiv sind (allerdings bleibt anzumer-<br />
ken, dass diese Preissensitivität auch davon abhängt, welche Alternativen des<br />
Transports überhaupt existieren. Geht man von dem Verkehrsträger Lkw aus,<br />
so würde dies bedeuten, dass die Transporte per Lkw nur unwesentlich teurer<br />
sind als per Binnenschiff, so dass die gestaffelten Kleinwasserzuschläge schon<br />
frühzeitig die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Frage stellen).<br />
Nach Ansicht <strong>der</strong> LUB ist jedoch <strong>der</strong> Vorteil des Schifftransports so groß, dass<br />
Verla<strong>der</strong> die Massengüter zum nächstmöglichen schiffbaren Binnenhafen o-<br />
berhalb von Magdeburg bringen <strong>und</strong> bis zu 30% Mehrkosten gegenüber dem<br />
direkten Schifftransport in Kauf nehmen würden. Die gesamte Ausfallmenge<br />
wird auf 16% des Entwicklungspotenzials (ca. 696.000 t) geschätzt.<br />
Laut LUB liegt <strong>der</strong> Anteil des Entwicklungspotenzials bei rd. 30% (1,2 Mio. t), die<br />
auf <strong>der</strong> Saale nach Ausbau <strong>der</strong> Saalemündung hätten transportiert werden<br />
können.<br />
Im grenzüberschreitenden Verkehr mit Tschechien wird eine zusätzliche Verla-<br />
gerungsmenge von etwa 1,0 Mio. t Güter geschätzt.<br />
Schließlich ermittelt die LUB im Container-Verkehr eine Zusatzmenge von rd.<br />
10.000 TEU (4.000 TEU Wechselverkehr mit Tschechien, Ausfall 2001 von 1.600<br />
TEU nach Aken, Container-Bahnverkehr Hamburg-Riesa, <strong>und</strong> weitere).<br />
Eine Gesamtübersicht <strong>der</strong> Entwicklungspotenziale des Binnenwassergüterver-<br />
kehrs <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-Region unter <strong>der</strong> Annahme des Ausbaus ist aus <strong>der</strong> folgenden<br />
Abbildung zusammenfassend zu entnehmen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 229<br />
Tab. 33: Potenzial <strong>der</strong> Güterströme im Untersuchungsraum nach Häfen<br />
Quelle: eigene Erhebungen <strong>der</strong> LUB (2002)<br />
Konkrete Beispiele <strong>der</strong> LUB bzgl. <strong>der</strong> Verlagerungsmöglichkeiten<br />
Die Stickstoffwerke Piesteritz GmbH hat eine Wasserstraßenanbindung über ih-<br />
ren eigenen Werkshafen. Sie kann die Kapazität des Hafens allerdings nicht<br />
voll nutzen, weil die Schifffahrtsbedingungen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> dies nicht gewähr-<br />
leisten. Ausweichverkehre erfolgen per Bahn zum Mittellandkanal, wo die wei-<br />
tere Distribution erfolgt.<br />
Ein Getreidehändler fährt jährlich 450.000 t Getreide aus Roßlau nach Mag-<br />
deburg, um es wasserseitig weiter zu transportieren, obwohl Roßlau über ei-<br />
nen <strong>Elbe</strong>hafen verfügt. Die Niedrigwasserzustände ließen keine wettbewerbs-<br />
fähigen Angebote zu.<br />
Eine Weizenstärkefabrik in Barby bezieht große Mengen Weizen aus dem Um-<br />
land. In diesem Gebiet sind auch Einzugsorte, die in <strong>der</strong> Nähe von Elbhäfen<br />
liegen, so dass geschätzte 100.000 t Weizen jährlich auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> potenziell<br />
transportiert werden könnten. Im Versand verfrachtet die Fabrik rd. 60.000 t<br />
Futtermittel jährlich im Lkw-Vorlauf zum Mittellandkanal. Die Fabrik hat eine
230 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Garantie zur wasserseitigen Verlagerung ihrer Produktionsmengen abgege-<br />
ben, falls die in unmittelbarer Nähe liegende Binnenschiff-Verladestelle saniert<br />
wird. Nicht zuletzt dadurch, dass die Produktion trotz Nachfrage nicht ange-<br />
hoben werden kann, weil die werksseitige LKW-Abfertigung überlastet ist.<br />
Ein Elbkies vermarktendes Unternehmen in Mühlberg hat aufgr<strong>und</strong> ungünsti-<br />
ger Wasserstandsverhältnisse ihren <strong>Elbe</strong>-Werkshafen geschlossen <strong>und</strong> trans-<br />
portiert nun rd. 50.000 t Kies p.a. mit <strong>der</strong> Bahn nach Magdeburg zum Weiter-<br />
transport per Binnenschiff. Weitere Bahntransporte erfolgen nach Riesa <strong>und</strong><br />
Dresden.<br />
Bei günstigen Schifffahrtsbedingungen bestünde Potenzial <strong>für</strong> Transporte von<br />
500.000 t p.a. zwischen Mühlberg <strong>und</strong> Hamburg.<br />
10.2.2. Verlagerungspotenziale auf <strong>der</strong> Saale (Planco 211 )<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> „bottom-up“ Analyse hat Planco durch die Befragung von<br />
Verla<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Unternehmen folgende Verlagerungspotenziale <strong>für</strong> das Bin-<br />
nenschiff in <strong>der</strong> Saaleregion identifiziert:<br />
Getreideversand<br />
Planco stellt fest, dass die ansässigen Getreidehändler ein starkes Interesse an<br />
<strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> an <strong>der</strong> Saale haben, insbeson<strong>der</strong>e verweist Planco dar-<br />
auf, dass gegenwärtig gebrochen <strong>Binnenschifffahrt</strong>stransporte über die MLK<br />
Häfen vorgenommen werden.<br />
Empfang Futtermittel<br />
Die Kraftfuttermittelwerke in <strong>der</strong> Region importieren über den Hamburger Ha-<br />
fen Soja, Fischmehl <strong>und</strong> Topaia, diese werden gegenwärtig mit dem gebro-<br />
chenen Verkehr über den MLK abgewickelt<br />
211 Planco (2004)
Versand von Eisen- <strong>und</strong> Stahlschrott<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 231<br />
Dieser stellt ein Potenzial <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> dar, da in <strong>der</strong> Region keine<br />
Verwertung möglich sei. Da die Verwertungsbetriebe (Elektrostahlwerke), wie<br />
Riesa <strong>und</strong> Peine etc., an Wasserstraßen liegen, besteht damit ein erhebliches<br />
Transportpotenzial <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
Versand Steine Erden<br />
Die Saaleregion stellt ein bedeutendes Abbaugebiet <strong>für</strong> Sand, Ton Kies etc.<br />
dar. Diese Betriebe „exportieren“ zunehmend <strong>und</strong> versuchen offenbar Märkte<br />
außerhalb <strong>der</strong> Region zu erschließen.<br />
Düngemittel<br />
Die Existenz von Düngemittelhändlern in <strong>der</strong> Region wird als Chance gesehen,<br />
dass diese Stoffe <strong>für</strong> die Landwirtschaft auf <strong>der</strong> Saale transportiert werden<br />
könnten.<br />
Versand von Industriesalzen<br />
In Bernburg werden ca. 1,5 Mio. t Salze abgebaut (Tochterunternehmen von<br />
Solvay <strong>und</strong> K&S). Darin sieht Planco erhebliche <strong>Potenziale</strong> <strong>für</strong> die Binnenschiff-<br />
fahrt. So konnte Planco feststellen, dass ein Unternehmen eine Schiffs-<br />
Verladeanlage einschl. einer Zuför<strong>der</strong>anlage vom Werk bauen würde, wenn<br />
die Ausbaumaßnahmen erfolgen würden.<br />
Versand Soda<br />
Solvay transportiert in erheblichem Umfang Soda, insbeson<strong>der</strong>e an die Glas-<br />
industrie. Gegenwärtig werden die Transporte zu 2/3 per Lkw <strong>und</strong> zu einem<br />
Drittel per Bahn abgewickelt. Sollte die Saale ausgebaut sein, dann würde in<br />
neue Verladeeinrichtungen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> investiert werden.<br />
In <strong>der</strong> Summe kann festgehalten werden, dass Planco Interessen <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong><br />
analysiert hat, die potenziell die <strong>Binnenschifffahrt</strong> nutzen würden, wenn die<br />
Schifffahrtsbedingungen so verän<strong>der</strong>t würden, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ei-
232 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
nerseits kontinuierliche Transporte sicherstellen könnte <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die<br />
Transportkosten deutlich verringert würden. Ob das Verlagerungspotenzial<br />
tatsächlich realisiert werden kann, ist davon abhängig, inwieweit sich die<br />
Transportkostenvorteile realisieren lassen. Es stellen sich hierbei die Fragen, ob<br />
die angestrebten Fahrrinnentiefen (<strong>Elbe</strong>) realisiert werden können <strong>und</strong> ob<br />
damit die Transportkostenvorteile erschlossen werden. Schließlich geht es dar-<br />
um, welche Anpassungsreaktionen bei den Wettbewerbern (Bahn/Lkw) zu<br />
erwarten sind.<br />
10.2.3. Fazit<br />
Die Vorgehensweise <strong>der</strong> Identifikation <strong>der</strong> Verlagerungspotenziale ist in <strong>der</strong><br />
Regel immer ähnlich, sei es zur Begründung des Saaleausbaus (Planco Studie)<br />
o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Elbvertiefung (LUB). Es werden einzelne Unternehmen identifi-<br />
ziert, die Massengüter transportieren <strong>und</strong> die in <strong>der</strong> Folge befragt werden, ob<br />
<strong>und</strong> inwieweit sie via Binnenschiff transportieren würden o<strong>der</strong> könnten.<br />
Die Antworten <strong>der</strong> potenziellen Verla<strong>der</strong> sind dabei immer auch strategisch zu<br />
sehen, die Aussage, dass sie mit dem Binnenschiff transportieren <strong>und</strong> damit<br />
wesentlich Transporte verlagert werden würden ist <strong>für</strong> die Antwortenden kos-<br />
tenfrei, sie tragen nicht die Kosten <strong>für</strong> den Ausbau, können aber von einem<br />
Ausbau profitieren. Nicht zuletzt auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Möglichkeit die unterschiedli-<br />
chen Güterverkehrsträger zueinan<strong>der</strong> in den Wettbewerb zu setzen wird eine<br />
Verbilligung des Gütertransports erreicht. Wie die von LUB dargestellten Bei-<br />
spiele verdeutlichen, geht es in <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Fälle um ange-<br />
strebte Verlagerungen von <strong>der</strong> Bahn auf das Binnenschiff, eine, wie beschrie-<br />
ben, keineswegs ökologische Alternative.<br />
In an<strong>der</strong>en Fällen wird insofern ein Problem deutlich, dass eine schienenseitige<br />
Verbindung nicht angeboten wird.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 233<br />
11. Entwicklung des Transportaufkommens auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
11.1. Transportaufkommen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Die Güterverkehre oberhalb von Magdeburg werden im Wesentlichen von<br />
den Gütertransporten von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Tschechischen Republik bestimmt.<br />
Nach den Angaben <strong>der</strong> WSD Ost, wurden im Jahre 2006 etwa 1 Mio. t Güter<br />
transportiert, zusätzlich wurden in den deutschen <strong>Elbe</strong>häfen über Kai ca.<br />
160.000 t Güter umgeschlagen. Das Statistische B<strong>und</strong>esamt weist etwas nied-<br />
rigere Zahlen aus.<br />
Im Zeitraum von 1992 bis 2006 gehen die Transportmengen zurück. Nach ei-<br />
nem Einbruch im den Jahren 2003 <strong>und</strong> 2004 pegeln sich die transportierten<br />
Mengen in die Tschechische Republik auf etwas über 900.000 t ein.<br />
Der Containerverkehr spielt bzgl. <strong>der</strong> Tschechischen Republik gar keine Rolle<br />
<strong>und</strong> bzgl. <strong>der</strong> deutschen <strong>Elbe</strong>häfen eine zu vernachlässigende Rolle.<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
1<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0<br />
Mio t/a<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Abb.: 38: Güterverkehr von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Tschechischen Republik 1997-2008<br />
Quelle: WSD Ost/WSA (2007); Stat. B<strong>und</strong>esamt (verschiedene Jahrgänge) 212<br />
212 Nach Angaben des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes (2005: 37) wurde am 01.05. 2004 eine Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Erhebungsmethode realisiert, da mit dem EU Beitritt <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />
die Grenze zwischen Deutschland <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Republik keine Außengrenze<br />
(<strong>der</strong> EU) mehr darstellt. Somit basieren die Daten nicht mehr auf den Erhebungen <strong>der</strong> Grenzzollstellen.<br />
Es ist nicht klar, welche Auswirkungen dies auf die Erhebungen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> veröffentlichten<br />
Werte hat.
234 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Im Abschnitt unterhalb Magdeburgs liegt das Güterverkehrsaufkommen mit<br />
Mengen zwischen 8 <strong>und</strong> 10 Mio. Gütertonnen deutlich über den Beförde-<br />
rungsaufkommen im Vergleichsgebiet. Die deutliche Zunahme des Transport-<br />
volumens unterhalb von Magdeburg erklärt sich im Wesentlichen durch den<br />
Mittellandkanal <strong>und</strong> den <strong>Elbe</strong>seitenkanal <strong>und</strong> damit auch durch die Relation<br />
Hamburg – Berlin.<br />
Abb. 39: Zeitreihe Gütermengen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> bei Geesthacht<br />
Quelle: UBA (2005)<br />
Schließt man das Verkehrsaufkommen des <strong>Elbe</strong>-Seitenkanals aus <strong>und</strong> berück-<br />
sichtigt lediglich das auf dem ursprünglichen <strong>Elbe</strong>verlauf, so beläuft sich das<br />
Verkehrsaufkommen per Binnenschiff unterhalb von Magdeburg auf lediglich<br />
knapp 3 Mio. Gütertonnen (im Übergang Schnackenburg/Wittenberge ge-<br />
messen) <strong>und</strong> liegt damit deutlich über <strong>der</strong> Transportmenge im mittleren Ab-<br />
schnitt oberhalb von Magdeburg. 213<br />
Die Containertransporte haben sich, im Gegensatz zu den Massengütern rela-<br />
tiv kontinuierlich nach oben entwickelt, indem die Containertransporte ober-<br />
213 Vgl. Gohlisch et al. (2005) S. 27 ff.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 235<br />
halb von Magdeburg von ca. 3500 (1999) auf ca. 16800 (2006) (Stück) ange-<br />
wachsen sind.<br />
Ein zweilagiger Transport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ist gängig <strong>und</strong> ein dreilagiger unter be-<br />
stimmten Umständen möglich (falls die Wasserstände – in diesem Fall Hoch-<br />
wasser – das zulassen).<br />
Allerdings muss darauf verwiesen werden, dass nach einer Studie von Planco<br />
(2003) das Potenzial <strong>für</strong> Containerverkehre (insbeson<strong>der</strong>e Linienverkehre) be-<br />
grenzt ist. Dies lässt sich auch daran festmachen, dass die Umrüstkosten <strong>für</strong><br />
entsprechend ausgestattete Schiffe gescheut werden, einerseits wegen <strong>der</strong><br />
begrenzten zu transportierenden Mengen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits auch wegen <strong>der</strong><br />
vielfach über längere Zeit begrenzten Wasserstände.<br />
11.2. Binnenschiffstransporte Tschechische Republik<br />
Wie bereits dargestellt wurde, bestimmen die Transporte von <strong>und</strong> nach <strong>der</strong><br />
Tschechischen Republik die <strong>Elbe</strong>schifffahrt oberhalb von Magdeburg. In <strong>der</strong><br />
Folge sollen daher die Entwicklungsdynamiken des Binnenschiffsverkehrs <strong>der</strong><br />
Tschechischen Republik dargestellt werden.<br />
11.2.1. Tschechischer Außenhandel<br />
In Tschechien ist die <strong>Elbe</strong> über weite Strecken mit 31 Staustufen <strong>für</strong> die Binnen-<br />
schifffahrt ausgebaut. Damit können Schiffe mit einem Tiefgang bis 2,2m<br />
dauerhaft verkehren. Gegenwärtig wird <strong>der</strong> Bau einer weiteren Staustufe<br />
geplant, so dass dann die staustufenregulierte <strong>Elbe</strong> in Tschechien ca. 328 km<br />
lang wäre. Nach neueren Informationen wird dieser Ausbau <strong>der</strong>zeit aber nicht<br />
weiter verfolgt.
236 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Im- <strong>und</strong> Export <strong>der</strong> Tschechischen Republik via <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Internationaler Verkehr<br />
Export 697 1 179 1 055 834 717 721 621 515 418 375 254 546<br />
Import 453 438 621 488 583 575 482 482 384 240 299 364<br />
Summe 1150 1 616 1 677 1 322 1 300 1 296 1 103 997 802 615 553 910<br />
Tab. 34: Import <strong>und</strong> Export von Gütern durch die <strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />
im Zeitraum 1994-2005 (in Tausend)<br />
Quelle: Verkehrsjahrbücher, Statistik des Ministeriums <strong>für</strong> Verkehr; WSD Ost/WSA (2007);<br />
Der Gütertransport (Im- <strong>und</strong> Export) <strong>der</strong> Tschechischen Republik erweist sich<br />
als hochgradig begrenzt <strong>und</strong> vor allen Dingen ist darauf zu verweisen, dass<br />
sich die Transportmengen seit Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre deutlich verringert haben<br />
(von 1,6 Mio. t in 1995 auf 0,9 Mio. t in 2005). Der Binnenschiffsverkehr hat ei-<br />
nen Anteil am gesamten Im- <strong>und</strong> Exportvolumen <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />
von 1,4 %.<br />
11.2.2. Binnentransport Tschechien<br />
Die Entwicklung <strong>der</strong> Binnentransporte <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong> Tschechi-<br />
schen Republik wird in <strong>der</strong> folgenden Tabelle dargestellt.<br />
Jahr 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005<br />
Summe 3 793 2 771 1 501 429 223 407 635 750 760 558 621 685<br />
Tab. 35: Binnengütertransport per <strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong> Tschechischen Republik 1994-2005<br />
(in Tausend t, <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Moldau)<br />
Quelle: Verkehrsjahrbücher, Statistik des Ministeriums <strong>für</strong> Verkehr<br />
Die Tabelle verdeutlicht die Abhängigkeit <strong>der</strong> Wasserstraße von einzelnen<br />
massenintensiven <strong>Stand</strong>orten. So ist <strong>der</strong> deutliche Bruch 1996 darauf zurückzu-<br />
führen, dass das Kraftwerk Chvaletice nicht mehr per Binnenschiff beliefert<br />
wird. Die Transporte reduzierten sich deutlich, im Jahre 2005 wurden nur noch<br />
ca. 18% <strong>der</strong> Menge transportiert, die 1994 transportiert wurde. Knapp formu-<br />
liert bedeutet das, dass die Belieferung eines Kraftwerks mit Kohle bestim-<br />
mend <strong>für</strong> den Binnenschiffstransport sein kann <strong>und</strong> letztlich auch bei <strong>der</strong> Be-<br />
wertung <strong>der</strong> Infrastrukturmaßnahme eine Rolle spielen kann.
11.3. Containertransporte oberhalb Magdeburgs<br />
11.3.1.1. Containerverkehre<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 237<br />
Die Containerverkehre auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> konzentrieren sich auf die Häfen Magde-<br />
burg, Aken <strong>und</strong> Riesa. Zwei mal die Woche verkehrt die ECL-Containerlinie<br />
von Hamburg nach Magdeburg <strong>und</strong> Aken <strong>und</strong> ein- bis zweimal die Woche<br />
besteht ein Anschluss nach Riesa. Nach Dresden fährt die Containerlinie nach<br />
Bedarf. In die Tschechische Republik finden keine wasserseitigen Container-<br />
verkehre statt.<br />
Von den im Hafen Hamburg umgeschlagenen 8,1 Mio. TEU wurden ca.<br />
111.500 TEU (1,4%) auf dem MLK <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> transportiert. Davon entfallen<br />
lediglich 23.148 TEU wasserseitig auf die Mittel- <strong>und</strong> Oberelbe.<br />
spielen.<br />
Abb. 40: Containertransporte nach Relationen<br />
Quelle: WSD-Ost (2004)<br />
Die Hoffnungen, dass durch die straßen- <strong>und</strong> bahnseitigen Engpässe zum <strong>und</strong><br />
vom Hamburger Hafen die <strong>Binnenschifffahrt</strong> an Transportvolumen gewinnen<br />
könnte, erscheinen wenig wahrscheinlich, da bei <strong>der</strong> Entwicklung vorrangig<br />
auf Straße <strong>und</strong> Schiene gesetzt wird. 214 Jahncke verweist darauf, dass die Bin-<br />
214 Vgl. Jahncke (2006)
238 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
nenschifffahrt keine ausreichenden Möglichkeiten <strong>für</strong> eine effiziente Hinter-<br />
landanbindung bieten. Durch die gute Anbindung des Magdeburger Hafens<br />
an die Hinterlandverkehre des Hafens Hamburg durch das Kanalsystem könn-<br />
te Magdeburg eine gewisse Rolle als Hinterlandhub beim Containerverkehr<br />
Über die Relationen, über die die 23.000 TEU auf <strong>der</strong> Mittel- <strong>und</strong> Oberelbe<br />
transportiert werden, liegen allerdings keine gesammelten Informationen vor.<br />
Inwieweit es sich um Transporte von Hamburg ins Hinterland handelt, kann<br />
damit nicht gesagt werden.<br />
Für den Hafen Magdeburg stehen keine offiziellen Zahlen zur Verfügung. Aus<br />
dem LVWP Sachsen-Anhalts ist lediglich zu entnehmen, dass im Jahr 2004 im<br />
Hafen Magdeburg 9200 TEU umgeschlagen wurden. Informationen zur moda-<br />
len Aufteilung sind nicht auffindbar. 215<br />
Abb. 41: Graphische Darstellung von Containerkapazitäten nach Fahrgebieten<br />
Quelle: DBR (2005)<br />
215 Vgl. LVWP Sachsen-Anhalt (Ministerium <strong>für</strong> Bau <strong>und</strong> Verkehr Sachsen-Anhalt 2004, S. 23)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 239<br />
Im Hafen Aken wurden 2005 insgesamt 6.800 TEU mit Binnenschiff <strong>und</strong> Bahn<br />
umgeschlagen. 216<br />
In den Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (Dresden, Riesa, Torgau, Roßlau<br />
<strong>und</strong> Lovosice) wurden 2005 über Kai 4.487 TEU umgeschlagen.<br />
Mit Straße <strong>und</strong> Bahn waren es 15.306 TEU. 217<br />
Betrachtet man die Fluss- <strong>und</strong> Kanalkapazitäten in <strong>der</strong> obigen Abbildung, so<br />
wird schnell ersichtlich, dass die Containerbeför<strong>der</strong>ung von Norden nach Sü-<br />
den deutlich abnimmt, wobei auch die Transportmöglichkeiten eine wesentli-<br />
che Rolle spielen. So können auf <strong>der</strong> Mittelelbe zwischen Hamburg <strong>und</strong> Mag-<br />
deburg max. 144 TEU in sechs Schubleichtern transportiert werden. Auf dem<br />
ESK <strong>und</strong> dem MKL verringert sich das Beför<strong>der</strong>ungspotenzial auf max. 96 TEU in<br />
vier Schubleichtern.<br />
Unterhalb Magdeburgs können bis Riesa max. 72 TEU in einer Sendung in drei<br />
Schubleichtern beför<strong>der</strong>t werden <strong>und</strong> unterhalb von Riesa bis Dresden (Be-<br />
darfsverkehre) sind es nur noch 48 TEU in zwei Schubleichtern. Dies bedeutet<br />
auch, dass die Kostenvorteile <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> von Norden nach Süden<br />
kontinuierlich abnehmen.<br />
Im Vergleich: Containerverkehre <strong>der</strong> Bahn im <strong>Elbe</strong>-Korridor<br />
Die folgende Tabelle stellt eine modale Aufteilung <strong>der</strong> Containertransporte<br />
zwischen Hamburg <strong>und</strong> den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Tschechische<br />
Republik dar. Hinter „neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>“ verbergen sich <strong>für</strong> die Binnen-<br />
schifffahrt die Län<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt – inkl. dem Hafen Hal-<br />
densleben am MKL (!) – sodass die Menge <strong>der</strong> Container <strong>für</strong> die Analyse des<br />
Untersuchungsraums überzeichnet wird. Betrachtet man die Menge an trans-<br />
portierten Containern auf dem Mittellandkanal i.H.v. über 71.000 TEU im Jahr<br />
2005, so ist <strong>der</strong> Wert von rd. 50.000 TEU realistisch. Aktuelle Werte des Contai-<br />
nerumschlags <strong>für</strong> Haldensleben liegen lei<strong>der</strong> nicht vor.<br />
216 Vgl. ebd.<br />
217 Vgl. WSD-Ost (2006) S. 6
240 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 36: Containerverkehr zwischen Hamburg <strong>und</strong> den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n/CR 2005<br />
Quelle: LUB (2006) S. 47<br />
Zwischen Hamburg <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Republik findet demnach kein<br />
Containerverkehr auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> statt. Der Transport <strong>der</strong> Container im grenz-<br />
überschreitenden Verkehr mit Tschechien findet komplett auf dem Landweg<br />
statt. Jedoch ist das Aufkommen <strong>der</strong> Bahn von 45.000 TEU im Jahr 2005 relativ<br />
gering (vgl. hierzu folgenden Abschnitt). Die LUB gibt allerdings keine Hinwei-<br />
se auf die Datenquelle. So ist festzuhalten, dass allein die METRANS - Contai-<br />
ner-Ganzzugverkehre zwischen Prag <strong>und</strong> Hamburg – weitaus höhere Trans-<br />
portaufkommen im Containertransport auf besagter Relation haben. Ebenso<br />
weist die Deutsche Bahn AG erheblich höhere Zahlen aus (vgl. Kap. 14.3).<br />
11.3.1.2. Transitverkehre <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />
Bei <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bahn liegen Daten über die Transitverkehre<br />
relativ leicht zugänglich vor, dies gilt nicht <strong>für</strong> den Straßenverkehr.<br />
Die WSD-Ost identifizierte <strong>für</strong> das Jahr 2005 im Transitverkehr auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> in<br />
Höhe von 1,25 Mio. t. Davon sind laut Hamburger Statistik 0,54 Mio. t im Hafen<br />
Hamburg zum Seetransport umgeschlagen worden. 218 Der Rest müsste sich<br />
auf die übrigen ARA-Häfen, restliche Nordseehäfen <strong>und</strong> Binnenhäfen vertei-<br />
len.<br />
Beim Bahngütertransitverkehr hat die LUB Consulting ein Volumen von 45.000<br />
TEU an Transitverkehren mit <strong>der</strong> Tschechischen Republik ausgewiesen.<br />
218 Vgl. Statistikamt Hamburg (2006)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 241<br />
Jedoch verweist die Studie nicht auf die Methode <strong>der</strong> Erhebung. Es ist an-<br />
hand <strong>der</strong> Zahlen <strong>der</strong> tschechischen METRANS SA. aus dem Jahr 2004 aber<br />
davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl <strong>der</strong> Transitverkehre größer ist.<br />
Im besagten Zeitraum wurden 138.325 TEU von METRANS durch den Untersu-<br />
chungsraum beför<strong>der</strong>t.<br />
Geht man von einer durchschnittlichen Beladung von 10 t je Container aus,<br />
so ergibt sich ein Gesamtvolumen von rd. 1,38 Mio. t Gütern über die Schiene<br />
durch den Untersuchungsraum. 219<br />
Unterstellt man die vage Annahme, dass die Erhebung <strong>der</strong> LUB sich auf Con-<br />
tainerbeför<strong>der</strong>ung mit <strong>der</strong> Deutschen Bahn, bzw. <strong>der</strong>en Tochter- <strong>und</strong> Beteili-<br />
gungsunternehmen bezieht, so steigt das Transitvolumen auf <strong>der</strong> Schiene mit<br />
Tschechien auf<br />
1.83 Mio. t im Jahr 2005.<br />
Derartige Angaben sind beim Lkw Verkehr nicht möglich. Es lässt sich lediglich<br />
näherungsweise die Anzahl <strong>der</strong> Lkw bestimmen, die die Grenze zwischen<br />
Sachsen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Republik überqueren. We<strong>der</strong> Richtung, Be-<br />
stimmungsort noch die beför<strong>der</strong>te Tonnage sind bekannt.<br />
Lt. IVV überquerten im Schnitt 3850 Lkw pro Wochentag im Jahr 2002 die Ü-<br />
bergänge an dieser Grenze 220 (1.205.050 Lkw pro Jahr, ohne Sonntage).<br />
11.4. Fazit<br />
Über die letzten 10 Jahre entwickelte sich <strong>der</strong> Güterverkehr uneinheitlich <strong>und</strong><br />
war Schwankungen unterworfen. Die Bandbreite reicht je nach Untersuchung<br />
von knapp unter 1 Mio. bis r<strong>und</strong> 1,8 Mio. Gütertonnen, wobei in den letzten<br />
Jahren eine abnehmende Tendenz zu verzeichnen ist. Ein Verkehrswachstum,<br />
wie es bspw. vom BVWP erwartet wurde, ist nicht festzustellen.<br />
Auch in <strong>der</strong> Tschechischen Republik nimmt die Bedeutung <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt ab, dies gilt auch <strong>für</strong> die grenzüberschreitenden Verkehre.<br />
219 Vgl. HHLA (2008)<br />
220 Vgl. IVV (2004)
242 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Das Ergebnis ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, wenn die Mengen an beför<strong>der</strong>ten Mas-<br />
sengütern in <strong>der</strong> Region relativ konstant blieben. Der Containerverkehr nimmt<br />
zwar zu, allerdings hat die <strong>Binnenschifffahrt</strong> weiterhin sehr geringe Anteile<br />
bspw. am Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 243<br />
12. Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>/Saale-Schifffahrt am Güterverkehr <strong>der</strong> Region<br />
Im folgenden Abschnitt werden die Güterverkehre im <strong>Elbe</strong>raum generell ana-<br />
lysiert, wobei einerseits auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> eingegangen wird <strong>und</strong> ande-<br />
rerseits, soweit möglich, auch Gütertransporte <strong>der</strong> Lkw <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bahn in <strong>der</strong><br />
Region analysiert werden. Dabei wird <strong>der</strong> Stellenwert <strong>der</strong> Transportleistungen<br />
<strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> herausgearbeitet.<br />
Der Güterverkehr in <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>region – insb. oberhalb Magdeburgs – ist nicht<br />
trennscharf auf den Untersuchungsraum abzugrenzen.<br />
Zum einen ist das B<strong>und</strong>esland Sachsen als abgegrenzter Wirtschaftraum ein<br />
„eigenständiger“ Bestandteil des Untersuchungsraums. Und zum an<strong>der</strong>en teilt<br />
sich das B<strong>und</strong>esland Sachsen-Anhalt in die Bereiche (a) von <strong>der</strong> Landesgren-<br />
ze zu Sachsen bis Magdeburg (Untersuchungsraum) <strong>und</strong> (b) in den Bereich<br />
unterhalb Magdeburgs. Gerade dieser Bereich b hat eine bestimmte Beson-<br />
<strong>der</strong>heit, nämlich die Tatsache, dass unterhalb Magdeburgs die Binnenschiff-<br />
fahrt unter an<strong>der</strong>en Rahmenbedingungen operiert: Durch die Anbindung <strong>der</strong><br />
<strong>Elbe</strong> an das Kanalsystem Mittellandkanal (MLK) <strong>und</strong> den <strong>Elbe</strong>-Seitenkanal<br />
(ESK) Richtung Hamburg hat hier die <strong>Binnenschifffahrt</strong> die Möglichkeit die <strong>Elbe</strong><br />
zu umfahren <strong>und</strong> stabile Schifffahrtbedingungen in Anspruch zu nehmen. Wird<br />
somit das Verkehrsaufkommen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n abge-<br />
fragt, so würden die Ergebnisse durch die Möglichkeit <strong>der</strong> Kanalnutzung ver-<br />
zerrt, weil die Verkehrsaufkommen <strong>und</strong> die Transportbedingungen des Kanal-<br />
systems bei weitem die Bedingungen <strong>und</strong> Aufkommen <strong>der</strong> natürlichen <strong>Elbe</strong><br />
übersteigen. Dies gilt <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>. Für die Transporte per Bahn o-<br />
<strong>der</strong> Lkw ist diese Abgrenzung nicht realisierbar. Im Wesentlichen wird hier da-<br />
her auf Sek<strong>und</strong>ärliteratur zurückgegriffen.<br />
12.1. Modales Güterverkehrsaufkommen nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />
Teilt man den Untersuchungsraum lediglich in die B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong><br />
Sachsen-Anhalt auf <strong>und</strong> vernachlässigt, dass die Betrachtung Sachsen-<br />
Anhalts den Untersuchungsraum überschreitet, dann kann man im ersten
244 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Schritt eine grobe Einschätzung über die Verteilung <strong>der</strong> Güterverkehrsleitun-<br />
gen auf die Verkehrsträger Straße, Schiene <strong>und</strong> Binnenwasserstraße erhalten.<br />
Tab. 37: Gütertransport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Quelle: Frey et al. (2002, S. 47), Datengr<strong>und</strong>lage: Statistisches B<strong>und</strong>esamt<br />
Demnach hat Sachsen insgesamt ein höheres Güterverkehrsaufkommen als<br />
Sachsen-Anhalt. Das ist auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> höheren Wirtschaftskraft Sachsens<br />
auch nicht verw<strong>und</strong>erlich (Vgl. Abschnitt 16.). Jedoch ist zu beachten, dass<br />
Sachsen im Vergleich zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt einen relativ hohen Anteil am<br />
Straßengüterverkehrsaufkommen von über 95% hat. Sachsen-Anhalt hat ge-<br />
genüber Sachsen in den Modi Schiene <strong>und</strong> Wasserstraße einen deutlich hö-<br />
heren, gleichwohl sehr geringen, Anteil. Der große Sprung von 0,09% auf 2,21%<br />
beim Anteil <strong>der</strong> Wasserstraßentransporte ist sicherlich mit dem Kanalsystem<br />
oberhalb Magdeburgs zu erklären, das nicht nur in nord-südlicher Richtung<br />
verläuft, son<strong>der</strong>n auch über Ost-West Verbindungen des Mittellandkanals ver-<br />
fügt. Das höhere Aufkommen beim Schienentransport resultiert auch aus <strong>der</strong><br />
Tatsache, dass gegenüber Sachsen das B<strong>und</strong>esland Sachsen-Anhalt auf-<br />
gr<strong>und</strong> seiner geographischen Lage über mehr Ost-West Verbindungen ver-<br />
fügt <strong>und</strong> die Transporte aus Sachsen in Richtung Norden mit grenzüberschrei-<br />
tenden Transporten aus <strong>der</strong> Tschechischen Republik zusammenfallen .<br />
Aus obiger Tabelle ist deutlich zu entnehmen, dass sich <strong>der</strong> Großteil <strong>der</strong> Güter-<br />
transporte im <strong>Elbe</strong>raum (Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt) auf <strong>der</strong> Straße ab-<br />
spielt. Mit weitem Abstand im Verhältnis zu den Transportträgern folgt die<br />
Schiene mit 4,53% (Sachsen) <strong>und</strong> 9,29% (Sachsen-Anhalt) Anteil am Güter-<br />
transport. Während die <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Sachsen mit knapp einem 10tel<br />
Prozent gemessen am gesamten Güterverkehrsaufkommen fast keine Rolle<br />
spielt, kommt Sachsen-Anhalt immerhin noch auf etwas über zwei Prozent.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 245<br />
12.2. Die <strong>Elbe</strong>/Saale in Relation zu an<strong>der</strong>en Wasserstraßen<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale werden bei jeglichen Ausbauvarian-<br />
ten in Relation zu an<strong>der</strong>en Fahrgebieten nur eine sehr geringe Rolle spielen.<br />
Die folgende Abbildung zeigt die geringe Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in<br />
den Fahrgebieten <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale. Die Abbildung stellt insofern einen Makro-<br />
blick auf das Transportgeschehen dar.<br />
Die Abb. 42 zeigt die unterschiedliche Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in den<br />
einzelnen Flussgebieten. Die Abbildung macht zugleich deutlich, dass gene-<br />
relle Aussagen zur <strong>Binnenschifffahrt</strong> nur begrenzt möglich sind. Die überra-<br />
gende Rolle <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> im Rheingebiet wird deutlich, wobei einer-<br />
seits die Bedingungen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> gut sind <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits Bal-<br />
lungsräume angeb<strong>und</strong>en sind.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Saale spielen in Relation eine völlig<br />
untergeordnete Rolle, die letztlich auch nicht durch Ausbaumaßnahmen in<br />
relevantem Umfang verän<strong>der</strong>t würde.<br />
Nach diesem Makroblick, wird in <strong>der</strong> Folge die Rolle <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> an<br />
den Gütertransporten in <strong>der</strong> Region analysiert.
246 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 42: Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in den unterschiedlichen Regionen
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 247<br />
12.3. <strong>Elbe</strong>/Saale-Verkehre in Relation zum Güterverkehr <strong>der</strong> Region<br />
Vergleichen wir die Volumina <strong>der</strong> Gütertransporte verteilt auf die Verkehrsträ-<br />
ger Straße, Schiene <strong>und</strong> Wasserstraße, so bleibt im Ergebnis, dass die Binnen-<br />
schifffahrt einen marginalen Teil zum Gütertransport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> beiträgt.<br />
Unter welchen Annahmen <strong>und</strong> verfügbaren statistischen Materialien auch<br />
immer die Gütertransporte im <strong>Elbe</strong>korridor <strong>der</strong> oberen <strong>und</strong> mittleren <strong>Elbe</strong> er-<br />
hoben werden, im Ergebnis transportiert die <strong>Elbe</strong> als Wasserstraße <strong>für</strong> den Gü-<br />
tertransport ca. 1% <strong>der</strong> bewegten Gütermengen. 221<br />
Im Vergleich zum Gütertransportaufkommen <strong>der</strong> gesamten <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
trägt die <strong>Elbe</strong> mit lediglich 2% zum Aufkommen aller deutschen Wasserstraßen<br />
bei. Auch in diesem Vergleich wird die geringe Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als Güter-<br />
transportweg deutlich. 222<br />
Selbst wenn man ein Verkehrsaufkommen auf <strong>der</strong> oberen <strong>Elbe</strong> zwischen<br />
Magdeburg <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Grenze von 1.72 Mio. t im Jahr 2005 unter-<br />
stellt, wie es die Untersuchung <strong>der</strong> LUB aus dem Jahr 2006 macht, so liegt <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> bei rd. 0,2 % am gesamten Gütertransport <strong>der</strong> beiden B<strong>und</strong>es-<br />
län<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt.<br />
12.4. <strong>Elbe</strong>/Saale – Verkehre bei unterstelltem Flussausbau in Relation zum Gü-<br />
terverkehr in <strong>der</strong> Region 223<br />
Die Prognosen bzgl. <strong>der</strong> zu erwartenden Binnenschiffsverkehre auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
(unter <strong>der</strong> Bedingung des Ausbaus <strong>und</strong> <strong>der</strong> weiteren Nebenbedingung, dass<br />
diese Ausbaumaßnahmen vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Klimawandels zu den er-<br />
warteten Effekte führen, erwarten ein Güteraufkommen von ca. 3,8 Mio. t<br />
oberhalb von Magdeburg (Daten des BVWP 03, ggf. plus <strong>der</strong> Verlagerungs-<br />
potenziale auf <strong>der</strong> Saale von 1,5 o<strong>der</strong> auch 2,5 Mio. t.) (Vgl. Abschnitt 10.1.3).<br />
221 Vgl. Abschnitt 12.1. Tab. 37: Gütertransport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Hier wurde <strong>der</strong> Einfachheit halber <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>verkehre <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong><br />
Sachsen-Anhalt – inkl. des Kanalsystems – ausgewiesen.<br />
222 Vgl. UBA (2005) S. 28<br />
223 Wie bereits erwähnt, halten wir die Zahlen <strong>der</strong> LUB <strong>für</strong> deutlich überhöht. Allerdings än<strong>der</strong>n<br />
auch diese Zahlen nichts an <strong>der</strong> sehr geringen Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>für</strong> dem gesamten<br />
Güterverkehr in <strong>der</strong> Region
248 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Damit würde <strong>der</strong> Anteil am Gütertransport <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> an dem<br />
Transportaufkommen im Untersuchungsraum von 0,2 % auf 0,7% ansteigen.<br />
Insgesamt ist damit festzuhalten, dass, selbst wenn die Ausbaumaßnahmen ihr<br />
Ziel <strong>der</strong> Schiffbarkeit erreichen könnten, <strong>der</strong> Anteil des Verkehrs auf den Bin-<br />
nenwasserstraßen kaum gesteigert werden könnte. Beide Studien gehen aber<br />
davon aus, dass die mit den durchgeführten Maßnahmen angestrebten Ziele<br />
auch erreicht werden können. Ohne diese Annahme, lassen sich die Progno-<br />
sen nicht begründen. Diese Annahmen sind allerdings hochgradig fragwür-<br />
dig, vor allem die PIK Studie (s. Abschnitt 13.), stellt die Ausbauplanung <strong>und</strong><br />
die Möglichkeit <strong>der</strong> Erreichung <strong>der</strong> angestrebten Unterhaltungsziele nachhal-<br />
tig in Frage.<br />
12.5. Fazit<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hat am gesamten Güterverkehrsaufkommen in <strong>der</strong> Re-<br />
gion einen untergeordneten Stellenwert. Berücksichtig man zudem, dass <strong>der</strong><br />
Gütertransport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> in Relation zu den <strong>Binnenschifffahrt</strong>stransporten<br />
auf den deutschen Flüssen einen sehr geringen Anteil hat, erscheinen die For-<br />
<strong>der</strong>ungen nach <strong>der</strong> „Instandsetzung“ <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als nicht nachvollziehbar, da in<br />
einem Bereich investiert wird, <strong>der</strong> sowohl an dem Transport per Binnenschiff in<br />
Deutschland, als auch am Anteil <strong>der</strong> regionalen Gütertransporte einen sehr<br />
geringen Anteil hat. Mit den angestrebten erweiterten Möglichkeiten <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wird damit in einem Bereich investiert, <strong>der</strong> we<strong>der</strong><br />
zu Umweltenlastungen beiträgt, noch wesentliche Verkehrsprobleme lösen<br />
könnte, noch das Ziel bedeutsamer Verkehrsverlagerungen erreichen könnte.<br />
Dies auch bei <strong>der</strong> Unterstellung, dass die Ziele des Ausbaus erreicht werden<br />
könnten.
13. Klimawandel <strong>und</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
13.1. Generelles<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 249<br />
Der Klimawandel hat weit reichende Konsequenzen <strong>für</strong> Regionen <strong>und</strong> Unter-<br />
nehmen. Zwar zeigt sich, dass die Effekte des Klimawandels auf unterschiedli-<br />
che Regionen <strong>und</strong> unterschiedliche Branchen noch wenig systematisch er-<br />
fasst wurden <strong>und</strong> dass vertiefte Analysen erfor<strong>der</strong>lich sein werden, gleichwohl<br />
liegen die ersten Systematisierungen bzgl. <strong>der</strong> Vulnerabilität von Regionen<br />
<strong>und</strong> Branchen/Unternehmen vor.<br />
In Bezug auf die Gewinner- <strong>und</strong> Verliererbranchen hat die Deutsche Bank Re-<br />
search (2007) eine systematisierende Analyse vorgelegt.<br />
Abb. 43: Gewinner- <strong>und</strong> Verliererbranchen des Klimawandels<br />
Quelle: DB Research (2007) S. 29<br />
Die Abb. 43 systematisiert Gewinner <strong>und</strong> Verlierer des Klimawandels. Die bei-<br />
den Achsen stellen dabei die direkten klimatisch-natürlichen Wirkungen des<br />
Klimawandels <strong>und</strong> die indirekten durch politische Regulierungen bewirkten<br />
Auswirkungen auf die unterschiedlichen Branchen dar. Unter Berücksichti-
250 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
gung dieser Systematisierung wird deutlich, dass <strong>der</strong> Verkehrssektor im We-<br />
sentlichen in <strong>der</strong> Rubrik „doppelte“ Verlierer eingeordnet wird. Doppelte Ver-<br />
lierer zeichnen sich dadurch aus, dass sie einerseits durch die klimatisch-<br />
natürlichen Konsequenzen des Klimawandels <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits durch die poli-<br />
tischen Regulierungsversuche zur Vermeidung des Klimawandels negativ be-<br />
troffen werden.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ist sehr direkt vom Klimawandel betroffen, da sich die<br />
Schifffahrtsverhältnisse drastisch verschlechtern können, wie man an <strong>der</strong> Ver-<br />
kehrsleistung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> im Jahrh<strong>und</strong>ertsommer 2003 erkennen kann<br />
– sie sank um über 9%. Wesentliche Konsequenzen <strong>der</strong> globalen klimatischen<br />
Verän<strong>der</strong>ung dürften insbeson<strong>der</strong>e Niedrigwasserstände (<strong>und</strong> damit eine ge-<br />
ringere Zuladung <strong>und</strong> höhere Transportkosten) aber auch Hochwasserereig-<br />
nisse umfassen. Die Nutzbarkeit <strong>der</strong> Binnenwasserstraßen, wie die <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>,<br />
hängt wie<strong>der</strong>um wesentlich von solchen meteorologischen <strong>und</strong> hydrologi-<br />
schen Verhältnisse im Einzugsgebiet des Flusses ab. 224 Die natürlichen Folgen<br />
stellen daher einerseits den wirtschaftlichen Auslastungsgrad <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrtwege <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits die Kontinuität <strong>der</strong> Transporte <strong>und</strong> damit ein we-<br />
sentliches Qualitätselement, in Frage. Bei Hochwasser kommt die Binnenschiff-<br />
fahrt mitunter völlig zum Erliegen, weil durch höhere Strömungsgeschwindig-<br />
keiten die Sicherheit <strong>der</strong> Schiffe nicht mehr gewährleistet werden kann <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Wellenschlag <strong>der</strong> Schiffe in Überschwemmungsgebieten weiteren Scha-<br />
den verursacht. Bei Niedrigwasser können im Extrem die Mindestabladetiefen<br />
nicht mehr garantiert werden.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wird mittel- bis langfristig mit hohen mittleren Sommer-<br />
temperaturen konfrontiert sein <strong>und</strong> mit früher einsetzenden <strong>und</strong> länger anhal-<br />
tenden Niedrigwasserständen zu rechnen haben. Die Winterperiode wird<br />
durch stärkeren Nie<strong>der</strong>schlag gekennzeichnet sein <strong>und</strong> birgt die erhöhte Ge-<br />
fahr von Hochwasserereignissen, insbeson<strong>der</strong>e auch dadurch, dass <strong>der</strong> Nie-<br />
<strong>der</strong>schlag vermehrt nicht als Schnee nie<strong>der</strong>geht <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Abfluss unge-<br />
puffert beschleunigt wird. 225<br />
224 Vgl. BMVBS (2007b)<br />
225 Vgl. BMVBS (2007b)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 251<br />
Insgesamt wird die <strong>Binnenschifffahrt</strong> von stärkeren Schwankungen <strong>der</strong> Was-<br />
serstände betroffen sein. Dies betrifft insbeson<strong>der</strong>e nicht regulierte <strong>und</strong> freiflie-<br />
ßende Flüsse wie die <strong>Elbe</strong>. Vereinzelt wird auch die im Zuge des Klimawandels<br />
zunehmende Häufigkeit <strong>und</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Intensität von Stürmen <strong>für</strong> die Bin-<br />
nenschifffahrt als negativ angesehen: Häufigerer <strong>und</strong> schwerere Stürme ge-<br />
fährden Brückenbauwerke über Gewässern <strong>und</strong> damit potenziell die Schiff-<br />
barkeit von Wasserstraße. 226<br />
Maßnahmen gegen die negativen Folgen des Klimawandels auf die Binnen-<br />
schifffahrt sind gr<strong>und</strong>sätzlich technischer Natur. Allerdings stehen Maßnahmen<br />
zur Wasserstandregulierung, z.B. durch Stauhaltung, Naturschutzerfor<strong>der</strong>nissen<br />
gegenüber. 227<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> ist aber nicht nur hinsichtlich ihrer eigenen Wirtschaftlich-<br />
keit <strong>und</strong> Transportfähigkeit betroffen, son<strong>der</strong>n wird auch unter dem negati-<br />
ven Einfluss des Klimawandels bzw. <strong>der</strong> Klimapolitik auf die binnenschiffsaffi-<br />
nen Güter (bzw. die Branchen, die diese Güter einsetzen) leiden. So sind<br />
bspw. die Energiewirtschaft (Energieträger) o<strong>der</strong> auch die Papierindustrie in<br />
dem Quadranten <strong>der</strong> doppelten Verlierer positioniert.<br />
Es lassen sich jedoch auch Chancen im Zuge des Klimawandels ableiten, z.B.<br />
die geringere Wahrscheinlichkeit von Vereisungen an Wasserstraßen <strong>und</strong><br />
Schiffskörpern durch ansteigende Wintertemperaturen.<br />
Diese werden durch die insgesamt negativen Wirkungen des Klimawandels<br />
jedoch mehr als relativiert. Einerseits müssen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> relevan-<br />
te Güterabteilungen mit Schrumpfungen rechnen, an<strong>der</strong>erseits werden sich<br />
die Angebotsbedingungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> im Zuge des Klimawandels<br />
mittel- bis langfristig signifikant verschlechtern.<br />
226 Vgl. UBA (2005) S. 150 ff.<br />
227 Vgl. ebd.
252 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 38: Zusammenfassende Darstellung <strong>der</strong> Vulnerabilität gegenüber dem Globalen Wandel<br />
(insb. Klimawandel) in Deutschland<br />
Quelle: UBA (2005) S. 12<br />
Die zuständigen Behörden haben erst spät auf diese Herausfor<strong>der</strong>ungen rea-<br />
giert. Ein relevantes Forschungsvorhaben, welches von <strong>der</strong> BfG geleitet wird<br />
(geför<strong>der</strong>t vom BMVBS), hat im Juni 2007 begonnen <strong>und</strong> soll die Auswirkun-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 253<br />
gen des Klimawandels auf die Wasserstraßen analysieren, wobei ein besonde-<br />
rer Fokus zunächst auf den Rhein gelegt wird. 228<br />
B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> geben hingegen bezüglich <strong>der</strong> Maßnahmen im Binnenschiffs-<br />
verkehr an, entwe<strong>der</strong> die Problematik nicht zu diskutieren, Maßnahmen im<br />
Angesicht des Klimawandels nicht <strong>für</strong> notwendig zu halten o<strong>der</strong> getroffene<br />
Maßnahmen (bspw. im Zuge des <strong>Elbe</strong>hochwassers) nicht in Verbindung mit<br />
dem Klimawandel getroffen zu haben. 229<br />
Die Situation <strong>der</strong> Flüsse in Ostdeutschland wird damit zunächst nicht aufgegrif-<br />
fen, obgleich die Herausfor<strong>der</strong>ungen, wie die folgende Tabelle zeigt, ungleich<br />
groß sind.<br />
Die Tab. 38 macht deutlich, dass insbeson<strong>der</strong>e das Nordostdeutsche Tiefland<br />
vor allem im Bereich Hochwasser/Dürre betroffen sein wird. Die Auswirkungen<br />
auf die <strong>Binnenschifffahrt</strong> werden demnach erheblich sein. Im nächsten Ab-<br />
schnitt wird auf eine relevante Studie des PIK zur <strong>Elbe</strong> eingegangen.<br />
13.2. Prognosen zukünftiger Abflussverhältnisse <strong>und</strong> Auswirkungen auf gegen-<br />
wärtige Ausbauplanungen (PIK-Studie) 230<br />
Das mit den Ausbaumaßnahmen angestrebte Unterhaltungsziel zur Sicherstel-<br />
lung einer wirtschaftlichen <strong>Binnenschifffahrt</strong> erweist sich bereits in seiner ge-<br />
genwärtigen Form als grenzwertig. Die PIK Studie kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass die unterstellten Annahmen, die dem Ausbauziel zu Gr<strong>und</strong>e liegen, nicht<br />
haltbar sind. So wird die angestrebte Schiffbarkeit <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> demnach nicht er-<br />
reicht werden können. Dies hat wie<strong>der</strong>um erhebliche Konsequenzen im Hin-<br />
blick auf die unterstellten Nutzen-Kosten-Relationen des Ausbaus <strong>und</strong> direkt<br />
auch auf die Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> selbst. Um die angestreb-<br />
228 BfG (2007). Vgl. dazu auch die Vorträge auf <strong>der</strong> KLIWAS Veranstaltung am 18. <strong>und</strong> 19. März<br />
2009 (BfG 2009)<br />
229 Vgl. UBA (2005)<br />
230 vgl. PIK (2006)
254 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
ten Unterhaltungsziele zu erreichen, wären dementsprechend weitere was-<br />
serbauliche Maßnahmen erfor<strong>der</strong>lich, die in <strong>der</strong> Konsequenz zusätzliche Kos-<br />
ten nach sich ziehen würden, ohne dass <strong>der</strong> Nutzen damit erhöht würde. Die<br />
gesamtwirtschaftliche Bewertung würde dementsprechend noch fragiler<br />
werden als es gegenwärtig <strong>der</strong> Fall ist.<br />
Bekannterweise schwanken die Abflussverhältnisse <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> sowohl im Jahres-<br />
verlauf als auch von Jahr zu Jahr. Das PIK hat in einer Studie die Entwicklun-<br />
gen <strong>der</strong> Abflussverhältnisse nachgezeichnet <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Perspektiven auch vor<br />
dem Hintergr<strong>und</strong> des Klimawandels aufgezeigt. Wesentliche Ergebnisse sollen<br />
in <strong>der</strong> Folge kurz skizziert werden.<br />
Extreme Niedrigwasserzustände waren <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> in <strong>der</strong> erste Hälfte des letz-<br />
ten Jahrh<strong>und</strong>erts äußerst charakteristisch. Seit Mitte des vorangegangenen<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts bis 1997 waren die Niedrigwasserstände rückläufig (analog: die<br />
Wasserabflüsse steigend), wesentlich beeinflusst durch das etablierte Bewirt-<br />
schaftungsregime <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>. In den 1950er Jahren führte die enorme Steige-<br />
rung <strong>der</strong> Wasseraufstauung in <strong>der</strong> tschechischen Republik zu einer positiven<br />
Niveauän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Niedrigwasserabflüsse. Des Weiteren führte die Intensi-<br />
vierung des Braunkohleabbaus auf deutscher Seite <strong>und</strong> die damit einherge-<br />
hende Überleitung von Wasser aus dem Braunkohleabbau in die <strong>Elbe</strong> zu einer<br />
positiven Beeinflussung des Niedrigwasserabflusses. Schließlich trugen Zeiten<br />
mit relativ hohen Nie<strong>der</strong>schlägen zu dieser Tendenz bei <strong>und</strong> beeinflussten zu-<br />
sammen mit den vorher genannten Faktoren die Niedrigwasserabflüsse posi-<br />
tiv.<br />
Mit <strong>der</strong> deutschen Wie<strong>der</strong>vereinigung wurde <strong>der</strong> Tagebau zurückgefahren<br />
<strong>und</strong> somit <strong>der</strong> Niedrigwasserabfluss negativ beeinträchtigt. Hinzu kam, dass<br />
die Tagebaulöcher mit <strong>Elbe</strong>-/Saalewasser aufgefüllt wurden, was zu einer zu-<br />
sätzlichen Verknappung im Abfluss führte.<br />
Die beobachteten Niedrigwasserabflüsse <strong>der</strong> letzten 10 bis 15 Jahre deuten<br />
wie<strong>der</strong> auf eine Annäherung an die Niedrigwasserzustände <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
des 20 Jahrh<strong>und</strong>erts an. In diesem Zusammenhang sind die Entwicklung <strong>der</strong>
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 255<br />
klimatischen Wasserbilanz <strong>und</strong> die Häufigkeit nie<strong>der</strong>schlagsfreier Episoden im<br />
Gesamtgebiet von Bedeutung. Dies soll nun im Folgenden genauer betrach-<br />
tet werden. 231<br />
Das Untersuchungsgebiet (<strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet) wurde hierzu in einen hydrolo-<br />
gischen Sommer (Mai-Oktober) <strong>und</strong> einen hydrologischen Winter (November-<br />
April) eingeteilt. Während <strong>der</strong> letzten 50 Jahre zeigen sich nahezu flächende-<br />
ckende Rückgänge in <strong>der</strong> klimatischen Wasserbilanz, hervorgerufen durch<br />
den verbreiteten Rückgang <strong>der</strong> sommerlichen Nie<strong>der</strong>schläge <strong>und</strong> einen<br />
gleichzeitigen Temperaturanstieg (im Mittel + 1,0° C auf deutschem <strong>und</strong><br />
durchschnittliche +0,5° C auf tschechischem Gebiet). Im Winter gibt es eine<br />
Richtungsän<strong>der</strong>ung, die insb. durch einen Anstieg <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schläge im Ge-<br />
gensatz zu den letzten 50 Jahren zu beobachten ist. 232<br />
Insgesamt können nominale Nie<strong>der</strong>schlagszugewinne im Winter die Rück-<br />
gänge in den Sommerperioden mil<strong>der</strong>n, jedoch aufgr<strong>und</strong> von Abfluss- <strong>und</strong><br />
Speicherverlusten nicht kompensieren. Im Sommer verbleibt somit ein bilan-<br />
zielles Defizit im regionalen Wasserdargebot, in dessen Folge die Häufigkeit<br />
von Niedrigwasserereignissen zunimmt. Dies trifft insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> den mittle-<br />
ren <strong>Elbe</strong>-Verlauf zu. Dieser Trend verstärkt sich durch die sehr wahrscheinliche<br />
Fortsetzung <strong>der</strong> mittleren Erwärmung. Die bisherigen Möglichkeiten einer<br />
Speicherung <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagsüberschüsse im Winter in Form von Schnee<br />
wird dadurch verringert werden. Gleichzeitig wird <strong>der</strong> durch den Temperatur-<br />
anstieg bedingte frühere Start <strong>der</strong> Vegetationsphase <strong>der</strong> Wasserspeicher Bo-<br />
den früher als bisher geleert, so dass die sommerlichen Abflüsse eher ihr Mini-<br />
mum erreichen. 233<br />
Bei <strong>der</strong> gegenwärtigen Entwicklung hin zu häufiger auftretenden nie<strong>der</strong>-<br />
schlagsfreien Perioden i.V.m. einer weiter rückläufigen klimatischen Wasserbi-<br />
231 Klimatische Wasserbilanz = Landschaftliches Wasserdargebot, d.h. Differenz von Nie<strong>der</strong>schlägen<br />
<strong>und</strong> max. möglicher Verdunstung in einer Landschaftseinheit<br />
232 Vgl. PIK (2006) S. 40 i.V.m. S. 7<br />
233 Vgl. PIK (2006) S. 40
256 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
lanz steigt das Risiko <strong>für</strong> extreme Niedrigwasserereignisse im Mittellauf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
wahrscheinlich noch weiter an. 234<br />
Die zentrale Aussage <strong>der</strong> PIK Studie ist, dass sich die gegenwärtigen Unterhal-<br />
tungsmaßnahmen (s.o.) auf einen nicht repräsentativen <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />
vergleichsweise feuchten Zeitraum – <strong>und</strong> damit auf einen nicht repräsentati-<br />
ven <strong>und</strong> zu hohen Bezugswasserstand – orientieren.<br />
Folgende Graphik illustriert die Anzahl <strong>der</strong> Unterschreitungstage, an denen die<br />
Fahrrinnentiefe von 1,60 m unterschritten wurde. Zum einen stützt es die obige<br />
Untersuchung einer zunehmenden Häufung niedrigerer Abflussmengen <strong>und</strong><br />
den dazu korrespondierenden Niedrigwasserperioden. Zum an<strong>der</strong>en belegt<br />
es auch die Tatsache, dass <strong>der</strong> Bezugswasserstand (Gl.W ’89) nach heutiger<br />
Erkenntnis nicht repräsentativ ist.<br />
Durchschnittlich an 100 Tagen im Jahr wurde die gewünschte (Mindest-)<br />
Fahrwassertiefe in den letzten Jahren nicht erreicht.<br />
Unterschreitungstage<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
141<br />
9 7<br />
138<br />
1 1 0 0 0<br />
31<br />
103<br />
2<br />
50<br />
0 0 8<br />
97<br />
173<br />
151 149<br />
100<br />
67<br />
13 0<br />
136<br />
116<br />
102<br />
188<br />
40<br />
16<br />
1973 1975 1977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003<br />
Abb. 44: Unterschreitungstage <strong>der</strong> Fahrrinnentiefe von 1,60 m seit 1973 zwischen Saalemündung<br />
<strong>und</strong> Magdeburg<br />
Quelle: EPD (2006)<br />
Damit werden die Maßnahmen zum Unterhalt <strong>und</strong> Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als Schiff-<br />
Jahr<br />
fahrtsweg in zweifacher Weise unterschätzt:<br />
234 Vgl. ebd. S. 42<br />
197<br />
133
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 257<br />
Einerseits durch die Wahl eines nicht repräsentativen Zeitraums zur Be-<br />
stimmung des mittleren Niedrigwasserzustands <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits mit <strong>der</strong><br />
Vernachlässigung klimatischer Entwicklungstrends.<br />
Sehr anschaulich zeigt das B<strong>und</strong>esamt <strong>für</strong> Gewässerk<strong>und</strong>e die mittlere jährli-<br />
che klimatische Wasserbilanz graphisch. Durch Gegenüberstellung <strong>der</strong> mittle-<br />
ren jährlichen Nie<strong>der</strong>schläge <strong>und</strong> mittleren jährlichen potenziellen Verduns-<br />
tung ergibt sich eine Bilanz, die <strong>für</strong> die östlichen Regionen Deutschlands, <strong>und</strong><br />
insb. im <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet eine negative Prognose bescheinigt. 235<br />
Abb. 45: Mittlere jährliche klimatische Wasserbilanz Deutschland<br />
Quelle: BfG 2005 S. 48<br />
Das linke Bild in Abb. 45 zeigt im <strong>Elbe</strong>-Gebiet eine überproportional niedrige<br />
Nie<strong>der</strong>schlagssumme (heller Teil <strong>der</strong> Karte im Osten Deutschlands), während<br />
das mittlere Bild gleichzeitig ein hohes Verdunstungspotenzial aufweist (rot bis<br />
violett am Ende <strong>der</strong> Skala). Im Mittel ist diese Region bilanziell trockener, d.h.<br />
es ist mit Hydrodefiziten <strong>und</strong> mit trockenen Perioden zu rechnen, die sich po-<br />
tenziell auf den Wasserabfluss <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> auswirken werden.<br />
235 Vgl. BfG (2005) S. 47 f.
258 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Verschiedene an<strong>der</strong>e Untersuchungen bezüglich <strong>der</strong> sommerlichen Tempera-<br />
turanstiege mit erhöhter Gefahr von Trockenperioden im Sommer <strong>und</strong> <strong>der</strong> er-<br />
höhten winterlichen Nie<strong>der</strong>schlagsereignissen, u.a. vom Umweltb<strong>und</strong>esamt 236<br />
<strong>und</strong> vom Max-Planck <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Meteorologie 237 , bestätigen die PIK Studie.<br />
Die Diskussion um den GI.W ’89 erweist sich <strong>für</strong> die Schiffbarkeit (<strong>und</strong> vor allem<br />
<strong>der</strong>en Wirtschaftlichkeit) <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> als zentral. Dementsprechend argumentie-<br />
ren die Be<strong>für</strong>worter des Ausbaus, dass die Ergebnisse <strong>der</strong> PIK Studie nur eine<br />
wissenschaftliche Meinung sei, mithin ein Diskussionsbeitrag.<br />
In diesem Zusammenhang verweist bspw. das Sächsische Staatsministerium<br />
<strong>für</strong> Umwelt <strong>und</strong> Landwirtschaft im Rahmen <strong>der</strong> Beantwortung einer kleinen<br />
Anfrage darauf 238 , dass die Aussagen des PIK „aus dem Zusammenhang ge-<br />
rissen wurden“ <strong>und</strong> dass im Rahmen von Glowa <strong>Elbe</strong> II eine erneute Überar-<br />
beitung <strong>der</strong> Studie durchgeführt wird. Die B<strong>und</strong>esregierung verweist in <strong>der</strong><br />
Antwort auf eine kleine Anfrage 239 , dass eine Studie <strong>der</strong> BfG zu den Niedrig-<br />
wasserergebnissen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> (Berücksichtigung <strong>der</strong> letzten 100 Jahre) aus<br />
dem Jahre 2005 zu den gegenteiligen Ergebnissen gekommen sei. Des Weite-<br />
ren wird auf eine Untersuchung <strong>der</strong> BfG verwiesen, die insbeson<strong>der</strong>e auf die<br />
Wirkungen des Talsperrenausbaus verweist. Und schließlich führt die BfG e-<br />
benfalls relevante Untersuchungen durch. Auch die Studie von LUB verweist<br />
darauf, dass aktualisierte Untersuchungen durchgeführt werden, die aber<br />
nicht zu einer Revision <strong>der</strong> bestehenden Ergebnisse führen würden. Gleich-<br />
wohl wird auf Experten- bzw. auf den Bearbeiterebenen darauf verwiesen,<br />
dass sich die Ergebnisse des PIK weiter erhärten lassen. Insofern wird versucht<br />
diesen Konflikt auf einer rein wissenschaftlichen Ebene zu belassen, um, wie es<br />
den Anschein hat, Verzögerungen bzw. Infragestellungen des Ausbaus <strong>der</strong><br />
Flüsse zu verhin<strong>der</strong>n. Eine Berücksichtigung <strong>der</strong> Tatsache, , dass die Ausbau-<br />
ziele <strong>und</strong> ohnehin fragilen Nutzen-Kosten-Analysen noch brüchiger werden,<br />
als sie es bereits jetzt sind, findet nicht statt.<br />
236 Vgl. Mahrenholz (2006)<br />
237 Vgl. Jacob; Hagemann (2002)<br />
238 Vgl. SMUL (2007)<br />
239 Vgl. Deutscher B<strong>und</strong>estag (2006)
13.3. Fazit<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 259<br />
Die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die unterschiedlichen<br />
Sektoren <strong>der</strong> Wirtschaft wurden in Deutschland erst relativ spät thematisiert,<br />
zumindest in Relation bspw. zu England. Zwar sind einige Ergebnisse <strong>der</strong> Kli-<br />
mafolgenforschung nunmehr wenig umstritten, wie bspw. die Erwartung, dass<br />
im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet die Nie<strong>der</strong>schläge im Schnitt abnehmen werden. Die<br />
Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen wird jedoch erst in jüngerer Zeit<br />
thematisiert.<br />
Entsprechende Überprüfungen <strong>der</strong> Basisannahmen, unter <strong>der</strong> Berücksichti-<br />
gung des Klimawandels, haben nicht stattgef<strong>und</strong>en. Neuere Analysen des PIK<br />
verdeutlichen allerdings, dass u.a. die Annahmen zu hinterfragen sind <strong>und</strong><br />
gehen davon aus, dass die angestrebten Ausbauziele nicht erreicht werden<br />
können. Die Analysen des PIK werden jedoch u.a. von den einschlägigen<br />
Studien des LUB nicht berücksichtigt. Ebenso wird bspw. in <strong>der</strong> Antwort auf ei-<br />
ne kleine Anfrage durch die Landesregierung Sachsen, darauf verwiesen,<br />
dass die Aussagen des PIK Gutachtens noch wissenschaftlich diskutiert wer-<br />
den. So wird insbeson<strong>der</strong>e auf eine laufende Studie <strong>der</strong> BfG verwiesen, die<br />
nach Auffassung <strong>der</strong> LUB <strong>und</strong> <strong>der</strong> Landesregierung Sachsens zu an<strong>der</strong>en Er-<br />
gebnissen kommen würde. Insofern ist gegenwärtig festzustellen, dass die Be-<br />
<strong>für</strong>worter des Elbausbaus zunächst die mögliche wissenschaftliche Auseinan-<br />
<strong>der</strong>setzung dazu nutzen die Aussagen <strong>der</strong> PIK Studie zu relativieren <strong>und</strong> an<br />
den Ausbauplänen festzuhalten.<br />
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die möglichen Folgen des Kli-<br />
mawandels im Rahmen eines Forschungsvorhabens nunmehr am Rhein ana-<br />
lysiert werden. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Rheins als<br />
Transportweg mag dies völlig gerechtfertigt sein, bzgl. <strong>der</strong> konkreten Auswir-<br />
kungen auf den Fluss <strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> dürften entsprechende Analy-<br />
sen <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> allerdings dringlicher sein. Nicht zuletzt, da Investitionen getä-<br />
tigt werden sollen, die wenn die Analysen des PIK zutreffen, nicht zu <strong>der</strong> Errei-<br />
chung des Ziels <strong>der</strong> Schiffbarkeit führen <strong>und</strong> damit zumindest in dieser Hinsicht<br />
„in den Sand gesetzt“ würden.
260 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Unstrittig sind die Klimaprognosen <strong>und</strong> die damit einhergehenden zu erwar-<br />
tenden Beeinträchtigungen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>. In den Wintermonaten ist<br />
vermehrt mit erhöhten Nie<strong>der</strong>schlägen zu rechnen, die zudem nicht als<br />
Schnee nie<strong>der</strong>gehen <strong>und</strong> damit die höheren Nie<strong>der</strong>schlagsmengen nicht<br />
abpuffern können. Damit steigt das Risiko <strong>für</strong> Hochwasserereignisse.<br />
Im Sommer ist vermehrt mit geringeren Nie<strong>der</strong>schlägen <strong>und</strong> erhöhten Tempe-<br />
raturen zu rechnen. Dementsprechend steigt das Risiko von Niedrigwasserer-<br />
eignissen. Zudem verlängert sich die Periode, in <strong>der</strong> erhöht mit Niedrigwasser<br />
gerechnet werden muss.<br />
In <strong>der</strong> Summe führen die klimatischen Verän<strong>der</strong>ungen zu zunehmenden Was-<br />
serstandschwankungen <strong>und</strong> beeinträchtigen die Verhältnisse <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt massiv <strong>und</strong> nachhaltig. Maßnahmen zur Regulierung <strong>der</strong> Wasser-<br />
stände führen nicht zum Ziel <strong>und</strong> stehen Naturschutzerfor<strong>der</strong>nissen entgegen.<br />
Eine Verlagerung auf den vom Klimawandel weniger bis gar nicht anfälligen<br />
Verkehrsträger Schiene sind die erste Wahl zur Begegnung <strong>der</strong> Anpassung an<br />
klimatisch verän<strong>der</strong>ten Transportverhältnisse <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong> in <strong>der</strong><br />
Zukunft.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 261<br />
14. Infrastruktur <strong>und</strong> Infrastrukturentwicklung in <strong>der</strong> Region: Ausbau <strong>der</strong> Stra-<br />
ßen- <strong>und</strong> Schieneninfrastruktur<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Güterverkehre auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> (<strong>und</strong> Saale) werden<br />
nicht zuletzt von <strong>der</strong> umgebenden Straßen- <strong>und</strong> Schieneninfrastruktur mit be-<br />
stimmt. Im <strong>Elbe</strong>raum wurden bzw. werden erhebliche Verbesserungen <strong>der</strong> Inf-<br />
rastrukturen durchgeführt. Dies bedeutet, dass parallele Infrastrukturen entwi-<br />
ckelt werden, die zumindest in Teilbereichen zueinan<strong>der</strong> in Konkurrenz stehen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff, aber auch in Teilbereichen LKW konkur-<br />
rieren um ähnliche Gütertransporte. Dieser Wettbewerb führt in <strong>der</strong> Folge ei-<br />
nerseits zu sinkenden Angebotspreisen <strong>und</strong> damit zu einer Stärkung <strong>der</strong> Positi-<br />
on <strong>der</strong> Verla<strong>der</strong> <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits verursachen Preissenkungen auch mehr<br />
Verkehr. Die Kosten <strong>der</strong> Infrastrukturen werden dabei im Wesentlichen durch<br />
den Staat getragen.<br />
14.1. Straßeninfrastruktur<br />
Betrachtet man die geplanten Ausbauvorhaben <strong>der</strong> Fernverkehrsstraßen in<br />
Nord-Süd-Richtung entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>, so ist festzuhalten, dass sich die Beförde-<br />
rungsbedingungen von Gütern auf <strong>der</strong> Straße durch Lückenschließung einer-<br />
seits zwischen Hamburg <strong>und</strong> Magdeburg <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits durch die bereits<br />
fertig gestellte Verbindung zwischen Dresden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tschechischen Republik<br />
wesentlich verbessern.
262 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 46: Bestehende <strong>und</strong> geplante Straßenfernverkehrsverbindungen in Relation zur <strong>Elbe</strong><br />
Quelle: LUB (2006), S. 29<br />
14.2. Schieneninfrastruktur<br />
Die Infrastrukturmaßnahmen <strong>der</strong> Deutschen Bahn deuten nicht eindeutig in<br />
die gleiche Richtung wie Infrastrukturausbauten <strong>der</strong> Straße, da eine Vielzahl<br />
von Alternativstrecken <strong>für</strong> Gütertransporte auf <strong>der</strong> Schiene entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
zur Verfügung steht.<br />
Augenfällig ist zumindest eine verbesserte Verbindung zwischen dem Groß-<br />
raum Dresden via Berlin nach Hamburg <strong>und</strong> auch eine verbesserte Schienen-<br />
infrastruktur <strong>für</strong> Güterverkehre zwischen Berlin <strong>und</strong> Hamburg. Letzteres steht in<br />
Konkurrenz zu wasserseitigen Transporten über den Havelkanal zur <strong>Elbe</strong> bzw.<br />
dem MLK.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 263<br />
Abb. 47: Bestehende <strong>und</strong> geplante Schienenfernverbindungen in Relation zur <strong>Elbe</strong><br />
Quelle: LUB (2006), S.30<br />
Eine Verbesserung <strong>der</strong> Schienenverbindungen zwischen Halle, Leipzig <strong>und</strong><br />
Berlin steht in Konkurrenz zu Güterverkehren auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale. Insofern<br />
stellt dies tendenziell eine konkurrierende Infrastruktur zur <strong>Binnenschifffahrt</strong> dar.<br />
Auch die Auslastung <strong>der</strong> elberelevanten Strecken scheint, in Bestätigung des<br />
Datenblattes <strong>der</strong> DB (vgl. folgenden Abschnitt 14.3), nur gering zu sein. Dies<br />
verdeutlicht die nächste Graphik.<br />
Schließlich sei noch eine verbesserte Ost-West-Verbindung zwischen Berlin <strong>und</strong><br />
Stendal <strong>und</strong> weiter westwärts angesprochen, die dem Projekt 17 Deutsche<br />
Einheit Berlin-Magdeburg-Wolfsburg-Hannover <strong>und</strong> westwärts Konkurrenz<br />
macht.
264 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 48: Belastung des Schienennetzes <strong>der</strong> Bahn durch Güterzüge (2005)<br />
Quelle: Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2007<br />
14.3. <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> Bahn im <strong>Elbe</strong>korridor<br />
Die Gesamtkapazität <strong>und</strong> Auslastung <strong>der</strong> Schienenverbindungen wird dann<br />
entscheidend, wenn es um die umweltfre<strong>und</strong>liche Abwicklung des Transports<br />
geht. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen <strong>und</strong> prognostizierten Güter-<br />
verkehre stellt sich die Frage, ob die Kapazitäten <strong>der</strong> Bahn hinreichend sind<br />
um die prognostizierten Güterverkehre bewältigen zu können.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 265<br />
Laut Selbstauskunft <strong>der</strong> Bahn 240 können unter Berücksichtigung von Personen-<br />
verkehren 75 Ganzzüge zwischen Hamburg über Dresden in die Tschechische<br />
Republik pro Tag <strong>und</strong> Richtung verkehren.<br />
Durch das Vorhandensein diverser alternativer Strecken zwischen Hamburg<br />
<strong>und</strong> Dresden ist das Teilstück Dresden – Tschechien <strong>der</strong> maßgebliche Engpass-<br />
faktor. Auf dieser zweigleisigen <strong>und</strong> elektrifizierten Teilstrecke können pro Tag<br />
<strong>und</strong> Richtung insgesamt 120 Ganzzüge (Personen- <strong>und</strong> Gütertransporte) ver-<br />
kehren.<br />
Um die freien Kapazitäten <strong>für</strong> den Güterverkehr zu erhalten, müssen die Per-<br />
sonenverkehre (<strong>der</strong>zeit 45 Züge pro Tag <strong>und</strong> Richtung) von <strong>der</strong> Gesamtkapa-<br />
zität <strong>der</strong> Strecke von 120 Zügen abgezogen werden. Unter <strong>der</strong> Annahme<br />
gleich bleiben<strong>der</strong> Nachfrage nach Personenverkehren ergibt sich eine Kapa-<br />
zität von 75 Ganzzügen pro Tag <strong>und</strong> Strecke <strong>für</strong> den Güterverkehr.<br />
Die DB Netz AG rechnet mit einer durchschnittlichen Auslastung von 500 t Gü-<br />
ter pro Ganzzug. Unterstellt wird eine durchschnittliche Beladung eines TEU mit<br />
15 t Gütergewicht. So ergibt sich eine durchschnittliche Kapazität von 34 TEU<br />
je Ganzzug mit 500 t Ladungsgewicht <strong>und</strong> damit eine jährliche Gesamtkapa-<br />
zität auf dieser Strecke von 18,75 Mio. t o<strong>der</strong> 1.275 Mio. TEU. 241<br />
Das heutige Transportvolumen <strong>der</strong> Railion zwischen Hamburg <strong>und</strong> <strong>der</strong> Tsche-<br />
chischen Republik beträgt 270.000 TEU bei 36 verkehrenden Zügen pro Tag<br />
<strong>und</strong> Richtung. Das entspricht einer Auslastung von 15 TEU. Gegenüber einer<br />
durchschnittlichen Auslastung von 34 TEU je Zug ist diese Transportrelation eher<br />
schwach ausgelastet.<br />
Der BVWP 2003 prognostiziert auf dieser Relation ein Gütervolumen im Jahr<br />
2015 von 860.000 TEU. Unterstellt man 75 mögliche Ganzzüge pro Tag <strong>und</strong><br />
Richtung, so ergäbe sich eine durchschnittliche Auslastung von 23 TEU je<br />
Ganzzug. Diese läge noch weit unter <strong>der</strong> durchschnittlichen Auslastung von<br />
34 TEU je Zug.<br />
240 Vgl. hierzu <strong>und</strong> im Folgenden Datenblatt <strong>Elbe</strong> (2006) Strecke Hamburg-Tschechien<br />
241 Anzumerken sei, dass eine verbesserte Auslastung <strong>der</strong> Züge die Tonnage eines Ganzzuges<br />
auf bis zu 1000 t bei einer zulässigen Gesamtlänge von bis zu 700 m <strong>und</strong> somit auf bis zu 70 TEU<br />
gesteigert werden kann.
266 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Um die von <strong>der</strong> Bahn angenommenen 1,5 Mio. t Güterschifftransporte <strong>der</strong> El-<br />
be zu übernehmen, würden laut Auskunft <strong>der</strong> Bahn sechs Züge pro Tag <strong>und</strong><br />
Richtung benötigt.<br />
Um die prognostizierte Gütermenge von 860.000 TEU transportieren zu können<br />
stünden somit noch 69 Zugverbindungen pro Tag <strong>und</strong> Richtung zur Verfügung.<br />
Damit würde die durchschnittliche Auslastung auf 25 TEU pro Zug steigen. An-<br />
gesichts <strong>der</strong> durchschnittlichen Auslastung von 34 TEU je Zug stünden immer<br />
noch freie Kapazitäten bereit.<br />
Hinzu treten noch mögliche Güterzugtransporte <strong>der</strong> Tschechischen Republik,<br />
wenn man unterstellt, dass die gesamten <strong>Elbe</strong>-Verkehre von <strong>der</strong> Bahn über-<br />
nommen werden sollen. Das gegenwärtige Volumen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-Transitverkehre<br />
beträgt rd. 1,25 Mio. t pro Jahr. Zu untersuchen wäre die Bahnkapazität <strong>der</strong><br />
Tschechischen Republik, nachdem festgestellt wurde, dass auf deutscher Sei-<br />
te diese Transporte bahnseitig realisiert werden können.<br />
Nach Beantwortung einer kleinen Anfrage des tschechischen Umweltministe-<br />
riums 242 , das sich an die Tschechische Bahn wandte, bildet <strong>der</strong> Streckenab-<br />
schnitt zwischen Decin <strong>und</strong> <strong>der</strong> deutsch-tschechischen Grenze einen Eng-<br />
pass. Auf diesem Streckenabschnitt (entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>) stehen demnach freie<br />
Kapazitäten <strong>für</strong> 57 Züge je Strecke <strong>und</strong> Richtung <strong>und</strong> Tag zur Verfügung. Wei-<br />
ter heißt es in <strong>der</strong> Antwort des tschechischen Umweltministeriums, dass hiermit<br />
ein Volumen von rd. 31 Mio. t Massengüter (wie bspw. Kohle) o<strong>der</strong> rd. 14,5<br />
Mio. t gemischte Kommoditäten transportiert werden könnten. Im Ergebnis<br />
bleibt festzuhalten, dass die Bahn im gesamten <strong>Elbe</strong>korridor inkl. Tschechien<br />
über genügend freie Kapazitäten verfügt.<br />
Jedoch sind kurzfristige <strong>und</strong> langfristige Aspekte <strong>der</strong> Gütertransportübernah-<br />
me zu berücksichtigen. Kurzfristig begrenzen zur Verfügung stehende Trieb-<br />
wagen, Waggons <strong>und</strong> das zusätzlich benötigte Personal die Kapazität <strong>der</strong><br />
Schiene. Eine kurzfristige Erhöhung <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungskapazität, z.B. durch eine<br />
Unschiffbarkeit <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> aufgr<strong>und</strong> extremen Niedrig- o<strong>der</strong> Hochwassers, kann<br />
allerdings in <strong>der</strong> Tat zu Engpässen <strong>und</strong> Ablehnungen von Transportaufträgen<br />
242 Informationen <strong>der</strong> Tschechischen Bahn nach einer kleinen Anfrage beim Tschechischen<br />
Umweltministerium
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 267<br />
führen. Dies ist vermutlich auch <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>, warum die Bahn vom <strong>Elbe</strong>-<br />
Hochwasser im Jahr 2002 nicht signifikant profitieren konnte (Vgl. Abschnitt<br />
11.3.1.1). Dies stellt jedoch in mittlerer Sicht kein Problem dar.<br />
Die Tschechische Seite weist darauf hin, dass die ausgewiesenen freien Kapa-<br />
zitäten auch vorübergehend begrenzt werden, um durch Mo<strong>der</strong>nisierungs-<br />
maßnahmen anschließend zu einer Erhöhung <strong>der</strong> Kapazitäten zu gelangen.<br />
Auf die Frage, in wie weit die Mo<strong>der</strong>nisierungen <strong>und</strong> temporäre Kapazitätsein-<br />
schränkungen unterhalb von Decin sich auf die Engpassstrecke zwischen De-<br />
cin <strong>und</strong> <strong>der</strong> Deutsch-Tschechischen Grenze auswirken, wurde nicht einge-<br />
gangen. Jedoch ist davon auszugehen, dass Kapazitätseinschränkungen bei<br />
großzügig vorhandenen Kapazitäten nicht zu erwarten sind.<br />
14.4. Fazit<br />
Im Vergleich zu Güterverkehren auf <strong>der</strong> Schiene <strong>und</strong> Straße hat die Binnen-<br />
schifffahrt eine nur geringe Bedeutung. Dies würde sich auch bei einer Ver-<br />
besserung <strong>der</strong> Transportbedingungen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht wesentlich verän-<br />
<strong>der</strong>n.<br />
Die Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> würden <strong>der</strong> Bahn Konkurrenz machen <strong>und</strong> ver-<br />
mutlich, so die Erfahrung an an<strong>der</strong>en Wasserstraßen, die Bahn zu Preissenkun-<br />
gen zwingen. Die Verla<strong>der</strong> werden von diesem Wettbewerb profitieren, <strong>der</strong><br />
letztlich weitgehend vom Steuerzahler ermöglicht wird.<br />
Der durch die För<strong>der</strong>ung paralleler Infrastrukturen <strong>und</strong> des damit ermöglich-<br />
ten Wettbewerbs dürfte es insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Containertransporte<br />
weitgehend offen sein, welcher Verkehrsträger davon profitiert, da sowohl<br />
Bahn als auch <strong>der</strong> LKW gegenüber <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> durchaus konkurrenz-<br />
fähig sein können, gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Schifffahrtsbedingungen<br />
auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> 243 .<br />
243 Vgl. VBD (2004)
268 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Hinsichtlich des Infrastrukturausbaus ist auch festzustellen, dass alle drei Ver-<br />
kehrsinfrastrukturen (Autobahn, Binnenschiff <strong>und</strong> Bahn) in <strong>der</strong> Region <strong>und</strong> ins-<br />
beson<strong>der</strong>e auch parallel zur <strong>Elbe</strong> ausgebaut worden sind <strong>und</strong> noch weiter<br />
ausgebaut werden. Damit werden die unterschiedlichen Verkehrsträger zu-<br />
einan<strong>der</strong> in Wettbewerb gestellt, mit <strong>der</strong> Konsequenz, dass durch den inter-<br />
modalen Wettbewerb die Transportpreise weiter sinken werden <strong>und</strong> damit die<br />
Binnenwassertransporte weiter ins Hintertreffen geraten.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 269<br />
15. Situation <strong>und</strong> Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>häfen <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong><br />
15.1. Hafengüterumschläge<br />
Die Güterumschläge in den <strong>Elbe</strong>häfen des Landes Sachsen-Anhalt sind nur<br />
relativ aufwändig zu ermitteln. Ausgewiesene Zahlen des Landes schließen<br />
immer auch Häfen mit ein, die zwar im Land Sachsen-Anhalt liegen, aber ü-<br />
ber den Untersuchungsraum hinausgehen. Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist <strong>der</strong> Hafen<br />
Haldensleben.<br />
Dennoch ist anhand <strong>der</strong> vorliegenden Zahlen generell festzustellen, dass die<br />
Güterumschläge über Kaikante im Vergleich zu den Straßen- <strong>und</strong> Schienen-<br />
transporten gering sind. Sie nehmen, wie folgende Darstellung illustrierend<br />
zeigt, tendenziell ab <strong>und</strong> verlieren an Bedeutung. Dabei fallen die Binnen-<br />
schiffumschläge des Hafens Halle sogar auf Null (vgl. Abschnitt 15.3.4 zum Ha-<br />
fen Halle).<br />
Tab. 39: Binnenschiffsumschlag ausgewählter Häfen (in Tonnen), 2000-2005<br />
Quelle: LUB (2006) S. 37<br />
Ein Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Abnahme <strong>der</strong> Güterumschläge ist <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> grenz-<br />
überschreitenden Verkehre des Untersuchungsraums mit <strong>der</strong> Tschechischen<br />
Republik. Dieser belief sich im Jahr 2005 auf rd. 80.000 t Güter gegenüber
270 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
207.000 t Güter im Jahr 2001. 244 Im Vergleich dazu stieg <strong>der</strong> tschechische Tran-<br />
sitverkehr von 0,803 Mio. t (2001) auf 1,17 Mio. t (2005).<br />
Der tschechische Transitverkehr fiel mit insgesamt 0,64 Mio. t im Jahr 2007 be-<br />
reits unter das Jahr 2001. 245 Wohingegen die Güterumschläge <strong>der</strong> Sächsi-<br />
schen Binnenhäfen wie<strong>der</strong> zunahmen. Allerdings handelt es sich hierbei um<br />
geringe Schwankungen im Bereich von ein wenigen h<strong>und</strong>erttausend Tonnen.<br />
Im Verhältnis zu den Transportvolumina <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en beiden Modi, Straßen-<br />
<strong>und</strong> Schienentransporte, spielen diese daher eine eher untergeordnete Rolle<br />
<strong>und</strong> sind in <strong>der</strong> Summe konstant, insb. weil die Straßen- <strong>und</strong> Schienentranspor-<br />
te unterdessen gestiegen sind.<br />
Verfeinert man die Analyse <strong>und</strong> betrachtet die Güterumschläge <strong>der</strong> jeweili-<br />
gen Verkehrsträger in den Binnenhäfen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> im Untersuchungs-<br />
raum 246 so bekommt man einen Einblick darüber, welchen Stellenwert die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> <strong>und</strong> die <strong>Elbe</strong>-Häfen hier haben.<br />
Es wird deutlich, dass <strong>der</strong> Umschlag <strong>der</strong> Häfen mit ca. 1,6 bis 1,9 Mio. t in <strong>der</strong><br />
Spitze relativ stabil geblieben ist, dass <strong>der</strong> LKW-Verkehr <strong>für</strong> die Häfen die zent-<br />
rale Rolle spielt <strong>und</strong> über den Zeitraum 1995-2007 mit etwa einer Mio. t eben-<br />
falls stabil geblieben ist.<br />
Der Umschlag per Binnenschiff hat sich in dem gleichen Zeitraum deutlich ver-<br />
ringert, von 1992 mit 464.053 t auf 161.823t im Jahre 2006. Er liegt damit weit<br />
unter den Transporten auf <strong>der</strong> Straße <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schiene. Ein mo<strong>der</strong>ater Anstieg<br />
<strong>der</strong> Hafengüterumschläge im Jahr 2007 auf r<strong>und</strong> 267.848 t stellt eine Ausnah-<br />
me dar. Dies ist vor allem mit den günstigen hydrologischen Bedingungen in<br />
diesem Jahr zu begründen. Im Jahre 2008 pendelten sich die Hafengüterum-<br />
schläge wie<strong>der</strong> in den Abwärtstrend ein. Sie erreichten lediglich ein schwa-<br />
ches Umschlagvolumen von 165.587 t.<br />
244 Vgl. LUB (2006) S. 36 <strong>und</strong> Glie<strong>der</strong>ungspunkt 5.1.<br />
245 Vgl. WSD Ost (2007)<br />
246 anhand <strong>der</strong> Sächsischen Häfen, weil hier die Abgrenzung räumlich eindeutig ist,
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 271<br />
Tab. 40: Entwicklung des Umschlages nach Verkehrsträgern in den sächsischen Häfen 1995 –<br />
2007<br />
Quelle: Sächsischer Landtag (2008)<br />
Tab. 41: Güterumschlag des Hafenverb<strong>und</strong>es im Jahr 2008<br />
Quelle: <strong>Elbe</strong>-Saale-Verein (2009), S. 2<br />
Deutlich erhöht hat sich hingegen <strong>der</strong> Umschlag <strong>der</strong> Bahn von 267.742 t<br />
(1995) auf zuletzt 527.564 t in 2007.<br />
Im Jahre 2005 hatte <strong>der</strong> Umschlag per Binnenschiff in den SBO Häfen einen<br />
Anteil von 12%.
272 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
15.2. Sachsen<br />
Die B<strong>und</strong>eswasserstraße <strong>Elbe</strong> durchfließt Sachsen auf einer Länge von 180 km.<br />
An <strong>der</strong> sächsischen <strong>Elbe</strong> liegen drei Binnenhäfen in Dresden, Riesa <strong>und</strong> Tor-<br />
gau.<br />
Die Häfen <strong>der</strong> SBO-GmbH sind zur Übersicht mit einem (*) gekennzeichnet.<br />
15.2.1. Hafen Torgau*<br />
Der Hafen Torgau liegt nahe dem Wirtschaftsraum Leipzig/Halle <strong>und</strong> generiert<br />
dadurch mitunter seinen Güterumschlag. Eine Straßenverkehrsanbindung an<br />
das B<strong>und</strong>esstraßennetz <strong>und</strong> an das Kernnetz <strong>der</strong> DB AG ist vorhanden. Umge-<br />
schlagen werden Stück-, Schüttgut sowie Container. Zudem sind Schwergut-<br />
umschläge mit Mobilkränen bis 80 t realisierbar.<br />
Der Hafen besitzt eine eigene Hafenbahn <strong>und</strong> ist an die Liniendienste ECL <strong>und</strong><br />
ETS-<strong>Elbe</strong> angeb<strong>und</strong>en. 247<br />
15.2.2. Hafen Riesa*<br />
Der Hafen Riesa gehört ebenfalls zur Gruppe <strong>der</strong> Sächsischen Binnenhäfen<br />
<strong>und</strong> bezeichnet sich als trimodales Terminal des kombinierten Verkehrs. Es ver-<br />
fügt über Umschlagsanlagen <strong>für</strong> Stück-, Schütt- <strong>und</strong> Schwergut sowie Contai-<br />
ner mit einer Tragfähigkeit <strong>der</strong> Kräne bis 45 t. Der Schwergutumschlag ist bis<br />
250 t möglich.<br />
Neben dem Anschluss an die beiden <strong>Elbe</strong>-Liniendienste ECL <strong>und</strong> ETS-<strong>Elbe</strong> be-<br />
stehen regelmäßige Ganzzugverbindungen mit dem Albatros Express <strong>der</strong><br />
Transfracht International nach Hamburg/Bremerhaven <strong>und</strong> zurück (5x wö-<br />
chentlich). 248<br />
247 Vgl. Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (2008d)<br />
248 Vgl. Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (2008b)
15.2.3. Dresden/Dresden-Neustadt*<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 273<br />
Der Hafen Dresden ist ein Teilstandort des Güterverkehrszentrums Dresden-<br />
Friedrichstadt. Eine Anbindung an B<strong>und</strong>esstraße B6 <strong>und</strong> Autobahn A4 sowie<br />
an das Netz <strong>der</strong> DB AG sind vorhanden.<br />
Der Hafen bezeichnet sich ebenfalls als ein trimodales Terminal des kombinier-<br />
ten Verkehrs. Es sind Umschlagsanlagen <strong>für</strong> Stück-, Schütt-, Flüssig- <strong>und</strong><br />
Schwergüter sowie Container vorhanden, <strong>der</strong>en Kräne eine Tragfähigkeit bis<br />
90 t haben. Schwergutumschlag ist bis 400 t möglich. Des Weiteren hat <strong>der</strong><br />
Hafen Dresden ein Containerdepot <strong>und</strong> Containerterminal.<br />
Neben bestehenden Ansiedlungen stehen freie Ansiedlungs- <strong>und</strong> Lagerflä-<br />
chen zur Verfügung.<br />
Der Hafen besitzt eine eigene Hafenbahn <strong>und</strong> ist an die Liniendienste ECL <strong>und</strong><br />
ETS-<strong>Elbe</strong> angeb<strong>und</strong>en. Der Hafen Dresden-Neustadt ist lediglich ein Sport-<br />
boot-Hafen. 249<br />
15.3. Sachsen-Anhalt<br />
Die <strong>Elbe</strong> durchfließt Sachsen-Anhalt auf knapp über 300 km. Flussaufwärts be-<br />
finden sich im Untersuchungsgebiet 250 sechs <strong>Binnenschifffahrt</strong>shäfen, im Ein-<br />
zelnen Wittenberg, Rosslau, Aken, Barby, Schönebeck <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hafen Mag-<br />
deburg.<br />
Öffentliche Binnenhäfen mit trimodalem Anschluss sind an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> die Häfen<br />
Magdeburg, Aken <strong>und</strong> Rosslau.<br />
15.3.1. Hafen Magdeburg <strong>und</strong> Schönebeck<br />
Zu DDR-Zeiten dienten die Häfen an <strong>der</strong> Mittelelbe hauptsächlich dem Um-<br />
schlag von Massengütern. Investitionen zur Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur fan-<br />
den in dieser Zeit nicht statt.<br />
Seit dem 18. März 1992 ist <strong>der</strong> Hafen als MHG privatrechtlich organisiert. Ver-<br />
schiedene Unternehmen aus dem Mineralöl-, Getreide- <strong>und</strong> Futtermittelbe-<br />
249 Vgl. Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH (2008a)<br />
250 Bis Magdeburg
274 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
reich haben sich angesiedelt. Für weitere Ansiedlungen stehen im nördlich<br />
gelegenen Hansehafen ca. 40 ha hafenrelevante Flächen zur Verfügung.<br />
Der Hafen Magdeburg teilt sich in vier Bereiche auf (flussaufwärts): den Han-<br />
delshafen, den Industriehafen, den Kanalhafen mit den Hafenbecken I <strong>und</strong> II<br />
<strong>und</strong> schließlich den im Bau befindlichen Hansehafen.<br />
Der Industriehafen wurde 1911 eröffnet. Zu den typischen Umschlaggütern<br />
von heute gehören Getreide <strong>und</strong> Zucker aus <strong>der</strong> Magdeburger Börde, sowie<br />
Stahl <strong>und</strong> Schrott. Darüber hinaus wird ein Logistik-Service <strong>für</strong> alle Arten von<br />
Stückgütern, insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> Container <strong>und</strong> Schwerlasten, angeboten.<br />
Der größte <strong>der</strong> vier Hafenbereiche ist <strong>der</strong> Kanalhafen mit dem Trennungs-<br />
damm zur <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> den Hafenbecken I <strong>und</strong> Hafenbecken II. Heute wird <strong>der</strong><br />
größte Teil des Gesamtumschlages, wie z.B. Mineralölprodukte, Industrieroh-<br />
stoffe, Flugasche, Schrott, Futtermittel <strong>und</strong> Baustoffe in diesem Hafenteil ab-<br />
gewickelt. Bei Niedrigwasser <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> werden im Kanalhafen Leichterungen<br />
vorgenommen. 251<br />
Im Norden des Magdeburger Hafens befindet sich das Ausbaugebiet des<br />
Hansehafens <strong>und</strong> des zukünftigen GVZ - Magdeburg-Hansehafen – ein<br />
<strong>Stand</strong>ort <strong>für</strong> Industrie- <strong>und</strong> Logistikansiedlungen. Hier wird gegenwärtig in un-<br />
mittelbarer Nähe zum KV-/Container-Terminal „Hanse-Terminal“ eine direkt<br />
anschließende Logistikhalle errichtet.<br />
Am 15.12.2006 hat die Magdeburger Hafen GmbH den Betrieb ihres neuen<br />
KV- <strong>und</strong> Container-Terminals - „Hanse-Terminal“ - aufgenommen. Das Ge-<br />
samtprojekt Hansehafen wird 2008 fertig gestellt. 252<br />
Der Hafen Magdeburg/Rothensee ist durch das Wasserstraßenkreuz wassersei-<br />
tig in Nord-Süd durch die <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> den <strong>Elbe</strong>-Seitenkanal sowie in Ost-West<br />
durch die Mittellandkanal-Anbindung angeschlossen. Zudem ist eine Nord-<br />
Süd <strong>und</strong> Ost-West Anbindung des Straßenfernverkehrs durch die Autobahn<br />
251 Im Hafenbecken I findet zur Zeit kein Güterumschlag statt, nur Liegeplätze<br />
252 Vgl. SPC (2009)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 275<br />
A14 <strong>und</strong> A2 gegeben. Des Weiteren ist <strong>der</strong> Hafen über den Schienenknoten-<br />
punkt Rothensee an die Bahn angeb<strong>und</strong>en. 253<br />
Der Hafen Magdeburg ist in zwei Liniendienste eingeb<strong>und</strong>en: Die <strong>Elbe</strong>-<br />
Container-Linie (ECL) <strong>und</strong> den Ecological Transport Service (ETS) <strong>der</strong> Sächsi-<br />
schen Binnenhäfen Oberelbe GmbH, die eine regelmäßige Anbindung nord-<br />
wärts nach Hamburg bzw. Bremerhaven <strong>und</strong> südwärts nach Aken, den Säch-<br />
sischen Binnenhäfen <strong>und</strong> in die Tschechoslowakei haben.<br />
In den Neubau des Hansehafens (40 ha Fläche, trimodaler Containerterminal)<br />
fließen rd. 34,5 Mio. € .<br />
Das Umschlagsvolumen des Hafenkomplexes beziffern die Hafenbetreiber auf<br />
ca. 3. Mio. t p.a., wobei Richtungsangaben nicht genannt werden <strong>und</strong> ein<br />
wasserseitiger Umschlag nicht ausgewiesen wird.<br />
Jedoch finden sich Umschlagzahlen des Magdeburger Hafenkomplexes im<br />
statistischen Zahlenwerk des Landes Sachsen-Anhalt, wobei wie<strong>der</strong>rum die<br />
Richtung <strong>der</strong> Güterausgänge <strong>und</strong> die Quellen <strong>der</strong> Gütereingänge fehlen.<br />
Tab. 42: Entwicklung des Gesamtumschlags des Hafenverb<strong>und</strong>es Magdeburg 2003-2006<br />
Quelle: IHK Magdeburg (2008)<br />
Zwischen 2005 <strong>und</strong> 2007 hat <strong>der</strong> Hafen Magdeburg r<strong>und</strong> 9.900 TEU umge-<br />
schlagen. Offen bleibt woher die Container kamen o<strong>der</strong> wohin die Container<br />
gingen.<br />
253 Vgl. Daehre (2005)
276 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Es ist zu erwarten, dass es sich um Containereingänge aus Übersee handelt,<br />
die überwiegend aus Norden nach Magdeburg kamen. 254<br />
Hafen Schönebeck-Frohse<br />
Südlich von Magdeburg am Elbkilometer 314 befindet sich <strong>der</strong> Hafen Schö-<br />
nebeck-Frohse, eine Tochter <strong>der</strong> MHG. Hier werden Massengüter <strong>und</strong> land-<br />
wirtschaftliche Produkte umgeschlagen. Darüber hinaus befindet sich in<br />
Schönebeck eine Schwerlastplatte, über welche Schwerlastprojekte bis zu 150<br />
t abgewickelt werden könnten.<br />
Der Hafen Schönebeck war ein Neubauprojekt nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />
<strong>und</strong> wurde 1994 fertig gestellt. Er hat eine Kailänge von 1.000 m <strong>und</strong> verfügt<br />
über Straßen- <strong>und</strong> Schienenanschluss mit einer eigenen Hafenbahn in <strong>der</strong><br />
Länge von 3 km. Zudem verfügt <strong>der</strong> Hafen über ein Freilager von insgesamt<br />
51.000 m 2 . 255<br />
Es wurden immense Investitionen in den Neubau von 20.000 m² befestigter<br />
Flächen, Rekonstruktion <strong>und</strong> Erweiterung <strong>der</strong> Bahngleise, Installation einer<br />
Gleis- <strong>und</strong> LKW-Waage, Bau eines Schwergut- <strong>und</strong> Umschlagplatzes sowie zu-<br />
sätzlicher Parkflächen <strong>für</strong> LKW getätigt. Die Investitionshöhe ist unbekannt. 256<br />
Die Hafenanlage hat ein jährliches, potenzielles Umschlagsvolumen von bis zu<br />
400.000 t Güter 257 , wovon lediglich verschwindend geringe 1.016 t an Gütern<br />
im Jahr 2005 umgeschlagen wurden. 258<br />
Dabei schien das Jahr 2005 ein gutes Jahr gewesen zu sein, denn zuvor <strong>und</strong><br />
danach schlug <strong>der</strong> Hafen gerade mal r<strong>und</strong> die Hälfte an Gütern um. Zuvor<br />
noch weniger (83 t). (Vgl. Tab. 43)<br />
Es ist schwer verständlich, dass in unmittelbarer Nähe zum Magdeburger Ha-<br />
fen ein so umfangreiches Neubauprojekt entstand. Der Vergleich des Hafen-<br />
254 Vgl. Ministerium <strong>für</strong> Landesentwicklung <strong>und</strong> Verkehr Sachsen-Anhalt (2008)<br />
255 Vgl. MHG (2009)<br />
256 Vgl. Landkreis Schönebeck (2008)<br />
257 Vgl. ebd.<br />
258 Vgl. WSD-Ost (2007) S. 12
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 277<br />
potenzials mit den tatsächlichen Umschlägen spiegelt den realen Bedarf wi-<br />
<strong>der</strong>.<br />
15.3.2. Hafen Barby<br />
Zum Hafen Barby liegen keine Informationen vor. 259 Der Landkreis verweist auf<br />
den Hafen Schönebeck zur Wasserstraßenanbindung.<br />
15.3.3. Hafen Aken<br />
Der Hafen Aken ist ein öffentlicher Hafen mit trimodalem Anschluss. Nach ei-<br />
genen Angaben ist <strong>der</strong> Hafen spezialisiert auf Containerumschlag <strong>und</strong><br />
Schwergut- <strong>und</strong> Gefahrgutumschlag. 260 Lt. dem Land Sachsen-Anhalt wurden<br />
im Jahr 2004 (lediglich) etwas über 6000 TEU umgeschlagen. 261<br />
Für die Verladung von Schwerlasten steht eine stationäre Krantechnik mit bis<br />
zu 270 t Kapazität zur Verfügung. In Kombination mit mobilen Kränen kann<br />
diese auf bis zu 600 t erweitert werden.<br />
Der Hafen Aken ist in die beiden Liniendienste <strong>Elbe</strong>-Contianer-Linie (ECL) <strong>und</strong><br />
den Ecological Transport Service (ETS) eingeb<strong>und</strong>en.<br />
Die Darstellung <strong>der</strong> Hafenumschläge des Hafens Aken stellt ebenfalls unwe-<br />
sentliche Güterumschläge über Kaikante dar. Auffällig ist, dass die Container-<br />
umschläge bimodal ausgewiesen werden. Hier liegt die Vermutung nahe,<br />
dass die Bedeutung <strong>der</strong> Containertransporte via <strong>Elbe</strong> verschleiert wird <strong>und</strong> in<br />
Wahrheit viel geringer ausfallen.<br />
Zudem werden die Jahre 2007 <strong>und</strong> 2008 zusammengelegt <strong>und</strong> es wird nicht<br />
klar um welchen Zeitraum es sich handelt.<br />
259 Vgl. Landkreis Schönebeck (2008)<br />
260 Vgl. Hafenbetrieb Aken (2009)<br />
261 Vgl. Daehre (2005)
278 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Tab. 43: Güterumschlag des Hafens Aken 2007/2008<br />
Quelle: Schröter (2008)<br />
15.3.4. Hafen Rosslau*<br />
Der Hafen Rosslau gehört zum Zusammenschluss mehrerer <strong>Elbe</strong>häfen, <strong>der</strong> sog.<br />
Sächsische Binnenhäfen Oberelbe GmbH 262 . Nach eigenen Angaben ist <strong>der</strong><br />
Hafen ein trimodales Terminal des kombinierten Verkehrs. Der Hafen verfügt<br />
über Umschlagsanlagen <strong>für</strong> Stück-, Schütt- <strong>und</strong> Schwergüter. Schwergüter<br />
können mit einem Gewicht bis zu 250 t umgeschlagen werden. Des Weiteren<br />
verfügt <strong>der</strong> Hafen über ein Containerterminal <strong>und</strong> ein Containerdepot, über<br />
freie Ansiedlungs- <strong>und</strong> Lagerflächen <strong>und</strong> ist in zwei <strong>Elbe</strong>-Liniendienste einge-<br />
glie<strong>der</strong>t, in die ECL <strong>und</strong> in die ETS-<strong>Elbe</strong>. 263<br />
Laut Zeitungsberichten schlug <strong>der</strong> Hafen Rosslau im Jahr 2007 r<strong>und</strong> 214 060<br />
Tonnen Getreide, Futtermittel, Dünger, Erze, Stahlbleche <strong>und</strong> weitere Güter<br />
mit 296 Binnenschiffen über Kaikante um. Das entspricht 18 Prozent mehr Gü-<br />
terumschlägen als im Jahre 2006 264 (181.407 t; eigene Berechnung).<br />
Im Jahr 2008 reduzierte sich <strong>der</strong> Umschlag auf das Binnenschiff auf r<strong>und</strong><br />
113.362 t <strong>und</strong> weißt eher auf das Umschlagpotenzial des Hafens hin, insb. weil<br />
das Jahr 2007 im Bezug auf Wasserstände <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> hydrologisch eher zu den<br />
besseren Jahren zu zählen ist. 265<br />
262 Vgl. Sächsische Binnenhäfen Oberelbe (2008c)<br />
263 Vgl. ebd.<br />
264 Vgl. MZ (2009)<br />
265 Vgl. <strong>Elbe</strong>-Saale Verein (20
15.3.5. Hafen Wittenberg<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 279<br />
Angrenzend an den Werkshafen SKW Piesteritz GmbH befindet sich ein unge-<br />
nutztes Areal, dass bereits 1915 als Schiffsumlagestelle diente. Hier könnte<br />
nach den Plänen <strong>der</strong> Stadt bei Bedarf ein weiterer mo<strong>der</strong>ner Binnenhafen er-<br />
richtet werden. Eine Machbarkeitsstudie des Planungsbüros Emch <strong>und</strong> Berger<br />
liegt <strong>der</strong> Stadt Wittenberg im Bereich Stadtentwicklung/ Wirtschaft vor. 266<br />
Dadurch erhofft sich Wittenberg einen deutlichen Beitrag zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> <strong>Stand</strong>ortbedingungen <strong>für</strong> die Industrie.<br />
Aktuell sucht die Stadt Investoren, um das potenzielle Hafenareal in Koopera-<br />
tion mit dem Werkshafen Piesteritz zu erschließen. Dieser verfügt über einen<br />
Gleisanschluss <strong>und</strong> soll vom geplanten Hafen Wittenberg genutzt werden. 267<br />
Fraglich ist, ob die Mittlere <strong>Elbe</strong> noch eine Hafenanlage braucht, angesichts<br />
<strong>der</strong> mageren wasserseitigen Umschläge <strong>der</strong> bereits existierenden Häfen.<br />
15.3.6. Saale-Hafen Halle (Saale)<br />
Nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung war die Hafenumschlagleistung mit rd. 38.000 t<br />
Gütern noch vorhanden. Im Jahre 1992 wurde <strong>der</strong> Hafenumschlag gänzlich<br />
eingestellt <strong>und</strong> erst im Folgejahr wie<strong>der</strong> aufgenommen. Der Hafen wurde als<br />
Tochterunternehmen in die Stadtwerke Halle aufgenommen.<br />
1994 erfolgte dann ein mo<strong>der</strong>ater Ausbau. 1999 lagen die Umschlagszahlen<br />
des Hafens immerhin bei 132.000 t an Gütern, wobei hier die Umschläge auf<br />
alle drei Modi (Straße, Schiene, Wasserstraße) kumuliert sind <strong>und</strong> die wassersei-<br />
tigen Volumina nicht Preis gegeben werden.<br />
2000 fand aufgr<strong>und</strong> schlechter Wasserstände keine wesentliche Schifffahrt<br />
statt. Trotzdem wurde ein dreijähriges Investitionsprogramm i.H.v. rd. 30 Mio. €<br />
beschlossen, um die Hafenanlagen in ein mo<strong>der</strong>nes Umschlagszentrum um-<br />
zuwandeln. Der Gesamtumschlag in Halle/Trotha belief sich 2005 auf rd.<br />
120.000 t Güter, wovon lediglich ca. 14.000 t an <strong>der</strong> Schleuse Calbe (58 Schif-<br />
266 Vgl. Stadt Wittenberg (2009)<br />
267 Vgl. ebd.
280 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
fe) als wasserseitiger Umschlag des Hafens gemessen wurden. Nach Anga-<br />
ben <strong>der</strong> Stadt Halle 268 <strong>und</strong> unter Rücksprache des Hafens Halle wurde im Jah-<br />
re 2006 kein wasserseitiger Güterumschlag vorgenommen. Der Hafen Halle<br />
dient letztendlich als Umschlagstelle <strong>für</strong> Bahn- <strong>und</strong> LKW-Transporte. Übersee-<br />
transporte werden momentan ausschließlich von Teil- <strong>und</strong> Ganzzügen von<br />
<strong>und</strong> zu den Seehäfen Hamburg <strong>und</strong> Bremerhaven durchgeführt.<br />
2006 (t) Quartale<br />
1.Vj. r 2.Vj. r 3.Vj. 4.Vj. Gesamt<br />
Straße 25 260 34 489 88 309 62 272 210 330<br />
Wasser 0 0 0 0 0<br />
Schiene 14 488 19 880 27 700 27 605 89 673<br />
Gesamt 39 748 54 369 116 009 89 877 300 003<br />
Tab. 44: Güterumschlag Hafen Halle nach Verkehrsträgern<br />
Eigene Darstellung; Quelle: Stadt Halle (2009)<br />
Nach Angaben des Hafensprechers waren zu schlechte Wasserstände <strong>der</strong><br />
Saale da<strong>für</strong> maßgebend. 269<br />
Der Güterumschlag insgesamt erreicht im Jahr 2006 ca. 300.000 t. Das Verla-<br />
gerungspotenzial auf die Wasserstraße dürfte sich in Anbetracht <strong>der</strong> gesam-<br />
ten Umschlagvolumina sehr begrenzt sein <strong>und</strong> auch im Hinblick auf die prog-<br />
nostizierten Güterumschläge <strong>für</strong> die Saale (zwischen 1,5 Mio. t (Planco) <strong>und</strong><br />
2,5 Mio.t (LUB)) kaum realisierbar sein. 270<br />
Trotz des praktisch nicht vorhandenen wasserseitigen Umschlags hat man<br />
dem Hafen üppige Leistungsmerkmale verpasst. Das Hafenbecken misst 750m<br />
x 60m <strong>und</strong> verfügt über sieben Liegeplätze. Es ist geeignet <strong>für</strong> Europaschiffe<br />
<strong>und</strong> es stehen drei weitere Liegeplätze am Saale-Ufer bereit. Des Weiteren hat<br />
<strong>der</strong> Hafen nunmehr eine 30.000 m 2 große befestigte Kaianlage zur Be- <strong>und</strong><br />
Entladung von Schiffen, Zügen <strong>und</strong> Lastkraftwagen. Darüber hinaus besitzt <strong>der</strong><br />
268 Vgl. Stadt Halle (2009)<br />
269 Telefonat mit dem Hafensprecher<br />
270 Vgl. hierzu Abschnitt 10.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 281<br />
Hafen Halle ein Containerterminal <strong>und</strong> einen Portkran mit einer Kapazität von<br />
bis zu 45 t Traglast. Es ist auf bis zu 650m entlang des Hafenbeckens beweglich<br />
<strong>und</strong> ist dazu geeignet trimodal zu be-, ent- <strong>und</strong> umladen.<br />
15.4. <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> öffentlich geför<strong>der</strong>ten Investitionsprogramme<br />
In den letzten 10 bis 15 Jahren wurde erheblich in die Infrastruktur <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Binnenhäfen investiert. Diese wurden in <strong>der</strong> Regel durch die jeweils zuständi-<br />
gen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> finanziell (inkl. EU-För<strong>der</strong>mittel) geför<strong>der</strong>t.<br />
Politisch legitimiert wurden Hafeninvestitionen durch Prognosen des Güterver-<br />
kehrsaufkommens durch den BVWP ’92 <strong>und</strong> den Tatbestand einer „maroden<br />
Hinterlassenschaft“ <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung.<br />
Die Investitionen umfassten <strong>und</strong> umfassen die Sanierung <strong>der</strong> Kaianlagen, die<br />
Erneuerung <strong>der</strong> Hafenkräne, Anschluss <strong>der</strong> Häfen an Schienenverbindungen,<br />
den Ausbau <strong>der</strong> Straßenanbindungen <strong>und</strong> schließlich <strong>der</strong> Erschließung <strong>und</strong><br />
Entwicklung von Gewerbeflächen zur Ansiedlung. Hinzu trat seit 1998 die Mög-<br />
lichkeit einer finanziellen För<strong>der</strong>ung des B<strong>und</strong>es <strong>für</strong> die Errichtung von Um-<br />
schlagterminals des Kombinierten Verkehrs (KV) gem. För<strong>der</strong>richtlinie des KV.<br />
Davon machten insb. <strong>der</strong> Hafen Aken (Investitionsvolumen 4,2. Mio. €, davon<br />
3,36 Mio. € B<strong>und</strong>) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Hafen Magdeburg (Investitionsvolumen 35 Mio. €)<br />
Gebrauch <strong>und</strong> errichteten damit mo<strong>der</strong>ne Containerterminals. Zudem plant<br />
<strong>der</strong> Hafen Dresden eine Ro/Ro-Anlage des Kombinierten Verkehrs aus Bun-<br />
desmitteln. 271<br />
Die Investitionen in die Hafeninfrastrukturen befähigten die Hafengesellschaf-<br />
ten zur Erschließung neuer Verkehrspotenziale, wie Container-, Schwergut-<br />
<strong>und</strong> Großraumtransporte, die mangels Terminals <strong>und</strong> Schwerlastkränen i.V.m.<br />
einer befestigten Kaianlage zuvor nicht o<strong>der</strong> nur sehr eingeschränkt möglich<br />
waren. Jedoch stehen die mageren Umschläge dieser Gutarten nicht im Ver-<br />
hältnis zu den Investitionen (Vgl. Abschnitt 15.1 über Volumina <strong>der</strong> Umschlä-<br />
ge).<br />
271 Vgl. LUB (2006) S. 21 f.
282 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die nachfolgende Tabelle zeigt öffentliche <strong>und</strong> private Investitionen ausge-<br />
wählter <strong>Elbe</strong> Häfen. Dem gegenübergestellt werden die Arbeitsplätze in <strong>und</strong><br />
um die Häfen.<br />
Tab. 45: Getätigte Investitionen in Häfen <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong><br />
Quelle: LUB (2006) S. 23<br />
Zu <strong>der</strong> Tabelle ist anzumerken, dass die ausgewiesenen Arbeitsplatzzahlen<br />
sehr hoch erscheinen <strong>und</strong> vor allem nicht ausgewiesen wird, nach welcher<br />
Methodik sie erhoben wurden. Vor allem wird aber <strong>der</strong> Eindruck erweckt, dass<br />
die Arbeitsplatzzahlen in direktem Zusammenhang mit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
stünden. Wie an an<strong>der</strong>er Stelle ausgeführt wird, haben sich die Häfen zum Teil<br />
zu Güterverkehrszentren entwickelt (mit sehr geringen Umschlägen über Kai).<br />
Zudem unternahmen die Hafenbetreiber eigene Aktivitäten zur Einbindung<br />
<strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> in Logistikketten. Sie bemühten <strong>und</strong> bemühen sich um<br />
Ansiedlungen von binnenschiffaffinen Unternehmen in ihre Ansiedlungsflä-<br />
chen an den Häfen, um Binnenschifftransporte zu generieren. Dazu bieten sie<br />
speditionelle Komplettabwicklungen von Großraum-, Schwergut- <strong>und</strong> Contai-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 283<br />
nertransporten <strong>und</strong> gingen Partnerschaften mit Bahnoperateuren (speziell<br />
Aken, Riesa <strong>und</strong> Halle) ein, um zumindest ganzjährige Transporte von Contai-<br />
nern zu gewährleisten. 272<br />
15.5. Fazit<br />
Der Ausbau <strong>der</strong> Häfen fand vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> völlig unrealistischen<br />
Prognosen des BVWP ’92 statt, bei welchem einerseits ein erhebliches wirt-<br />
schaftliches Wachstum in den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> den Anrainerstaa-<br />
ten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits eine deutliche Steigerung des Verkehrsaufkommens auf<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> erwartet wurden. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Erwartungen wurde die<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Häfen als eine wichtige Maßnahme zur Bewältigung des<br />
zu erwartenden Verkehrs <strong>und</strong> des wirtschaftlichen Wachstums angesehen.<br />
Diese mittlerweile eingestandenen Fehlprognosen führten damit zu erhebli-<br />
chen (Über-) Investitionen in die Hafeninfrastrukturen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
Die nunmehr angeführte Argumentation, dass die Strombaumaßnahmen an<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> letztlich dazu führen würden, dass die Investitionen nicht „in den<br />
Sand gesetzt“ seien, verkennt, dass die Planungsgr<strong>und</strong>lagen letztlich falsch<br />
waren <strong>und</strong> dass die erwarteten Verkehre mit den revidierten Prognosen auch<br />
nicht realisiert werden. Die Klage, dass die nach Ansicht <strong>der</strong> Elbausbaube-<br />
<strong>für</strong>worter zu langsamen (<strong>und</strong> nicht hinreichenden) Ausbaumaßnahmen die<br />
wirtschaftliche Nutzung <strong>der</strong> Häfen verhin<strong>der</strong>n würde, verkennt die gr<strong>und</strong>sätzli-<br />
chen Probleme des mangelnden Güterverkehrsaufkommens.<br />
Gleichwohl ist festzustellen, dass die Häfen sich einerseits zu Gewerbestandor-<br />
ten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits zu Güterverkehrszentren entwickelt haben <strong>und</strong> damit die<br />
investierten Gel<strong>der</strong> zumindest nicht völlig unnütz verbaut worden sind, auch<br />
wenn die Investitionen mit einem an<strong>der</strong>en Ziel vorgenommen wurden.<br />
Letztendlich wurden aus den betrachteten Häfen „bessere“ Güterverkehrs-<br />
zentren, die lediglich über einen zusätzlichen wasserseitigen Transportan-<br />
272 Vgl. LUB (2006) S. 25
284 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
schluss verfügen, <strong>der</strong> aber im Vergleich zu seinem Nutzen „teuer erkauft“<br />
wurde.<br />
Diese Aussage stützt sich auch auf die bereits erwähnte differenzierte Be-<br />
trachtung <strong>der</strong> modalen Umschlagzahlen <strong>der</strong> Häfen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 285<br />
16. <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> Perspektiven <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung in <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>region<br />
(oberhalb Magdeburgs)<br />
16.1. Einführung<br />
Aussagen bzw. Untersuchungen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsregion entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> von <strong>der</strong> tschechischen Grenze bis Magde-<br />
burg liegen in einem geeigneten (also auf die Effekte des <strong>Elbe</strong>- <strong>und</strong> Saa-<br />
leausbaus orientierten) Maßstab nicht vor. Im Wesentlichen durchfließt die El-<br />
be in diesem Raum zwei B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> <strong>und</strong> die Tschechische Republik. Sinn-<br />
voll erscheint daher eine Unterteilung des Untersuchungsraums in die B<strong>und</strong>es-<br />
län<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong> Sachsen-Anhalt, um näherungsweise Informationen über<br />
wirtschaftliche Entwicklungen im Untersuchungsraum zu erhalten, weil hierzu<br />
Daten vorliegen.<br />
Wirtschaftliche Entwicklungen von Regionen geben Anhaltspunkte zu Ver-<br />
kehrsströmen. So könnte man sagen, dass die Wirtschaftskraft, Produktivität,<br />
Investitionen, wirtschaftliche Verflechtungen <strong>und</strong> demographische Entwick-<br />
lung Indikatoren <strong>für</strong> Güterströme sind. Entwickeln sich die wirtschaftlichen<br />
Kennzahlen positiv, so gehen sie einher mit Steigerungen <strong>der</strong> Güterströme <strong>und</strong><br />
umgekehrt, denn bisweilen fällt positive wirtschaftliche Entwicklung mit <strong>der</strong><br />
Zunahme von Gütertransportleistungen zusammen.<br />
Die entscheidende Fragestellung bezieht sich allerdings darauf, inwieweit<br />
Verkehrsinfrastrukturen einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten<br />
können.<br />
In <strong>der</strong> Folge wird zunächst die Diskussion um die Entwicklung von Verkehrsinf-<br />
rastrukturen <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung skizziert, bevor auf die konkrete<br />
wirtschaftliche Entwicklung in den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n Sachsen <strong>und</strong> Sachen-<br />
Anhalt eingegangen wird.
286 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
16.2. Sachsen<br />
Sachsen war bereits in <strong>der</strong> Vergangenheit – auch vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung<br />
– ein siedlungsstruktureller Son<strong>der</strong>fall.<br />
Aufgr<strong>und</strong> seiner hohen Bevölkerungsdichte <strong>und</strong> -größe, den Agglomerations-<br />
räumen Dresden, Leipzig <strong>und</strong> Chemnitz <strong>und</strong> dem breiten Wissen an Universitä-<br />
ten <strong>und</strong> Fachhochschulen war das B<strong>und</strong>esland Sachsen schon immer ein att-<br />
raktiver <strong>Stand</strong>ort <strong>für</strong> industrielle Produktion.<br />
Abb. 49: BIP Sachsen 1995 bis 2003<br />
Quelle: Hoffmann et al. (2004) S.4
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 287<br />
Im Zuge <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung <strong>und</strong> wirtschaftlichen Umgestaltung entwickel-<br />
te sich die sächsische Wirtschaft überdurchschnittlich gut. In <strong>der</strong> ersten Hälfte<br />
<strong>der</strong> 1990er Jahre wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) rasant an. Jedoch fal-<br />
len die Wachstumsraten seit Mitte <strong>der</strong> 1990er wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> gleichen sich dem<br />
B<strong>und</strong>esdurchschnitt an. 273<br />
2003 betrug das BIP Sachsens 77 Mrd. € <strong>und</strong> damit knapp ein Drittel des ost-<br />
deutschen Bruttoinlandsprodukts aller neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>.<br />
Abb. 50: Arbeitsproduktivität Sachsens 1995, 2002 <strong>und</strong> 2003 im Vergleich zum gesamtdeutsche<br />
Niveau<br />
Quelle: Hoffmann et al. (2004) S.9<br />
273 Vgl. Landeszentrale <strong>für</strong> Politische Bildung Sachsen-Anhalt (LSPB)
288 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Abb. 51: Lohnstückkosten Sachsen 2003 im Vergleich zum gesamtdeutschen Niveau<br />
Quelle: Hoffmann et al. (2004) S.9<br />
Im Jahr 2005 stieg das BIP Sachsens auf 85,8 Mrd. € <strong>und</strong> hatte einen Anteil von<br />
nunmehr 33% am BIP Ostdeutschlands. 274 Im Jahr 2006 lag aktuell das sächsi-<br />
sche BIP bei 88,7 Mrd. € (anteilig 32,7% des BIP-Ostdeutschland ohne Berlin).<br />
Betrachtet man das BIP pro Kopf als Wohlstandsmaß, so hat Sachsen (2003)<br />
mit 73% (zu jeweiligen Preisen) des gesamtdeutschen Niveaus auch den<br />
274 Vgl. Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> (2009)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 289<br />
höchsten Wert aller neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>. 275 Allerdings ist die Produktivität<br />
Sachsens, die einen Wert von 72% des B<strong>und</strong>esdurchschnitts erreicht, das<br />
Schlusslicht in Ostdeutschland.<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit Sachsens, gemessen an den Lohnstückkosten, liegt<br />
mit 14% über B<strong>und</strong>esdurchschnitt. Jedoch hat <strong>der</strong> Wirtschaftsbereich „Verar-<br />
beitendes Gewerbe“ deutliche Stückkostenvorteile gegenüber den alten<br />
B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n.<br />
Das sächsische Wachstum wird hauptsächlich vom produzierenden Gewerbe<br />
<strong>und</strong> insb. vom verarbeitenden Gewerbe getragen. Die übrigen Wirtschafts-<br />
sektoren entwickelten sich mo<strong>der</strong>at. Lediglich die Baubranche verzeichnet<br />
seit Jahren sinkende Wertschöpfungen.<br />
Die Investitionstätigkeit des Landes ist mit 31% aller in Ostdeutschland getätig-<br />
ten Investitionen zwischen 1991 <strong>und</strong> 2002 sehr hoch. 276<br />
Im Bereich des Außenhandels verfügt Sachsen über eine starke industrielle Ba-<br />
sis mit hoher außenwirtschaftlicher Orientierung. Die Exportquote des Landes<br />
liegt bei 29% <strong>und</strong> 43% <strong>der</strong> Exporte <strong>der</strong> neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> entfallen auf<br />
Sachsen. 277<br />
Trotz <strong>der</strong> beachtlichen Erfolge <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung Sachsens seit<br />
<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung reicht die Entwicklung bei weitem nicht aus, um an<br />
den <strong>Stand</strong>ard <strong>der</strong> alten B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> heranzukommen. Das drückt sich ver-<br />
gleichsweise in geringeren Einkommen, einer Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jungen Be-<br />
völkerung <strong>und</strong> einer hohen Arbeitslosenquote aus. Problematisch wirkt sich<br />
auch <strong>der</strong> prognostizierte Bevölkerungsrückgang i.V.m. <strong>der</strong> Alterung <strong>der</strong> säch-<br />
sischen Bevölkerung aus.<br />
275 Eigene Berechnung, Datengr<strong>und</strong>lage vgl. ebd.<br />
276 Vgl. SLPB <strong>und</strong> Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> (2009)<br />
277 DB Research (2004) S. 30
290 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
16.3. Sachsen-Anhalt<br />
Kein B<strong>und</strong>esland hat nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung größere Verwerfungen er-<br />
fahren. Zu DDR-Zeiten war Sachsen-Anhalt <strong>der</strong> stärkste <strong>Stand</strong>ort <strong>der</strong> ostdeut-<br />
schen Industrie. Das B<strong>und</strong>esland hatte eine ähnliche Funktion wie das Ruhr-<br />
gebiet. Vor allem die chemische Industrie (Halle, Bitterfeld), <strong>der</strong> Maschinen-<br />
bau (Magdeburg, Dessau) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bergbau (Halle, Merseburg, Bitterfeld) bil-<br />
deten wirtschaftlich starke Cluster. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Bergbau war zu DDR-<br />
Zeiten von großer wirtschaftlicher Bedeutung. 278<br />
Mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung wurde Sachsen-Anhalt nahezu völlig deindustriali-<br />
siert. Die heutige wirtschaftliche Entwicklung musste auf einer Industrie auf-<br />
bauen, von <strong>der</strong> ganze Zweige zusammengebrochen <strong>und</strong> verschw<strong>und</strong>en wa-<br />
ren. Als Folge des Umbruchs ging die Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten zwischen 1990<br />
<strong>und</strong> 2000 um fast 46% zurück. Der fast völlige Zusammenbruch <strong>der</strong> Schwer-<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stoffindustrie <strong>und</strong> die bis heute durchschnittliche wirtschaftliche<br />
Entwicklung haben eine Abwan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Bevölkerung um 10% bewirkt. Hin-<br />
zu kam ein Einbruch <strong>der</strong> Geburtenrate, die heute am Ende <strong>der</strong> Skala aller<br />
B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> liegt. 279<br />
Trotz <strong>der</strong> relativ schlechten Entwicklung im Bergbau <strong>und</strong> im Baugewerbe wur-<br />
de die wirtschaftliche Entwicklung vom produzierenden <strong>und</strong> vor allem dem<br />
verarbeitenden Gewerbe getragen. Die übrigen Sektoren entwickelten sich<br />
mo<strong>der</strong>at.<br />
Das BIP Sachsen-Anhalts lag 2003 bei rd. 44,2 Mrd. €. Das macht einen Anteil<br />
am BIP <strong>der</strong> neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> (ohne Berlin) von 18,5% aus. Die Entwicklung<br />
des Bruttoinlandprodukts war äußerst dynamisch. Während in den Jahren<br />
1991 bis 1997 die Zuwachsraten des BIP in Sachsen-Anhalt den B<strong>und</strong>esdurch-<br />
schnitt übertrafen, so war seit 1998 die Entwicklung unterdurchschnittlich bis<br />
die Zuwachsraten seit 2002 wie<strong>der</strong> über dem B<strong>und</strong>esdurchschnitt lagen. In<br />
278 Aus <strong>der</strong> Braunkohlegewinnung bezog die damalige DDR ca. 90% ihrer Stromerzeugung<br />
<strong>und</strong> 1960 umfasste sie in etwa 1/10 <strong>der</strong> Weltproduktion.<br />
279 Vgl. Berlin <strong>Institut</strong>
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 291<br />
den Jahren 1993, 1996-1997 <strong>und</strong> 2001-2003 erreichte Sachsen-Anhalt die<br />
höchsten Zuwachsraten aller neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>. 280<br />
Beim Wohlstandsindikator BIP pro Kopf liegt Sachsen-Anhalt bei 69% des Bun-<br />
desdurchschnitts (2003 zu jeweiligen Preisen) <strong>und</strong> liegt nur knapp unter dem<br />
Wert aus Sachsen. 281<br />
Bei <strong>der</strong> Produktivität ist Sachsen-Anhalt mit 78% (<strong>für</strong> 2003) des B<strong>und</strong>esdurch-<br />
schnitts etwas besser als Sachsen aufgestellt. 282<br />
Die Investitionsquote Sachsen-Anhalts liegt bei 19% aller Investitionen <strong>der</strong><br />
neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> (ohne Berlin) <strong>und</strong> zeigt einen deutlichen Abstand zu<br />
Sachsen mit 31%. 283<br />
16.4. Demographische Entwicklung<br />
Die Größe <strong>und</strong> Struktur <strong>der</strong> Wohnbevölkerung hängt von <strong>der</strong> Geburtenent-<br />
wicklung, <strong>der</strong> Lebenserwartung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zuwan<strong>der</strong>ung ab.<br />
Während die Migration <strong>für</strong> Gesamtdeutschland vergleichsweise eine geringe<br />
Bedeutung gegenüber Geburtenrate <strong>und</strong> Lebenserwartung hat, spielt die<br />
Wan<strong>der</strong>ungsbewegung zuwischen Ost <strong>und</strong> West hinsichtlich <strong>der</strong> Größe <strong>und</strong><br />
Struktur <strong>der</strong> Wohnbevölkerung in Ostdeutschland eine wesentlichen Rolle. Aus<br />
diesem Gr<strong>und</strong> sind <strong>der</strong> Bevölkerungsrückgang <strong>und</strong> die Bevölkerungsalterung<br />
ausgeprägter als im Westen Deutschlands.<br />
Prognosen besagen, dass die Bevölkerung in den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n bis<br />
2030 im Durchschnitt etwa um 20% zurückgehen wird. Ursächlich sind – neben<br />
<strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>ungsbewegung – auch <strong>der</strong> Geburtenrückgang in den neuen<br />
B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung, so dass sich die Größe <strong>der</strong> ins<br />
Erwerbsleben eintretenden Kohorten in den nächsten 10 Jahren etwa halbiert<br />
280 Vgl. Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt (2004)<br />
281 Eigene Berechnung, Datengr<strong>und</strong>lage: Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong><br />
(2009)<br />
282 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung <strong>der</strong> gesamtwirtschaftlichen Lage (2004), S. 310<br />
283 Eigene Berechnung, vgl. Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> (2008)
292 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>und</strong> die Abgänge aus dem Arbeitsmarkt an Ende dieser Dekade deutlich zu-<br />
nehmen.<br />
Unter den ostdeutschen Flächenlän<strong>der</strong>n führen Sachsen-Anhalt <strong>und</strong> Sachsen<br />
die Tabelle <strong>der</strong> Bevölkerungsverluste an. Zu berücksichtigen ist, dass Bevölke-<br />
rungsrückgänge regional unterschiedlich ausfallen. So dürften ländlich peri-<br />
phere Regionen stärker betroffen sein.<br />
Begleitet wird <strong>der</strong> Bevölkerungsrückgang von einer Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Altersstruk-<br />
tur. So wird bis 2020 die bildungsrelevante Bevölkerung (5 – 29 jährige) von<br />
heute 26% auf 18% fallen. Die Bevölkerung >65 Jahre nimmt von heute 18%<br />
auf 27% zu, was sicherlich Auswirkungen auf das Arbeitsangebot haben wird.<br />
So wird voraussichtlich die Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen von <strong>der</strong>zeit 70% auf ca.<br />
57% fallen. Das hat sowohl positive als auch negative Folgen. Positiv sei ein<br />
Rückgang <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit, negativ wäre ein eventueller Mangel an Fach-<br />
kräften, was die Attraktivität von Unternehmensansiedlungen schmälert. Al-<br />
lerdings könnten eine Lohnreaktion <strong>und</strong> eine verstärkte Suche nach Fachkräf-<br />
ten wie<strong>der</strong> zu einer Zuwan<strong>der</strong>ung, aus dem Westen Deutschlands o<strong>der</strong> den<br />
benachbarten osteuropäischen Län<strong>der</strong>n, führen. 284<br />
In Folge von Urbanisierungstendenzen <strong>und</strong> Rückläufen <strong>der</strong> ländlichen Bevöl-<br />
kerung könnte die Bevölkerungsentwicklung folgen<strong>der</strong>maßen aussehen:<br />
284 Vgl. hierzu Sachverständigenrat zur Begutachtung <strong>der</strong> gesamtwirtschaftlichen Lage (2004)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 293<br />
Abb. 52: Prognostizierte Bevölkerungsdichte B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />
Quelle: BBSR (2005)
294 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Im Untersuchungsraum sammelt sich die Bevölkerung in den Agglomerations-<br />
räumen Dresden, Chemnitz, Leipzig/Halle <strong>und</strong> Magdeburg <strong>und</strong> stellt neben<br />
dem Großraum Berlin <strong>und</strong> Teilen Thüringens die bevölkerungsreichste Region<br />
Ostdeutschlands dar. Gleichwohl wird auch deutlich, dass kein Vergleich zu<br />
den westdeutschen Ballungsregionen entlang des Rheins möglich ist, die Be-<br />
völkerungs- <strong>und</strong> Industriedichte ist entlang des Rheins erheblich höher denn<br />
entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
Der demographische Wandel hat sicherlich auch Auswirkungen auf den Gü-<br />
terverkehr. Allerdings sind diese Zusammenhänge indirekter Art. Sie hängen<br />
davon ab, wie sich die demographische Entwicklung auf die Wirtschaftsleis-<br />
tung <strong>und</strong> damit auf die Güternachfrage auswirkt. Entwickeln sich die Agglo-<br />
merationsräume wirtschaftlich positiv, so werden sie Güternachfrage <strong>und</strong> Gü-<br />
terverkehrsaufkommen nach sich ziehen <strong>und</strong> umgekehrt. 285 Daher kann hier<br />
eine Prognose von Tendenzen <strong>der</strong> Güternachfrage lediglich anhand von<br />
demographischen Überlegungen nicht sinnvoll geklärt werden.<br />
16.5. Die Region im Vergleich zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt<br />
Verfolgt man die wirtschaftliche Entwicklung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> Sachsen <strong>und</strong><br />
Sachsen-Anhalt vom Umbruch durch die Wie<strong>der</strong>vereinigung bis heute, so<br />
könnte man meinen, dass sie sich relativ gut entwickelt haben. Setzt man ei-<br />
nige Leistungsdaten dieser B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> in Vergleich zu den alten B<strong>und</strong>es-<br />
län<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt, so ergibt sich ein an<strong>der</strong>es Bild.<br />
Wir werden die Bevölkerungsdichte, das Bruttoinlandprodukt, die Industrie-<br />
dichte <strong>und</strong> Import-Export Volumina auf diese Weise vergleichen <strong>und</strong> daraus<br />
Implikationen <strong>für</strong> die Transportintensivität ableiten.<br />
Der Freistaat Sachsen liegt direkt im B<strong>und</strong>esdurchschnitt <strong>und</strong> im Mittelfeld an<br />
neunter Position, während das B<strong>und</strong>esland Sachsen-Anhalt gerade die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Bevölkerungsdichte von Sachsen erreicht.<br />
285 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim BMVBW (2004) S. 10
Land<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 295<br />
Fläche<br />
Bevölkerung Einwohner rel. zum<br />
insgesamt ja km2 B<strong>und</strong>es-<br />
km2 in 1.000 Anzahl durch-<br />
Stichtag 31.12.2005 schnitt<br />
Baden-Württemberg 35.751,65 10.736 300 1,30<br />
Bayern 70.551,57 12.469 177 0,77<br />
Berlin 891,85 3.395 3.807 16,48<br />
Brandenburg 29.478,61 2.559 87 0,38<br />
Bremen 404,28 663 1.641 7,10<br />
Hamburg 755,16 1.744 2.309 10,00<br />
Hessen<br />
Mecklenburg-<br />
21.114,79 6.092 289 1,25<br />
Vorpommern 23.180,14 1.707 74 0,32<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen 47.624,20 7.994 168 0,73<br />
Nordrhein-Westfalen 34.085,29 18.058 530 2,29<br />
Rheinland-Pfalz 19.853,36 4.059 204 0,88<br />
Saarland 2.568,70 1.050 409 1,77<br />
Sachsen 18415,51 4.247 232 1,00<br />
Sachsen-Anhalt 20.446,31 2.470 121 0,52<br />
Schleswig-Holstein 15.799,38 2.833 179 0,77<br />
Thüringen 16.172,10 2.335 144 0,62<br />
Deutschland 357.092,90 82.438 231 -<br />
Tab. 46: Bevölkerungsdichte nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n relativ zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt<br />
Quelle: Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> (2008)<br />
Die Bevölkerungsdichte ist ein schwacher Indikator <strong>für</strong> Gütertransportintensi-<br />
tät, jedoch kann man festhalten, dass die Region des Untersuchungsraums re-<br />
lativ schwach besiedelt ist <strong>und</strong> zumindest im Bereich <strong>der</strong> Endverbraucherpro-<br />
dukte eine geringe Transportintensität hat.<br />
Weitere Aussagen sind nur vage, weil die Abhängigkeit <strong>der</strong> Bevölkerungsdich-<br />
te zur Transportintensität wissenschaftlich nur unzureichend untersucht wurde.<br />
Etwas an<strong>der</strong>s verhält es sich mit <strong>der</strong> Wirtschaftsleistung. Sie hat einen direkten<br />
Bezug auf die Menge <strong>der</strong> Gütertransporte. Dies bedeutet, dass mit mehr Gü-<br />
tertransporten zu rechnen ist, je größer die wirtschaftliche Leistungskraft ist.<br />
Setzt man jedoch die Län<strong>der</strong>-Bruttoinlandsprodukte – einerseits zum ostdeut-<br />
schen BIP <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits zum gesamtdeutschen BIP – ins Verhältnis, so er-<br />
gibt sich eine relativ schwache Wirtschaftsleistung <strong>der</strong> beiden Län<strong>der</strong>.
296 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Land<br />
in jeweiligen Preisen<br />
Mrd. EUR<br />
Stichtag 2005<br />
Baden-Württemberg 325,9<br />
Bayern 398,5<br />
Berlin 78,9<br />
Brandenburg 48,1<br />
Bremen 24,6<br />
Hamburg 82,9<br />
Hessen 200,6<br />
Mecklenburg-Vorpommern 31,7<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen 191,3<br />
Nordrhein-Westfalen 487,1<br />
Rheinland-Pfalz 97,8<br />
Saarland 27,4<br />
Sachsen 85,1<br />
Sachsen-Anhalt 48,2<br />
Schleswig-Holstein 68,5<br />
Thüringen 44,5<br />
Deutschland 2241,0<br />
Tab. 47: Bruttoinlandsprodukt nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />
Quelle: Statistische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> (2008)<br />
Erwirtschaftet Sachsen mit 48,2 Mrd. € knapp über ein Drittel des ostdeutschen<br />
BIP, so beträgt die Wirtschaftskraft Sachsens im Vergleich zum gesamtdeut-<br />
schen Gebiet lediglich 0,04%.<br />
Noch deutlicher wird die Disparität beim B<strong>und</strong>esland Sachsen-Anhalt. Im ost-<br />
deutschen Vergleich erwirtschaftete es knapp ein Fünftel des ostdeutschen<br />
BIP <strong>und</strong> kommt im B<strong>und</strong>esvergleich auf gerade einmal 0,02% an Wirtschafts-<br />
leistung.<br />
Betrachtet man die Industriedichte <strong>der</strong> beiden B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>, die als Beschäf-<br />
tigte in <strong>der</strong> Industrie je Einwohner definiert ist, so rangieren sie ungefähr im letz-<br />
ten Drittel <strong>der</strong> Skala.
Abb. 53: Industriedichte <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> 2006<br />
Quelle: SMWA (2007)<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 297<br />
Noch einen Anhaltspunkt <strong>für</strong> Transportintensität ist <strong>der</strong> Außenhandel <strong>der</strong> a pri-<br />
ori mit Gütertransport zusammenhängt.<br />
Sachsen hat mit 0,02% am Anteil des Außenhandels aller B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> den<br />
höchsten Anteil im ostdeutschen Raum, jedoch liegt es – mit Ausnahme des<br />
Flächenstaats Saarland – unterhalb <strong>der</strong> Außenhandelsraten <strong>der</strong> westlichen<br />
Län<strong>der</strong>.<br />
Sachsen-Anhalt hat die Hälfte <strong>der</strong> sächsischen Außenhandelsrate <strong>und</strong> be-<br />
wegt sich im Mittelfeld <strong>der</strong> ostdeutschen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>.
298 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Außenhandel Deutschlands nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />
2006<br />
Werte in Mill. EUR<br />
Ziel- bzw. Ursprungsb<strong>und</strong>esland Einfuhr Ausfuhr Gesamt Anteilig*<br />
Insgesamt 735146 896048 1631194 0,88<br />
Darunter:<br />
Schleswig-Holstein 21855 17459 39314 0,02<br />
Hamburg 56094 28074 84168 0,05<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen 65005 67145 132150 0,08<br />
Bremen 13331 12270 25601 0,02<br />
Nordrhein-Westfalen 170897 160446 331343 0,20<br />
Hessen 64344 44831 109175 0,07<br />
Rheinland-Pfalz 23588 36307 59895 0,04<br />
Baden-Württemberg 115721 141924 257645 0,16<br />
Bayern 115929 141266 257195 0,16<br />
Saarland 11199 12583 23782 0,01<br />
Berlin 8019 11373 19392 0,01<br />
Brandenburg 11106 8808 19914 0,01<br />
Mecklenburg-Vorpommern 3349 3764 7113 0,00<br />
Sachsen 13279 19555 32834 0,02<br />
Sachsen-Anhalt 9359 9904 19263 0,01<br />
Thüringen 5945 9238 15183 0,01<br />
Warenverkehre die keinem B<strong>und</strong>esland zugeordnet<br />
werden können 26126 171101 197227<br />
Tab. 48: Außenhandel nach B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n relativ zum B<strong>und</strong>esdurchschnitt<br />
Quelle: Statistisches B<strong>und</strong>esamt (2007)<br />
16.6. Fazit<br />
Alles in Allem ist <strong>der</strong> Untersuchungsraum dünn besiedelt <strong>und</strong> die Wirtschafts-<br />
leistung liegt im gesamtdeutschen Vergleich im unteren Bereich<br />
Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> beiden B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> wird deutlich, dass die Wirt-<br />
schaftsleistung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> in Relation zu den alten B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n ge-<br />
ring ist <strong>und</strong> dass die För<strong>der</strong>ung von Binnenschiffstransportinfrastrukturen <strong>für</strong> die<br />
wirtschaftliche Entwicklung keinen o<strong>der</strong> nur einen sehr geringen Beitrag zur<br />
wirtschaftlichen Entwicklung leisten kann, dies insbeson<strong>der</strong>e auch deshalb,<br />
weil diese För<strong>der</strong>ung im Wesentlichen den Gr<strong>und</strong>stoffindustrien zu Gute kom-<br />
men kann <strong>und</strong> eben keinen Schritt in Richtung dessen, was gemeinhin als wis-<br />
sensintensive Gesellschaft bezeichnet wird, leisten kann. Vielmehr ist im Ge-<br />
genteil davon auszugehen, dass die weichen <strong>Stand</strong>ortfaktoren damit eher<br />
gefährdet werden.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 299<br />
Berücksichtigt man zudem, dass zunehmend anerkannt wird, dass die hem-<br />
menden Faktoren <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen B<strong>und</strong>eslän-<br />
<strong>der</strong>n nicht mehr Verkehrsinfrastrukturen darstellen, dann stellt sich die Frage<br />
nach <strong>der</strong> Sinnhaftigkeit <strong>der</strong> Allokation <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden För<strong>der</strong>mit-<br />
teln in die Verkehrsinfrastrukturen.
300 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Teil C – Ergebnisse <strong>der</strong> Untersuchung<br />
Entwicklungsdynamik des Güterverkehrs generell<br />
Der Güterverkehr hat in den vergangenen Jahrzehnten immens zugenom-<br />
men. Hierzu hat zunächst unbestritten das wirtschaftliche Wachstum beige-<br />
tragen sowie die zunehmende internationale wirtschaftliche Integration. Diese<br />
führt zu einer Ausdifferenzierung <strong>und</strong> Spezialisierung <strong>der</strong> Produktion, die durch<br />
die verbesserten Möglichkeiten des Gütertransports überhaupt erst möglich<br />
wird.<br />
Damit verän<strong>der</strong>t sich auch die Güterstruktur <strong>der</strong> transportierten Güter (Güter-<br />
struktureffekt durch wirtschaftlichen Strukturwandel). Dies hat wie<strong>der</strong>um Ein-<br />
fluss auf die Nachfrage nach bestimmten Verkehrsträgern (Substitutionsef-<br />
fekt). Der Güterstruktureffekt verweist darauf, dass <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Stückgüter<br />
gegenüber den Massengütern zunimmt, m.a.W., das Wachstum im Güterver-<br />
kehr findet vor allem im Stückgut- bzw. Containerverkehr statt. Eng damit ver-<br />
b<strong>und</strong>en ist <strong>der</strong> Güterwerteffekt. Der Wert <strong>der</strong> transportierten Güter nimmt zu,<br />
wodurch zugleich die Bedeutung <strong>der</strong> Transportkosten abnimmt. Hat die Bin-<br />
nenschifffahrt vor allem bei den Massengütern einen Wettbewerbsvorteil, da<br />
<strong>der</strong> Transport von Massengütern preissensibel ist, so gilt dies bei Stückgütern<br />
nicht o<strong>der</strong> nur sehr begrenzt, da weniger die Transportpreise als vielmehr die<br />
Transportqualität (Logistikeffekt) (u.a. Zeit, just-in-time) bestimmend ist.<br />
Die genannten Effekte führen in <strong>der</strong> Summe zu einer wachsenden Bedeutung<br />
des Güterverkehrs per LKW, während Güterverkehrsträger, wie Bahn <strong>und</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt, an dem Wachstum des Güterverkehrsmarktes nur begrenzt<br />
teilhaben können.<br />
Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger<br />
Die unterschiedlichen Güterverkehrsträger, also LKW, Bahn <strong>und</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt, verfügen über sehr unterschiedliche Angebotseigenschaften, die als<br />
Verkehrswertigkeit bezeichnet werden. Kriterien <strong>für</strong> die Verkehrswertigkeit sind<br />
dabei u.a. Netzbildungsfähigkeit, Schnelligkeit <strong>und</strong> Massenleistungsfähigkeit.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 301<br />
Wie bereits im Abschnitt zu den Dynamiken des Güterverkehrsmarktes deut-<br />
lich wurde, nimmt die Bedeutung <strong>der</strong> Massenleistungsfähigkeit ab. Die Bedeu-<br />
tung <strong>der</strong> Netzbildungsfähigkeit nimmt hingegen deutlich zu, nicht zuletzt auf<br />
Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Dezentralisierung <strong>der</strong> Unternehmensstandorte. Damit kommt insbe-<br />
son<strong>der</strong>e die Netzbildungsfähigkeit des Güterverkehrsträgers LKW zur Geltung.<br />
Die Bahn <strong>und</strong> in noch viel stärkerem Maße die <strong>Binnenschifffahrt</strong> verfügen nur<br />
in begrenztem Umfang über die Netzbildungsfähigkeit (bei <strong>der</strong> Bahn ist dies<br />
nicht zuletzt eine Konsequenz <strong>der</strong> Streckenstilllegungen <strong>und</strong> des Abbaus von<br />
Werksanschlüssen). Dies bedeutet in <strong>der</strong> Folge, dass die Bahn <strong>und</strong> das Binnen-<br />
schiff in <strong>der</strong> Regel zusätzliche (kostenintensive) Umschlagsvorgänge erfor<strong>der</strong>-<br />
lich machen. Im Zusammenhang mit dem Güterwerteffekt wird auch deutlich,<br />
dass die Präfererierung des LKW, unter den gegebenen Rahmenbedingun-<br />
gen, letztlich harte ökonomische Gründe hat. Die Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Verla-<br />
<strong>der</strong> an den Gütertransport spiegeln eben diese Verän<strong>der</strong>ungen wi<strong>der</strong>.<br />
Für die <strong>Binnenschifffahrt</strong> bedeutet dies, dass sie im Wesentlichen in traditionel-<br />
len Marktsegmenten (Massengüter) eine Rolle spielt <strong>und</strong> in den Bereichen, in<br />
denen Bündelungen des Güterverkehrs möglich sind (wie bspw. am Rhein),<br />
über den <strong>der</strong> Hinterlandverkehr <strong>der</strong> Seehäfen zu wichtigen Industriezentren<br />
abgewickelt werden kann. Dies ist auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nur sehr begrenzt <strong>der</strong> Fall, zu-<br />
mindest in Relation zu den Transportvolumina auf dem Rhein.<br />
Im Kontext des kombinierten Verkehrs können die Verkehrsträger Bahn <strong>und</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> eine durchaus wichtige Rolle spielen, indem die Stärken <strong>der</strong><br />
beiden Verkehrsträger genutzt werden. Allerdings ist darauf zu verweisen,<br />
dass durch die zusätzlichen Umschlagsvorgänge erhebliche zusätzliche Trans-<br />
portkosten (<strong>und</strong> Zeitkosten) verursacht werden, die <strong>der</strong> Realisierung des kom-<br />
binierten Verkehrs entgegenstehen. Politische Ansätze versuchen den kombi-<br />
nierten Verkehr zu för<strong>der</strong>n, in dem entsprechende Schnittstellen geför<strong>der</strong>t<br />
werden. In <strong>der</strong> Summe erscheinen die Erfolge <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des kombinierten<br />
Verkehrs eher begrenzt zu sein.
302 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Prognosen des zukünftigen Gütertransports<br />
Sämtliche Prognosen gehen von einem weiteren Wachstum des Güterver-<br />
kehrs aus. Hinsichtlich <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> einzelnen Verkehrsträger wird in den<br />
Prognosen zum BVWP davon ausgegangen, dass sämtliche Verkehrsträger<br />
mit einer deutlichen Zunahme des Güterverkehrs rechnen können. Das Integ-<br />
rationsszenario, welches als Orientierungsgröße <strong>für</strong> die Verkehrspolitik dient,<br />
geht davon aus, dass die Bahn an Anteilen gewinnen kann, <strong>der</strong> LKW <strong>und</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> an Anteilen verlieren werden. Es ist davon auszugehen, dass<br />
die Erwartungen des Integrationsszenarios insbeson<strong>der</strong>e im Hinblick auf die<br />
Anteilsgewinne <strong>der</strong> Bahn sehr optimistisch ausgefallen sind. Gleichwohl ist<br />
festzuhalten, dass die aktuelle Mittelfristprognose, die im Auftrag des BMVBS<br />
erstellt wurde, ein deutliches Wachstum des Gütertransports auf <strong>der</strong> Schiene<br />
feststellen konnte. Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hat hingegen Anteilsverluste zu ver-<br />
zeichnen <strong>und</strong> bleibt weit unterhalb <strong>der</strong> Erwartungen des BVWP.<br />
Eine im Auftrag des BMVBS erstellte Abschätzung <strong>der</strong> Entwicklung des Güter-<br />
verkehrs <strong>und</strong> des Modal split bis zum Jahre 2050 kommt zu dem Ergebnis, dass<br />
trotz unterstellter politischer Maßnahmen (Kostenanlastung Wegekosten <strong>und</strong><br />
Umweltkosten) sich diese nicht durchschlagend auf den Güterverkehr bzw.<br />
den Modal split auswirken werden. Insofern erweist sich die Dynamik des Gü-<br />
terverkehrs als mehr o<strong>der</strong> weniger ungebrochen. Der Modal split verän<strong>der</strong>t<br />
sich in diesem Kontext nur begrenzt. Anteilsverlusten von LKW <strong>und</strong> insbesonde-<br />
re <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> stehen leichte Gewinne <strong>der</strong> Bahn gegenüber.<br />
Prognosen <strong>und</strong> Verkehrspolitik<br />
Die Verkehrspolitiken <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> Deutschlands eint zumindest die Gr<strong>und</strong>vor-<br />
stellung, dass Verkehrsinfrastrukturen essentiell <strong>für</strong> das wirtschaftliche Wachs-<br />
tum sind. Diese Auffassung wird allerdings in <strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur<br />
nicht mehr durchgängig unterstützt. Selbst in Teilstudien, die im Rahmen <strong>der</strong><br />
Halbzeitbilanz zum EU Weißbuch Verkehr erstellt wurden, werden Zweifel an<br />
dem Paradigma geweckt. Diese werden aber im politischen Dokument nicht<br />
aufgegriffen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 303<br />
In <strong>der</strong> Halbzeitbewertung des EU Weißbuches zur Verkehrspolitik werden zu-<br />
dem einige Essentials des Weißbuches in Frage gestellt.-<br />
Zum einen wird die Politik des Modal shift (also die Vorstellung, dass eine Ver-<br />
kehrsverlagerung möglich sei), die im Weißbuch selbst eine wichtige Rolle ge-<br />
spielt hat, aufgegeben <strong>und</strong> ersetzt durch eine Politik <strong>der</strong> „Co-Modality“. Bei<br />
dieser geht es im Wesentlichen darum, die unterschiedlichen Güterverkehrs-<br />
träger in Logistikketten einzubinden, entsprechend <strong>der</strong> jeweiligen Stärken <strong>der</strong><br />
Verkehrsträger. Es geht damit nicht mehr um einen generellen Ansatz <strong>der</strong> Ver-<br />
kehrsverlagerung son<strong>der</strong>n allein darum, dort, wo es auch wirtschaftlich loh-<br />
nend ist, die Stärken <strong>der</strong> jeweiligen Verkehrsträger zu nutzen. Der Ansatz des<br />
Modal-shift wird nur noch in engen Grenzen verfolgt (bspw. in Ballungsräu-<br />
men).<br />
Zum an<strong>der</strong>en wird die Vorstellung aufgegeben, dass eine Entkopplung von<br />
Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> Verkehr zu erreichen sei. Es geht in <strong>der</strong> Halbzeitbe-<br />
wertung „nur“ noch darum, die negativen Auswirkungen des Verkehrs zu be-<br />
grenzen. Mithin ist auch in diesem Bereich festzustellen, dass die Vorstellung<br />
politisch aktiv steuernd einzugreifen zurückgefahren wird.<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (NAIADES)<br />
In dem EU-Aktionsprogramm <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> NAIADES, werden die<br />
Vorteile <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit) betont <strong>und</strong> auf die Ver-<br />
lagerungsmöglichkeiten, insbeson<strong>der</strong>e in logistischen Ketten verwiesen. Mit<br />
dem Aktionsprogramm soll insbeson<strong>der</strong>e die politische Unterstützung <strong>für</strong> die<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> gestärkt werden. Dabei ist festzustellen, dass die Kommission<br />
offenbar davon ausgeht, dass <strong>der</strong> Markt nicht funktioniert <strong>und</strong> die Vorteile <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> von den Markteilnehmern nicht wahrgenommen werden. Im<br />
Fokus <strong>der</strong> Aktivitäten steht zunächst das „capacity building“ zu Gunsten <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong>, zielt aber in <strong>der</strong> Folge vor allem auch auf investive Maß-<br />
nahmen (Beseitigung von sog. "bottlenecks“) <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>, also<br />
den Ausbau von Flüssen. In <strong>der</strong> Summe ist es den Akteuren <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt gelungen sich gerade auch auf <strong>der</strong> europäischen Ebene Gehör zu ver-
304 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
schaffen <strong>und</strong> damit auch indirekt Druck auf die einzelnen Mitgliedsstaaten<br />
auszuüben.<br />
Deutsche Verkehrspolitik<br />
In Deutschland wird insbeson<strong>der</strong>e darauf verwiesen, dass eine Verkehrsverla-<br />
gerung durch umfassende Investitionen erreicht werden kann. Des Weiteren<br />
ist die Schnittstellenoptimierung ein weiterer Ansatz.<br />
In <strong>der</strong> Summe ist festzustellen, dass die Entwicklung <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen<br />
als essentiell <strong>für</strong> die wirtschaftliche Entwicklung angesehen wird. Dementspre-<br />
chend wird auch die Engpassbeseitigung als eine wesentliche Strategie an-<br />
gesehen, da sonst Wachstumspotenziale verloren gehen könnten. Dement-<br />
sprechend wird dem Ausbau <strong>der</strong> Verkehrsinfrastrukturen ein großer Stellenwert<br />
zugeordnet. Die Vorstellungen einer Verkehrsverlagerung werden gegenwär-<br />
tig zumindest in <strong>der</strong> Halbzeitbewertung <strong>der</strong> EU-Kommission zunehmend kritisch<br />
gesehen. Insofern wird damit zumindest anerkannt, dass Verkehrsverlagerung<br />
alleine durch den Ausbau von Infrastrukturen nicht o<strong>der</strong> doch nur begrenzt zu<br />
erreichen ist.<br />
Verkehrsverlagerungen auf Gr<strong>und</strong> von Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Preise <strong>der</strong> einzel-<br />
nen Güterverkehrsträger<br />
Die Verlagerung des Güterverkehrs auf sog. umweltfre<strong>und</strong>lichere Transport-<br />
mittel ist, wie das Beispiel <strong>der</strong> Bemühungen in <strong>der</strong> Schweiz zeigt, ein keinesfalls<br />
trivialer Prozess. Zum einen ist es erfor<strong>der</strong>lich, dass sehr deutliche Preissignale<br />
gesetzt werden (die deutsche Maut setzt diese nicht) <strong>und</strong> eine Reihe von wei-<br />
teren teilweise drastischen begleitenden Politiken erfor<strong>der</strong>lich sind.<br />
Die Diskussion um den Gigaliner verdeutlicht zudem, dass die „Rückverlage-<br />
rung“ von Güterverkehren auf den LKW sich auf Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Vorteile des LKW<br />
als einfacher darstellen als die Verlagerung von Güterverkehren vom LKW auf<br />
an<strong>der</strong>e Güterverkehrsträger. Mit <strong>der</strong> Zulassung <strong>der</strong> Gigaliner werden umwelt-<br />
fre<strong>und</strong>liche Verkehrsträger, wie die Bahn, insbeson<strong>der</strong>e im Einzelwagenver-<br />
kehr massiv unter Druck gesetzt.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 305<br />
Das alleinige Setzen auf die Entwicklung von Infrastrukturen o<strong>der</strong> die Unterstüt-<br />
zung des kombinierten Verkehrs führen keineswegs zu Verkehrsverlagerungen,<br />
son<strong>der</strong>n im Wesentlichen zu einer weiteren Verbilligung des Verkehrs <strong>und</strong> da-<br />
mit tendenziell zu einer Zunahme des Verkehrs.<br />
Wesentliche Dynamiken <strong>der</strong> Güterverkehrsströme<br />
Der zunehmende internationale Warenaustausch (insbeson<strong>der</strong>e mit Süd-Ost-<br />
Asien) wird zunehmend über die Seehäfen <strong>der</strong> Nordrange abgewickelt. Da-<br />
mit werden die Seehafenhinterlandanbindungen zunehmend bedeutsam.<br />
Dabei spielt die <strong>Binnenschifffahrt</strong> vor allem <strong>für</strong> Rotterdam eine wesentliche<br />
Rolle, da <strong>der</strong> Rhein Rotterdam mit den Industriezentren verbindet.<br />
Für die Gütertransporte des Hamburger Hafens ins Hinterland (insbes. den<br />
MOE Staaten) spielt die <strong>Binnenschifffahrt</strong> eine begrenzte Rolle. Die Verkehre<br />
werden überwiegend mit den LKW <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bahn abgewickelt. Dies gilt insbe-<br />
son<strong>der</strong>e <strong>für</strong> die Containertransporte in Richtung Tschechien. Für diese Trans-<br />
porte ist insbeson<strong>der</strong>e die Bahn bedeutsam, die <strong>Binnenschifffahrt</strong> hat hinge-<br />
gen vernachlässigenswerte Anteile am Transportaufkommen.<br />
Auch die EU-Osterweiterung hat kaum positive Auswirkungen auf den grenz-<br />
überschreitenden Gütertransport per <strong>Binnenschifffahrt</strong> gehabt.<br />
In <strong>der</strong> Summe ist dies weniger auf fehlenden Transportmöglichkeiten <strong>der</strong> Bin-<br />
nenschifffahrt zurückzuführen, als vielmehr auf die begrenzte Wettbewerbsfä-<br />
higkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong>.<br />
Gütertransport <strong>und</strong> Umweltwirkungen<br />
Die Aussagen zur Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit von Verkehrsträgern beziehen sich zu-<br />
meist auf die Emissionen <strong>der</strong> jeweiligen Verkehrsträger. Vor allem im Falle <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> sind aber weitere umweltrelevante Effekte mit einzubezie-<br />
hen, so insbeson<strong>der</strong>e die Auswirkungen auf Natur <strong>und</strong> Landschaft, da Flüsse<br />
i.d.R sensible Ökosysteme darstellen. 286<br />
286 Dies ist bei <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> generell <strong>der</strong> Fall, bei an<strong>der</strong>en Verkehrsträgern wäre zu überprüfen<br />
inwieweit die Trassenführung sensible Ökosysteme beeinflussen.
306 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Darstellungen, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> einen beson<strong>der</strong>s umweltverträg-<br />
lichen Verkehrsträger in Bezug auf die Emissionen darstellt, sind in <strong>der</strong> Allge-<br />
meinheit nicht aufrecht zu erhalten. Zum einen wird zunehmend anerkannt,<br />
dass generalisierte Aussagen bzgl. <strong>der</strong> Umweltverträglichkeit von Verkehrsträ-<br />
gern nur begrenzt sinnvoll sind, es geht vielmehr um die Betrachtung <strong>der</strong> Um-<br />
weltrelevanz des jeweiligen Transportvorgangs (u.a. was wird transportiert,<br />
welche Verbindungen werden realisiert etc.). Des Weiteren ist festzustellen,<br />
dass die Datenbasis <strong>für</strong> die Bewertung <strong>der</strong> Umweltrelevanz von Transportvor-<br />
gängen zentral ist <strong>und</strong> hier waren in <strong>der</strong> Vergangenheit aber auch heute<br />
noch erhebliche Unsicherheiten festzustellen. So wurde vorrangig auf die CO2-<br />
Emissionen Bezug genommen, wobei je nach Datengr<strong>und</strong>lage unterschiedli-<br />
che Ergebnisse zu verzeichnen waren. In jüngerer Zeit sind deutliche Anpas-<br />
sungen festzustellen, die die Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> deut-<br />
lich relativiert haben. Des Weiteren wurden die Analysen dahingehend erwei-<br />
tert, dass weitere Luftschadstoffe in entsprechende Vergleiche einbezogen<br />
werden. Durch die nur begrenzten Maßnahmen zur Luftreinhaltung bei <strong>der</strong><br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> verschlechtert sich in <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong>en Umweltrelevanz (in-<br />
sbeson<strong>der</strong>e auch im Hinblick auf die Schiffgrößen <strong>und</strong> Auslastungsgrade).<br />
Die Einbeziehung <strong>der</strong> realen Transportvorgänge <strong>und</strong> die Ausdifferenzierung<br />
bspw. <strong>der</strong> Schiffsgrößenklassen im Hinblick auf die Emissionen machen deut-<br />
lich, dass die <strong>Binnenschifffahrt</strong> gegenüber <strong>der</strong> Bahn keineswegs im Vorteil sein<br />
muss. Die Analyse eines Transportvorgangs entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> zeigt auf, dass die<br />
Bahn hinsichtlich <strong>der</strong> Umweltrelevanz in allen Kategorien günstiger dasteht als<br />
das Binnenschiff, abgesehen von den Lärmemissionen.<br />
Die Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (bzw. besser <strong>der</strong> Effekte <strong>der</strong> Infrastruk-<br />
turentwicklung <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong>) auf Natur- <strong>und</strong> Landschaft werden<br />
bei den Vergleichen <strong>der</strong> Umweltrelevanz <strong>der</strong> Verkehrsträger i.d.R. nicht be-<br />
rücksichtigt. Diese können aber, wie es am Beispiel <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> deutlich gemacht<br />
wurde, erheblich sein. Bei allen Problemen, die mit <strong>der</strong> Monetarisierung ver-<br />
b<strong>und</strong>en sind, deutet nach den vorliegenden Analysen viel darauf hin, dass<br />
die negativen externen Effekte <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf Natur <strong>und</strong> Landschaft
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 307<br />
als hoch einzuschätzen sind. Diese werden bei den üblichen Vergleichen <strong>der</strong><br />
sog. Umweltfre<strong>und</strong>lichkeit allerdings i.d. R. nicht berücksichtigt.<br />
In <strong>der</strong> Summe bleibt festzuhalten, dass die generelle Aussage <strong>der</strong> Umwelt-<br />
fre<strong>und</strong>lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> so nicht aufrecht zu erhalten ist. Vielmehr<br />
weisen die dargelegten Analysen darauf hin, dass dies insbeson<strong>der</strong>e auch<br />
auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht <strong>der</strong> Fall ist (im Vergleich zu Transporten mit <strong>der</strong> Bahn).<br />
Kostenvergleich <strong>der</strong> Verkehrssysteme<br />
Externe Kosten<br />
Die Bewertung <strong>der</strong> externen Kosten des Güterverkehrs hat sich in den ver-<br />
gangenen ca. 20 Jahren deutlich verän<strong>der</strong>t. Insbeson<strong>der</strong>e die Bewertung <strong>der</strong><br />
Externen Kosten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> wurde deutlich revidiert. Die externen<br />
Kosten müssen im Gr<strong>und</strong>satz kontext-, schadstoff- <strong>und</strong> verkehrsträgerspezifisch<br />
analysiert werden. Ein genereller Vorteil des Binnenschiffs lässt sich dabei nicht<br />
feststellen. Als allgemeine Aussage lässt sich nur die relative Vorteilhaftigkeit<br />
<strong>der</strong> Bahn <strong>und</strong> des Binnenschiffs gegenüber dem LKW festhalten. Hinsichtlich<br />
des Einflusses auf sensible aquatische Ökosysteme ist festzustellen, dass diese<br />
in <strong>der</strong> Regel nicht o<strong>der</strong> nicht hinreichend in den entsprechenden Bewer-<br />
tungsverfahren einbezogen werden.<br />
Wegekosten<br />
In <strong>der</strong> Summe ist festzuhalten, dass we<strong>der</strong> Bahn noch Binnenschiff ihre Wege-<br />
kosten decken (müssen). D.h. die Finanzierung (-slücke) muss letztlich aus<br />
staatlichen Mitteln bereitgestellt werden. Die Finanzierung parallel verlaufen-<br />
<strong>der</strong> Infrastrukturen, <strong>der</strong>en Wegekosten nicht gedeckt werden, erscheint von<br />
daher höchst fragwürdig. Dies gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong>, dass diese Ver-<br />
kehrsträger in einem Wettbewerb stehen, mit <strong>der</strong> Folge, dass die durchsetzba-<br />
ren Transportpreise durch den Wettbewerb zwischen den beiden Verkehrsträ-<br />
gern sinken. Die Verla<strong>der</strong> profitieren von dieser Wettbewerbssituation auf<br />
Gr<strong>und</strong> sinken<strong>der</strong> Transportpreise ermöglicht durch die Subventionierung <strong>der</strong><br />
Verkehrswege.
308 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> (Schiffsgröße, Fahrrinnentiefen<br />
etc.)<br />
Die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> hängt von einer Vielzahl von<br />
Parametern ab. Dies sind zunächst technische Rahmenbedingungen wie<br />
Schiffsgrößen, Tiefgänge, daraus resultierende Tragfähigkeiten, die Antriebs-<br />
leistung etc.<br />
Die Wasserstraßen (Flüsse <strong>und</strong> Kanäle) geben in Abhängigkeit <strong>der</strong> jeweils herr-<br />
schenden Wasserstände die Fahrwassertiefen vor. Diese wirken sich wie<strong>der</strong>um<br />
auf den möglichen Tiefgang <strong>und</strong> die Tragfähigkeit aus. Diese technischen<br />
<strong>und</strong> natürlichen Randbedingungen bestimmen die Transportkosten, die Wett-<br />
bewerbsbedingungen zu an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern <strong>und</strong> letztlich die zu<br />
erzielenden Preise.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist davon auszugehen, dass mit zunehmen<strong>der</strong> Schiffsgröße <strong>und</strong><br />
damit zunehmen<strong>der</strong> Tiefgänge die Kosten je Ladungseinheit (bei Vollauslas-<br />
tung) sinken <strong>und</strong> somit die Angebotspreise <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> zumindest im<br />
Gr<strong>und</strong>satz (in Abhängigkeit von den Konkurrenzbedingungen) sinken können.<br />
Zieht man tatsächlich herrschende Wasserstände mit in die Analyse ein <strong>und</strong><br />
berücksichtigt, dass nötige Fahrwassertiefen auf <strong>der</strong> mittleren <strong>Elbe</strong> oft nicht er-<br />
reicht werden, dann kann eine betriebswirtschaftliche Wirtschaftlichkeit viel-<br />
fach nur hergestellt werden, wenn die Frachtraten durch Kleinwasserzuschlä-<br />
ge angehoben werden. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt in Frage gestellt. Dies gilt im Übrigen auch <strong>für</strong> den Zustand nach<br />
dem Ausbau.<br />
Die Wirtschaftlichkeit von Stückgütern, i.d.R. Containern, hat im Wesentlichen<br />
die gleichen Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Massengüter zu beachten. Hierzu tritt<br />
die Frage nach <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Containerlagen <strong>und</strong> <strong>der</strong> ausreichenden Brü-<br />
ckendurchfahrtshöhe hinzu. Ein zweilagiger Containertransport ist auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
möglich, jedoch sind die Angebotsbedingungen <strong>der</strong> übrigen Verkehrsträger<br />
hierzu besser <strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> im Stückgutverkehr unwirtschaftlich.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 309<br />
Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen schlossen auch den technischen Fort-<br />
schritt in Form von innovativen Schiffskonstruktionen <strong>für</strong> Flachgewässer mit ein.<br />
Diese sog. Flachgehenden Binnenwasserschiffe wurden mit Neubauten be-<br />
stehen<strong>der</strong> Schiffe verglichen. Das, was nach heutigem <strong>Stand</strong> <strong>der</strong> Technik rea-<br />
lisierbar wäre, hat unter den gegenwärtigen Bedingungen nur in Niedrigwas-<br />
serperioden Kostenvorteile gegenüber existierenden Schiffstypen. Die Gut-<br />
achter schätzen, dass noch weiterer Entwicklungsbedarf notwendig sei, um<br />
die Anreize zu schaffen, in diese Schiffstypen zu investieren.<br />
Die flachgehenden Binnenschiffe erweisen sich aus zwei Gründen als proble-<br />
matisch: Zum einen bedingt <strong>der</strong> Wettbewerb mit den üblichen Binnenschiffen,<br />
dass das flachgehende Binnenschiff nur dann sinnhaft ist, wenn lange Nied-<br />
rigwasserperioden existieren.<br />
Zum an<strong>der</strong>en sind die Kostenvorteile des flachgehenden Binnenschiffs ge-<br />
genüber an<strong>der</strong>en Güterverkehrsträgern geringer.<br />
Überblick <strong>der</strong> Ausbau- <strong>und</strong> Unterhaltungsmaßnahmen <strong>Elbe</strong> /Saale<br />
Die Ausbaumaßnahmen an <strong>Elbe</strong> <strong>und</strong> Saale zielen darauf ab, die Bedingun-<br />
gen <strong>für</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> zu verbessern. Dabei hängen die Maßnahmen an<br />
<strong>der</strong> Saale wesentlich auch von den Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> ab.<br />
Für die <strong>Elbe</strong> ist nach Aussagen <strong>der</strong> Planungsverantwortlichen lediglich eine<br />
Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> Schifffahrtsbedingungen, wie sie vor dem <strong>Elbe</strong>hoch-<br />
wasser 2002 herrschten, angestrebt. Maßnahmen, die über das Ziel hinausge-<br />
hen, seien unzulässig.<br />
Die Maßnahmen an <strong>der</strong> Saale sollen die bereits stauregulierten Teile <strong>der</strong> Saale<br />
erschließen.<br />
Die Schifffahrtsbedingungen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> werden nicht o<strong>der</strong> doch nur sehr be-<br />
grenzt mit in diese Planung einbezogen. Nach dem Ausbau soll die Saale <strong>für</strong><br />
Europaschiffe befahrbar sein <strong>und</strong> somit eine stabile Fahrrinnentiefe von<br />
durchschnittlich 2,50 m bereitstehen. Jedoch steht diese Fahrrinnentiefe auf<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> lt. Planung an durchschnittlich nur 180 Tagen zur Verfügung.
310 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die Wasserstände <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> lassen den Ausbau als hochgradig fragwürdig er-<br />
scheinen. Trotz einer durchschnittlichen Fahrrinnentiefe <strong>der</strong> Saale von 2,5 m<br />
werden Kleinwasserzuschläge nötig, weil die <strong>Elbe</strong> durchschnittlich nur an 50%<br />
<strong>der</strong> Tage eines Jahres diese Fahrrinnentiefen erreicht. Damit könnte ange-<br />
sichts <strong>der</strong> Investitionskosten <strong>der</strong> Druck auf eine Verbesserung <strong>der</strong> Fahrrinnen-<br />
tiefe <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wachsen. Jedoch ist <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>der</strong>zeit politisch nicht<br />
gewollt.<br />
Studien zu den Perspektiven <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Binnenschifffahrt</strong> - Prognosen<br />
Die unterschiedlichen Studien kommen zu durchaus heterogenen Aussagen.<br />
Die bottom-up Ansätze sowohl von LUB als auch von Planco aktualisieren die<br />
Datenbasis <strong>der</strong> BVWP insbeson<strong>der</strong>e durch die regionalen Analysen, also ins-<br />
beson<strong>der</strong>e durch die Befragung von Unternehmen, Verla<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Spediteu-<br />
ren <strong>und</strong> identifizieren binnenschiffsaffine Güter, die gegenwärtig aus unter-<br />
schiedlichen Gründen (insbes. die begrenzte Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Binnen-<br />
schifffahrt) nicht per Binnenschiff transportiert werden. Aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong><br />
Transportpreise in <strong>der</strong> Region (Bahn, LKW), die als relativ hoch angesehen<br />
werden <strong>und</strong> den potenziellen Angebotsmöglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
(im Hinblick auf die Transportpreise) wird c.p. davon ausgegangen, dass ein<br />
erheblicher Teil <strong>der</strong> Massengüter per <strong>Binnenschifffahrt</strong> abgewickelt werden<br />
könnte.<br />
In beiden Fällen bleibt unklar, welche Schifffahrtsbedingungen unterstellt<br />
werden. Bei Planco werden Fahrbedingungen <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> unterstellt, die nur be-<br />
grenzt realistisch sind, LUB verweist auf die politischen Vereinbarungen, die al-<br />
lerdings im Gr<strong>und</strong>satz das eigene Szenario in Frage stellen.<br />
Die Fragen, die mit <strong>der</strong> PIK Studie aufgeworfen wurden, werden nicht thema-<br />
tisiert (Planco hat seine Analyse allerdings vor <strong>der</strong> PIK Studie erstellt), LUB ver-<br />
weist auf Untersuchungen <strong>der</strong> BfG, die bald zur Verfügung stehen würden, die<br />
keine relevanten Verän<strong>der</strong>ungen nachweisen würden.<br />
Bei den Annahmen über die künftigen verlagerbaren Mengen geht Planco<br />
zumindest in Relation zu LUB „konservativ“ vor <strong>und</strong> übernimmt nicht allein die
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 311<br />
Zahlen <strong>der</strong> regionalen Interessenverbände. Beide Studien gehen davon aus,<br />
dass zwar die Prognosen die dem BVWP 92 zu Gr<strong>und</strong>e lagen, überhöht waren,<br />
gleichwohl kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ganz beson<strong>der</strong>s<br />
die Studie von LUB im Gr<strong>und</strong>satz alle <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> als er-<br />
schließbar ansieht.<br />
Die Studie „Umweltorientierte Bewertungen von B<strong>und</strong>eswasserstraßen“ ver-<br />
folgt den top-down Ansatz <strong>der</strong> BVWP <strong>und</strong> geht von den prognostizierten Gü-<br />
terverkehren aus. Die Studie verweist insbeson<strong>der</strong>e auf die geringe Wirtschaft-<br />
lichkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> oberhalb von Magdeburg <strong>und</strong> kommt zu zwei<br />
wesentlichen Ergebnissen: Erstens werden die Ausbaumaßnahmen oberhalb<br />
von Magdeburg als unwirtschaftlich angesehen, da die Kosten die Nutzen<br />
überschreiten, zweitens ist festzustellen, dass die Nutzenbestandteile sich ganz<br />
überwiegend aus den Verlagerungen ergeben <strong>und</strong> schließlich wird die Frage<br />
aufgeworfen, inwieweit die För<strong>der</strong>ung paralleler Infrastrukturen, die insbeson-<br />
<strong>der</strong>e auf den in <strong>der</strong> Summe eher schrumpfenden Markt <strong>der</strong> Massengüter ori-<br />
entiert sind, eine sinnhafte Strategie darstellt.<br />
Verlagerungspotenziale<br />
Die Vorgehensweise <strong>der</strong> Identifikation <strong>der</strong> Verlagerungspotenziale ist in <strong>der</strong><br />
Regel immer ähnlich, sei es zur Begründung des Saaleausbaus (Planco Studie)<br />
o<strong>der</strong> auch <strong>der</strong> Elbvertiefung (LUB). Es werden einzelne Unternehmen identifi-<br />
ziert, die Massengüter transportieren <strong>und</strong> die in <strong>der</strong> Folge befragt werden, ob<br />
<strong>und</strong> inwieweit sie via Binnenschiff transportieren würden o<strong>der</strong> könnten.<br />
Die Antworten <strong>der</strong> potenziellen Verla<strong>der</strong> sind dabei immer auch strategisch zu<br />
sehen. Die Aussage, dass sie ihre Güter mit dem Binnenschiff transportieren<br />
würden <strong>und</strong> damit wesentlich Transporte verlagert werden würden, ist <strong>für</strong> sie<br />
kostenfrei, sie tragen nicht die Kosten <strong>für</strong> den Ausbau, können aber von ei-<br />
nem Ausbau profitieren. Dies vor allem durch die Möglichkeit die unterschied-<br />
lichen Verkehrsträger zu einan<strong>der</strong> in den Wettbewerb zu setzen <strong>und</strong> damit in<br />
<strong>der</strong> Tat eine Verbilligung <strong>der</strong> Transportvorgänge zu erreichen. Wie die von LUB<br />
dargestellten Beispiele verdeutlichen, geht es in <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong>
312 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Fälle um angestrebte Verlagerungen von <strong>der</strong> Bahn auf das Binnenschiff, eine,<br />
wie beschrieben, keineswegs ökologische Alternative. In an<strong>der</strong>en Fällen wird<br />
insofern ein Problem deutlich, dass eine schienenseitige Verbindung nicht an-<br />
geboten wird.<br />
Entwicklung des Transportaufkommens auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
Über die letzten 10 Jahre entwickelte sich <strong>der</strong> Güterverkehr uneinheitlich <strong>und</strong><br />
war Schwankungen unterworfen. Die Bandbreite reicht je nach Untersuchung<br />
von knapp unter 1 Mio. bis r<strong>und</strong> 1,8 Mio. Gütertonnen, wobei in den letzten<br />
Jahren eine abnehmende Tendenz des Gütertransports zu verzeichnen ist. Ein<br />
Verkehrswachstum, wie es bspw. vom BVWP erwartet wurde, ist nicht festzu-<br />
stellen.<br />
Auch in <strong>der</strong> Tschechischen Republik nimmt die Bedeutung <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt ab, dies gilt auch <strong>für</strong> die grenzüberschreitenden Verkehre.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> spielt demnach eine vernachlässigenswerte Bedeutung.<br />
Es ist zudem nicht zu erkennen, inwieweit ein Aufschwung <strong>der</strong> Binnenschiff-<br />
fahrt begründet werden könnte, dies insbeson<strong>der</strong>e auch vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Dynamiken des Klimawandels.<br />
Der Containerverkehr nimmt zwar zu, allerdings hat die <strong>Binnenschifffahrt</strong> wei-<br />
terhin sehr geringe Anteile bspw. am Hinterlandverkehr des Hamburger Ha-<br />
fens.<br />
Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>/Saale-Schifffahrt am Güterverkehr <strong>der</strong> Region<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong>, ob mit o<strong>der</strong> ohne Ausbaumaßnahmen, hat am gesam-<br />
ten Güterverkehrsaufkommen in <strong>der</strong> Region einen untergeordneten Stellen-<br />
wert. Berücksichtigt man zudem, dass <strong>der</strong> Gütertransport auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> in Rela-<br />
tion zu den <strong>Binnenschifffahrt</strong>stransporten auf den deutschen Flüssen einen<br />
sehr geringen Anteil hat, erscheinen die For<strong>der</strong>ungen des Ausbaus <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong><br />
als nicht nachvollziehbar, da in einem Bereich investiert wird, <strong>der</strong> sowohl an<br />
dem Transport per Binnenschiff in Deutschland, als auch am Anteil <strong>der</strong> regio-<br />
nalen Gütertransporte einen sehr geringen Anteil hat. Mit den angestrebten<br />
erweiterten Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> wird damit in ei-
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 313<br />
nem Bereich investiert, <strong>der</strong> we<strong>der</strong> zu Umweltenlastungen beiträgt, noch we-<br />
sentliche Verkehrsprobleme lösen könnte, noch das Ziel bedeutsamer Ver-<br />
kehrsverlagerungen erreichen könnte. Dies auch bei <strong>der</strong> Unterstellung, dass<br />
die Ziele des Ausbaus erreicht werden könnten.<br />
Klimawandel <strong>und</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die unterschiedlichen<br />
Sektoren <strong>der</strong> Wirtschaft wurden in Deutschland erst relativ spät thematisiert,<br />
zumindest in Relation bspw. zu England. Die Notwendigkeit von Anpassungs-<br />
maßnahmen wird erst in jüngerer Zeit thematisiert. Zwar sind einige Ergebnisse<br />
<strong>der</strong> Klimafolgenforschung nunmehr wenig umstritten, wie bspw. die Erwar-<br />
tung, dass bspw. im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet die Nie<strong>der</strong>schläge im Schnitt abneh-<br />
men werden.<br />
Entsprechende Überprüfungen <strong>der</strong> Basisannahmen haben, unter <strong>der</strong> Berück-<br />
sichtigung des Klimawandels, nicht stattgef<strong>und</strong>en. Neuere Analysen des PIK<br />
verdeutlichen allerdings, dass die Annahmen zu hinterfragen sind <strong>und</strong> gehen<br />
davon aus, dass die angestrebten Ausbauziele nicht erreicht werden können.<br />
Die Analysen des PIK werden auch von den einschlägigen Studien des LUB<br />
nicht berücksichtigt. Ebenso wird bspw. in <strong>der</strong> Antwort auf eine kleine Anfrage<br />
durch die Landesregierung Sachsen, darauf verwiesen, dass die Aussagen<br />
des PIK Gutachtens noch wissenschaftlich diskutiert werden. So wird insbe-<br />
son<strong>der</strong>e auf eine laufende Studie <strong>der</strong> BfG verwiesen, die nach Auffassung <strong>der</strong><br />
LUB <strong>und</strong> <strong>der</strong> Landesregierung Sachsens zu an<strong>der</strong>en Ergebnissen käme. Inso-<br />
fern ist gegenwärtig festzustellen, dass die Be<strong>für</strong>worter des Elbausbaus zu-<br />
nächst die mögliche wissenschaftliche Auseinan<strong>der</strong>setzung dazu nutzen die<br />
Aussagen <strong>der</strong> PIK Studie zu relativieren <strong>und</strong> an den Ausbauplänen festzuhal-<br />
ten.<br />
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die möglichen Folgen des Kli-<br />
mawandels im Rahmen eines Forschungsvorhabens nunmehr am Rhein ana-<br />
lysiert werden. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Rheins als<br />
Transportweg mag dies völlig gerechtfertigt sein, bzgl. <strong>der</strong> konkreten Auswir-<br />
kungen auf den Fluss <strong>und</strong> die <strong>Binnenschifffahrt</strong> dürften entsprechende Analy-
314 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
sen <strong>für</strong> die <strong>Elbe</strong> allerdings dringlich sein, nicht zuletzt deshalb, da Investitionen<br />
getätigt werden sollen, die wenn die Analysen des PIK zutreffen, nicht zu <strong>der</strong><br />
Erreichung des Ziels <strong>der</strong> Schiffbarkeit führen <strong>und</strong> damit zumindest in dieser Hin-<br />
sicht in den Sand gesetzt werden.<br />
Infrastruktur <strong>und</strong> Infrastrukturentwicklung in <strong>der</strong> Region: Ausbau <strong>der</strong> Straßen-<br />
<strong>und</strong> Schieneninfrastruktur<br />
Im Vergleich zu Güterverkehren auf <strong>der</strong> Schiene <strong>und</strong> Straße hat die Binnen-<br />
schifffahrt eine nur geringe Bedeutung. Dies würde sich auch bei einer Ver-<br />
besserung <strong>der</strong> Transportbedingungen auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> nicht wesentlich verän-<br />
<strong>der</strong>n.<br />
Die Maßnahmen an <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> würden <strong>der</strong> Bahn Konkurrenz machen <strong>und</strong> ver-<br />
mutlich, so die Erfahrung an an<strong>der</strong>en Wasserstraßen, die Bahn zu Preissenkun-<br />
gen zwingen. Die Verla<strong>der</strong> werden von diesem Wettbewerb profitieren, <strong>der</strong><br />
letztlich weitgehend vom Steuerzahler ermöglicht wird.<br />
Der durch die För<strong>der</strong>ung paralleler Infrastrukturen <strong>und</strong> des damit ermöglich-<br />
ten Wettbewerbs dürfte es insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Containertransporte<br />
weitgehend offen sein, welcher Verkehrsträger davon profitiert, da sowohl<br />
Bahn als auch <strong>der</strong> LKW gegenüber <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> durchaus konkurrenz-<br />
fähig sein können, gerade vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Schifffahrtsbedingungen<br />
auf <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>. 287<br />
Hinsichtlich des Infrastrukturausbaus ist auch festzustellen, dass alle drei Ver-<br />
kehrsinfrastrukturen (Autobahn, Binnenschiff <strong>und</strong> Bahn) in <strong>der</strong> Region <strong>und</strong> ins-<br />
beson<strong>der</strong>e auch parallel zur <strong>Elbe</strong> ausgebaut worden sind <strong>und</strong> noch weiter<br />
ausgebaut werden. Damit werden die unterschiedlichen Verkehrsträger zu-<br />
einan<strong>der</strong> in Wettbewerb gestellt, mit <strong>der</strong> Konsequenz, dass durch den inter-<br />
modalen Wettbewerb die Transportpreise weiter sinken werden <strong>und</strong> damit die<br />
Binnenwassertransporte weiter ins Hintertreffen geraten.<br />
287 vgl. VBD (2004)
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 315<br />
Situation <strong>und</strong> Bedeutung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>häfen <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong><br />
Der Ausbau <strong>der</strong> Häfen fand vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> völlig unrealistischen<br />
Prognosen des BVWP ’92 statt, bei welchem einerseits ein erhebliches wirt-<br />
schaftliches Wachstum in den neuen B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> den Anrainerstaa-<br />
ten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits eine deutliche Steigerung des Verkehrsaufkommens auf<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> erwartet wurde. Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser Erwartungen wurde die<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Häfen als eine wichtige Maßnahme zur Bewältigung des<br />
zu erwartenden Verkehrs <strong>und</strong> des wirtschaftlichen Wachstums angesehen.<br />
Diese mittlerweile eingestandenen Fehlprognosen führten damit zu erhebli-<br />
chen (Über-) Investitionen in die Hafeninfrastrukturen entlang <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>.<br />
Die nunmehr angeführte Argumentation, dass die Strombaumaßnahmen an<br />
<strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> letztlich dazu führen würden, dass die Investitionen nicht in den Sand<br />
gesetzt seien, verkennt, dass die Planungsgr<strong>und</strong>lagen letztlich falsch waren<br />
<strong>und</strong> dass die erwarteten Verkehre mit den revidierten Prognosen auch nicht<br />
realisiert werden. Die Klage, dass die nach Ansicht <strong>der</strong> Elbausbausbe<strong>für</strong>wor-<br />
ter zu langsamen (<strong>und</strong> nicht hinreichenden) Ausbaumaßnahmen die wirt-<br />
schaftliche Nutzung <strong>der</strong> Häfen verhin<strong>der</strong>n würde, verkennt die gr<strong>und</strong>sätzli-<br />
chen Probleme des mangelnden Güterverkehrsaufkommens.<br />
Gleichwohl ist festzustellen, dass die Häfen sich einerseits zu Gewerbestandor-<br />
ten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits zu Güterverkehrszentren entwickelt haben <strong>und</strong> damit die<br />
investierten Gel<strong>der</strong> zumindest nicht völlig unnütz ausgegeben worden sind.<br />
Letztendlich wurde aus den betrachteten Häfen „bessere“ Güterverkehrszent-<br />
ren, die lediglich über einen zusätzlichen wasserseitigen Transportanschluss<br />
verfügen, <strong>der</strong> aber im Gegensatz zu seinem Nutzen „teuer erkauft“ wurde.<br />
Diese Aussage stützt auch die differenzierte Betrachtung <strong>der</strong> modalen Um-<br />
schlagzahlen <strong>der</strong> Häfen, auf die bereits oben verwiesen worden ist.
316 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
<strong>Stand</strong> <strong>und</strong> Perspektiven <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung in <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong>region (o-<br />
berhalb Magdeburgs)<br />
Alles in Allem ist <strong>der</strong> Untersuchungsraum dünn besiedelt <strong>und</strong> die Wirtschafts-<br />
leistung liegt im gesamtdeutschen Vergleich im unteren Bereich.<br />
Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> beiden B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> wird deutlich, dass die Wirt-<br />
schaftsleistung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong> in Relation zu den alten B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n ge-<br />
ring ist <strong>und</strong> dass die För<strong>der</strong>ung von Binnenschiffstransportinfrastrukturen <strong>für</strong> die<br />
wirtschaftliche Entwicklung keinen o<strong>der</strong> nur einen sehr geringen Beitrag zur<br />
wirtschaftlichen Entwicklung leisten kann, dies insbeson<strong>der</strong>e auch deshalb,<br />
weil diese För<strong>der</strong>ung im Wesentlichen den Gr<strong>und</strong>stoffindustrien zu Gute kom-<br />
men kann <strong>und</strong> eben keinen Schritt in Richtung dessen, was gemeinhin als wis-<br />
sensintensive Gesellschaft bezeichnet wird, leisten kann. Vielmehr ist im Ge-<br />
genteil davon auszugehen, dass die weichen <strong>Stand</strong>ortfaktoren damit eher<br />
gefährdet werden.<br />
Berücksichtigt man zudem, dass zunehmend anerkannt wird, dass die hem-<br />
menden Faktoren <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen B<strong>und</strong>eslän-<br />
<strong>der</strong>n nicht mehr Verkehrsinfrastrukturen darstellen, dann stellt sich die Frage<br />
nach <strong>der</strong> Sinnhaftigkeit <strong>der</strong> Allokation <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden För<strong>der</strong>mit-<br />
teln in die Verkehrsinfrastrukturen.<br />
* * *
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 317<br />
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A N H A N G<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 333<br />
Kilometrierung <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> von <strong>der</strong> Tschechischen Grenze bis Geesthacht<br />
Relevante Binnenhäfen im Untersuchungsraum <strong>der</strong> Mittleren <strong>Elbe</strong><br />
Rechtes Ufer km Linkes Ufer<br />
Bad Schandau 10,20<br />
Schutzhafen Prossen 13,20<br />
Hafen Pirna 33,50<br />
Hafen Loschwitz 50,00<br />
Hafen Meißen 82,00<br />
Hafen Wittenberg 214,10<br />
0,00 Grenze Tschechische Republik<br />
56,50 Hafen Dresden Neustadt<br />
107,00 Hafen Riesa<br />
154,10 Hafen Torgau<br />
264,20 Hafen Roßlau<br />
274,80 Hafen Aken<br />
290,70 Saalemündung<br />
295,00 Hafen Barby<br />
314,50 Hafen Schönebeck<br />
326,80 Strombrücke Magdeburg<br />
329,70 Hafen Magdeburg<br />
Mittellandkanal 333,00 Einfahrt MLK–Rothensee<br />
Mündung des <strong>Elbe</strong>–Havel–<br />
Kanal<br />
343,71 <strong>Elbe</strong>–Havel–Kanals<br />
Niegripp 345,50<br />
350,60 Rogätz<br />
Parey 370,00<br />
Mündung des Pareyer Verbindungskanals<br />
371,50 Pareyer Verbindungskanal<br />
Darben 374,00<br />
388,20 Tangermünde, Hafen<br />
Havelberg 422,00<br />
Mündung <strong>der</strong> unteren Havel 422,20 Untere Havel<br />
Wittenberge 455,00<br />
Kumlosen 469,50<br />
Dömitz, Hafen 504,10<br />
509,40 Damnatz, Ladestelle Pegel<br />
Bohnenburg, HW.–Pegel 515,10<br />
522,80 Hitzacker, WSA, Schutzhafen<br />
528,10 Tiessau, Schutzhafen <strong>für</strong> Tankschiffe, Baustoffwerk<br />
[Ladestelle]<br />
536,50 Neudarchau, Ladestelle, Hafen<br />
543,30 Altgarge, Werkshafen <strong>der</strong> HEW, Schutzhafen<br />
555,00 Bleckede, Schutz– <strong>und</strong> Handelshafen<br />
Boizenburg, Hafen 559,50<br />
Abzw. des <strong>Elbe</strong>–Lübeck- Kanals 569,20 <strong>Elbe</strong>–Lübeck–Kanal<br />
Lauenburg, Hafen 569,30<br />
573,00 Abzweigung des <strong>Elbe</strong>–Seitenkanals<br />
573,85 Artlenburg, Ladestelle<br />
Geesthacht 583,30<br />
Abzweigung des Schleusenkanals<br />
Geesthacht<br />
583,60
334 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
G l o s s a r<br />
Formale Beson<strong>der</strong>heiten in <strong>der</strong> Transportwirtschaft<br />
Wie in je<strong>der</strong> Spezialdisziplin hat die Transportwirtschaft spezielle Merkmale,<br />
Fachtermini <strong>und</strong> Maßgrößen entwickelt. Um die hier verwendeten Ausdrücke<br />
vom allgemeinen Sprachgebrauch abzuheben <strong>und</strong> trennscharf zu definieren<br />
wird dieser Teil <strong>der</strong> empirischen Analyse <strong>der</strong> Güterverkehrsdynamik vorge-<br />
schoben.<br />
Technische <strong>und</strong> ökonomische Strukturmerkmale <strong>der</strong> Transportwirtschaft:<br />
Verkehrsträger sind die Eisenbahn, <strong>der</strong> Straßenverkehr, die <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
(<strong>der</strong> Luftverkehr, die Seeschifffahrt, Rohrfernleitungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Nachrichten-<br />
verkehr).<br />
Transportobjekte sind Güter (sowie Personen <strong>und</strong> Nachrichten)<br />
Verkehrsmittel sind die Transportgefäße <strong>der</strong> Verkehrsträger. Sie erbringen die<br />
Verkehrsleistung.<br />
Verkehrssysteme sind mindestens ein Verkehrsträger mehrere Verkehrsträger<br />
<strong>und</strong> Verkehrsmittel.<br />
Der Straßengüterverkehr zeichnet sich durch eine Breite Palette an Fahr-<br />
zeuggrößen i.V.m. einem dichten Straßennetz aus. Dadurch hat <strong>der</strong> Straßen-<br />
gütertransport eine hohe Anpassungsfähigkeit an die Transportwünsche <strong>der</strong><br />
produzierenden <strong>und</strong> handelnden Wirtschaft.<br />
Die Bahn hat eine hohe Massenleistungsfähigkeit. Ihre Leistungs- <strong>und</strong> Kosten-<br />
vorteile kann sie am besten in Direktzügen realisieren. Im Umkehrschluss sind<br />
Teilladungen <strong>und</strong> Einzelwagentransporte kosten- <strong>und</strong> zeitintensiv. Als Neben-<br />
bedingung benötigt die Bahn eine hohe Streckenauslastung um die ver-<br />
gleichsweise hohen Kosten des Streckennetzes zu decken.<br />
Die <strong>Binnenschifffahrt</strong> spielt ihre Kostenvorteile im Transport zwischen den „nas-<br />
sen“ Versandt- <strong>und</strong> Empfangsplätzen aus. Wie auch die Bahn verfügt die
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 335<br />
<strong>Binnenschifffahrt</strong> über hohe Beför<strong>der</strong>ungskapazitäten. Lediglich die einge-<br />
schränkte Einsetzbarkeit auf Wasserstraßen wirkt sich negativ aus.<br />
Unter dem Kombinierten Verkehr ist eine Integration von zwei o<strong>der</strong> mehreren<br />
Verkehrsträgern <strong>und</strong> mithin auch Verkehrsmitteln zu verstehen. Ein Transport-<br />
hilfsmittel (Behälter, z.B. Container, Wechselbehälter o<strong>der</strong> Trailer) wechselt<br />
das Verkehrsmittel (den Verkehrsträger). Eine Son<strong>der</strong>form ist das Verladen ei-<br />
nes Verkehrsmittels auf ein an<strong>der</strong>es (Straßenfahrzeug auf <strong>der</strong> Bahn, dem Bin-<br />
nenschiff).<br />
Hinterland<br />
Gesamtheit <strong>der</strong> Regionen im Einzugsgebiet eines Seehafens, die über Was-<br />
serstraßen mit diesem verb<strong>und</strong>en sind<br />
Intermodalität<br />
Verwendung mehrerer Verkehrsträger <strong>für</strong> ein <strong>und</strong> dieselbe Güterbeförde-<br />
rung.<br />
Interoperabilität<br />
Möglichkeit, innerhalb eines Verkehrsnetzes eine Beför<strong>der</strong>ung ohne Umla-<br />
dung durchzuführen.<br />
Kabotage<br />
Beför<strong>der</strong>ungen zwischen zwei im gleichen Land gelegenen Häfen.<br />
Kombinierter Verkehr<br />
Transportkette, in die mehrere Verkehrsträger einbezogen sind.<br />
Schubboot<br />
Nur <strong>für</strong> den Schub von nichtmotorisierten Schiffen eingesetztes Motorschiff.<br />
Schubleichter<br />
Schubleichter werden in Verbänden zusammengestellt, die von einem<br />
Schubboot angetrieben werden. Einfach konstruierter Lastkahn ohne eige-
336 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
nen Antrieb, üblicherweise 11,40 m breit <strong>und</strong> 76,50 m lang. Die unbemannten<br />
Leichter werden aneinan<strong>der</strong>gekoppelt <strong>und</strong> von einem Motorgüterschiff o<strong>der</strong><br />
einen Schubschiff geschoben. Ein mo<strong>der</strong>nes Schubboot kann bis zu 6 bela-<br />
dene Schubleichter bewegen.<br />
Schubverband<br />
Verband, in dem ein umgebautes, ehemaliges Motorschiff von einem Motor-<br />
schiff o<strong>der</strong> ein (o<strong>der</strong> mehrere) Schubleichter von einem Motorschiff gescho-<br />
ben werden (je nach Größe <strong>der</strong> Schleusenanlagen sind alle Kombinationen<br />
möglich).<br />
Auch Koppelverband genannt.<br />
Ro/Ro Verkehr<br />
Verkehrssystem, bei welchem die Ladung über Rampen an bzw. von Bord<br />
(Roll on/Roll off) gebracht wird, wobei auf Kräne verzichtet werden kann.<br />
Tragfähigkeit<br />
In metrischen Tonnen ausgedrückte Gesamtzuladungsmasse eines Schiffes.<br />
Ist vom Schiffstyp abhängig. � Abladetiefe<br />
Frachtrate<br />
Quotient aus Transportkosten <strong>und</strong> Transportmenge<br />
Tiefgang, Tauchtiefe<br />
Eintauchung eines Schiffs von <strong>der</strong> Wasserlinie bis zum tiefsten Punkt des<br />
Schiffskörpers<br />
Abladetiefe<br />
Eintauchtiefe eines Schiffes; die Abladung ist abhängig von <strong>der</strong> Bauart des<br />
Schiffes sowie von <strong>der</strong> Art <strong>und</strong> Menge <strong>der</strong> an Board genommenen Ladung.<br />
Wird so viel Fracht geladen, dass <strong>der</strong> <strong>für</strong> das Schiff größte zulässige Tiefgang<br />
erreicht wird, fährt es mit "voller Abladung"
Dynamischer Absunk<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 337<br />
Der Tiefgang eines fahrenden Schiffes erhöht sich aus hydrodynamischen<br />
Gründen nochmals um 10 bis 20 cm gegenüber einem abgeladenen ste-<br />
hendem Schiff
338 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Fachtermini <strong>und</strong> Maßgrößen:<br />
Der Frachtführer wickelt den gesamten Transportvorgang ab. Frachtführer<br />
sind bspw. die Eisenbahn, ein Straßengüterverkehrsbetrieb, eine Ree<strong>der</strong>ei<br />
o<strong>der</strong> eine Fluggesellschaft.<br />
Der Spediteur organisiert gewerbemäßig den Güterversand durch Frachtfüh-<br />
rer (o<strong>der</strong> Verfrachter, Seeschifffahrt) <strong>für</strong> Rechung des Versen<strong>der</strong>s im eigenen<br />
Namen.<br />
Der Auslastungsgrad ist eine gewichtsmäßige, volumenmäßige, zeitliche ent-<br />
fernungsspezifische Auslastung <strong>der</strong> Transportgefäße. Ein Beispiel <strong>für</strong> eine Aus-<br />
lastung könnte sein: (tatsächliche Ladetonnenkilometer/max. Ladetonnenki-<br />
lometer)*100<br />
Das Transportaufkommen wird in Tonnen (t) erfasst.<br />
Die Transportleistung ist das Transportaufkommen x die Entfernung (tkm). Sie<br />
ist ökonomisch gehaltvoller, weil sie oft eine Basis <strong>für</strong> Transportkosten, Trans-<br />
porterlöse, Auslastung, Fahrzeugkilometer etc. ist.<br />
Fahrzeugkilometer (Fzkm) ist die in Kilometern zurückgelegte Strecke. Sie gibt<br />
eine Aussage über die Belastung <strong>der</strong> Verkehrsstrecke, den Energieverbrauch,<br />
die Umweltbeeinträchtigung. Bspw. könnte ein politisches Ziel <strong>der</strong> Tonnenki-<br />
lometeranstieg mit einem möglichst geringen Anstieg <strong>der</strong> Fahrzeugkilometer<br />
sein.<br />
Die Verkehrsintensität beschreibt den volkswirtschaftlichen Transportaufwand<br />
je produzierter Gütereinheit (global wie auch Güter(gruppen)spezifisch). Die<br />
Verkehrsintensität ist demnach ein Quotient aus den Tonnenkilometern <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Gütermenge (od. Tonnenkilometer durch reales BIP).<br />
Die Infrastruktur subsumiert die Verkehrswege, Stationen (Bahnhöfe, Flug-,<br />
See- <strong>und</strong> Binnenhäfen, Terminals etc.). Dagegen umfasst die Suprastruktur<br />
neben <strong>der</strong> Infrastruktur zusätzlich noch Lager- <strong>und</strong> Umschlaganlagen an den<br />
Verkehrswegen <strong>und</strong> Stationen.
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 339<br />
Wenn von Transportelastizität die Rede ist, dann ist damit ein Verhältnis von<br />
einer relativen Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Transportleistung zum realen BIB zu verste-<br />
hen. Sie gibt die Richtung <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Transportleistung in Abhän-<br />
gigkeit zur Verän<strong>der</strong>ung des BIP an.<br />
Ladehilfsmittel sind Paletten o<strong>der</strong> Container. Mit einer Palette ist hier eine<br />
Pool-Palette gemeint (1,2 x 0,8 x 0,144 m; Last bis 1.500 kg; bei Stückgut bis<br />
1.000 kg). Container gibt es in 20 o<strong>der</strong> 40 Fuß (20’ od. 40’), sog. ISO-<br />
Container. ISO-Container sind mit den Pool-Paletten nicht kompatibel, daher<br />
verwendet die <strong>Binnenschifffahrt</strong> Container mit geringfügig größerer Breite.<br />
Somit passen in 20’-Container 14 Palette (20’ ISO-Container 11 Paletten) <strong>und</strong><br />
in 40’-Container 29 Paletten einlagig (40’ ISO-Container 23 Paletten). Aller-<br />
dings sind ISO-Container im Überseeverkehr absoluter <strong>Stand</strong>ard <strong>und</strong> somit die<br />
Binnenschiff-Container nur in <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> verwendbar.<br />
Der 20’-Container, <strong>der</strong> sog. TEU (Twenty foot Equivalent Unit) ist die universelle<br />
Maßeinheit in <strong>der</strong> Containerschifffahrt. Dementsprechend zählt eine Schiffs-<br />
ladung von 200 40’-Containern 400 TEU.<br />
Die Tragfähigkeit <strong>der</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong> wird in Gewichtstonnen (t) angege-<br />
ben. Die Tragfähigkeit variiert mit <strong>der</strong> Schiffsgröße. Im Folgenden werden die<br />
maximalen Tragfähigkeiten <strong>und</strong> <strong>der</strong>en maximaler Tiefgang ausgewählter <strong>und</strong><br />
gängiger Schiffstypen dargestellt.<br />
Gustav Königs (Verl.) max. 1100t Tmax 2,50 m<br />
Johan Welker (Verl.) max. 1500t Tmax 2,70 m<br />
Großmotorschiff (GMS 110 m) max. 3000t Tmax 3,50 m<br />
Leichter (32,50x8,20 m) max. 490t Tmax 2.32 m<br />
Leichter (65,00x8,20 m) max. 960t Tmax 2,32 m<br />
Leichter (76,50x11,45 m)) max. 1850t Tmax 2,80 m
340 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
Flussspezifikationen:<br />
Querbauten (Buhnen)<br />
Befestigte Wälle, die vom Ufer aus senkrecht zur Fließrichtung in den Fluss ra-<br />
gen <strong>und</strong> erst ab einem bestimmten Wasserstand überspült werden. Die aus<br />
Kies <strong>und</strong> Pflasterung o<strong>der</strong> Schüttsteinen bestehenden Einbauten regulieren<br />
den Abfluss des Wasser innerhalb des Flussbettes. Der Haupt-Abfluss wird so<br />
auf einer geringeren Breite zusammengefasst, damit den Schiffen in <strong>der</strong> ei-<br />
gentlichen Fahrrinne mehr Wasser - also auch eine größere Wassertiefe - zur<br />
Verfügung steht<br />
Längsbauwerke (Leitwerke)<br />
Befestigte Wälle o<strong>der</strong> Dämme, die vor <strong>der</strong> Uferlinie in den Fluss gebaut sind<br />
<strong>und</strong> (im Gegensatz zu Buhnen) parallel zur Fließrichtung verlaufen. Die aus<br />
Kies <strong>und</strong> Pflasterung o<strong>der</strong> losen Steinen bestehenden Einbauten regulieren<br />
den Abfluss des Wassers innerhalb des Flussbetts. Der Haupt-Abfluss wird so<br />
auf einer geringeren Breite zusammengefasst, damit den Schiffen in <strong>der</strong> ei-<br />
gentlichen Fahrrinne mehr Wasser- also auch eine größere Wassertiefe - zur<br />
Verfügung steht. Je nach <strong>der</strong> Höhe des Leit- o<strong>der</strong> Längswerks wird es erst ab<br />
einem bestimmten Wasserstand überspült <strong>und</strong> damit wirksam (Niedrigwasser-<br />
o<strong>der</strong> Mittelwasser-Leitwerk)<br />
Uferbefestigungen (Deckwerke)<br />
Bauwerk zur Befestigung eines geböschten Ufers<br />
Sp<strong>und</strong>wand<br />
Uferbefestigung in Schleusen, an Kanalstrecken o<strong>der</strong> Hafenanlagen. Im<br />
Querschnitt U-förmige Stahlträger werden ineinan<strong>der</strong>verschachtelt neben-<br />
einan<strong>der</strong> in den Uferboden gerammt. Bei zusätzlichen Maßnahmen (Lehm,<br />
Folie) entsteht eine wasserdichte Wand. Ringförmige Sp<strong>und</strong>wände erlauben<br />
eine zeitweise Trockenlegung von Teilen flacher Seen o<strong>der</strong> Meeresbuchten<br />
<strong>für</strong> Baumaßnahmen
Fahrrinnentiefe<br />
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 341<br />
Tauchtiefe (Abladetiefe) plus 20 bis 25 cm Sicherheitsabstand zum Gewäs-<br />
sergr<strong>und</strong><br />
Durchfahrtshöhe<br />
Die Höhe, die zwischen <strong>der</strong> Brückenunterkante <strong>und</strong> dem Wasserspiegel liegt,<br />
höher darf ein Schiff nicht aus dem Wasser ragen, um sicher den Mittelland-<br />
kanal passieren zu können<br />
Fahrrinne<br />
eil des Fahrwassers, in dem <strong>für</strong> den durchgehenden Schiffsverkehr bestimmte<br />
Breite <strong>und</strong> Tiefen vorhanden sind<br />
Fahrwasser<br />
Teil einer Wasserstraße o<strong>der</strong> <strong>der</strong> hohen See, <strong>der</strong> den örtlichen Umständen<br />
nach vom durchgehenden Schiffsverkehr benutzt wird<br />
Gl.W<br />
Der Bezugswasserstand ist gegenwärtig <strong>der</strong> Gl.W’89. Hierbei handelt es sich<br />
um einen in verschiedenen Flussabschnitten „Gleichwertigen Wasserstand“.<br />
Die Gleichwertigkeit bezieht sich auf den Unstand, dass jeweils an max. 20<br />
eisfreien Tagen in 7 trockenen <strong>und</strong> 7 mittleren Jahren des Bezugszeitraums<br />
1973 – 1986 dieser Wasserstand unterschritten wurde.<br />
Berechnet wird <strong>der</strong> Gl.W durch die B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> Wasserbau.<br />
Kilometrierung<br />
Als Orientierungshilfe sind alle Wasserstraßen kilometriert: am Ufer sind feste,<br />
vom Wasser aus gut sichtbare Tafeln <strong>und</strong> Baken angebracht, an denen man<br />
auf 100 Meter genau ablesen kann, wo man sich befindet. Im Allgemeinen<br />
wird die Kilometrierung von <strong>der</strong> Mündung aufwärts gezählt. Am Rhein liegt<br />
jedoch Kilometer Null an <strong>der</strong> Rheinbrücke bei Konstanz am Bodensee, auch
342 <strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Potenziale</strong> <strong>der</strong> <strong>Elbe</strong> <strong>Binnenschifffahrt</strong><br />
die Kilometrierung <strong>der</strong> Lahn beginnt - entsprechend <strong>der</strong> Regel - oberhalb von<br />
Gießen <strong>und</strong> endet bei <strong>der</strong> Mündung in Lahnstein<br />
Staustufe, Stauhaltung, Schleuse, Wehr<br />
Eine Staustufe ist eine wasserbautechnische Einrichtung an einem Fluss, mit<br />
<strong>der</strong> Höhenunterschiede bei einem gleichmäßig hohen Wasserstand über-<br />
w<strong>und</strong>en werden können. Wichtigster Bestandteil ist das Stauwehr, eine Barrie-<br />
re quer zum Flusslauf, die das Wasser oberhalb aufstaut. Der Flussabschnitt<br />
unterhalb des Wehrs bis zu nächsten flussabwärts gelegenen Staustufe heißt<br />
Stauhaltung<br />
Wasserstand, Hochwasser, Mittelwasser, Niedrigwasser<br />
Der Wasserstand wird am Pegel in Metern o<strong>der</strong> Zentimetern gemessen. Der<br />
Pegelnullpunkt wird auf NN so festgelegt, dass keine negativen Werte auftre-<br />
ten. Für bestimmte Wasserstände gibt es beson<strong>der</strong>e Bezeichnungen <strong>und</strong> De-<br />
finitionen. 'Mittelwasser' ist z.B. ein statistisch gemittelter Wert <strong>der</strong> in einer be-<br />
stimmten Periode gemessenen Wasserstände.<br />
HW= Hochwasser (großes Wasser)<br />
NW= Niedrigwasser (kleines Wasser)<br />
MW= Mittelwasser (mittleres Wasser)<br />
(HW, NW <strong>und</strong> MW sind nach DIN definiert)<br />
NNW= niedrigster jemals gemessener Wasserstand;<br />
HHW= höchster jemals gemessener Wasserstand<br />
Wasserstraßenklasse<br />
Auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> international abgestimmten Einteilung werden die<br />
verschiedenen Wasserstraßen bestimmen Größenklassen zugeordnet. Ent-<br />
scheidend sind Breite <strong>und</strong> Tiefe <strong>der</strong> Fahrrinne, Schleusenabmessungen <strong>und</strong><br />
Durchfahrtshöhen <strong>der</strong> Brücken. Aus <strong>der</strong> jeweiligen Wasserstraßenklasse ist er-<br />
sichtlich, mit welcher Art Schiff (<strong>für</strong> Länge, Breite, Tiefgang, Ladehöhe) man<br />
auf einer bestimmten Wasserstraße fahren kann. Der Rhein hat die größten
STAND UND POTENZIALE DER ELBE-BINNENSCHIFFFAHRT | 343<br />
Wasserstraßenklasse V, Mosel <strong>und</strong> Saar wurden nach ihrem Ausbau zur Groß-<br />
schifffahrtsstraße <strong>der</strong> Klasse IV zugeordnet
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