Natur report - Kreis Unna
Natur report - Kreis Unna
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<strong>Natur</strong><br />
<strong>report</strong><br />
Band 9 2005<br />
Schwerpunkt-<br />
Thema:<br />
<strong>Natur</strong>schutz aus<br />
verschiedenen<br />
Perspektiven<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.
<strong>Natur</strong> <strong>report</strong><br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
Ausgabe 9 • 2005<br />
3
4<br />
Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
Ausgabe 9 • 2005<br />
ISSN 1438-4906<br />
ISBN 3-9803244-6-8<br />
Erscheinungstermin: März 2005<br />
Herausgeber: <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V., Westenhellweg 110,<br />
59192 Bergkamen<br />
Vorsitzender: Walter Teumert<br />
Redaktion und Realisierung: MediaKom<br />
– Medien- und Kommunikationsberatung<br />
Thomas Horschler mbH, <strong>Unna</strong><br />
Zitiervorschlag: <strong>Natur</strong><strong>report</strong> 2005, Jb. <strong>Natur</strong>förderungsges.<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Wenn nicht anders angegeben, stammen die<br />
Fotos und Abbildungen in den Beiträgen von<br />
den Autoren.<br />
Die in den Aufsätzen vertretenen Meinungen<br />
müssen nicht unbedingt der Meinung der<br />
Mitglieder der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
oder der Redaktion entsprechen. Die Autoren<br />
sind für den Inhalt ihrer Aufsätze selbst<br />
verantwortlich.
INHALT<br />
Inhalt ................................................................................................................................. 5<br />
Vorwort ............................................................................................................................. 7<br />
<strong>Natur</strong>schutz, Nachhaltiges Handeln und Verbraucherverhalten, Prof. Dr. Lothar Schneider ...9<br />
Der Mensch in der Verantwortung für die Schöpfung, Prof. Dr. Udo Zelinka ................... 18<br />
"... Gott setzte den Menschen in den Garten, dass er ihn bebaue und bewahre..."<br />
Pfr. Klaus Breyer .............................................................................................................. 21<br />
Freizeit ist höchstes Gut für den Menschen und gleichzeitig Gefahr für die <strong>Natur</strong>,<br />
Mark Herrmann .............................................................................................................. 26<br />
Die Entstehung der Jugendnaturschutzbewegung im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Adrian Mork ............... 30<br />
Enormes Engagement für die <strong>Natur</strong> ist Ehrensache, Josef Tumbrinck ............................... 34<br />
Landwirtschaft und <strong>Natur</strong>schutz, ein Gegensatz in sich? Heinz-Wilhelm Büscher ............ 38<br />
Ein leidenschaftlicher <strong>Natur</strong>freund wird 70 Jahre jung, AGON Schwerte .......................... 41<br />
Helmut July ist eine <strong>Natur</strong>freund mit Leib und Seele, Corinna Glück ................................ 43<br />
Das Kopfbaumkataster im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>: erste Ergebnisse der kreisweiten Erfassung,<br />
Edeltraut Wagner ............................................................................................................ 45<br />
Über die Spechte, die im Cappenberger Wald leben, Vera Klein ...................................... 53<br />
Jagd ist nicht nur töten, sondern auch angewandter <strong>Natur</strong>schutz, Werner Rottmayer<br />
und Jochen Trebing ......................................................................................................... 55<br />
Langstreckenflug eines Kleinabendseglers Nyctalus leisleri, Irmgard Devrient und<br />
Reinhard Wohlgemuth .................................................................................................... 57<br />
Was <strong>Natur</strong>freunde über Zecken und Borreliose wissen sollten, Hermann Knüwer ............ 60<br />
Die Orchidee des Jahres 1995 – jetzt auch im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Bernd Margenburg ................... 64<br />
Beiträge zur Organismenwelt des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> III, Götz Heinrich Loos und<br />
Bernd Margenburg .......................................................................................................... 66<br />
5
6 INHALT<br />
Eine bunte Vielfalt: Von Kultur, Fußball bis hin zu Fachforen, Ulrich Häpke ..................... 69<br />
Erst kommt das Tier, dann der Stall, Hugo Gödde ............................................................ 75<br />
Wahlfreiheit ermöglichen – gentechnikfreie Qualität sicherstellen, Siegrid Herbst ........... 79<br />
Reitrouten vom Niederrhein bis in die Hellwegbörde, Nina Windisch und Anna Musinszki ... 83<br />
Gemeinnützig und als besonders förderungswürdig anerkannt ........................................ 85<br />
Historie, <strong>Natur</strong> und Naherholung im Kombipaket, Horst Schenkel ................................... 86<br />
Der Vorstand der NFG erkundet die <strong>Natur</strong> des Partnerkreises, Bernd Margenburg .......... 89<br />
Auf der Draisine durch den <strong>Natur</strong>park Uckermärkische Seen, Gert Klinger ...................... 91<br />
Ein Erlebnisbericht: Exkursion in das Havelland, Volker Eschrich und Karl-Heinz Holtmann .. 94<br />
Das Umweltzentrum Westfalen lädt zu einer sechstägigen Exkursion ein, Agnes Teuwen .. 96<br />
Ein <strong>Natur</strong>schutzgebiet macht von sich reden, Corinna Glück ........................................... 98<br />
Von den Anfängen der Gründung der NFG bis zu den heutigen Zukunfsvisionen,<br />
Thomas Griesohn-Pflieger ............................................................................................ 100<br />
Chronik der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V. .................................. 106<br />
Seminare, Aktionen und noch vieles mehr, Birgit Manz ..................................................113<br />
Ist eine Annäherung zwischen Kunst und <strong>Natur</strong> möglich? Michael Bub ..........................116<br />
Der Uhu .........................................................................................................................118<br />
Das Brand-Knabenkraut ................................................................................................ 120<br />
Die Rosskastanie ........................................................................................................... 122<br />
Der große Klappertopf .................................................................................................. 123<br />
Der Gartenkürbis ........................................................................................................... 125<br />
Der Wetterstern ............................................................................................................ 126<br />
Die Bachforelle .............................................................................................................. 127<br />
Der Braunbär ................................................................................................................. 129<br />
Ein geschätzter Fachmann und Gesprächspartner, wenn es um Vogelarten ging ............ 131<br />
Zu guter Letzt noch Lyrisch-Gedankenvolles zum (Schwerpunkt-)Thema ...................... 133<br />
Verzeichnis der Autoren ................................................................................................. 135
Walter Teumert, Vorsitzender der <strong>Natur</strong>-<br />
förderungsgesellschaft <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
VORWORT<br />
� <strong>Natur</strong>schutz aus verschiedenen Perspektiven<br />
Ein Thema aus verschiedenen Blickwinkeln<br />
betrachtet, zeigt die Dimension des Themas<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
wenn wir ein Thema betrachten,<br />
geschieht das oft aus einem bestimmten<br />
Blickwinkel. Der hängt in der<br />
Regel damit zusammen, in welchem<br />
Zusammenhang wir einen Gegenstand<br />
sehen, was wir für Erfahrungen<br />
mit ihm gemacht haben und welche<br />
Stellung er für uns einnimmt. So ist es<br />
auch mit dem <strong>Natur</strong>schutz: Für jeden<br />
hat er seine eigene Bedeutung. Dabei<br />
verlieren wir oft aus den Augen, wie<br />
umfassend das Thema ist.<br />
Die vorliegende Ausgabe des Jahrbuches<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V. (NFG)<br />
will dazu anregen, die Perspektive zu<br />
wechseln und den <strong>Natur</strong>schutz aus einem<br />
Blickwinkel zu betrachten, der uns<br />
bisher vielleicht fremd war. Die Vielfalt<br />
der vorliegenden Beiträge verdeutlicht,<br />
wie umfangreich der Begriff besetzt<br />
ist. Prof. Dr. Lothar Schneider etwa<br />
greift in seinem Beitrag mit dem Titel<br />
„<strong>Natur</strong>schutz, Nachhaltiges Handeln<br />
und Verbraucherverhalten“ die Folgen<br />
der wirtschaftlichen Entwicklung auf.<br />
Der ökonomische Wohlstand großer<br />
Teile der Gesellschaft und die<br />
soziale Absicherung der meisten<br />
Menschen mit wenig oder keinem<br />
Vermögen haben eine zivilisatorische<br />
Lebensführung möglich gemacht, die<br />
zunehmend naturferner geworden<br />
ist bzw. zumindest die natürlichen<br />
Lebensgrundlagen belastet.<br />
Wie kein anderes Wesen auf unse-<br />
rem Planeten ist der Mensch aufgrund<br />
seiner geistigen Fähigkeiten in der<br />
Lage, seine Welt und die Umwelt zu<br />
beeinflussen – womit wir beim Beitrag<br />
„Der Mensch in der Verantwortung für<br />
die Schöpfung“ von Prof. Dr. Udo Zelinka<br />
wären. Der Mensch musste und<br />
muss dies bis heute tun, weil die <strong>Natur</strong><br />
ihn in einer langen Entwicklungsgeschichte<br />
zu einem, wie der Philosoph<br />
und Soziologe Arnold Gehlen sagt,<br />
„Mängelwesen“ hat werden lassen.<br />
Doch welche Grenzen wollen wir uns<br />
selber setzen, um einer vernünftigen<br />
Gestaltung unserer selbst und unserer<br />
Welt (noch) gerecht werden zu<br />
können.<br />
An dieser Stelle will ich auch den<br />
durchaus interessanten Ansatz von<br />
Pfarrer Klaus Breyer erwähnen, der<br />
die Schöpfungsgeschichte in einer<br />
besonderen Weise darstellt. So soll der<br />
Mensch seine Lebenswelt gestalten<br />
und lernen, so zu leben und zu arbeiten,<br />
dass die Kontinuität des Lebens<br />
auf der Erde bewahrt bleibt.<br />
Die aufgezeigten Überlegungen<br />
verdeutlichen, wie vielfältig das Thema<br />
7
8 VORWORT<br />
<strong>Natur</strong>schutz und der Umgang mit ihm<br />
sein kann. Auch auf den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
bezogen ist das der Fall, wie in einigen<br />
Beiträgen verständlich wird.<br />
Über das Schwerpunktthema hinaus<br />
widmet sich der <strong>Natur</strong><strong>report</strong> auch in<br />
diesem Jahr wieder einer Fülle weiterer<br />
Bereiche – unter anderem können wir<br />
in einem Beitrag den Langstreckenflug<br />
eines Kleinabendseglers von <strong>Unna</strong><br />
nach Madrid begleiten. Verfolgen Sie<br />
seinen Flug mit dieser spannenden<br />
Lektüre.<br />
Bleibt zu erwähnen, dass der <strong>Natur</strong><strong>report</strong><br />
wie schon in den Jahren<br />
zuvor ein offenes Diskussionsforum<br />
ist und die einzelnen Beiträge die<br />
Meinung der Autoren widerspiegeln.<br />
Ohne diese Offenheit hätte unsere<br />
Arbeit schließlich nicht den Stellenwert<br />
erreichen können, den sie sich in der<br />
Vergangenheit erarbeitet hat.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen<br />
eine anregende – und selbstverständlich<br />
auch nachhaltige – Lektüre.<br />
Walter Teumert<br />
Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>
� Ein Exkurs<br />
<strong>Natur</strong>schutz, Nachhaltiges Handeln<br />
und Verbraucherverhalten<br />
von Prof. Dr. Lothar Schneider<br />
Deutschland ist ein hoch entwickelter,<br />
dicht besiedelter Industriestaat.<br />
Der ökonomische Wohlstand<br />
großer Teile der Gesellschaft<br />
sowie auch die soziale Absicherung<br />
der meisten Menschen mit<br />
wenig oder keinem Vermögen<br />
haben eine zivilisatorische Lebensführung<br />
möglich gemacht, die<br />
zunehmend naturferner geworden<br />
ist; zumindest die natürlichen<br />
Lebensgrundlagen belastet.<br />
Gedanken zu <strong>Natur</strong>schutz und<br />
nachhaltiger Entwicklung müssen auf<br />
diesem Hintergrund ansetzen. Ein<br />
erstes Kapitel befasst sich mit <strong>Natur</strong>schutz<br />
und nachhaltiger Entwicklung;<br />
ein zweites mit der <strong>Natur</strong>entfremdung<br />
der Menschen und Fehlentwicklungen.<br />
Das dritte Kapitel beschreibt Wege zu<br />
Verhaltensänderungen.<br />
1) <strong>Natur</strong>schutz und Nachhaltige<br />
Entwicklung<br />
Das Verständnis von <strong>Natur</strong>schutz<br />
Maßnahmen der <strong>Natur</strong>- und<br />
Umwelterziehung<br />
Baum- und Gehölzanpflanzungen<br />
Öffentlichkeitsarbeit für den <strong>Natur</strong>schutz<br />
Pflegemaßnahmen in Biotopen<br />
naturnahe (Um-) Gestaltung<br />
von Spielplätzen/Schulhöfen<br />
Anlage von Biotopen<br />
Gewässerrenaturierung<br />
naturnahe Pflege von Grünflächen<br />
Biotopkartierung<br />
Entsiegelungsmaßnahmen<br />
naturnaher Waldumbau<br />
Extensivierungsmaßnahmen<br />
in der Landwirtschaft<br />
Weitere<br />
Ergebnisse aus 114 Städten und Gemeinden (Stand April 2000),<br />
Mehrfachnennungen waren möglich<br />
hat sich entwickelt vom Schutz von<br />
Tier- und Pflanzenarten hin zum<br />
Schutz des gesamten <strong>Natur</strong>haushalts.<br />
Die Gesellschaft hat diese Bewegung<br />
noch nicht mit vollzogen. Noch wird<br />
<strong>Natur</strong>schutz meist verstanden als<br />
Schutz seltener Arten. Trotz der Fortschritte<br />
bei der Bestandssicherung<br />
„einzelner gefährdeter Arten“, bei der<br />
Renaturierung einzelner Landschaftsteile<br />
und der Ausdehnung der Flächen<br />
streng geschützter <strong>Natur</strong>schutzgebiete<br />
PERSPEKTIVEN<br />
0 10 20 30 40 50<br />
Die Grafik stellt die gelaufenen <strong>Natur</strong>schutzprojekte dar. 3<br />
Deutsches Institut für Urbanistik<br />
(1,3 % 1990 – 2,7 % 2001) gibt es<br />
die „anhaltende Zerstörung und Zerschneidung<br />
von <strong>Natur</strong> und Landschaft,<br />
vor allem durch Städte- und Infrastrukturausbau<br />
und durch Abbau von<br />
Rohstoffen“. Entsprechend erleben wir<br />
Landschaftsverarmung, Artenschwund<br />
„Beeinträchtigung der Leistungs- und<br />
Nutzungshäufigkeit des <strong>Natur</strong>haushaltes<br />
sowie seiner Erholungs- und<br />
Erlebnisqualität“. 1<br />
Wirksamer <strong>Natur</strong>schutz braucht<br />
9
10 PERSPEKTIVEN<br />
beides – Ordnungsmaßnahmen und<br />
die Überwachung ihrer Einhaltung sowie<br />
die Gewinnung von Institutionen<br />
und Menschen, ihr Verhalten danach<br />
auszurichten. Sollen breite Gesellschaftsteile<br />
gewonnen werden, muss<br />
der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen<br />
zum allgemeinen Anliegen<br />
werden. Anliegen wird hier verstanden<br />
als gewünschte Einstellungen und Verhalten.<br />
Das gelang bisher wenig allein<br />
mit moralischen Appellen, kognitiven<br />
Informationen und Konzentration auf<br />
aus dem Zusammenhang gerissenen<br />
Details.<br />
Die nachhaltige Entwicklung (sustainable<br />
development) bedeutet eine<br />
große Chance und ist ein Fortschritt in<br />
der Beeinflussung des Verhaltens der<br />
Menschen auch für den <strong>Natur</strong>schutz.<br />
Diese Forderung wurde 1992 in der<br />
Lokalen Agenda 21 (LA 21) als Leitbild<br />
für das 21. Jahrhundert entworfen. Die<br />
Handlungsempfehlung lautet, „unser<br />
Handeln so zu organisieren, dass wir<br />
nicht auf Kosten der <strong>Natur</strong>, anderer<br />
Menschen, anderer Regionen oder anderer<br />
Generationen leben.“ Es gilt „die<br />
ökologische, ökonomische, soziale und<br />
kulturelle Dimension von Entwicklung<br />
so miteinander zu verknüpfen, dass<br />
gerechte Lebenschancen innerhalb<br />
der heutigen und für die folgenden<br />
Generationen möglich sind (intra- und<br />
intergenerative Gerechtigkeit, ...)“ 2<br />
Auch wenn das Leitbild nachhaltige<br />
Entwicklung noch nicht zum<br />
Allgemeingut in der Gesellschaft geworden<br />
ist – 22 % der erwachsenen<br />
Bevölkerung kennen es – so bestehen<br />
günstige Zeichen: Es gab und gibt<br />
rund 2500 Agenda 21-Prozesse in<br />
deutschen Kommunen. Im Jahr 2000<br />
bearbeiteten nach einer Umfrage<br />
des Difu-Institutes in 181 Städten<br />
und Gemeinden 63 % von ihnen das<br />
Themenfeld „<strong>Natur</strong>schutz und Landschaftspflege“<br />
im Rahmen der LA 21.<br />
Positiv stimmen auch die Ergebnisse<br />
der jüngsten Reprästentativbefragung<br />
in Deutschland zum Umweltbewusstsein<br />
(2004): 4<br />
„Frage: Ich werde Ihnen jetzt einige Ziele und Aufgaben aus dem Bereich Umweltschutz nennen.<br />
Sagen Sie mir bitte anhand dieser Liste, für wie wichtig Sie persönlich diese Aufgabe halten."<br />
Bedeutsamkeit umweltpolitsicher Ziele und Aufgaben (Auswahl in %)<br />
Code sehr wichtig eher unwichtig<br />
das Aussterben von Tier- und Pflan-<br />
zenarten verhindern<br />
für einen verbesserten <strong>Natur</strong>schutz<br />
sorgen<br />
das ständige Wachstum der Siedlungs-<br />
und Verkehrsfläche bremsen<br />
Umweltschutz ist für viele Menschen<br />
ein hoher Wert. Foto: Archiv<br />
49 41<br />
42 48<br />
27 47
Wahrgenommene Fortschritte in verschiedenen Feldern des Umweltschutzes (Zeitreihe/Angaben<br />
in %-Auswahl)<br />
Beim <strong>Natur</strong>schutz großer Fort-<br />
schritt<br />
Der große Vorteil von LA-Prozessen<br />
und gezielt angestrebter nachhaltiger<br />
Entwicklung ist die gemeinsame Arbeit<br />
an lokalen und regionalen Lösungen<br />
aufgrund eines ganzheitlichen Verständnisses<br />
von einem guten Leben.<br />
keine wesentlichen<br />
Fortschritte<br />
ist eher schlimmer<br />
geworden<br />
2004 25 62 7<br />
2002 19 68 8<br />
Umwelteinstellungen (Auswahl in %, 2004)<br />
Die landwirtschaftliche Schönheit und Eigenart<br />
unserer Heimat sollte erhalten und geschützt<br />
werden.<br />
Es beunruhigt mich, wenn ich daran denke, unter<br />
welchen Umweltverhältnissen unsere Kinder<br />
und Enkelkinder wahrscheinlich leben müssen.<br />
Wir sollten nicht mehr Ressourcen verbrauchen<br />
als nachwachsen können.<br />
s timme voll<br />
und ganz zu<br />
stimme weitgehend<br />
zu<br />
60 33<br />
27 39<br />
44 38<br />
2) <strong>Natur</strong>entfremdung des Menschen<br />
und Fehlentwicklungen<br />
Die Ursachen liegen in den letzten<br />
vier Jahrzehnten, in denen als Begleitprozess<br />
zu großer Verbesserung von<br />
Einkommen, Vermögen, Freiheit, Mo-<br />
PERSPEKTIVEN<br />
bilität, Wohnungsgröße, sozialer Absicherung,<br />
große, z.T. kaum reparable<br />
Schäden am <strong>Natur</strong>haushalt (Boden,<br />
Wasser, Luft) im eigenen Land, wie<br />
weltweit verursacht wurden.<br />
Der zivilisatorische Fortschritt, die<br />
kapitalistische Marktwirtschaft und<br />
die damit verbundene Lebensweise<br />
haben das Beachten natürlicher (naturnaher)<br />
Kriterien für die Mehrheit<br />
in den Hintergrund treten lassen. Hier<br />
einige Beispiele:<br />
� Ernährung:<br />
� Frischobst und Gemüse findet sich<br />
unabhängig von heimischen Erntezeiten<br />
ganzjährig in den Regalen<br />
des Einzelhandels. Sie werden z.T.<br />
über Tausende Kilometer per Flugzeug<br />
angeliefert und sind belastet<br />
mit einem großen „ökologischen<br />
Rucksack“. 5<br />
� Immer größere Teile von Obst und<br />
Gemüse werden industriell be- und<br />
verarbeitet angeboten (bei Kartoffeln<br />
werden nur noch 49 % frisch<br />
aus Rohprodukten zubereitet).<br />
� 65 % der Männer und 55 % der<br />
Frauen essen zu viel, oft in falscher<br />
Zusammensetzung und bewegen<br />
sich zu wenig. 6<br />
� Noch immer ist die landwirtschaftliche<br />
Produktion von Nahrungsmitteln<br />
größtenteils traditionell (dank<br />
11
12 PERSPEKTIVEN<br />
einer lange Zeit falschen Förderpolitik<br />
von Bundesregierung und<br />
EU). Ökologischer Landbau betrifft<br />
erst 3,2 % der landwirtschaftlichen<br />
Nutzfläche (2002). Bis 2010 sollen<br />
es 20 % sein.<br />
� Biolebensmittel sind zwar in den Supermärkten<br />
gelandet. Doch wegen<br />
der relativ geringen Nachfrage führen<br />
sie dort ein Schattendasein.<br />
� Siedlungsweise<br />
� 33 % der deutschen Haushalte<br />
bewohnen ein eigenes Haus, 9 %<br />
eine Eigentumswohnung. Von den<br />
Mietern würden weitere 42 % ein<br />
Haus erwerben, wenn sie es finanziell<br />
könnten.<br />
� Vom eigenen Haus mit Garten<br />
erwarten die Bewohner Selbstbestimmung,<br />
Ruhe, Freizeitvorteile,<br />
Kinderspielmöglichkeiten, „<strong>Natur</strong>“,<br />
Vermögenssicherung.<br />
� Nicht zuletzt wegen der Grundstückspreise<br />
liegt das neue Eigentum<br />
meist weit entfernt von der<br />
Ballung. Die Bewohner werden zu<br />
Pendlern, benötigen bei schlechter<br />
Ausstattung mit ÖPNV zwei Autos.<br />
So tragen die Stadtflüchtlinge zur<br />
Verkehrszunahme und deren ökologischen<br />
Nachteilen bei.<br />
� Pro Tag werden in Deutschland 93<br />
ha zusätzliche Flächen verbraucht,<br />
großenteils versiegelt. Die Bundesregierung<br />
will diese Fehlentwicklung<br />
bis 2020 auf 30 ha pro Tag<br />
reduzieren.<br />
� Die von Eigenheimbewohnern angestrebte<br />
„<strong>Natur</strong>“ im eigenen Garten<br />
besteht häufig in einem Ziergarten<br />
mit exotischen Pflanzen, englischem<br />
Rasen, ohne Obstbäume und –büsche<br />
oder andere Nutzpflanzen.<br />
Nach wie vor werden häufig Chemikalien<br />
(Kunstdünger, Insektizide,<br />
Fungizide) eingesetzt, um die Idylle<br />
zu erhalten. Dabei wäre ein <strong>Natur</strong>-<br />
Erlebnis-Garten nachhaltig und<br />
zukunftsweisend. „Es geht um eine<br />
möglichst vielfältige, an Sinneseindrücken<br />
reiche Welt, die gleichzeitig<br />
voll tierischen Lebens steckt.“ „Mit<br />
ihren natürlichen Formen, betörenden<br />
Düften, den dezenten Farben,<br />
der Harmonie der Jahreszeiten<br />
und vor allem mit ihrer Tierwelt<br />
sprechen <strong>Natur</strong>-Erlebnis-Gärten<br />
Menschen im Herz an. Besonders<br />
Kinder sind berührt von dieser<br />
neuen Qualität eines Lebensraums<br />
Garten und möchten, einmal da, so<br />
bald nicht wieder weg.“ 7<br />
Die möglichst natürliche, gesunde<br />
Ernährung, wie auch das Erleben<br />
und Anstreben naturnaher Gärten<br />
sind hervorragende Aktions- und<br />
Erlebnisbereiche, auf denen bei den<br />
so Handelnden eine nachhaltige<br />
Entwicklung u.a. zur <strong>Natur</strong>erhaltung<br />
aufbauen kann.<br />
3) Wege zu erforderlichen Verhaltensänderungen<br />
Die bisherigen Ausführungen zeigten,<br />
dass es in der Gesellschaft Tendenzen<br />
zu einem Gegensteuern zu<br />
den Fehlentwicklungen gibt. Doch<br />
hier in der Aufklärungsarbeit und bei<br />
der Verhaltensbeeinflussung nur auf<br />
den eingefahrenen Gleisen zu fahren,<br />
dauert zu lange und ist längst nicht<br />
ausreichend. Es muss gelingen, in einem<br />
großen konzertierten Prozess<br />
� an vielen Hebeln gleichzeitig anzusetzen:<br />
� Die Erfolg versprechenden psychologischen<br />
und sozialen Einflüsse<br />
auf das Verhalten der Menschen zu<br />
kennen, ernst zu nehmen und beim<br />
Handeln zu berücksichtigen.<br />
� Einflussebenen sind:<br />
Die Diskrepanz zwischen Umweltbewusstsein<br />
und Umweltverhalten<br />
erkennen: Werte und Einstellungen<br />
sowie Wissen über Sachverhalte und<br />
Objekte bilden das Bewusstsein. Einstellungen<br />
sind psychische Prädispositionen<br />
eines Individuums, in bestimmter<br />
Weise auf die physische, psychische<br />
und soziale Umwelt zu reagieren. Über
Jahrzehnte bestand in Deutschland<br />
die Auffassung, Wissensvermittlung,<br />
mit der Erklärung der Sinnhaftigkeit<br />
bestimmter Handlungsweisen, führe<br />
zum gewünschten Verhalten. Diese<br />
Strategie wurde verfolgt u.a. in der<br />
Verbrauchererziehung, Ernährungserziehung,<br />
Gesundheitsaufklärung<br />
und in der Umwelterziehung. Über<br />
Informationen und Werteappelle wurden<br />
bei der großen Mehrheit positive<br />
Einstellungen zur Umwelt, auch zur<br />
<strong>Natur</strong>, geschaffen. Einstellungen und<br />
Werte bewirken im allgemeinen nicht<br />
direkt Verhalten. Dazwischen steht als<br />
eigene Größe die Verhaltensabsicht,<br />
die im wesentlichen durch zwei Faktoren<br />
bestimmt wird:<br />
� durch die Einstellungen gegenüber<br />
dem betreffenden Verhalten<br />
� durch die subjektive Norm bezüglich<br />
dieses Verhaltens.<br />
Die subjektive Norm bezieht sich<br />
auf Überzeugungen des betreffenden<br />
Individuums, was bedeutsame Bezugspersonen<br />
oder –gruppen denken, ob<br />
und wieweit es das infrage stehende<br />
Verhalten zeigen sollte oder nicht sowie<br />
seine Geneigtheit, den Ansprüchen<br />
und Erwartungen der Bezugspersonen<br />
oder –gruppen zu entsprechen. Für<br />
die Beziehung zwischen Verhaltensabsicht<br />
und Verhalten, d.h. ob aus der<br />
Absicht Verhalten wird, ist wesentlich,<br />
ob förderliche situative Bedingungen<br />
vorliegen.<br />
Die situativen, das Verhalten beeinflussenden<br />
Bedingungen sind:<br />
� Lebensumstände des einzelnen, im<br />
Rahmen seines Haushalts, im Rahmen<br />
seiner Haushaltsgruppe<br />
� Fähigkeiten, Fertigkeiten – das Wissen<br />
um das „Wie“ des Verhaltens<br />
und es realisieren können.<br />
� Gelegenheiten, Verhaltensangebote<br />
– konkrete Möglichkeiten, sich zu<br />
verhalten und wie leicht das zu<br />
verwirklichen ist<br />
� Gewohnheiten: neues Verhalten,<br />
sich entscheiden müssen, bedeutet<br />
meist Denk- und Zeitaufwand. Der<br />
Aufwand verringert sich erst, wenn<br />
Routine entsteht. Gewohnheiten<br />
sichern Verhalten mittelfristig ab.<br />
� Handlungsanreize – materielle oder<br />
immaterielle Anreize, bestimmtes<br />
Verhalten zu üben<br />
� Sichtbarwerden von Verhaltenskonsequenzen<br />
– Verhalten wird<br />
umso leichter beibehalten, je mehr<br />
Verstärkungserwartungen durch<br />
das Sichtbarwerden von Verhaltenskonsequenzen<br />
erfüllt werden.<br />
Sie können im sozialen Nahbereich<br />
liegen (siehe soziale Norm), doch<br />
auch in größerem Zusammenhang<br />
(Wirkung auf Wirtschaft, Kommune,<br />
Gesamtgesellschaft u.ä.).<br />
PERSPEKTIVEN<br />
� Zukunftsleitbilder<br />
Eine Chance für den Leitbildansatz<br />
besteht dann, wenn erwünschte Zukunftsleitbilder<br />
auf bereits existierende<br />
Leitbilder und deren sozialstrukturelle<br />
Entstehungskontexte zurückbezogen<br />
werden. In einer solchen Verwendung<br />
sind Leitbilder nicht beliebig und generalistisch,<br />
sondern immer begrenzt<br />
und konkret bezogen auf soziale,<br />
ökologische und wirtschaftliche Ausgangsbedingungen<br />
unterschiedlicher<br />
Akteursgruppen auf dem „Weg in die<br />
Zukunft“ 8<br />
Eine Vielzahl von Agenda-Prozessen<br />
haben Leitbilder für künftiges Leben<br />
entworfen. Sie sind dann effektiv,<br />
wenn für die Umsetzung gleichzeitig<br />
überprüfbare Indikatoren gefunden<br />
und beschlossen werden, um die<br />
Zielüberprüfung im Zeitablauf sicher<br />
zu stellen.<br />
Die wohl bekanntesten acht Leitbilder<br />
der Studie „Zukunftsfähiges<br />
Deutschland“ 9 entwerfen Wendeszenen<br />
als Beispiele. Sie wirken jedoch<br />
wie Einzelfälle, die noch nicht einen<br />
zusammenhängenden Lebensstil erkennen<br />
lassen. Hier wären z.B. Konkretisierungen<br />
bei Leitbild 4 „Gut leben,<br />
statt viel haben“ für die unterschiedlichen<br />
Handlungsbereiche in Form von<br />
Wohnleitbildern, Ernährungsleitbildern<br />
usw. nachzuliefern.<br />
13
14 PERSPEKTIVEN<br />
� Lebensstile<br />
Seit wenigen Jahren wird Lebensstilforschung<br />
als Methode für Erkenntnisse<br />
der Einbettung von Umwelthandeln<br />
in privates Alltagshandeln wahrgenommen<br />
und eingesetzt. Lebensstile<br />
sind relativ beständige Verhaltens- und<br />
Selbstdarstellungsmuster, nach denen<br />
Menschen ihr Alltagsleben organisieren<br />
(Zapf). Jeder Mensch hat mehrere<br />
Lebensstile (im Beruf, im Privatleben<br />
usw.). „Lebensstiländerungen werden<br />
akut, wenn den Handelnden andere als<br />
die gewohnten Praktiken in irgendeiner<br />
Hinsicht vorteilhafter erscheinen.<br />
Eine Ökologisierung von Lebensstilen<br />
wäre in diesem Sinne Gewohnheitswandel<br />
mit umwelt- und ressourcenschonenden<br />
Effekten, unabhängig<br />
davon, ob sie im einzelnen primär aus<br />
ökologischen oder aus anderweitigen<br />
Gründen vorgenommen werden.“ 10<br />
Ein Lebensstil stiftet für die ihn lebende<br />
Person Identität. Das Angebot<br />
eines künftig stark abweichenden<br />
Lebensstils wird daher scheitern, weil<br />
Menschen nicht auf ihre entwickelte<br />
Identität verzichten können und wollen.<br />
Allerdings lassen sich einzelne Dimensionen<br />
eines Lebensstils sehr wohl<br />
verändern, wenn sie sich in den gegebenen<br />
Lebensstil einfügen lassen.<br />
Umweltfreundliche Handlungsweisen<br />
werden dann aufgegriffen,<br />
wenn sie in bestehende Lebensstile<br />
integrierbar sind und wenn sie spürbar<br />
Wünsche, die sich an den verschiedenen<br />
Motivankern ausrichten, erfüllen<br />
helfen. Solche Motivanker sind, z.B.<br />
� Kinder (falls vorhanden)<br />
� Familie als emotionale Basis und<br />
psychischer Sicherheitsbereich<br />
� Eingestandene Existenzangst<br />
� Gesundheit, weil Voraussetzung<br />
einer Teilnahme an den angestrebten<br />
Lebensgenüssen, auch als<br />
ökonomische und soziale Lebensabsicherung<br />
� Wohnen als selbstbestimmter Raum<br />
(gemeint Wohnung und Umfeld)<br />
� Befriedigende Sozialbeziehungen<br />
(Freundschaften etc.)<br />
� Liebe zur <strong>Natur</strong>, Heimatliebe.<br />
Jüngere Ergebnisse aus der Sozialforschung<br />
zeigen auf, dass günstige<br />
Ansatzpunkte für Verhaltensänderungen<br />
bei folgenden Maßnahmen<br />
vorliegen:<br />
� Herstellen von Diskursmöglichkeiten<br />
zwischen Akteuren der verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Gruppen<br />
� Regionalisierung der Diskurse zur<br />
Klärung der Bezugspunkte<br />
� Vereinbarungen über Umsetzungsmaßnahmen<br />
der Diskursergebnisse<br />
� Entwicklung von Instrumenten<br />
zur Selbstvergewisserung über die<br />
Effekte.<br />
Die Ebene, die langfristig viel versprechend<br />
zu sein scheint, liegt im<br />
Schaffen bzw. Kopieren und Vernetzen<br />
sozialer, innovativer, gemeinsamer<br />
Projekte. Die dargestellten Bedürfnisse<br />
einer steigenden Zahl von Menschen<br />
nach Diskursmöglichkeiten, Regionalisierung,<br />
gemeinsamer Umsetzung der<br />
Diskursergebnisse und Instrumente zur<br />
Selbstvergewisserung über Effekte lassen<br />
sich in Projekten am ehesten verwirklichen.<br />
Wohnungs-, ökologische<br />
Siedlungs-, Nachbarschaftsprojekte,<br />
Projekte zur Regionalisierung und<br />
Ökologisierung von Landwirtschaft<br />
und Lebensmittelangebot, Projekte<br />
zur alternativen Energieerzeugung,<br />
Projekte des Sharing und gemeinsam<br />
Nutzens, (Auto, Garten, Heimwerker-<br />
Geräte), des Second-Hand-Vertriebs.<br />
Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie<br />
sich nur mit einer größeren Zahl von<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmern verwirklichen<br />
lassen und auf das jeweilige<br />
Umfeld ausstrahlen.<br />
Wenn es gelingt, Modellprojekte<br />
mit ihren Kriterien Sparsamkeit, Regionalisierung,<br />
gemeinsame Nutzung und<br />
Langlebigkeit zu installieren, lebendig<br />
zu gestalten, zum Anschauungsobjekt<br />
zu machen und entsprechend<br />
für Nachahmeffekte zu sorgen, kann
daraus eine Bewegung werden. In<br />
Deutschland existieren bereits heute<br />
Hunderte von Projekten mit ökologischem<br />
Anspruch, in unterschiedlichster<br />
Trägerschaft.<br />
� Regionalisierung<br />
„Zukunftsfähige Produktionsweisen<br />
und Infrastrukturen benötigen<br />
kurzläufige Rückmeldungen in merkbarer<br />
„Sichtweite“. Die bewusste<br />
Wiedergewinnung der Nahräume<br />
scheint insgesamt eine Voraussetzung<br />
zu sein für ein zukunftsfähiges gutes<br />
Leben.“ 11<br />
Im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit<br />
gewinnt die Region langsam<br />
an Gewicht und ermöglicht den in ihr<br />
lebenden Menschen die aktive Beteiligung<br />
an der Gestaltung der Region.<br />
Es geht darum, die endogenen Potentiale<br />
der Region aufzuspüren und zu<br />
aktivieren. In diesem Prozess sind gut<br />
organisierte Lokale Agenda 21-Verfahren<br />
oder agenda-ähnliche Verfahren<br />
von großer Bedeutung. Hier finden<br />
sich Interessierte, Betroffene, Private,<br />
gewerblich Tätige, Institutionenvertreter,<br />
zusammen, um gemeinsam<br />
Themen zu finden, Leitvorstellungen<br />
und Projekte zu entwickeln und ihre<br />
Verwirklichung anzustreben.<br />
„Orientierungspunkt einer regionalen<br />
Ökonomie sind die regionalen<br />
Bedürfnisse nach Nahrung, Wohnen,<br />
Gemeinschaft, Bildung, Arbeit. Es<br />
sind vor allem die Menschen mit ihren<br />
Fähigkeiten und Kenntnissen, ihren<br />
Beziehungen und Netzwerken, die<br />
für die Regionalentwicklung in einem<br />
nachhaltigen Sinne nutzbar gemacht<br />
werden können und von Nutzen<br />
sind.“<br />
Die Zeit für entsprechende Entwicklungen<br />
ist günstig:<br />
� Viele Landwirte suchen nach Wegen<br />
der Existenzsicherung ihres<br />
Betriebes<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Die Familie gibt auch heute noch emotionale und psychische Unterstützung.<br />
Foto: Archiv<br />
� Regionen besinnen sich auf die endogenen<br />
Potentiale ihrer ansässigen<br />
Betriebe und Produktionsmöglichkeiten.<br />
In vielen Regionen liegen<br />
häufig hier überhaupt Entwicklungschancen.<br />
� Ökologische Erkenntnisse erreichen<br />
viele gesellschaftliche Gruppen<br />
und verlangen Einsatz für positive<br />
Umsteuerungsprozesse.<br />
� Eine zunehmende Zahl von Menschen<br />
spüren die Anpassungszwänge<br />
rigider Anwendung ökonomischer<br />
Wachstums- und Gewinn-<br />
15
16 PERSPEKTIVEN<br />
maximierungsstrategien. Diese<br />
Menschen suchen nach Auswegen<br />
in Form von Überschaubarkeit, vertrauen<br />
können, verlässlicher Qualität,<br />
Ansprechen von Gefühlen, wie<br />
<strong>Natur</strong>, Heimat und Gesundheit.<br />
� Vernetzung<br />
Zentrale Bedeutung für eine Regionalentwicklung<br />
nachhaltigen Wirtschaftens<br />
mit dem Schwerpunkt Nachhaltiger<br />
Konsum ist die Vernetzung der<br />
potentiell und effektiv betroffenen<br />
Akteure in der Region. „Ein typisches<br />
Phänomen unserer Gesellschaft ist,<br />
dass sich in einer größeren Stadt bzw.<br />
einer Region, wie einem Landkreis, die<br />
wichtigen gesellschaftlichen Akteursgruppen<br />
kaum noch kennen. Es ist eher<br />
die Ausnahme, dass über die jeweiligen<br />
Sektoren und Aufgabenfelder hinweg<br />
mit einander kooperiert wird. Auch<br />
innerhalb einzelner Handlungsfelder<br />
(hier die Bereiche Umweltschutz und<br />
Regionalentwicklung) haben die hier<br />
tätigen Personen weder einen umfassenden<br />
Überblick über die Aufgaben<br />
und Tätigkeiten der anderen Institutionen,<br />
noch kennen sie die damit<br />
beschäftigten Personen.“ 13<br />
� Projekte<br />
Eine besonders erfolgreiche Weise<br />
Verhaltensänderungen im Bereich<br />
Beispiel einer <strong>Kreis</strong>laufbetrachtung für Eigenheimbewohner.<br />
Erläuterungen zu den Ziffern im Schaubild:<br />
1 Qualitativer, statt quantitativer Konsum, Gebrauchsnutzen statt Zusatznutzen<br />
(z.B. Güter mieten statt kaufen)<br />
2 Angepasste, sparsame Technologien minimieren die Rohstoff- u. Energiemenge<br />
3 Bezug umweltverträglicher Produkte (giftfreie Lebensmittel, Rohprodukte statt<br />
industriell verarbeiteter; regionale Produkte, statt aus ökologisch unsinnigen Entfernungen<br />
herangeführt; Produkte aus dem Freiland-Produktions-Rhythmus<br />
4 Mehr Eigenarbeit im Haushalt (z.B. Do-it-yourself (auch in der Küche), Gartenarbeiten)<br />
5 Konsument wird sein eigener Produzent (z.B. Gewinnung von Sonnenenergie für<br />
Warmwasserbereitung, Anbau von Nutzpflanzen)<br />
6 Umstellung auf reparaturfähige Güter<br />
7 Kompostierung organischer Abfälle (bzw. Biotonne)<br />
8 Wahl umweltverträglicherer Verkehrsmittel (Fahrrad, ÖVM), wenn PKW, nur einer<br />
je Haushalt, weniger fahre<br />
9 Minimierung der Abfälle (getrennt sammeln, recyceln)<br />
Nachhaltige Entwicklung zu erreichen,<br />
sind gründlich geplante, gut ausgestattete<br />
und professionell durchgeführte<br />
Projekte. Der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> ist hierfür<br />
vorbildlich. Er initiiert immer wieder<br />
eigene Projekte bzw. ist an Projekten
mit anderen Institutionen beteiligt.<br />
Zum Abschluss sollen die privaten<br />
Haushalte noch einmal in den Mittelpunkt<br />
gestellt werden. Mit ihrem Konsum-<br />
und Haushaltsverhalten haben<br />
sie eine Schlüsselstellung für Umwelt,<br />
Soziales und Wirtschaft, also auch für<br />
die Nachhaltigkeit.<br />
Bei allen Überlegungen zu nachhaltigem,<br />
vorsorgendem Handeln im<br />
Haushalt wird deutlich, dass es darauf<br />
ankommen wird, Positives im zeitlich<br />
zurückliegenden Haushaltshandeln<br />
(Tradition) wieder zu entdecken<br />
und durch Kombinieren mit modernen<br />
technischen und ökonomischen<br />
Möglichkeiten zu einer ökologisch<br />
und sozial verantwortlichen Synthese<br />
zu führen. Am Beispiel kritischer<br />
<strong>Kreis</strong>laufbetrachtung könnte das für<br />
Eigenheimbewohner wie in der nebenstehenden<br />
Grafik aussehen. 14<br />
Darüber hinaus sind nötig:<br />
� Konsum von natürlichen, nicht<br />
industriell verfremdeten Lebensmitteln<br />
� Neues Gesundheitsbewusstsein<br />
� Anspruchsreflexion mit dem Ziel:<br />
Anspruchssenkung<br />
Literaturhinweise<br />
1 Axel Volkeri, <strong>Natur</strong>schutz: in: Simonis, Udo E.:<br />
Öko-Lexikon, München 2003, S.140<br />
2 Göll, Edgar, Nachhaltige Entwicklung in:<br />
Simonis, a.a.O., S.137<br />
3 Entnommen Bundesministerium für Umwelt,<br />
<strong>Natur</strong>schutz und Reaktorsicherheit: Lokale<br />
Agenda 21 und nachhaltige Entwicklung in<br />
deutschen Kommunen, Berlin 2001, S.91,95<br />
4 Bundesministerium für Umwelt, <strong>Natur</strong>schutz<br />
und Reaktorsicherheit: Umweltschutz in<br />
Deutschland 2004, Berlin 2004, S.18,22,23<br />
5 Ausmaß der Belastungsfaktoren für die Umwelt:<br />
Energiebilanz eines Menüs für 4 Personen<br />
mit (in Kilokalorien) / Regional (Grüne Bohnen<br />
182/Lammbraten 3840), Ägypten (Grüne<br />
Bohnen 4680/Lammbraten 19680)<br />
Skalnik, Christian: Das ökologische Lustprinzip,<br />
Die Woche (27.10.1995)<br />
6 Ernährungsbericht 2004<br />
7 So Witt, Reinhard: <strong>Natur</strong>oasen im Kleinen<br />
– <strong>Natur</strong>gärten in der Stadt, in: NABU (Hrsg.),<br />
Tagungsbericht <strong>Natur</strong> trifft Kultur, Düsseldorf<br />
PERSPEKTIVEN<br />
2002, S.65 ff, hier S.66<br />
8 Schultz, Irmgard, Nachhaltige Konsummuster<br />
und postmaterielle Lebensstile, Umweltbundesamt<br />
, Berlin 1996, S.61, (unveröffentlichtes<br />
Manuskript)<br />
9 BUND/MISEREOR, Basel, Boston, Berlin<br />
1996<br />
10 Gillwald, K, Ökologisierung von Lebensstilen<br />
– Argumente, Beispiele, Einflussgrößen, Wissenschaftszentrum<br />
Berlin 1995, S.5<br />
11 Ulrich, O., Regionalisierung: Die räumliche<br />
Grundlage für eine zukunftsfähige Lebensweise,<br />
in: IÖW, VÖW (Hrsg.) Regulative Ideen<br />
nachhaltigen Wirtschaftens, Tagungsband,<br />
Oktober 2000, S.18<br />
12 Peter, U. ad al: Nachhaltige Regionalentwicklung<br />
- ein neues Leitbild für eine veränderte<br />
Struktur und Regionalpolitik, Trier 1996, S.45<br />
13 Lindloff, K./Schneider, L.: Handbuch<br />
nachhaltige regionale Entwicklung, Dortmund<br />
2001, S.124<br />
14 Lackmann, Jürgen: Industrieprodukt Apfelerzeugung<br />
und Verbrauch in ökologischer<br />
Sicht. In: Unesco-Verbindungsstelle für Umwelterziehung,<br />
Umweltbundesamt (Hrsg.):<br />
Unterrichtshilfen zur Umwelterziehung in der<br />
Arbeitslehre, Band 1, Teil 3, Berlin 1993<br />
17
18 PERSPEKTIVEN<br />
� „Es war sehr gut!“<br />
Der Mensch in der Verantwortung<br />
für die Schöpfung<br />
von Prof. Dr. Udo Zelinka<br />
Der Mensch ist wie kein anderes<br />
Wesen auf unserem Planeten<br />
aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten<br />
in der Lage, seine Welt und<br />
Umwelt zu beeinflussen. Er musste<br />
und muss dies bis heute tun,<br />
weil die <strong>Natur</strong> ihn in einer langen<br />
Entwicklungsgeschichte zu einem,<br />
wie der Philosoph und Soziologe<br />
Arnold Gehlen sagt, „Mängelwesen“<br />
hat werden lassen.<br />
Alle Fähigkeiten, die ein Tier optimal<br />
in seine jeweilige Umwelt einpassen<br />
und damit einem bestimmten<br />
Lebensraum zuordnen, besitzt der<br />
Mensch nicht. Er lebt in keiner auf<br />
ihn zugeschnittenen Umwelt, auf die<br />
er sich hätte spezialisieren können;<br />
ihm fehlen natürliche Angriffs- und<br />
Verteidigungswaffen wie etwa Reißzähne<br />
oder Klauen; er besitzt kein<br />
schützendes Fell. Das ist bei der hoch<br />
spezialisierten, umweltspezifisch angepassten<br />
Morphologie tierischer Lebensformen<br />
völlig anders: ein Gepard<br />
läuft schneller, ein Hund riecht besser,<br />
ein Adler sieht besser als jeder Mensch<br />
es von <strong>Natur</strong> aus jemals könnte. Mit<br />
anderen Worten, der Mensch steht<br />
tagtäglich vor dem Problem der Existenzsicherung,<br />
besser: des Überlebens.<br />
„Mutter <strong>Natur</strong>“ hat ihn dazu höchst<br />
stiefmütterlich ausgestattet.<br />
Das stellt ihn ständig vor die Aufgabe,<br />
seine Lebenschancen durch<br />
selbsttätiges Handeln zu sichern.<br />
Denn die <strong>Natur</strong> liefert dem Menschen,<br />
wenn überhaupt so doch nur wenige<br />
Verhaltensschemata, die ihm sicher<br />
vorschreiben, was er zu tun und zu<br />
lassen hat. Den zahlreichen Risiken der<br />
ihn bedrohenden Umwelt begegnet<br />
der Mensch gezwungenermaßen also<br />
mit einer anderen Strategie, die wir<br />
als eine spezifisch humane bezeichnen<br />
müssen: Er begegnet ihr mit einer im<br />
Wesentlichen intelligenten Umgestaltung<br />
der von ihm vorgefundenen<br />
<strong>Natur</strong>zustände.<br />
� Was heißt das?<br />
Das heißt beispielsweise, weil er<br />
kein schützendes Fell oder Federkleid<br />
besitzt, entwickelt er die Fähigkeit<br />
der Kleiderherstellung, des wärmenden<br />
Feuergebrauches und des Wohnungsbaus.<br />
Er verändert damit seine<br />
Lebensumstände, was bedeutet: der<br />
Mensch gestaltet. Diese handelnde<br />
Umgestaltung der <strong>Natur</strong> zur Kultur, die<br />
dem Menschen zur „zweiten <strong>Natur</strong>“<br />
wird, ist eine der Grundbedingungen,<br />
unter denen menschliches Dasein zu<br />
haben und zu leben ist. Dies gilt für<br />
jeden denkbaren Bereich – angefangen<br />
von der Nutzung des Feuers bis hin<br />
zu den Möglichkeiten der modernen<br />
Gentherapie.<br />
Was vordergründig also als Nachteil<br />
angesehen werden könnte, wird<br />
– betrachtet man die andere Seite der<br />
Medaille – zur Chance. Denn dadurch<br />
dass der Mensch gestaltend werden<br />
muss, um sein Überleben zu sichern,<br />
gewinnt er die Voraussetzungen und<br />
Möglichkeiten von Freiheit und Höherentwicklung.<br />
Das unterscheidet<br />
ihn von jedem anderen Lebewesen<br />
auf der Erde. Das beinhaltet aber<br />
auch Verantwortung für die Richtung<br />
seiner Gestaltungen, weil einzig dem
Menschen die Fähigkeit eigentümlich<br />
ist, seine Handlungen zu planen und<br />
zu bedenken.<br />
Die Schöpfungsgeschichten der<br />
Bibel interpretieren diese typisch<br />
menschliche Fähigkeit als Gabe und<br />
Aufgabe Gottes, weil der Mensch hier<br />
als Abbild des schöpferischen Gottes<br />
dargestellt wird. Deshalb wird ihm<br />
auch in Parallelität des schöpferischen<br />
und damit gestaltenden Gottes der<br />
Bibel die eigen- und mitverantwortliche<br />
Gestaltung der Erde zugemutet<br />
und zugleich auch zugetraut. Zwar<br />
wird der Mensch in der Vorstellung<br />
des ersten Buches der Bibel als Herrscher<br />
über Pflanzen und Tiere „und<br />
allem, was sich auf der Erde regt“<br />
(Gen 1,30) eingesetzt; dennoch ist<br />
der Anspruch dieser Herrschaft ein<br />
hoher. Denn Herrschaft – das wird<br />
heute oftmals übersehen – bedeutet<br />
in diesem Verständnis nichts anderes<br />
als die Sorge dafür, dass die Aussage<br />
Gottes über sein ursprüngliches Werk<br />
bewahrt bleibt: „Gott sah alles an, was<br />
er gemacht hatte: Es war sehr gut“<br />
(Gen 1,31).<br />
Viele kennen den weiteren Verlauf<br />
in den Erzählungen der Bibel: die<br />
Geschichten vom Sündenfall und der<br />
Vertreibung aus dem Paradies, von der<br />
ersten tödlichen Auseinandersetzung<br />
zwischen Menschen – ewig verbunden<br />
mit den Gestalten von Kain und Abel –,<br />
die wieder eingreifende Sorge Gottes<br />
um die Schöpfung – versymbolisiert in<br />
Bild und Vorstellung der Arche Noah–,<br />
den Turmbau zu Babel usw. Dies alles<br />
erzählt in theologisch gedeuteten,<br />
jeweils eigenen Illustrationen von<br />
der mangelnden Behutsamkeit des<br />
Menschen mit dem ihm anvertrauten<br />
Erbe. Zugleich wird aber immer auch<br />
von der begleitenden Sorge Gottes um<br />
Menschen und Welt berichtet. Diese<br />
Botschaft der Bibel findet in Person,<br />
Worten und Handlungen Jesu Christi<br />
ihren unüberbietbaren Höhepunkt.<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Die Schöpfungsgeschichten interpretieren die Fähigkeit des Menschen, seine<br />
Handlungen zu planen und zu bedenken u. a. als Gabe. Foto: Archiv<br />
Sie sagt uns, Gott selber ist in die<br />
Menschheitsgeschichte eingetreten,<br />
um uns den eigentlichen Wert unseres<br />
Menschseins und den Sinn der<br />
Schöpfung zurückzugeben. Das Kreuz<br />
mit seinen horizontalen und vertikalen<br />
Balken, wie es in vielen Darstellungen<br />
uns von Kindheit an bekannt ist, verbindet<br />
Himmel und Erde, Schöpfung<br />
und Schöpfer, Umwelt und Mensch,<br />
Mensch und Mensch.<br />
Das ist Anspruch und Aufgabe zugleich.<br />
Denn es befreit den Menschen<br />
einerseits aus den selbst gemachten<br />
Zwängen seiner eigen verschuldeten<br />
19
20 PERSPEKTIVEN<br />
Verstrickungen in Sünde und Schuld –<br />
die wir heute wohl Hybris nennen würden<br />
–, entbindet ihn aber gleichwohl<br />
nicht aus seiner schöpfungsgemäßen<br />
Verantwortung um die Bewahrung der<br />
Schöpfung. Das Gegenteil ist der Fall:<br />
Er hat seinen aktiven, umgestaltenden<br />
Eingriff in Mitwelt und Umwelt zu<br />
legitimieren.<br />
� Und heute?<br />
Übertragen auf das Jetzt und<br />
Heute im, wie der Frankfurter Philosoph<br />
Jürgen Habermas meint, so<br />
genannten „postmetaphysischen<br />
Zeitalter“, bedeutet eine solche Verantwortlichkeit<br />
immer auch, Gestaltungen<br />
so plausibel zu halten und zu<br />
machen, dass dieser ethische Impetus<br />
der biblischen Botschaft im geistigen<br />
Wettbewerb der unterschiedlichen<br />
Meinungen einsehbar bleibt. Aus dem<br />
Nachsinnen über die biblisch bezeugte<br />
Gegenwart Gottes in der Wirklichkeit<br />
der Schöpfung können im Gegensatz<br />
zu den vielen ausgedachten Theorien<br />
bedachte Modelle erfahrbar werden,<br />
die sicherlich keine Patentrezepte<br />
für die Bewältigung der zahlreichen<br />
Problemkomplexe konkreter Lebenswirklichkeit,<br />
gleichwohl aber plausible<br />
und rationale Interpretations- und<br />
Erschließungshilfen für das Verstehen<br />
und Bewältigen der jeweiligen Entscheidungssituationen<br />
bereithalten<br />
– nach bestem Wissen und Gewissen.<br />
Das geschieht etwa dort, wo von<br />
unterschiedlichen Seiten all jenen Tendenzen<br />
entgegen getreten wird, die<br />
ausschließlich ökonomische Interessen<br />
dem Wohl von Mensch und Schöpfung<br />
vorordnen. Das geschieht auch dort,<br />
wo endlich die Frage gestellt werden<br />
muss, welche Grenzen wir uns selber<br />
setzen (wollen), um einer vernünftigen<br />
Gestaltung unserer selbst und<br />
unserer Welt (noch) gerecht werden<br />
zu können. Denn in dem Augenblick,<br />
in dem wir beginnen, mit den Mitteln,<br />
mit denen wir die <strong>Natur</strong> umgestaltet<br />
haben, auch uns selbst und unsere<br />
Gattung insgesamt ins Visier unserer<br />
technischen und technologischen Fähigkeiten<br />
nehmen, taucht automatisch<br />
die Frage nach dem handlungsleitenden<br />
Woraufhin entsprechender Entwicklungen<br />
auf. Die Antwort auf diese Frage<br />
ist bis heute noch nicht gegeben. Sie<br />
hängt mit der jeweils vorausgesetzten<br />
Vorstellung von Mensch und Welt<br />
zusammen – und diese wird durchaus<br />
kontrovers diskutiert.<br />
Unbezweifelbar ist, dass der Mensch<br />
sein Überleben nicht ohne handelnden<br />
Eingriff in Umwelt und Welt sichern<br />
kann; anderes Denken wäre naiv.<br />
Manchmal – und ich denke an dieser<br />
Schwelle stehen wir – ist die Frage:<br />
Was wollen wir noch, damit es gut<br />
bleibt. Manchmal ist zu bestimmten<br />
Zeiten, an bestimmten Orten, unter<br />
bestimmten Umständen auch ein<br />
Handlungsverzicht eine Form verantworteter<br />
menschlicher Weltgestaltung<br />
– damit es gut bleibt.
PERSPEKTIVEN<br />
� Kirche und Umweltschutz<br />
"... Gott setzte den Menschen in den Garten,<br />
dass er ihn bebaue und bewahre..."<br />
Schon in der Bibel steht, dass der Mensch seine Lebenswelt gestalten soll. Foto: Archiv<br />
von Pfr. Klaus Breyer<br />
Im Zentrum des kirchlichen Umweltengagements<br />
steht – modern<br />
ausgedrückt – das Leitprinzip<br />
einer Nachhaltigen Entwicklung.<br />
Und Gott setzte den Menschen<br />
in den Garten, dass er ihn bebaue<br />
und bewahre. So lesen wir im 1.<br />
Buch Mose 1 im so genannten<br />
Jahwistischen Schöpfungsbericht.<br />
„Bebauen und Bewahren!“<br />
Schöner und treffender kann nachhaltige<br />
Entwicklung kaum beschrieben<br />
werden. Der Mensch darf, ja, er soll<br />
seine Lebenswelt gestalten, er soll<br />
den Boden kultivieren, bestellen, ohne<br />
dabei jedoch die Lebensgrundlagen zu<br />
zerstören. Der Mensch soll lernen so zu<br />
leben und zu arbeiten, dass die Kontinuität<br />
des Lebens auf der Erde bewahrt<br />
bleibt. Das ist im jüdisch-christlichen<br />
Schöpfungsglauben der Grundauftrag<br />
Gottes an den Menschen.<br />
Deutlich wird: Der Schöpfungsglauben<br />
sieht den Menschen in einer sehr<br />
engen Beziehung zu seiner Umwelt.<br />
Die Umwelt ist daher genau genommen<br />
nicht des Menschen Umwelt<br />
– sondern sie ist ihm „Mit“-welt. Der<br />
Mensch hat eine Sonderstellung. Er<br />
ist einerseits aufgerufen, Verantwortung<br />
für die Gestaltung der Welt zu<br />
übernehmen, andererseits ist er tief<br />
eingebunden in die Schöpfung und<br />
hat ihr Lebensrecht zu respektieren.<br />
21
22 PERSPEKTIVEN<br />
Er ist „Leben, das leben will, inmitten<br />
von Leben, das leben will“ (wie Albert<br />
Schweizer formulierte).<br />
Der mittelalterliche Theologe Bonaventura<br />
(1217 - 1274) – er war ein<br />
Schüler des Franz von Assisi – leitet<br />
ausdrücklich seine Zeitgenossen an,<br />
„Gott in den Dingen“ zu schauen. Er<br />
schrieb: „Wer vom Glanz der geschaffenen<br />
Dinge nicht erleuchtet wird, ist<br />
blind, wer durch dieses laute Rufen<br />
der <strong>Natur</strong> nicht erweckt wird, ist taub,<br />
wer von den Wundern der <strong>Natur</strong> beeindruckt,<br />
Gott nicht lobt, ist stumm.<br />
Öffne darum deine Augen und öffne<br />
dein Herz, damit du in allen Kreaturen<br />
deinen Gott entdeckest, hörest, lobest<br />
und liebest.“<br />
Die Prinzipien einer nachhaltigen<br />
Entwicklung sind somit tief im christlichen<br />
Schöpfungsglauben verankert.<br />
Dieser Schöpfungsglaube ist geprägt<br />
� von Achtsamkeit gegenüber der<br />
<strong>Natur</strong> als Mitwelt,<br />
� einem Bewusstsein des Verwobenseins<br />
in die Netzwerke des<br />
Lebens und<br />
� von der besonderen Verantwortung<br />
des Menschen für die Kontinuität<br />
des Lebens auf Erden.<br />
In der hier gebotenen Kürze kann<br />
nicht darauf eingegangen werden, dass<br />
seit dem ausgehenden Mittelalter der<br />
jüdisch-christliche Schöpfungsglaube<br />
stärker in den Hintergrund gedrängt<br />
wurde und auch die christliche Theologie<br />
und Ethik ihren Beitrag zu einer naturüberwindenden<br />
und letztlich – zerstörenden<br />
– Aufklärung leistete. Seit<br />
den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts,<br />
setzen sich weltweit Theologie<br />
und Kirchen wieder verstärkt mit den<br />
Problemen des Umweltschutzes, den<br />
Folgen technologischen Fortschritts<br />
und der westlichen Wirtschafts- und<br />
Wohlstandsmodelle auseinander.<br />
Längst vergessene oder verdrängte<br />
„Wurzeln des Schöpfungsglaubens“<br />
wurden dabei (wieder-) entdeckt.<br />
� Wo sind die Wurzeln?<br />
Nur einige dieser „Wurzeln“ möchte<br />
ich in bezug auf das Leitbild einer<br />
nachhaltigen Entwicklung vorstellen.<br />
Bekannt ist, dass das Prinzip „Sustainibility“<br />
– wird es ernsthaft umgesetzt<br />
– äußerst konfliktträchtig ist. Interessen-<br />
und Zielkonflikte zwischen ökonomischen,<br />
ökologischen und sozialen<br />
Ansprüchen zwingen zu Grenzziehungen<br />
und regulierenden Maßnahmen.<br />
Auch die biblische Tradition gibt sich<br />
hier keiner Illusion hin. Auch sie kennt<br />
Konfliktregulationen und konfliktminimierende<br />
Maßnahmen, auf die die<br />
christliche Ethik – auch die Umweltethik<br />
– aufbaut.<br />
Eine wichtige Konfliktregulation<br />
findet sich schon ganz zu Beginn<br />
der hebräischen Bibel im 1. (priesterschriftlichen)<br />
Schöpfungsbericht.<br />
Nicht die Vollendung der Schöpfung<br />
ist der Mensch (auch wenn dies immer<br />
wieder mit anthropozentrischem<br />
Pathos kolportiert worden ist)! Nein,<br />
Gott krönt sein Schöpfungswerk am 7.<br />
Tag mit der Ruhe. Erst die Ruhe bringt<br />
die Schöpfung zum Abschluss. „Gott<br />
sah alles an, was er gemacht hatte: Es<br />
war sehr gut“. 2<br />
Die biblische Tradition sieht in dieser<br />
Ruhe Gottes ein Vorbild für den Menschen<br />
und begründet damit gleichzeitig<br />
eine wichtige konfliktminimierende<br />
Maßnahme für sein Tun. Die Botschaft<br />
ist: nicht im ewigen Fortschritt, nicht<br />
in der permanenten Steigerung (im<br />
immer schneller, höher, weiter) liegt<br />
das Heil.<br />
Die Schöpfung vollendet sich vielmehr<br />
im „Loslassen können“. Entwicklung<br />
ist christlich-ethisch betrachtet<br />
kein besinnungsloses „Weiter so!“<br />
in scheinbar eingefahrenen Gleisen,<br />
sondern ein Prozess, der aus Aktion<br />
und kritischer Reflektion besteht. Ruhe<br />
ermöglicht Rückblick und Ausblick,<br />
Ruhe ist die Grundvoraussetzung<br />
für die Übernahme der besonderen<br />
Verantwortung für die Zukunft der<br />
Schöpfung, in die der Mensch – im Unterschied<br />
zu allen anderen Geschöpfen
– berufen ist. Nach diesem Vorbild gibt<br />
es in der Tradition des hebräischen<br />
Testaments einen Sabbattag (der 7.<br />
Tag der Woche), ein Sabbatjahr (jedes<br />
7. Jahr) und ein Erlassjahr, (jedes<br />
fünfzigste Jahr). 3<br />
Der Sabbattag ist ein absoluter Ruhetag,<br />
ein Tag des Friedens. Er dient<br />
der Regeneration des Menschen, der<br />
Tiere sogar der Erde. Jede naturverändernde<br />
Arbeit hat zu unterbleiben.<br />
Das Sabbatjahr (jedes siebte Jahr) dient<br />
voll und ganz der Regeneration des<br />
Bodens (Ein Sabbat für das Land!). In<br />
diesem Jahr soll das Feld brach liegen<br />
und der Weinberg nicht beschnitten<br />
werden. Alle Früchte dürfen nicht<br />
geerntet werden, sondern sollen den<br />
Armen und Fremden im Land sowie<br />
den Tieren gehören.<br />
Im fünfzigsten Jahr, dem Erlassjahr,<br />
– fällt nach den Regeln der Bibel sogar<br />
alles Land, das im Laufe der Zeit verkauft<br />
worden ist, an seinen ursprünglichen<br />
Besitzer zurück. Damit wird der<br />
Bodenspekulation und Besitzakkumulation<br />
ein Riegel vorgeschoben. Es<br />
wird daran erinnert, dass letztlich der<br />
Boden nicht dem Menschen gehört,<br />
sondern die „Erde des Herrn ist“. 4<br />
Es ist nachvollziehbar, warum es<br />
christlichen Auslegern bis noch vor 30<br />
Jahren kaum gelang, diese Sabbat- und<br />
Erlassjahrbestimmungen zu verstehen.<br />
Man konnte sich kaum vorstellen,<br />
dass Menschen, ohne einen rationalen<br />
Grund, darauf verzichten könnten,<br />
aus dem Boden, dem Kapital und den<br />
Mitmenschen das herauszuholen, was<br />
herauszuholen ist.<br />
� Was bedeutet dies heute?<br />
Aber genau das, was so schwer zu<br />
verstehen ist und unter dem Leitbild<br />
einer nachhaltigen Entwicklung sich<br />
für uns heute ganz neu erschließt, gibt<br />
dem Sabbattag, dem Sabbat- und dem<br />
Erlassjahr seinen Sinn. Nicht das Letzte<br />
herauszuholen, das ist der Leitgedanke.<br />
Die ökologische Belastbarkeit und<br />
auch die soziale Bindung von Eigentum<br />
(d.h. auch des Bodens) sollen unbedingt<br />
beachtet werden.<br />
Nicht das Letzte herausholen, Belastungsgrenzen<br />
akzeptieren, die Rechte<br />
nachfolgender Generationen und der<br />
Mitwelt achten, inne zu halten, die<br />
Optionen zukünftiger Entwicklung<br />
verantwortungsethisch zu reflektieren<br />
und sie nicht als besinnungslosen<br />
„Fortschritt“ in einer Kette von<br />
Sachzwängen zu begreifen, alles also,<br />
was wir heute mit dem Leitbild einer<br />
nachhaltigen Entwicklung bezeichnen,<br />
ist ein zentraler Grundklang jüdischchristlicher<br />
Schöpfungstheologie und<br />
Umweltethik.<br />
Was bedeutet dies nun praktisch,<br />
PERSPEKTIVEN<br />
welche Spuren haben diese christlichethischen<br />
und schöpfungstheologischen<br />
Erkenntnisse in der Institution<br />
Kirche hinterlassen? Ich möchte dies<br />
am Beispiel der Evangelischen Kirche<br />
von Westfalen (EKvW) erläutern.<br />
Im Schatten der Reaktorkatastrophe<br />
von Tschernobyl wurden 1986<br />
die Voraussetzungen für eine professionelle<br />
landeskirchliche Umweltarbeit<br />
geschaffen. Ein Umweltreferat wurde<br />
eingerichtet und ein landeskirchlicher<br />
Umweltausschuss gegründet, mit<br />
dem Ziel, sowohl den kircheninternen<br />
Umweltschutz voranzubringen, als<br />
auch die politische Arbeit der Kirche<br />
zu qualifizieren.<br />
Heute ist das Umweltreferat der<br />
EKvW zusammen mit dem Referat<br />
Ländlicher Raum, die zentrale Anlauf-<br />
und Koordinationsstelle für<br />
alle ökologischen und agrarsozialen<br />
Fragestellungen in unserer Kirche.<br />
Es ist im Institut für gesellschaftliche<br />
Verantwortung in Iserlohn angesiedelt<br />
und umfasst inklusive der Sekretariate<br />
fünf hauptamtliche MitarbeiterInnen,<br />
deren Arbeit vom Landesumweltpfarrer<br />
koordiniert wird. Hinzu kommen<br />
weitere projektbezogene MitarbeiterInnenteams.<br />
Wir sind zudem in der<br />
glücklichen Lage, einerseits mit einem<br />
sehr aktiven Netzwerk kirchlicher<br />
Umweltbeauftragter und Umweltaus-<br />
23
24 PERSPEKTIVEN<br />
schüsse auf der Ebene der Kirchenkreise<br />
zusammenzuarbeiten andererseits<br />
uns deutschlandweit in der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Umweltbeauftragten<br />
der Evangelischen Kirchen zu vernetzen.<br />
Zudem bestehen zahlreiche<br />
– sehr produktive – Arbeitskontakte<br />
zur katholischen Umweltarbeit.<br />
� Was tut die Kirche?<br />
Unsere Arbeit hat drei große<br />
Schwerpunkte. Da ist zunächst die<br />
theologische Dimension: Durch Vorträge,<br />
Tagungen und Publikationen<br />
versuchen wir deutlich zu machen,<br />
dass unser Bekenntnis zu Gott dem<br />
Schöpfer und christliches Umweltengagement<br />
eng zusammengehören.<br />
Wir unterstützen Menschen in unserer<br />
Kirche dabei, ihre Position als Christin<br />
oder Christ in den großen umweltpolitischen<br />
Auseinandersetzungen (wie<br />
z.B. um die Gentechnik) zu finden. Wir<br />
bieten aber auch Einkehrtage an, die<br />
Erfahrungsraum für Schöpfungsspiritualität<br />
bieten.<br />
Ein weiterer Schwerpunkt unserer<br />
Arbeit ist die Beratung von Kirchengemeinden,<br />
Ämtern und Werken in<br />
allen Fragen des praktisches Umweltschutzes.<br />
Politisches Engagement der<br />
Kirche kann gegenüber den eigenen<br />
Mitarbeitenden aber auch gegenüber<br />
der Öffentlichkeit nur glaubhaft sein,<br />
Gehören eng zusammen: Bekenntnis zu Gott und Umweltengagement. Foto: Archiv<br />
wenn auch „vor der eigenen Tür gekehrt“<br />
wird.<br />
In diesem Zusammenhang bieten<br />
wir Energieberatungen für Gemeinden<br />
an, führen „ökologische“ Küster- und<br />
Hausmeisterschulungen durch und<br />
unterstützen Kirchengemeinden und<br />
Einrichtungen bei der Entwicklung von<br />
Klimaschutzkonzepten. Mittlerweile<br />
gibt es zahlreiche Kirchengemeinden,<br />
die bei Um- und Neubauten ehrgeizige<br />
ökologische Standards realisieren<br />
konnten und auch Anlagen der<br />
regenerativen Energiegewinnung<br />
betreiben. Zunehmend wird dabei der<br />
systemische Ansatz wichtiger.<br />
In Modellprojekten implementieren<br />
wir in ca. 20 Kirchengemein-<br />
den und kirchlichen Einrichtungen<br />
Umweltmanagementsysteme nach<br />
europäischer Norm („Grüner Hahn“)<br />
und so genannte Nachhaltigkeitsmanagementsysteme,<br />
die als integrierte<br />
Managementansätze auch Ziele der<br />
Qualitätssicherung, der motivations-<br />
und beteiligungsorientierten Personalführung<br />
und Personalentwicklung<br />
verknüpfen („Sustainable Churches“).<br />
In ökumenischer Kooperation mit Partnern<br />
aus Schweden, Österreich, Spanien<br />
und Belgien versuchen wir damit<br />
auch Standards von CSR (corporate<br />
social responsibility) für Non-profit-<br />
Organisationen zu setzen.<br />
Zur Unterstützung der Kirchengemeinden<br />
gehören auch Arbeitshilfen
wie das kirchliche Bauhandbuch, in<br />
dem wir zusammen mit den Baureferaten<br />
der Kirchen u.a. ökologische<br />
Standards für das Bauen und die<br />
Bewirtschaftung von Gebäuden festgelegt<br />
haben. Für die Verpachtung von<br />
kirchlichen Gebäuden empfehlen wir<br />
Kirchengemeinden die Verwendung<br />
unserer ökologischen Musterpachtverträge.<br />
Die Ausbringung gentechnisch<br />
veränderter Organismen auf Kirchenland<br />
ist verboten.<br />
Zum 3. Bereich unserer Arbeit gehört<br />
die Positionierung und Vertretung<br />
unserer Kirche in der Umweltpolitik.<br />
Durch die Veranstaltung von umweltpolitischen<br />
Tagungen wollen wir<br />
einen Beitrag zur Demokratisierung<br />
von Umweltkonflikten leisten. Wir<br />
versuchen u.a. dabei unversöhnliche<br />
Gegner miteinander ins Gespräch zu<br />
bringen und den Standpunkt unserer<br />
Kirche in umweltpolitischen Fragen zu<br />
verdeutlichen.<br />
Aktuelle Schwerpunkte sind die<br />
Themenfelder Klimaschutz und Energiepolitik<br />
sowie die Konfliktfelder der<br />
roten und grünen Gentechnik. Durch<br />
eine Fachwissenschaftlerin unseres<br />
Referates werden hier besonders genethische<br />
Fragestellungen behandelt<br />
aber auch die aktuellen Auseinandersetzungen<br />
über die Kennzeichnung<br />
gentechnisch veränderter Nahrungs-<br />
und Futtermittel sowie um die Koexistenzfrage<br />
bzw. die Schaffung<br />
gentechnikfreier Zonen.<br />
Einen weiteren Schwerpunkt bildet<br />
unser Engagement im Bereich<br />
nachhaltige Entwicklung – Agenda 21<br />
NRW – sowie der Lokalen Agenden.<br />
In enger Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Agenda 21<br />
NRW versuchen wir die partizipativen,<br />
bürgerschaftlichen Prozesse, an denen<br />
auch Kirchengemeinden teilnehmen,<br />
zu unterstützen und politisch zu profilieren.<br />
In einem Modellprojekt soll<br />
nachhaltige Flächenentwicklung in ein<br />
kommunales Nachhaltigkeitsmanagementsystem<br />
integriert werden.<br />
Gefördert vom Umweltministerium<br />
NRW und der Stiftung Umwelt und<br />
Entwicklung, führen wir zudem zwei<br />
Modellprojekte speziell in ländlichen<br />
Regionen durch. Das Bioenergienetzwerk<br />
Ostwestfalen Lippe (BIENE<br />
BEA) fördert entlang regionaler Wertschöpfungsketten<br />
die Produktion und<br />
den Einsatz von Bioenergie (speziell<br />
Pflanzenöl, Holz und Biogas). Das<br />
Modellprojekt „Dorfforen“ versucht<br />
rund um den Kristallisationskern „Kirchengemeinde“<br />
spezifische Potenziale<br />
ländlicher Regionen zu entwickeln und<br />
in einen ökumenischen Austausch<br />
mit einer brasilianischen Region zu<br />
bringen.<br />
PERSPEKTIVEN<br />
� Ausblick<br />
Soweit ein Ausschnitt aus dem<br />
Umweltengagement der Evangelischen<br />
Kirche von Westfalen, das<br />
zudem entscheidend geprägt wird<br />
von zahlreichen Aktivitäten in den Kirchenkreisen<br />
und Kirchengemeinden.<br />
Ich will nicht verschweigen, dass die<br />
kirchliche Umweltarbeit zu unseren<br />
jüngsten Arbeitsbereichen gehört<br />
und verglichen mit der traditionellen<br />
sozialpolitischen, diakonischen Arbeit<br />
der Kirchen doch so einigen ein wenig<br />
exotisch vorkommt.<br />
Dennoch: wir freuen uns, dass es<br />
uns mit vielen MitstreiterInnen in<br />
den letzten Jahrzehnten gelungen ist,<br />
Umweltarbeit in das „Kerngeschäft“<br />
des gesellschaftlichen Engagements<br />
unserer Kirche einzubringen und dort<br />
zu stabilisieren: Und so konnte die<br />
Landessynode der EKvW im Jahre<br />
2000 treffend zusammenfassen:<br />
Kirchliches Umweltengagement ist von<br />
seinem Wesen nichts „Zusätzliches“<br />
oder „Kirchenfremdes“, sondern ein<br />
ermutigender Schritt auf dem Weg<br />
in eine gerechtere und lebenswerte<br />
Zukunft.<br />
Literaturhinweis:<br />
1 1. Mose 2,15<br />
2 2. Mose 1,31<br />
3 3. Mose 25, 5. Mose 5,14<br />
4 Psalm. 24,1<br />
25
26 PERSPEKTIVEN<br />
� Freizeit und <strong>Natur</strong>schutz<br />
Freizeitgestaltung ist höchstes Gut für den<br />
Menschen, gleichzeitig Gefahr für die <strong>Natur</strong><br />
von Mark Herrmann<br />
Die meisten Menschen wollen sich<br />
in ihrer Freizeit vom Alltag erholen.<br />
Dieses „sich erholen“ kann<br />
für jeden einzelnen etwas anderes<br />
bedeuten. Manch einer erholt sich<br />
durch Faulenzen, der andere durch<br />
sportliche Aktivität. Die Gestaltung<br />
unserer Freizeit besitzt heute<br />
im Blick auf die Lebensqualität<br />
und die Zufriedenheit der Menschen<br />
einen hohen Stellenwert.<br />
Die wesentlichen Motive für die<br />
Freizeitgestaltung sind „abschalten,<br />
ausspannen“, „aus dem Alltag herauskommen“<br />
sowie „Zeit für die Familie,<br />
den Partner oder Freunde haben“.<br />
Dabei dient Freizeit längst nicht<br />
mehr nur dem Kräftesammeln zur<br />
Wiedererlangung der Arbeitskraft. Zunehmend<br />
wollen die Menschen aktive,<br />
neue Erfahrungen machen und neue<br />
Eindrücke gewinnen, Ideen verwirklichen,<br />
die im Alltag zu kurz kommen.<br />
Der gesellschaftliche Wertewandel in<br />
Richtung einer zunehmenden Indivi-<br />
Was für die Menschen Freizeitvergnügen bedeutet, ist für die <strong>Natur</strong> oft eine große<br />
Gefährdung. Foto: Archiv
dualisierung und Ausdifferenzierung<br />
verschiedener Lebensstile ist auch im<br />
Freizeitverhalten erkennbar. Es existiert<br />
heute eine kaum noch überschaubare<br />
Vielfalt an Freizeitgestaltungsformen<br />
und Freizeitaktivitäten. Es hat sich<br />
eine Freizeitindustrie entwickelt, die<br />
mit ihren Produkten und ihrem Marketing<br />
unser Freizeitverhalten spürbar<br />
beeinflusst. Kontinuierlich kommen<br />
neue Freizeittrends und -angebote auf<br />
den Markt, die teilweise in Konkurrenz<br />
zueinander stehen, sich überlagern<br />
oder sich ergänzen.<br />
Vor allem bei Freizeitaktivitäten in<br />
<strong>Natur</strong> und Landschaft ist es in den letzten<br />
Jahren zu großen Veränderungen<br />
gekommen. Fahrradfahren, Spazieren<br />
gehen, Wandern und Joggen zählen zu<br />
immer beliebter werdenden Aktivitäten.<br />
Zusätzlich haben sich neue Sportarten<br />
bzw. Freizeitbetätigungen wie<br />
beispielsweise Inlineskaten und Nordic<br />
Walking etabliert. Die Zunahme landschaftsbezogener<br />
Freizeitaktivitäten ist<br />
vor allem auf ein gestiegenes Körper-<br />
und Gesundheitsbewusstsein in der<br />
Bevölkerung und auf ein wachsendes<br />
Bedürfnis vieler Erholungssuchender<br />
nach <strong>Natur</strong>erleben zurück zu führen.<br />
� Erholungslandschaft<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> prägen die Landschaftsräume<br />
Münsterland im Norden,<br />
Reiten ist auch bei den Jüngsten ein<br />
beliebtes Hobby. Foto: Archiv<br />
Sauerland im Süden und zwischen<br />
Lippe und Ruhr die Soester Börde<br />
mit Haarstrang eine vielfältige und<br />
abwechslungsreiche Erholungslandschaft.<br />
Diese ist sowohl bei den Bewohnern<br />
des <strong>Kreis</strong>gebiets als auch für<br />
Bewohner des angrenzenden Ruhrgebiets<br />
ausgesprochen beliebt. Der <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> bietet gute Voraussetzungen<br />
für Freizeit- und Erholungsaktivitäten<br />
in <strong>Natur</strong> und Landschaft, sei es für<br />
Fahrradtouren, Reitausflüge oder<br />
Spaziergänge. Mehrere kulturelle und<br />
industriekulturelle Sehenswürdigkeiten<br />
ergänzen dieses Angebot.<br />
Gerade die Landschaftsbereiche, die<br />
PERSPEKTIVEN<br />
für Freizeit und Erholungsaktivitäten<br />
besonders attraktiv sind, sind zugleich<br />
wertvoll für den <strong>Natur</strong>schutz. Da liegt<br />
es nahe, dass dies zu Konflikten zwischen<br />
der Erholungsnutzung und dem<br />
<strong>Natur</strong>schutz führt. Konflikte bestehen<br />
auch zwischen den unterschiedlichen<br />
Arten der Erholungsnutzung selbst.<br />
� Konfliktfeld <strong>Natur</strong>schutz und<br />
Erholungsnutzung<br />
Wachsende Ansprüche an <strong>Natur</strong><br />
und Landschaft für die Freizeitgestaltung<br />
führen auch zu einer steigenden<br />
Belastung von Lebensräumen der<br />
Tier- und Pflanzenwelt. Die Belastungen<br />
von <strong>Natur</strong> und Landschaft sind<br />
abhängig von Ort, Art und Ausmaß<br />
der Nutzung sowie der Empfindlichkeit<br />
beziehungsweise Belastungsfähigkeit<br />
des einzelnen Landschaftsausschnitts.<br />
So kann jede Form der Erholungsnutzung<br />
<strong>Natur</strong> und Landschaft belasten.<br />
Auch Fahrradfahrer und Spaziergänger<br />
führen in sensiblen Bereichen zu Beeinträchtigungen.<br />
In weiten Teilen des <strong>Kreis</strong>gebietes<br />
<strong>Unna</strong> gibt es jedoch keine erheblichen<br />
Konflikte zwischen <strong>Natur</strong>schutz und<br />
Freizeitnutzung. Ausnahmen bilden<br />
Bereiche an Lippe und Ruhr sowie der<br />
Standortübungsplatz Holzwickede<br />
(Hengserheide) und das Heerener<br />
Holz. Diese Bereiche stellen wertvolle<br />
27
28 PERSPEKTIVEN<br />
und lebenswichtige Lebens- und Rückzugsräume<br />
für seltene, empfindliche<br />
Pflanzen und Tiere dar. Eine intensive<br />
Nutzung von Erholungssuchenden<br />
verursacht, selbst wenn sich diese<br />
möglichst umweltgerecht verhalten,<br />
erhebliche <strong>Natur</strong>- und Landschaftsbelastungen.<br />
Diese Gebiete sind<br />
teilweise zugleich bei Spaziergängern,<br />
Hundebesitzern, Radfahrern, Anglern,<br />
Kanuten und Badenden beliebt.<br />
Offenkundige Beeinträchtigungen<br />
entstehen durch achtlos weggeworfene<br />
Abfälle, wildes Parken, Ausgraben<br />
und Abreißen von Pflanzen, herbeigeführte<br />
Tritt- und Erosionsschäden<br />
durch Verlassen der markierten Wege,<br />
wilde Picknick- und Grillplätze sowie<br />
wildes Zelten. Weitere unmittelbar<br />
verursachte Störungen von Tieren<br />
und deren Lebensräumen werden von<br />
Erholungssuchenden oft unterschätzt<br />
oder nicht einmal bemerkt. Denn auch<br />
schon eine sich unterhaltende Radfahrergruppe<br />
oder die bloße Anwesenheit<br />
in scheinbar sicherer Entfernung<br />
bedeutet für bestimmte Arten eine<br />
Störung. Ebenso gehen von freilaufenden<br />
Hunden zum Teil erhebliche<br />
Störungen aus. Störungen unterbrechen<br />
oder verändern lebenswichtige<br />
Aktivitäten von Tieren. Zu diesen<br />
Aktivitäten zählen beispielsweise die<br />
Nahrungssuche und -aufnahme, das<br />
Brüten sowie das Füttern und Führen<br />
von Jungen. Die Tiere reagieren mit der<br />
Änderung ihres Verhaltens, was von<br />
der erhöhten Aufmerksamkeit über<br />
Flucht und zeitweise Meidung eines<br />
Gebiets und im Extremfall bis zum<br />
gänzlichen Fernbleiben vom gestörten<br />
Lebensraum reicht.<br />
Der <strong>Natur</strong>schutz hat im engeren<br />
Sinne die Aufgabe, aus ökologischen,<br />
naturwissenschaftlichen und kulturellen<br />
Gründen schutzwürdige Landschaften<br />
und Landschaftsbestandteile<br />
zu sichern. Dies schließt den Schutz<br />
seltener und gefährdeter Pflanzen-<br />
und Tierarten sowie deren Lebensräume<br />
ein. Freizeit und Erholung an jedem<br />
Ort eines Schutzgebiets wiederläuft<br />
naturschutzfachlichen Zielen. Daher<br />
ist es notwendig, durch geeignete<br />
Maßnahmen auf eine verträgliche<br />
Freizeit- und Erholungsnutzung hinzuwirken,<br />
die Beeinträchtigungen und<br />
Belastungen von <strong>Natur</strong> und Landschaft<br />
ausschließt beziehungsweise auf ein<br />
Minimum reduziert. In vielen Fällen<br />
lassen sich Konflikte mit einer Reihe<br />
von Maßnahmen lösen oder werden<br />
durch Kompromisse entschärft. Im<br />
Mittelpunkt stehen Zonierungen von<br />
Flächen und Besucherlenkungsmaßnahmen.<br />
Damit werden Freizeit- und<br />
Erholungsnutzungen von sensiblen<br />
Räumen ferngehalten beziehungs-<br />
weise in weniger empfindliche, aber<br />
trotzdem für Freizeit und Erholung<br />
attraktive Gebiete gelenkt. Ergänzend<br />
sollten Besucher gezielt mit pfiffig<br />
aufbereiteten Inhalten über die Gebiete<br />
informiert werden. Dies kann<br />
beispielsweise über Infotafeln, Flyer<br />
oder entsprechende Veranstaltungen<br />
erfolgen. Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> bietet die<br />
Ökostation in Bergkamen-Heil ein<br />
vielfältiges Veranstaltungs- und Exkursionsangebot<br />
an.<br />
Dennoch sind bei Schutzgebieten<br />
ordnungsrechtliche Regelungen wie<br />
Betretungs- und Nutzungsverbote in<br />
einigen Bereichen aus naturschutzfachlicher<br />
Sicht unverzichtbar. Insbesondere<br />
die ordnungsrechtlichen<br />
Regelungen stehen im öffentlichen<br />
Blickpunkt und werden kontrovers<br />
und oft stark emotionalisiert diskutiert.<br />
Häufig werden Sachverhalte verzerrt<br />
wiedergegeben. Aus Sicht von Freizeit-<br />
und Erholungssuchenden würden Betretungs-<br />
und Nutzungsverbote häufig<br />
unverhältnismäßige Einschränkungen<br />
bedeuten. Sie würden teilweise sogar<br />
die Ausübung einzelner Freizeit- und<br />
Erholungsaktivitäten existenziell gefährden.<br />
Betroffene reagieren daraufhin<br />
mit Unverständnis, Wut und<br />
Trotz oder zweifeln pauschal den Sinn<br />
jeglichen <strong>Natur</strong>schutzes an. Doch es<br />
trifft nicht zu, dass der <strong>Natur</strong>schutz
Freizeit- und Erholungsaktivitäten aus<br />
den Schutzgebieten komplett verbannen<br />
will. Er will und muss Aktivitäten<br />
in ökologisch empfindlichen Räumen<br />
lenken. Starke Beschränkungen sind<br />
ausschließlich in ökologisch besonders<br />
empfindlichen Räumen notwendig.<br />
� Wechselseitige Abhängigkeit<br />
Zu den Merkmalen unserer Gesellschaft<br />
gehört auch eine zunehmende<br />
Entfremdung von der <strong>Natur</strong>. Diese<br />
äußert sich auch darin, dass viele Menschen<br />
oft nicht mehr wissen, wie und<br />
woraus Lebensmittel hergestellt werden<br />
und bei einigen Kindern hat sich<br />
lila als Farbe von Kühen verinnerlicht.<br />
Des Weiteren wird das öffentliche<br />
Bild des <strong>Natur</strong>schutzes zunehmend als<br />
Verhinderungs- oder Blockierungsinstrument<br />
gekennzeichnet.<br />
Damit steht der <strong>Natur</strong>schutz zunächst<br />
vor einem Dilemma: Einerseits<br />
führt eine stärkere Nutzung von <strong>Natur</strong><br />
und Landschaft - wie oben geschildert<br />
- zu größeren Beeinträchtigungen und<br />
Belastungen. Andererseits begrüßt<br />
der <strong>Natur</strong>schutz grundsätzlich das<br />
steigende Interesse, seine Freizeit in<br />
<strong>Natur</strong> und Landschaft verbringen zu<br />
wollen. <strong>Natur</strong>schutz funktioniert nur<br />
mit den Menschen und nicht gegen sie.<br />
Für ein positives Verhältnis zur <strong>Natur</strong><br />
ist das persönliche Erleben von <strong>Natur</strong><br />
So sieht eine befahrenen Mountaine-<br />
Bike-Strecke aus. Foto:Archiv<br />
und Landschaft unerlässlich. <strong>Natur</strong>erleben<br />
soll Begeisterung für die <strong>Natur</strong><br />
und deren Schönheit wecken. Die<br />
Erholungsnutzung ist als Chance zu sehen,<br />
der <strong>Natur</strong>entfremdung entgegen<br />
zu wirken. In diesem Zusammenhang<br />
kann auch die gesellschaftliche und<br />
politische Akzeptanz des <strong>Natur</strong>schutzes<br />
wieder gestärkt werden.<br />
� Perspektiven im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Die Sicherung des Freizeit- und<br />
Erholungsangebotes sowie die Weiterentwicklung<br />
einer attraktiven<br />
Erholungslandschaft ist sowohl aus<br />
<strong>Natur</strong>schutzsicht als auch aus Sicht der<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Erholungssuchenden von großem Interesse.<br />
Ziel muss es ein, die Ansprüche<br />
der Freizeit- und Erholungsnutzung an<br />
die Landschaft mit deren ökologischen<br />
Funktionen in Einklang zu bringen.<br />
Demnach sind beide Seiten gleichermaßen<br />
in der Pflicht, sich sowohl mit<br />
naturschutzfachlichen Argumenten als<br />
auch mit Ansprüchen unterschiedlicher<br />
Erholungs- und Freizeitaktivitäten zu<br />
befassen. Gefragt muss eine sachliche<br />
Zusammenarbeit sein und nicht<br />
eine emotional geprägte pauschale<br />
Verurteilung von <strong>Natur</strong>schutz beziehungsweise<br />
Freizeit- und Erholungsaktivitäten.<br />
Nur so kann festgelegt<br />
werden, welche Aktivitäten wo und in<br />
welchem Umfang möglich sind.<br />
Bei der Sicherung und Entwicklung<br />
attraktiver Erholungsbereiche leistet<br />
die Landschaftsplanung als Planungsinstrument<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes wertvolle<br />
Beiträge. In den Landschaftsplänen<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> werden die ökologischen<br />
und die ästhetischen Qualitäten<br />
der Landschaft des <strong>Kreis</strong>gebiets<br />
erfasst. Auf dieser Grundlage werden<br />
Ziele und Maßnahmen benannt, um<br />
diese zu erhalten, zu verbessern oder<br />
wiederherzustellen. Im Sinne der Erholungsvorsorge<br />
bedeutet dies die Sicherung<br />
der natürlichen Voraussetzungen<br />
und eine Steuerung der Freizeit- und<br />
Erholungsnutzungen.<br />
29
30<br />
� Jugend und <strong>Natur</strong>schutz<br />
Die Entstehung der<br />
<strong>Natur</strong>schutzjugendbewegung im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
von Adrian Mork<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Die Gründung von <strong>Natur</strong>schutz-<br />
Jugendgruppen im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
fällt in die Mitte der 80er Jahre.<br />
Gegründet wurden eigenständige<br />
Jugendgruppen zunächst in<br />
Kamen und Schwerte, die auch<br />
die beiden größten und kontinuierlich<br />
bestehenden Gruppen bis<br />
zu deren Auflösung Ende der 90er<br />
Jahre bleiben sollten. Jugendgruppen<br />
gab es kurzzeitig jedoch auch<br />
in Werne, <strong>Unna</strong> und Holzwickede.<br />
Die Gründer dieser Gruppen waren<br />
Jugendliche, die zuerst aktiv an<br />
örtlichen „Erwachsenen“-Gruppen<br />
teilgenommen hatten. Diese waren<br />
vor allem an den damaligen Deutschen<br />
Bund für Vogelschutz (DBV) angelehnt<br />
bzw. im <strong>Kreis</strong>verband des DBV <strong>Unna</strong><br />
organisiert.<br />
Das Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutzthema<br />
hatte in den 80er Jahren ein sehr<br />
breites Interesse auch bei Kindern und<br />
Jugendlichen entfacht. Es war jedoch<br />
nicht möglich, diese Jugendlichen in<br />
Vogelbeobachtung am Geisecke-See in Schwerte. Alle Fotos: <strong>Natur</strong>schutzjugend<br />
Schwerte<br />
den organisatorischen Rahmen der<br />
Erwachsenen-Gruppen ohne spezifisches<br />
Jugendangebot zu integrieren.<br />
Trotz freundschaftlicher Kontakte gab<br />
es aus Sicht der Jugendlichen einen<br />
– wenn auch nicht ungewöhnlichen<br />
– „Generationenkonflikt“. Gerade den<br />
Jugendlichen, die nicht zunächst in den<br />
Erwachsenen-Gruppen mitgemacht<br />
hatten, waren diese häufig zu konservativ<br />
und zu stark auf das Thema<br />
„Vogelschutz“ beschränkt. Da aber die<br />
Gründer der Jugendgruppen bereits<br />
zumeist Mitglieder im DBV waren<br />
und sich innerhalb dieses Verbandes<br />
bundes- und landesweit ebenfalls
Jugendstrukturen gründeten, suchten<br />
die neuen Jugendgruppen hier ihren<br />
Anschluss.<br />
� Wichtige Impulse gesetzt<br />
Inhaltlich setzten die Jugendlichen<br />
sehr schnell auf einen wesentlich erweiterten<br />
Umweltschutzbegriff. Statt<br />
einzelne Arten beispielsweise durch<br />
das Aufhängen von Nistkästen zu<br />
fördern, wollten die Jugendlichen viel<br />
mehr umfassende Biotopschutzarbeit<br />
leisten und sich zum Beispiel auch<br />
mit dem Flächenverbrauch so nicht<br />
abfinden, wie die Erwachsenengruppen<br />
das aus jugendlicher Sicht bereits<br />
anscheinend taten. Auch kamen wichtige<br />
Impulse zu einer Rückbesinnung<br />
auf alte Landnutzungsformen aus der<br />
Jugend.<br />
Die wirtschaftliche Nutzung zum<br />
Beispiel von Streuobstwiesen hatte<br />
seinen Ursprung zunächst vor allem<br />
im Jugendbereich. Diese Impulse sind<br />
später auch vom Gesamtverband und<br />
auch vor Ort aufgegriffen worden.<br />
Überhaupt standen Lebensfragen,<br />
wie alternative Berufe, alternative<br />
Ernährung, alternative Mobilität usw.<br />
bei vielen Jugendlichen hoch im Kurs,<br />
während erwachsene <strong>Natur</strong>schützer<br />
ihren Lebensstil (Auto, Urlaubsreisen,<br />
Konsum, Ernährung) nicht in dem<br />
Maße hinterfragten und sich damit<br />
Kartoffelanbau mit Wildkräutern in Schwerte-Villigst<br />
aus Sicht der Jugend größere Widersprüche<br />
ergaben.<br />
Die Jugendgruppen entfalteten sehr<br />
schnell ein sehr dynamisches Gruppenleben,<br />
welches durch häufige Treffen,<br />
Biotopschutzaktionen, Demonstrationen<br />
(z.B. gegen Texaco-Tankstellen,<br />
gegen Umgehungsstraßen), Zeltlager<br />
und Fahrten (Greifvogelschutzaktionen<br />
gegen Wilderer auf Sizilien)<br />
vertieft wurde. Auch wurden Stellungnahmen<br />
gegen den Flächenverbrauch<br />
(Straßenbau, Wohnsiedlungen) und<br />
eine Vielzahl von Pressemitteilungen<br />
abgegeben. Dabei waren die<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Gründer der Jugendgruppen wegen<br />
ihrer verbandlichen Zugehörigkeit<br />
darauf bedacht, den Kontakt zu den<br />
Erwachsenen nicht zu verlieren. Nachdem<br />
auf Bundes- und Landesebene<br />
große Konflikte zum Beispiel um das<br />
Thema „Atomkraft“ sich zu Gunsten<br />
der Jugendlichen entwickelten und<br />
der DBV sich auch neuen Themen<br />
des Umweltschutzes öffnete, wurde<br />
auch auf <strong>Kreis</strong>ebene von den aktiven<br />
Jugendlichen daran gearbeitet, die<br />
Jugendstrukturen weiter auszubauen.<br />
Mit einiger Überzeugungsarbeit war<br />
es möglich, die Satzung des DBV auf<br />
31
32 PERSPEKTIVEN<br />
<strong>Kreis</strong>ebene mit einem eigenen Jugendstatus<br />
zu versehen und das Bestehen<br />
eigenständiger Jugendgruppen innerhalb<br />
des Verbandes anzuerkennen.<br />
Die Jugend gab dem Gesamtverband<br />
immer wieder neue Impulse. So<br />
änderte die Landes- und Bundesjugend<br />
ihren alten Namen von DBV-Jugend<br />
in <strong>Natur</strong>schutzjugend, was nicht<br />
alle im Erwachsenenverband freudig<br />
zur Kenntnis nahmen, obwohl sich zu<br />
diesem Zeitpunkt eine Erweiterung<br />
des verengten „Vogelschutzes“ bereits<br />
deutlich abzeichnete.<br />
Erst zur Wiedervereinigung und<br />
damit auch zur Vereinigung mit dem<br />
<strong>Natur</strong>schutz in Ostdeutschland vollzog<br />
dann auch der DBV seine Namensänderung<br />
zum <strong>Natur</strong>schutzbund<br />
Deutschland (NABU). Viele Jugendliche<br />
blieben aber nach wie vor den<br />
„eingefahrenen“ Strukturen, wie den<br />
Mitgliederversammlungen des NABU<br />
fern und waren damit unsichtbar für<br />
die Funktionsträger und sonstigen<br />
Aktiven im Erwachsenenverband. So<br />
führte ein Gutteil der <strong>Natur</strong>schutzjugendbewegung<br />
ein vom Hauptverband<br />
eher kaum wahrgenommenes<br />
Dasein und eine Grundskepsis gegenüber<br />
der „Jugend“ blieb über lange<br />
Zeit spürbar.<br />
Dies ist jedoch mit Sicherheit nicht<br />
der Grund, warum aktuell keine<br />
eigenständige <strong>Natur</strong>schutzjugendbewegung<br />
mehr im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> vorhanden<br />
ist. Gerade auf Landes- und<br />
Bundesebene, war nach anfänglichen<br />
Konflikten verbandsintern viel Raum<br />
und durch den Staat auch finanziell<br />
eine gute Förderung für die Jugendarbeit<br />
vorhanden. Hauptmanko zur<br />
Herausbildung stabiler Jugendstrukturen<br />
war der schnellere Wechsel der<br />
Funktionsträger in den Jugendgruppen.<br />
Häufig waren die Gruppenleiter<br />
altersmäßig im Oberstufenbereich zu<br />
finden und nach dem Abitur – bis auf<br />
wenige Ausnahmen – zumeist nicht<br />
mehr wohnhaft im <strong>Kreis</strong>gebiet. Diesen<br />
eigenen Nachwuchssorgen versuchten<br />
die Jugendlichen mit der Gründung<br />
von Kindergruppen zu begegnen, die<br />
sie selbst leiteten. Aufgrund des Wegzugs<br />
der Kindergruppenleiter (Studium)<br />
konnte die Kindergruppenarbeit<br />
ebenfalls nur über einen relativ kurzen<br />
Zeitraum aufrecht erhalten werden.<br />
Zu diesem Zeitpunkt klang auch das<br />
breite Interesse am Umweltschutz<br />
gesellschaftlich und in der Jugend ab,<br />
so dass trotz der Kindergruppenarbeit,<br />
die sehr starken Zuspruch hatte, keine<br />
nachhaltig tragfähigen Strukturen und<br />
entsprechender Nachwuchs für die<br />
Jugendgruppen entstanden. Ähnliche<br />
Tendenzen gab es landes- und bundesweit.<br />
� Probleme meistern<br />
Da die organisatorische Arbeit nur<br />
auf wenige Schultern verteilt war,<br />
befanden sich die Jugendgruppen ab<br />
Mitte der 90ger Jahre in Existenznöten.<br />
Von Seiten des Erwachsenenverbandes<br />
wurden diese jedoch kaum<br />
wahrgenommen. In Festschriften<br />
und Publikationen kommen die Jugendgruppen<br />
kaum oder gar nicht<br />
vor, obwohl diese ihren Ursprung und<br />
Anfang in den Erwachsenengruppen<br />
hatten und es auch immer wieder gemeinsame<br />
Aktionen zwischen Erwachsenen-<br />
und Jugendgruppen gegeben<br />
hat (z.B. Amphibienschutzzäune).<br />
Nachdem zunächst mehrere erfolgreiche<br />
„Generationswechsel“ innerhalb<br />
der Jugendgruppen stattfanden,<br />
kamen die Jugendgruppen schließlich<br />
allesamt zum Erliegen. Gründe für das<br />
völlige Erlöschen der Jugendgruppen<br />
ist nach Auffassung des Autors neben<br />
den jugendspezifischen Problemen des<br />
schnellen Generationswechsels auch<br />
in der passiven Haltung des Gesamtverbandes<br />
zu suchen. Dies ist jedoch<br />
weniger ein Vorwurf als vielmehr eine<br />
nachträgliche Feststellung, waren doch<br />
die Jugendgruppen ihrerseits äußerst<br />
auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit<br />
vom Gesamtverband bedacht und<br />
hätten zuviel Ansprache von Seiten der<br />
Erwachsenen sicherlich als eine Art der
PERSPEKTIVEN<br />
Bevormundung auffassen können.<br />
Aus eigener Erfahrung bleibt aber<br />
die Einschätzung, dass Nachwuchssorgen<br />
des Verbandes nur durch ein<br />
aktives Angebot des Gesamtverbandes<br />
in Richtung Jugend gelöst werden können.<br />
Hierzu sind in jüngerer Zeit erste<br />
Anstrengungen des <strong>Natur</strong>schutzbundes<br />
spürbar. Eine Kindergruppe wurde<br />
bereits in <strong>Unna</strong> gegründet. Aufgrund<br />
des wachsenden Arbeitsdrucks auf<br />
die wenigen ehrenamtlichen Helfer<br />
insgesamt (z.B. im Bereich der Biotoppflege)<br />
muss aber die Frage einer<br />
hauptamtlichen Unterstützung von<br />
Verbandsarbeit z.B. im Jugendbereich<br />
neu gestellt und diskutiert werden. Bei<br />
der vergleichsweise hohen Mitglieder<br />
anzahl hat der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz<br />
hierbei gewisse Spielräume, die<br />
er für eine positive Zukunftsentwicklung<br />
nutzen könnte und sollte. Nach erfolgreicher Wiesenmahd im Bürenbruch in Schwerte-Ergste<br />
33
34<br />
� Ehrenamt und <strong>Natur</strong>schutz<br />
Enormes Engagement für die<br />
<strong>Natur</strong> ist Ehrensache<br />
von Josef Tumbrinck<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Entgegen vieler negativer Stimmen<br />
hat der <strong>Natur</strong>schutz in<br />
Deutschland und besonders auch<br />
in Nordrhein-Westfalen in den<br />
vergangenen 25 Jahren sehr viel<br />
erreicht:´Wer hätte vor 25 Jahren<br />
gedacht, das im Jahr 2005 im<br />
Land trotz dichter Besiedlung der<br />
Rhein-Ruhr-Schiene über 10 %<br />
der Landesfläche <strong>Natur</strong>schutzflächen<br />
verschiedenster Prägung<br />
sind? Wer hätte vor 25 Jahren<br />
gedacht, dass NRW im Jahr 2005<br />
auf dem Weg zu seinem 2. Nationalpark<br />
ist? Oder wer hätte vor 25<br />
Jahren gedacht, dass es in NRW<br />
mit 44 Biologischen Stationen ein<br />
fast flächendeckendes Netz dieser<br />
Einrichtungen gibt?<br />
Auch die Erfolge in den Bereichen<br />
des Umweltschutzes bei der Gewässer-<br />
oder Luftreinhaltung können sich<br />
sehen lassen. Ich will nicht in Abrede<br />
stellen, dass wir viele noch ungelöste<br />
globale Herausforderungen haben:<br />
� wir haben ein nur leicht abgebremstes<br />
Bevölkerungswachstum,<br />
� unsere Meere werden überfischt,<br />
� der Verlust an Primärwäldern und<br />
Waldgebieten nimmt zu,<br />
� unsere Generation lebt schon in<br />
einem globalen Klimawandel<br />
� und wir haben einen enormen Verlust<br />
an Tier- und Pflanzenarten.<br />
In Deutschland kämpfen wir mit<br />
einer enormen Staatsverschuldung als<br />
Hypothek für künftige Generationen,<br />
mit einer viel zu hohen Arbeitslosigkeit<br />
und mit einer negativen demographischen<br />
Entwicklung, also mit insgesamt<br />
sinkenden Einwohnerzahlen.<br />
Aber trotz des Schrumpfens der<br />
Deutschen hält unser Flächenverbrauch<br />
mit ca. 105 ha/Tag fast unvermindert<br />
an. Flächenverbrauch in Deutschland<br />
hat sich schon seit mehreren Jahren<br />
von der Bevölkerungsentwicklung<br />
entkoppelt. Uns <strong>Natur</strong>schützern machen<br />
Deregulierungsbestrebungen<br />
bei Verwaltungsverfahren mit unabsehbaren<br />
Folgen für die <strong>Natur</strong> und die<br />
Intensität der Landbewirtschaftung<br />
weiterhin große Sorgen. Es gibt also<br />
genug zu tun.<br />
� Ehrenamt zahlt sich aus<br />
Wir werden aber auch in den<br />
nächsten Jahren bei immer knapper<br />
werdenden öffentlichen Haushalten<br />
die Betreuung unseres Schutzgebietssystems<br />
sicherstellen müssen. Wir<br />
wollen zudem den Biotopverbund in<br />
der Fläche ausweiten und wir wollen<br />
auf möglichst großer Fläche hin zu<br />
schonenden Landbewirtschaftungsmethoden<br />
wie sie der ökologische<br />
Landbau und eine zertifizierte Holzwirtschaft<br />
darstellen. Der <strong>Natur</strong>schutz<br />
hätte die Erfolge der letzten 25 Jahre<br />
nicht erreicht, hätte es nicht ein enormes<br />
ehrenamtliches Engagement in<br />
der <strong>Natur</strong>- und Umweltschutzbewegung<br />
gegeben. Dieses ehrenamtliche<br />
Engagement ist auch in den nächsten<br />
Jahren der Schlüssel zu weiteren Erfolgen.<br />
Mitgliederstarke und in der Breite<br />
aktive Verbände können zukünftig<br />
nicht nur viel bewegen, sie werden<br />
auch dringend gebraucht.<br />
Der NABU hat mit seinen bundes-
weit über 400.000 Mitgliedern und<br />
seinen allein 50.000 Mitgliedern in<br />
NRW durch kontinuierliches Wachstum<br />
schon eine beträchtliche Größe<br />
erreicht. Schauen wir in die benachbarten<br />
und von der Bevölkerungszahl<br />
etwa gleich großen Niederlande so<br />
stellt man mit Erstauen fest, dass<br />
dort allein unser Partnerverband<br />
Natuurmonumenten fast eine Million<br />
Förderer hat. Auch wir sehen in NRW<br />
noch starke Zuwächse und schätzen,<br />
dass in ländlichen Räumen 2 – 5 % der<br />
Einwohner zumindest als passive Förderer<br />
für den <strong>Natur</strong>schutz gewonnen<br />
werden können.<br />
Wir müssen allerdings darauf achten<br />
mit unseren Begründungen für den<br />
<strong>Natur</strong>schutz nicht an den Vorstellungen<br />
in der Gesellschaft vorbeizureden.<br />
Während bei repräsentativen<br />
Umfragen in der Bevölkerung als Begründungen<br />
für den <strong>Natur</strong>schutz die<br />
Sicherung einer nachhaltigen Nutzung<br />
und der Schutz der eigenen Heimat<br />
klar im Vordergrund stehen, erklären<br />
die <strong>Natur</strong>schützer selber ihr Handeln<br />
mit ökologischen Argumenten und<br />
einem moralischen Zeigefinger. Auf<br />
diesen moralischen Zeigefinger sollte<br />
man tunlichst verzichten, will man<br />
größere Teile der Bevölkerung für sein<br />
Ansinnen gewinnen. Zudem müssen<br />
wir wieder den Begriff der Heimat, der<br />
Mit vollem Eifer bei der Sache: Jugendliche<br />
bei der Gewässerpflege.<br />
leider von den Nationalsozialisten für<br />
ihre Zwecke missbraucht worden ist,<br />
nutzen und positiv besetzen.<br />
� <strong>Natur</strong>schutz als hoher Wert<br />
Entgegen aller Unkenrufe aus Teilen<br />
der Politik hat der <strong>Natur</strong>- und Umweltschutz<br />
auch heute seinen festen<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Platz in der Werteskala der Bevölkerung.<br />
In der breit angelegten Studie<br />
„Umweltbewusstsein in Deutschland<br />
2004“ des Bundesumweltministeriums<br />
ist nachzulesen, dass 92 % der<br />
Bevölkerung dieses Thema wichtig ist.<br />
Umweltschutz und Soziale Gerechtigkeit<br />
folgen nach Arbeitsmarkt und<br />
wirtschaftlicher Lage an dritter Stelle<br />
der wichtigsten Probleme.<br />
Es ist verständlich, dass den Menschen<br />
Arbeitslosigkeit oder die Sorge<br />
um den Arbeitsplatz derzeit wichtiger<br />
ist. Umso entscheidender ist es, die<br />
drängendsten Probleme der Menschen<br />
miteinander in Einklang zu bringen.<br />
Dies sind ausweislich der Studie die<br />
ökonomische und ökologische Entwicklung<br />
sowie die Soziale Gerechtigkeit<br />
und genau das ist nun auch der<br />
hohe Anspruch der weltweiten Erdcharta,<br />
der Agenda 21, dessen Signal<br />
von der Konferenz in Rio de Janeiro<br />
1992 ausgegangen ist.<br />
Die schon zitierte Studie aus dem<br />
Bundesumweltministerium sagt auch,<br />
dass gut 1/3 der Bevölkerung für<br />
ehrenamtliche Mitarbeit gewonnen<br />
werden könnte. Eine Zahl, die manche<br />
<strong>Natur</strong>schutzgruppe im Lande, die<br />
keinen Nachwuchs an ehrenamtlich<br />
Aktiven findet, nicht glauben will. Aus<br />
meinen Erfahrungen stimmt sie aber.<br />
Entscheidend ist, dass wir uns in einem<br />
35
36 PERSPEKTIVEN<br />
Wandel des ehrenamtlichen Engagements<br />
befinden. Viele, gerade auch<br />
jüngere Menschen, engagieren sich auf<br />
Zeit, sie begrenzen ihr Engagement,<br />
weil sie Zeit für weitere Aktivitäten<br />
haben wollen. Ehrenamtliche fragen<br />
verstärkt nach ihrem „Mehrwert“ und<br />
meinen damit nicht finanzielle Vorteile,<br />
sondern ein mehr an Erfahrungen,<br />
Kontakten oder Fähigkeiten.<br />
� Blick in die Zukunft<br />
<strong>Natur</strong>- und Umweltschutzverbände<br />
müssen daher eine andere Vereinskultur<br />
entwickeln, wenn sie dieses<br />
Potential dauerhaft ausschöpfen wollen.<br />
Das ist auch für den NABU mit<br />
seiner über 100 Jahre alten Geschichte<br />
eine große Herausforderung, weil wir<br />
gewohntes Handeln in Frage stellen<br />
müssen. Dies ist aber erforderlich,<br />
um auch als Ehrenamtsorganisation<br />
zukunftsfähig zu sein. Viele kleine<br />
und größere Erfolge auf diesem Weg<br />
machen aber Mut. Folgende Dinge<br />
spielen in dieser Ehrenamtskultur für<br />
den NABU eine Rolle:<br />
1. Erfolge in den Vordergrund<br />
stellen<br />
<strong>Natur</strong>schützer sollten zuerst über<br />
ihre Erfolge reden. Nichts ist für potenzielle<br />
Ehrenamtliche unattraktiver<br />
als bei denen mitzumachen, die sich<br />
Baumschnitt: Hier ist der volle Einsatz<br />
gefragt.<br />
selber als Verlierer sehen und das<br />
auch nach außen so kommunizieren.<br />
Dies hat nichts damit zu tun, sich<br />
auch Niederlagen einzugestehen oder<br />
negative Entwicklungen beim Namen<br />
zu nennen sowie Kritik zu üben. Um<br />
als Gruppe attraktiv zu sein, müssen<br />
wir aber unsere Erfolge erkennen und<br />
würdigen.<br />
2. Belohnungskultur<br />
Die Menschen, die sich für die Ziele<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes einsetzen, müssen<br />
für ihr Engagement auch Anerkennung<br />
erhalten. Das können Auszeichnungen<br />
oder Ehrenzeichen sein. Viel wichtiger<br />
ist aber eine Vereinskultur, die<br />
den Ehrenamtlichen ein Dankeschön<br />
zurückgibt. Das kann schon das gemeinsame<br />
Mittagessen während eines<br />
Arbeitseinsatzes sein. Das ist eine<br />
Weihnachtsfeier des Vereins für die<br />
Aktiven und vieles mehr.<br />
3. Ehrenamtsbetreuung<br />
Zielgerichtete Ehrenamtsgewinnung<br />
bedient sich neuer Instrumente.<br />
Ehrenamtliche wollen wissen, was sie<br />
mit welchem Umfang bei uns machen<br />
können, um ihr Engagement inhaltlich<br />
und zeitlich zu begrenzen. Aufgaben<br />
sollten daher klar umrissen sein, von<br />
ihrem Zeitaufwand beziffert werden<br />
und deutlich werden lassen, welchen
persönlichen Mehrwert man bei dieser<br />
Tätigkeit gewinnen kann. Ehrenamtliche<br />
sollten bei ihrem Einstieg möglichst<br />
von erfahrenen und aufgeschlossenen<br />
Mitarbeitern („Paten“) in der ersten<br />
Zeit begleitet werden. Sinnvoll kann<br />
eine einzige Koordinierungsperson<br />
sein, die als kommunikativer „Kümmerer“<br />
hier die Fäden zusammenhält und<br />
Rückmeldungen von neuen Ehrenamtlichen<br />
bekommt, ob es bei ihren Aktivitäten<br />
Probleme gibt. Bewährt haben<br />
sich auch so genannte „Jobbörsen“, in<br />
denen der Verein potenzielle Aufgaben<br />
für Ehrenamtliche benennt und vom<br />
Umfang und Benefit umschreibt. Im<br />
Internet oder als Faltblatt lässt sich ein<br />
solches Angebot gut kommunizieren.<br />
4. Lebensabschnittsspezifische<br />
Angebote<br />
Es ist natürlich klar, dass jüngere<br />
Menschen in der Tendenz manche<br />
Angebote eher wahrnehmen als ältere<br />
Menschen und umgekehrt. Hier sollte<br />
man ruhig auch einmal differenzieren<br />
und nicht den Anspruch haben, alle<br />
Aktivitäten für alle Zielgruppen anbieten<br />
zu wollen. Welcher Verein macht<br />
aber Angebote für Familien mit Kindern,<br />
bei denen z.B. die Betreuung der<br />
Kleinen gewährleistet wird, während<br />
PERSPEKTIVEN<br />
sich die Großen mit anderen Aufgaben<br />
befassen? Hier werden manche Möglichkeiten<br />
noch gar nicht ausgenutzt.<br />
Es gibt noch vieles mehr, was sich an<br />
Ideen in den Gruppen entwickelt, die<br />
für Neuerungen aufgeschlossen sind.<br />
Solche Veränderungsprozesse sind<br />
nicht immer einfach. Im NABU haben<br />
sich jüngere Leute aus dem Verein<br />
zusammengefunden, die als „NABU-<br />
Beraterteam“ interessierte Gruppen<br />
in einem Organisationsentwicklungsprozess<br />
ehrenamtlich begleiten und<br />
sie fit für die Zukunft machen. Auch<br />
das ist ehrenamtliches Engagement<br />
im <strong>Natur</strong>schutz.<br />
37
38 PERSPEKTIVEN<br />
� Landwirtschaft und <strong>Natur</strong>schutz<br />
Landwirtschaft und <strong>Natur</strong>schutz,<br />
ein Gegensatz in sich?<br />
von Heinz-Wilhelm Büscher<br />
In vielen Diskussionen und Publikationen<br />
der letzten Jahre<br />
drängte sich der Eindruck auf,<br />
dass hier zwei natürliche Gegner<br />
aufeinandertreffen und das eine<br />
zusammen mit dem anderen nicht<br />
möglich ist. Tatsächlich ist es aber<br />
so, dass der Konsens zwischen<br />
beiden Ausgangspunkten gefunden<br />
werden muss.<br />
Zum einen ist die Landwirtschaft<br />
der größte und wichtigste Flächennutzer<br />
in der Bundesrepublik und auch im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Insgesamt bewirtschaften<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 780 landwirtschaftliche<br />
Betriebe mehr als 26.000 ha<br />
landwirtschaftlicher Nutzfläche. Zum<br />
anderen ist auch die Landwirtschaft<br />
den Prinzipien der Nachhaltigkeit und<br />
der Erhaltung der Biologischen Vielfalt<br />
verpflichtet.<br />
Die Kulturlandschaft, wie wir sie hier<br />
und heute vorfinden und die nicht nur<br />
uns schützenswert erscheint, ist das<br />
Ergebnis einer mehrhundertjährigen<br />
landwirtschaftlichen Bewirtschaftung.<br />
Der Hellwegraum war schon im Mittelalter<br />
die Kornkammer Westfalens<br />
und die Ruhr- und Lippeauen intensive<br />
Grünlandflächen zur Weidemast<br />
(Fettweiden). Bis in die sechziger Jahre<br />
des vergangenen Jahrhunderts war<br />
eine höchstmögliche Produktion landwirtschaftlicher<br />
Produkte erforderlich,<br />
um die Ernährung der Bevölkerung<br />
sicherstellen zu können.<br />
In dieser Zeit war <strong>Natur</strong>schutz<br />
sicherlich nur ein Randthema. Weil<br />
die Funktion der Landwirtschaft zur<br />
Ernährungssicherung kaum noch<br />
wahrgenommen wird, haben sich die<br />
Wertigkeiten heute insoweit verschoben,<br />
dass sich die Landwirtschaft mit<br />
den Ansprüchen des <strong>Natur</strong>schutzes<br />
auseinandersetzen muss.<br />
� Landschaftspläne<br />
Seit 1985 gibt es im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Landschaftspläne. Hier wurde die<br />
Landwirtschaft erstmals mit Flächenansprüchen<br />
für <strong>Natur</strong>schutzgebiete,<br />
Anlagen von Feldgehölzen,<br />
Baumreihen, Hecken und Säumen<br />
konfrontiert. Inzwischen liegen bis<br />
auf den in Aufstellung befindlichen<br />
Landschaftsplan <strong>Unna</strong>-Stadt flächendeckende<br />
Landschaftspläne vor. Die<br />
ersten Landschaftspläne Lünen, Selm<br />
und Werne-Bergkamen werden zur<br />
Zeit schon wieder überarbeitet.<br />
Durch die Festsetzungen der Landschaftspläne<br />
wurden bisher über 1.000<br />
ha landwirtschaftlicher Nutzfläche<br />
unter <strong>Natur</strong>schutz gestellt und werden<br />
weitere erhebliche Flächen durch die<br />
Inanspruchnahme für Feldgehölze,<br />
Baumreihen, Hecken und Säume der<br />
landwirtschaftlichen Nutzung entzogen.<br />
Die <strong>Natur</strong>schutzflächen wurden<br />
zum großen Teil von verschiedenen<br />
öffentlichen Trägern (<strong>Kreis</strong>, KVR,<br />
Landesstiftung) erworben und der<br />
landwirtschaftlichen Nutzung entzogen<br />
oder zur extensiven Nutzung an<br />
die Landwirte zurückverpachtet.<br />
Die Pflege der Landschaftselemente<br />
obliegt dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, so dass sich<br />
hieraus für die Zukunft erhebliche<br />
finanzielle Belastungen ergeben werden.<br />
Über den Projektträger, der <strong>Natur</strong>-
förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> (NFG), wurde gemeinsam mit<br />
der Landwirtschaftskammer NRW und<br />
dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband<br />
das Projekt „Bauern<br />
pflegen Landschaft“ initiiert. Durch<br />
dieses Projekt soll der Grundstein für<br />
eine langfristige Sicherstellung der<br />
Pflege von Landschaftselementen<br />
gelegt werden. Hierbei handelt es<br />
sich insbesondere um die Pflege von<br />
Gehölzen, Kopfbäumen, Hecken und<br />
Obstbäumen, um das Offenhalten<br />
von Flächen durch Entbuschung und<br />
die Mahd von feuchtem und nassem<br />
Grünland. Die Finanzierung erfolgt aus<br />
Mitteln des Vertragsnaturschutzes,<br />
größtenteils aus EU- und aus Landesmitteln.<br />
� Pflege durch Landwirte<br />
Die Pflege durch Landwirte im<br />
Rahmen der Bewirtschaftung hat sich<br />
als die effektivste und nachhaltigste<br />
erwiesen. Gleichzeitig besteht für die<br />
teilnehmenden Landwirte durch gesicherte<br />
Zahlungen die Möglichkeit,<br />
den Bereich der Landschaftspflege als<br />
Betriebszweig auszubauen.<br />
Bei Flächen, die nicht im öffentlichen<br />
Eigentum stehen, ergeben<br />
sich verschiedene Alternativen aus<br />
den Agrarumwelt- und Kulturlandschaftsprogrammen.<br />
Hierbei sind aus<br />
„Bauern pflegen Landschaft “ ist ein von<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> (NFG) initiiertes Projekt.<br />
PERSPEKTIVEN<br />
der Sicht des <strong>Natur</strong>schutzes folgende<br />
Maßnahmen von Bedeutung:<br />
� Extensive Grünlandnutzung;<br />
� Extensive Produktionsverfahren im<br />
Ackerbau;<br />
� Anlage von Schon- und Blühstreifen;<br />
� Bewirtschaftung von Acker, Grünland<br />
und sonstigen Biotopen im<br />
Rahmen des Vertragsnaturschutzes;<br />
� Erosionsschutzmaßnahmen;<br />
� Langjährige Stilllegung;<br />
� Anlage von Uferrandstreifen.<br />
Die Einbindung von <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen<br />
in den landwirtschaftlichen<br />
Betrieb setzt eine funktionierende<br />
Betriebsstruktur voraus. Eine<br />
ausschließliche Bewirtschaftung von<br />
Flächen im Rahmen der genannten<br />
Programme ist wirtschaftlich nicht<br />
tragfähig.<br />
Die verschiedenen Betriebsstrukturen<br />
beinhalten unterschiedliche<br />
Flächenansprüche. Veredlungsbetriebe<br />
mit Schweinehaltung und Bullenmast<br />
benötigen ausreichende Ackerflächen<br />
zum Anbau des Futters und zur umweltschonenden<br />
Ausbringung des<br />
anfallenden Düngers. Flächenverluste<br />
sind hier nur begrenzt kompensierbar.<br />
Für diese Betriebe bieten sich Erosionsschutzmaßnahmen,<br />
Schonstreifen und<br />
39
40<br />
PERSPEKTIVEN<br />
Uferrandstreifen an. Milchviehbetriebe<br />
sind auf die intensive Grünland- und<br />
Ackernutzung angewiesen. Eine Extensivnutzung<br />
kommt nur in Teilbereichen<br />
zur Jungviehaufzucht in Betracht.<br />
Extensive Grünlandnutzungen können<br />
in größeren Anteilen lediglich in<br />
Pferdebetrieben Anwendung finden.<br />
Hier kann auch Futter mit geringerem<br />
Nährstoffgehalt verfüttert werden.<br />
� Ausblick<br />
Ein Zusammenwirken von Na-<br />
turschutz und Landwirtschaft führt<br />
langfristig nur dann zum Erfolg,<br />
wenn die wirtschaftliche Situation<br />
der betroffenen landwirtschaftlichen<br />
Betriebe angemessen berücksichtigt<br />
wird. Die Landwirtschaft kann dann<br />
ein verlässlicher Vertragspartner sein,<br />
mit dem <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen auf<br />
Dauer umgesetzt und unterhalten<br />
werden können.<br />
Darüber hinaus erbringen viele<br />
Landwirte Leistungen, ohne eine<br />
Honorierung dafür zu erwarten.<br />
Auch konventionell bewirtschaftete<br />
Acker- und Grünlandflächen stellen<br />
Lebensräume für viele Arten dar. Nur<br />
das Nebeneinander von intensiv und<br />
extensiv bewirtschafteten Flächen gibt<br />
unserer Kulturlandschaft ihren Charakter.<br />
Eine lebendige Landschaft ist<br />
nur durch und mit der Landwirtschaft<br />
möglich.<br />
Deshalb muss es auch im Sinne des<br />
<strong>Natur</strong>schutzes sein, leistungsfähige<br />
landwirtschaftliche Betriebe auf Dauer<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> zu erhalten.
� Dieter Ackermann aus Schwerte<br />
Ein leidenschaftlicher <strong>Natur</strong>freund<br />
wird 70 Jahre jung<br />
Früher wie heute auf der Pirsch: Dieter Ackermann vor einem Mornellregenpfeifer.<br />
von AGON Schwerte<br />
Dieter Ackermann ist ein Mann<br />
für alle Fälle – egal, ob es sich um<br />
§ 29 Stellungnahmen, Flächenbeurteilungen<br />
für Ausgleichsmaßnahmen<br />
handelt oder um praktischen<br />
<strong>Natur</strong>schutz geht.<br />
PERSONEN<br />
Unnützer Flächenverbrauch ist für<br />
ihn immer ein „Rotes Tuch“. Seit 1973<br />
wohnt der gebürtige Dortmunder in<br />
Schwerte-Ergste und ist damit ein<br />
41
42 PERSONEN<br />
Stück näher an der <strong>Natur</strong>, die ihn schon<br />
immer interessierte. Eine ornithologische<br />
Fahrt mit der VHS Schwerte im<br />
Jahr 1976 zu den Wildgänsen nach<br />
Holland ließ in ihm den Entschluss<br />
reifen, in Schwerte mehr für den <strong>Natur</strong>schutz<br />
zu tun. 1979 konnte er diese<br />
Idee als Leiter der AGON (Arbeits-<br />
Gemeinschaft- Ornithologie und <strong>Natur</strong>schutz)<br />
verwirklichen. Die AGON<br />
wurde als Arbeitsgemeinschaft der<br />
Volkshochschule Schwerte gegründet<br />
und fand bald regen Zulauf. Zu dem<br />
ursprünglichen Thema „Vogelschutz“<br />
kamen nach und nach die Gruppen<br />
Pilze, Botanik, Nisthilfenbau, Amphibienschutz,<br />
Insekten, Spinnen und<br />
Schmetterlinge dazu.<br />
� Kein bisschen müde<br />
Inzwischen hat die AGON unter seiner<br />
Leitung ihren 25. Geburtstag gefeiert,<br />
aber weder er noch die AGON<br />
zeigen Verschleißerscheinungen und<br />
der Enthusiasmus ist noch der gleiche,<br />
was sich gerade jetzt wieder bei Pflegemaßnahmen<br />
im <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
Ebberg bewies.<br />
Seit 1994 ist Dieter Ackermann<br />
zwar arbeitsmäßig im Ruhestand,<br />
setzt dafür aber seine Kräfte jetzt voll<br />
für die Erhaltung der Landschaft ein.<br />
Lange Jahre war er stellvertretender<br />
Vorsitzender des NABU – <strong>Kreis</strong>verbandes<br />
<strong>Unna</strong>.<br />
Heute arbeitet er als Vorsitzender<br />
im Landschaftsbeirat des <strong>Kreis</strong>es tatkräftig<br />
mit. Außerdem zeigt er Diavorträge<br />
und macht auch ornithologische<br />
Führungen, um so Menschen an die<br />
<strong>Natur</strong> heranzuführen – und ist dabei<br />
immer jung geblieben.
� Biografie<br />
Helmut July ist ein<br />
<strong>Natur</strong>freund mit Leib und Seele<br />
von Corinna Glück<br />
Seine Augen strahlen und seine<br />
Begeisterung ist deutlich spürbar,<br />
wenn Helmut July erzählt. Immer<br />
wieder fallen ihm neue Anekdoten<br />
und Erlebnisse rund um sein<br />
unstillbares Engagement für die<br />
<strong>Natur</strong> ein. Anfangs als „Chlorophyll-Apostel“,<br />
„Grüner Terrorist“<br />
oder „Spinner vom Beversee“<br />
tituliert, wurde er später mit<br />
zahlreichen Auszeichnungen und<br />
Preisen anerkannt. Jüngst erhielt<br />
der heute 69-Jährige für das<br />
langjährige ehrenamtliche Engagement<br />
die Ehrenmedaille der Stadt<br />
Bergkamen.<br />
Seine Leidenschaft für Flora und<br />
Fauna begann eigentlich ganz unspektakulär.<br />
Mit elf Jahren bekam der gebürtige<br />
Soester von einem Nachbarn<br />
sein erstes Bienenvolk geschenkt. „Ich<br />
war begeistert. So fing alles an. Ich<br />
begann, die <strong>Natur</strong> zu beobachten“,<br />
erinnert sich Helmut July. Von da an<br />
zogen sich die Aktivitäten für die <strong>Natur</strong><br />
PERSONEN<br />
Helmut July setzt sich mit ganzem Herzen für die <strong>Natur</strong> ein. Foto: Ralf Sänger.<br />
wie ein roter Faden durch sein Leben.<br />
An der Pädagogischen Hochschule in<br />
Osnabrück studierte Helmut July Päd-<br />
agogik mit der Hauptfachrichtung Biologie.<br />
Von 1960 bis 1962 unterrichtete<br />
er auf Neufehn in Ostfriesland. Aus<br />
43
44 PERSONEN<br />
familiären Gründen zog er 1962 wieder<br />
nach Bergkamen. Dort war er erst<br />
an der Albert-Schweitzer-Schule und<br />
später an der Harkortschule tätig.<br />
� Leben in und für die <strong>Natur</strong><br />
Während seiner Lehrtätigkeit begann<br />
Helmut Julys Tag um kurz vor<br />
sechs. Nachdem Tauben und Zwerghühner<br />
gefüttert waren, unterrichtete<br />
er seine Schüler. Danach begannen<br />
seine Feldzüge für die <strong>Natur</strong>: Ortsbesichtigung<br />
am Beversee, Gespräche<br />
mit dem Bürgermeister, Forstbeamten<br />
und der Presse. Abends schrieb<br />
er seine Eindrücke auf oder diktierte<br />
seiner Frau offizielle Stellungnahmen.<br />
„Richtig Feierabend hatte ich eigentlich<br />
nie“, erzählt er. „<strong>Natur</strong>schutz ging<br />
immer vor Privatleben.“ So ist es kein<br />
Wunder, dass Helmut July sich einige<br />
Erfolge auf die Fahne schreiben kann.<br />
Für ihn zählt auch ein wiederbesetztes<br />
Hornissennest oder ein erfolgreich umgesiedelter<br />
Ameisenhaufen dazu.<br />
Mitte der sechziger Jahre begann<br />
seine Blütezeit als <strong>Natur</strong>schützer. Ob<br />
Mitglied oder Vertreter beim World<br />
Wildlife Found, Greenpeace oder der<br />
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald,<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> oder der Schutzstation<br />
Wattenmeer, der Westfälischen<br />
Ornithologischen Gesellschaft oder<br />
der Ameisenschutzwarte des Landes<br />
Nordrhein-Westfalen, überall versuchte<br />
Helmut July sein Wissen und seine<br />
Erfahrung einzubringen oder neue<br />
Ideen zu sammeln. Seine Lieblingsbeschäftigung<br />
war und ist auch heute<br />
noch die Imkerei.<br />
Über 20 Jahre war er Geschäftsführer<br />
des <strong>Kreis</strong>imkervereins <strong>Unna</strong>-Hamm.<br />
Einige der zahlreichen Institutionen<br />
hat der <strong>Natur</strong>begeisterte auf eigenen<br />
Wunsch verlassen. „Heute bin ich<br />
noch mit Leib und Seele Landschaftswächter<br />
für die Lippeaue, Berghalden<br />
und den Beversee.“ Der Beversee.<br />
Helmut Julys besonderer Stolz. „Das<br />
ist ein regelrechtes Kleinod“, erzählt<br />
er schwärmerisch. Dank seiner Hartnäckigkeit<br />
und Überzeugung – immerhin<br />
füllen seine Briefe, Zeitungsausschnitte<br />
und Ablehnungen mehrere Aktenordner<br />
– haben verschiedene Enten,<br />
Schwäne, Gänse, Kormorane und<br />
andere Gefiederte hier ein Biotop<br />
gefunden. Ebenso leben im Wald<br />
Fledermäuse, viele Falterarten, Rehe<br />
sind die größere Wildart dort neben<br />
Fuchs, Hase, Kaninchen und anderen.<br />
Für den Kundigen ein Eldorado. In den<br />
sechziger Jahren wollten Politiker das<br />
Gewässer verfüllen, 1985 wurde es<br />
zum <strong>Natur</strong>schutzgebiet erklärt. Das<br />
hütet der Landschaftswächter wie<br />
seinen eigenen Augapfel. Wenn er mit<br />
seinem französischen Jagdhund Elch<br />
durchs Gelände läuft, muss er ab und<br />
an Camper vertreiben, Spaziergänger<br />
bitten, ihre Hunde anzuleinen oder<br />
ihren Müll mitzunehmen. Übrigens:<br />
Helmut July ist seit 1981 Landschaftswächter<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
� Für seine Tätigkeit geehrt<br />
Als Lehrer lag ihm natürlich auch<br />
am Herzen, junge Menschen für die<br />
<strong>Natur</strong> zu begeistern. So setzte er<br />
sich ab 1968 für den Umbau und die<br />
Erweiterung des Jugendwaldheims<br />
„Ringelstein“ ein. 1988 kam zur Einweihung<br />
des neuen und alten Jugendwaldheims<br />
sogar der damalige NRW-<br />
Umweltminister Klaus Matthiesen.<br />
Seitdem beeindrucken die fünf- bis<br />
zehntägigen Aufenthalte so manchen<br />
Schüler. Stichwort Klaus Matthiesen.<br />
Stolz ist Helmut July ebenfalls darauf,<br />
dass Minister Matthiesen bereits zwei<br />
Jahre zuvor, am 23. Mai 1986, mit dem<br />
Hubschrauber anreiste, um July mit<br />
dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik<br />
Deutschland auszuzeichnen, das er<br />
als Lohn für sein Umweltengagement<br />
erhielt. Die Liste der Auszeichnungen<br />
und Preise ließe sich lange fortsetzen.<br />
Doch für Helmut July zählen die Taten<br />
für die <strong>Natur</strong> – und das bis heute. „Ich<br />
bin nur ruhiger als früher,“ sagt der<br />
<strong>Natur</strong>freund und lächelt.
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
� Im Auftrag der Biologischen Station<br />
Das Kopfbaumkataster für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>:<br />
erste Ergebnisse der kreisweiten Erfassung<br />
Abb. 1: Alte Kopfweiden in der Bergkamener Lippeaue. Alle Fotos: Wagner<br />
von Edeltraut Wagner<br />
Kopfbäume sind von Menschenhand<br />
entstanden und verkörpern<br />
ein Stück Kulturgeschichte. Sie<br />
sind typische Landschaftselemente<br />
vieler Regionen Mitteleuropas, die<br />
im Zusammenspiel mit anderen<br />
Biotopen entscheidend Erlebnis-<br />
wert und <strong>Natur</strong>nähe der Kulturlandschaft<br />
beeinflussen.<br />
Vor allem ältere, hohle Exemplare<br />
faszinieren mit ihrer imposanten Gestalt.<br />
Ihnen kommt auch eine große<br />
ökologische Bedeutung zu. Denn aufgrund<br />
der Vielfalt an Strukturen, wie<br />
Rissen, Nischen und Höhlen bieten sie<br />
zahlreichen Tieren einen Brut-, Ruhe-<br />
und Nahrungsraum.<br />
Jahrhunderte lang wurden Kopfbäume<br />
als eine regenerationsfähige<br />
Rohstoff- und Energiequelle geschätzt.<br />
Heute ist die ökonomische Bedeutung<br />
dieser alten Holznutzungsform<br />
Geschichte. Die Kopfbaumkultur ist<br />
nahezu verschwunden. Geblieben ist<br />
45
46 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
aber deren Bedeutung für <strong>Natur</strong> und<br />
Landschaft.<br />
� Anlass und Zielsetzung<br />
Anlass für die kreisweite Erfassung<br />
von Kopfbäumen seitens der Biologischen<br />
Station ist deren besondere<br />
Bedeutung vor allem für die Tierwelt.<br />
Dieses vor dem Hintergrund, dass<br />
mit dem Wegfall der wirtschaftlichen<br />
Bedeutung der Erhalt der Kopfbäume<br />
gefährdet ist. Sie werden entweder<br />
direkt aus der Landschaft entfernt,<br />
oder aber ihre Pflege wird aufgegeben,<br />
womit ein Auseinanderbrechen und<br />
Absterben der Kopfbäume vorprogrammiert<br />
ist.<br />
Kopfbäume würden wahrscheinlich<br />
gänzlich aus unserer Landschaft<br />
verschwinden, wenn nicht, wie auch<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> der ehrenamtliche und<br />
hauptamtliche <strong>Natur</strong>schutz diesen<br />
Prozess aufhalten würde. Mit der Erstellung<br />
eines Kopfbaumkatasters für<br />
das <strong>Kreis</strong>gebiet werden verschiedene<br />
Zielvorgaben verfolgt:<br />
� zunächst soll die kreisweite Erfassung<br />
einen Überblick zum Kopfbaumbestand<br />
im <strong>Kreis</strong> liefern<br />
� zukünftig soll das Kataster als<br />
Grundlage für eine abgestimmte<br />
Planung dauerhafter Kopfbaumpflege<br />
und die Abschätzung des<br />
notwendigen Aufwandes dienen<br />
� Die Erstellung des Katasters<br />
Im Winter 2002/2003 wurde im<br />
Auftrag der Biologischen Station eine<br />
umfangreiche und flächendeckende<br />
Kopfbaumkartierung begonnen. Bisher<br />
konnten sechs Gemeindegebiete und<br />
ein weiteres teilweise erfasst werden.<br />
Die Kartierung der übrigen Gemeinden<br />
ist im Winter 2004/2005 durchgeführt<br />
worden, so dass das Kataster in 2005<br />
fertiggestellt sein wird.<br />
� Die Kartierung<br />
Die Kopfbaumkartierung erfolgte<br />
außerhalb der Siedlungsbereiche,<br />
wobei das Kartiergebiet systematisch<br />
abgefahren wurde. Die Lage von<br />
Kopfbäumen wurde in eine Karte im<br />
Maßstab 1:5000 (DGK-5) eingetragen.<br />
Mittels eines Erfassungsbogens<br />
wurden Angaben zum Standort und<br />
zu einzelnen Kopfbäumen gemacht,<br />
wobei ein Standort mehrere Kopfbäume<br />
umfassen kann. Als Standortdaten<br />
notiert wurden u.a.: Kartierdatum,<br />
Standortnummer, Angaben zur Erreichbarkeit<br />
und eine Standortbeschreibung.<br />
Angaben zu einzelnen<br />
Kopfbäumen umfassten: Kopfbaumnummer,<br />
Art- bzw. Gattungsname,<br />
Anmerkungen bei abgestorbenen,<br />
durchgewachsenen, sehr alten oder<br />
sehr jungen Bäumen (Neuanpflanzungen);<br />
des weiteren wurde der<br />
letzte Schnittzeitpunkt (sofern frisch<br />
geschnitten) und eine Empfehlung<br />
zum Zeitraum des nächsten Pflegeschnittes<br />
erhoben. Letztere besteht<br />
aus einer Grob- und Feinklassifizierung<br />
in Anlehnung an die von LOSKE (1982)<br />
definierten Pflegekategorien:<br />
� kurzfristig pflegebedürftig (A): sofort<br />
schneiteln<br />
� mittelfristig pflegebedürftig (B): in<br />
1-2 Jahren schneiteln<br />
� mittelfristig pflegebedürftig (C): in<br />
3-5 Jahren schneiteln<br />
� langfristig pflegebedürftig (D): in<br />
6-8 Jahren schneiteln<br />
� langfristig pflegebedürftig (E): in<br />
9-10 Jahren schneiteln<br />
� Pflege nicht mehr möglich (F):<br />
schneiteln nicht mehr möglich<br />
(überaltert, abgestorben, etc.)<br />
Der Einschätzung des nächsten<br />
Pflegezeitraumes eines Kopfbaumes<br />
wurde ein acht- bis zehnjähriger Pflegeturnus<br />
zu Grunde gelegt. Für junge<br />
Kopfbäume wurde ein geringerer<br />
Pflegeabstand angenommen.<br />
� Die EDV-Aufbereitung<br />
Das Kopfbaumkataster für den<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> besteht aus zwei Teilen:<br />
der kartographischen Darstellung der<br />
Kopfbäume in einer digitalen Karte<br />
mittels eines Geographischen Informationssystems<br />
und einem Datenbankteil
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Abb. 2: Punktverbreitungskarte mit Darstellung der Pflegebedürftigkeit im Bereich der Lippe zwischen Werne und Bergkamen<br />
der alle Sachdaten enthält. Geodaten<br />
und Sachdaten sind durch eine Schnittstelle<br />
über die individuelle Kopfbaumnummer<br />
miteinander verbunden.<br />
In dem Geographischen Informationssystem<br />
[ESRI ArcView] wurde<br />
eine Punktverbreitungskarte erstellt,<br />
in der jeder Punkt einem Kopfbaum<br />
entspricht. Über eine Legendenfunktion<br />
kann z.B. eine farblich abgestufte<br />
oder symbolhafte Darstellung der<br />
Pflegebedürftigkeit der Kopfbäume<br />
erstellt werden.<br />
Derart werden „Hotspots“ mit<br />
höherer Dringlichkeit für Pflegemaßnahmen<br />
gut sichtbar. In der Datenbank<br />
[MS-Access] sind alle im Gelände erfassten<br />
Parameter abgelegt. Zentrale<br />
Bestandteile der Datenbank sind die<br />
Tabellen STANDORT und KOPFBAUM.<br />
Sie sind über die Standortnummer<br />
47
48 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Abb. 3: Ansicht des Eingabeformulars zur Datenverwaltung in der MS-Access-Datenbank<br />
STO miteinander verbunden. Weitere<br />
Tabellen enthalten Stammdaten (z.B.<br />
Gemeindenamen, Art- bzw. Gattungsnamen),<br />
die ausgegliedert wurden, um<br />
Speicherplatz zu sparen. Über einen<br />
„Primärschlüssel“ sind diese mit den<br />
zentralen Tabellen verknüpft. Für jeden<br />
Kopfbaum wird der Zeitpunkt des<br />
nächsten Pflegeschnittes automatisch<br />
bestimmt, wenn die Angaben zum<br />
Kartierdatum bzw. letzten Schnittzeitpunkt<br />
und der Pflegebedürftigkeit<br />
eingegeben worden sind.<br />
Zur Eingabe, Änderung, Ergänzung<br />
oder aber zur Ansicht von Datensätzen<br />
dient das Eingabeformular, s. Abb. 3.<br />
Es ist analog zum im Gelände verwendeten<br />
Erfassungsbogen angelegt.<br />
Es gliedert sich in ein Haupt- (oberer<br />
Teil) und Unterformular (unterer Teil).<br />
Im Hauptformular ist die Eingabe der<br />
Standortdaten, im Unterformular die<br />
der Kopfbaumdaten möglich. Das<br />
Eingabeformular ermöglicht dabei die<br />
komfortablere Eingabe von beliebig<br />
vielen Kopfbäumen an einem Stand-<br />
ort. Des Weiteren können für jeden<br />
Kopfbaum Termine und Eckdaten von<br />
auch in der Vergangenheit durchgeführten<br />
Pflegemaßnahmen eingegeben<br />
werden.<br />
Die Datenbank enthält auch eine<br />
Reihe vorgefertigter Abfragen zur Datenauswertung.<br />
Sie analysieren die Datensätze<br />
hinsichtlich einer bestimmten<br />
Fragestellung und geben sie in tabellarischer<br />
Form wieder. Beispielsweise<br />
wirft die „Kopfbäume in 2007/2008<br />
pflegebedürftig – Abfrage“ als Ergebnis<br />
nach Standorten gruppiert alle<br />
Kopfbäume aus, die kreisweit im<br />
bzw. ab Winter 2007/2008 einer<br />
Pflegemaßnahme bedürfen. Andere<br />
Abfragen ermöglichen eine Analyse<br />
z.B. nach Artenzusammensetzung,<br />
der Verteilung in Gemeinden oder<br />
Schutzgebieten etc. Die Abfrageergebnisse<br />
lassen sich im GIS ArcView<br />
kartographisch visualisieren.<br />
� Vorläufige Auswertungen<br />
Die vorliegenden Daten der kartierten<br />
Teilflächen ermöglichen eine erste,<br />
vorläufige Statistik zum Kopfbaumvorkommen<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
� Anzahl und Verteilung der<br />
Kopfbäume<br />
Bisher wurden in sieben Gemeinden<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> knapp 8.400
Abb. 4: Anzahl der Kopfbäume pro Gemeindegebiet (*<strong>Unna</strong> ist unvollständig bearbeitet.)<br />
Kopfbäume an etwa 1.350 Standorten<br />
erfasst. Aus der Verbreitungskarte, vgl.<br />
nebenstehende Karte, lassen sich Räume<br />
mit einer Konzentration an Kopfbaumvorkommen<br />
ausmachen. Zu den<br />
Kopfbaumzentren des <strong>Kreis</strong>es zählt<br />
(fast im gesamten Verlauf) die Lippe,<br />
wo Kopfbäume häufig am Ufer oder<br />
auf angrenzenden Grünlandflächen<br />
stehen. Besonders viele Kopfbäume<br />
befinden sich in den Lippeweiden im<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet „Langerner Hufei-<br />
sen“ (Gemeinde Bergkamen).<br />
Eine Konzentration an Kopfbäumen<br />
kann ebenso im Gemeindegebiet von<br />
Bönen, der flächenmäßig kleinsten<br />
bisher kartierten Gemeinde, festgestellt<br />
werden. Hier wurden mit 1.826<br />
Kopfbäumen die meisten Kopfbäume<br />
einer Gemeinde registriert (vgl. Abb.<br />
4). Das sind 22 % des derzeitigen,<br />
kreisweiten Kopfbaumvolumens. Diese<br />
Häufung erstreckt sich nach Westen<br />
bis Rottum (Gemeinde Kamen) und<br />
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Overberge (Gemeinde Bergkamen).<br />
In der Gemeinde Werne wurden mit<br />
1669 Kopfbäumen und 20 % des<br />
kreisweiten Kopfbaumvolumens fast<br />
ebenso viele Kopfbäume erfasst wie<br />
in Bönen, dieses allerdings auf einer<br />
weitaus größeren Gemeindefläche.<br />
Die geringe Anzahl kartierter Kopfbäume<br />
in <strong>Unna</strong> ist auf den Bearbeitungsstand<br />
zurückzuführen. Bei der<br />
gegenwärtigen Kartierung in dieser<br />
Gemeinde zeichnet sich jedoch ab,<br />
dass sich zumindest in Mühlhausen im<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet „Uelzener Heide/<br />
Mühlhauser Mark“ ein weiteres und<br />
möglicherweise d a s Kopfbaumzentrum<br />
des <strong>Kreis</strong>es befindet.<br />
� Anteil von Kopfbäumen in<br />
Schutzgebieten<br />
Die Abbildung 5 zeigt den prozentualen<br />
Anteil der Kopfbäume in <strong>Natur</strong>schutzgebieten<br />
(NSG) und Geschützten<br />
Landschaftsbestandteilen (LB).<br />
Die höchsten Anteile an Kopfbäumen<br />
innerhalb von Schutzgebieten sind<br />
in Bönen (57 %) anzutreffen. Doch<br />
auch in Bergkamen und Kamen liegt<br />
ihr Anteil bei der Hälfte der kartierten<br />
Kopfbäume (52 % bzw. 50 %). Weitaus<br />
niedrigere Anteile weisen hingegen<br />
die Gemeinden Werne und Selm (34<br />
und 23 %) auf. Für die Gemeinden<br />
Lünen und <strong>Unna</strong> konnte aufgrund<br />
49
50 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Abb. 5: Prozentualer Anteil der Kopfbäume in Schutzgebieten (<strong>Natur</strong>schutzgebiete<br />
und Geschützte Landschaftsbestandteile)<br />
unvollständiger Datensätze noch keine<br />
Auswertung dieses Parameters vorgenommen<br />
werden. Im Durchschnitt<br />
der bisher ausgewerteten Gemeinden<br />
liegen 43 % der Kopfbäume aber nur<br />
37 % der Standorte in Schutzgebieten.<br />
Diese Ergebnisse lassen folgende<br />
Schlüsse zu:<br />
� Etwa 43 % des kreisweiten Kopfbaumbestandes<br />
befinden sich auf<br />
nur ca. 7,4 % der <strong>Kreis</strong>fläche in<br />
Schutzgebieten<br />
� <strong>Kreis</strong>weit wären 57 % der erfassten<br />
Kopfbäume außerhalb der<br />
Siedlungsbereiche nicht registriert<br />
worden, hätte eine Kartierung nur<br />
Schutzgebiete berücksichtigt<br />
� In Schutzgebieten wurden mehr<br />
Kopfbäume pro Standort erfasst, als<br />
außerhalb der Schutzgebiete<br />
Dieses Ergebnis macht auch deutlich,<br />
dass sich die Bemühungen des<br />
<strong>Natur</strong>schutzes, also die Durchführung<br />
von Pflege- und Pflanzaktionen oft auf<br />
bereits geschützte Flächen konzentrieren<br />
(müssen).<br />
� Kopfbaumarten im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Am bekanntesten und verbreitetsten<br />
sind im allgemeinen und so auch<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> die Kopfweiden. Von<br />
den bisher kartierten Kopfbäumen<br />
sind 7.253 (87 %) dieser Gattung (Salix<br />
spec.) zugehörig, s. Abb. 6. <strong>Kreis</strong>weit<br />
ist die Gewöhnliche Esche (Fraxinus<br />
excelsior) die zweithäufigste Art. Die<br />
660 Exemplare stellen 8 % aller Kopfbäume.<br />
Allein in der Gemeinde Bönen<br />
wachsen über die Hälfte (56 %) aller<br />
registrierten Kopfeschen. Am dritthäufigsten<br />
sind im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> Pappeln als<br />
Kopfbäume ausgebildet. Von dieser<br />
Gattung (Populus spec.) wurden 141<br />
Individuen (1,7 %) erfasst. Weitaus<br />
seltener mit Mengenanteilen unter 1<br />
% aller Kopfbäume finden sich Hainbuchen,<br />
Eichen, Linden, Ahorn, Birken,<br />
Erlen, Weißdorn, Kirschen, Rosskastanien<br />
und Rotbuchen. Auffällig ist bei<br />
einigen Arten ihr Vorkommen an oder<br />
in der Nähe von anthropogen stark<br />
geprägten Standorten. So konzentrieren<br />
sich die registrierten Pappeln<br />
auf die Umgebung von Sportplätzen.<br />
Ahorn- und Linden-Arten finden sich<br />
fast ausschließlich auf Friedhöfen oder<br />
an Straßenrändern in der Nähe von<br />
Siedlungen und Höfen. Die Gewöhnlichen<br />
Rosskastanien können gar als<br />
ausgesprochene „Hofkopfbäume“<br />
bezeichnet werden. Meist sind sie als<br />
Hochstammkopfbaum ausgebildet und<br />
stehen auf dem Hof oder begleiten die<br />
Hofzufahrten. Die Häufung einiger
Abb. 6: Anteil verschiedener Baumarten am Kopfbaumspektrum<br />
Arten bzw. Gattungen an anthropogen<br />
geprägten Standorten lässt vermuten,<br />
dass sich bei einer Kartierung in den<br />
Städten und Dörfern ein anderes Bild<br />
ergäbe. Wahrscheinlich unterscheiden<br />
sich sowohl die Artenzusammensetzung<br />
als auch die Artenanteile in den<br />
Siedlungsbereichen von denen in der<br />
freien Landschaft. So haben LOOS &<br />
LOOS (1991), deren Kartierung in der<br />
Gemeinde <strong>Unna</strong> auch die Siedlungsbereiche<br />
einschloss, Robinien, Zierkirschen<br />
und Platanen als Kopfbäume<br />
vorgefunden.<br />
� Pflegezustand der Kopfbäume<br />
Der Kopfbaumbestand des <strong>Kreis</strong>es<br />
<strong>Unna</strong> weist insgesamt einen guten<br />
Pflegezustand auf. Zum Zeitpunkt der<br />
Kartierung wurden 25 % der Kopfbäume<br />
als langfristig pflegebedürftig<br />
und 58 % als mittelfristig pflegebedürftig<br />
eingeschätzt, s. Abbildung 8.<br />
Somit war die Mehrheit (83 %) der<br />
Kopfbäume zum Erfassungszeitpunkt<br />
nicht akut pflegebedürftig. Kurzfristig<br />
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Abb. 7: Alte, auseinander gebrochene<br />
Kopfweide.<br />
pflegebedürftig waren allerdings 14<br />
% der registrierten Kopfbäume. Als<br />
Bäume, bei denen die Pflege nicht<br />
mehr möglich ist, da sie bereits auseinander-<br />
bzw. zusammengebrochen<br />
oder abgestorben waren, wurden 2<br />
% des Gesamtbestandes angesehen.<br />
Weitere 1 % waren akut vom Auseinander-/Zusammenbrechen<br />
bedroht<br />
oder waren so stark durchgewachsen,<br />
dass eine Pflege aufgrund der Astdicke<br />
fast bzw. bald nicht mehr möglich zu<br />
sein schien. Diesen Bäumen wurde die<br />
51
52 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Abb. 8: Aktuelle Pflegebedürftigkeit<br />
der<br />
Kopfbäume im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong><br />
Abb. 9: Altersstruktur<br />
der Kopfbäume im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong><br />
Zwischenkategorie „sofort pflegebedürftig/Pflege<br />
nicht mehr möglich“<br />
zugeordnet.<br />
� Die „Altersstruktur“<br />
Bei der Kartierung wurde anhand<br />
der Stammdurchmesser eine grobe<br />
Abschätzung des Alters in drei Kategorien<br />
vorgenommen. Aus Abbildung<br />
9 ist ersichtlich, dass die Bemühungen<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> bereits<br />
Früchte getragen haben, denn 17<br />
% der kartierten Kopfbäume wurden<br />
als „Neuanpflanzungen“ (bis 20 cm<br />
Stammdurchmesser) klassifiziert. Sehr<br />
alte Bäume (Stammdurchmesser über<br />
80 cm) hingegen machen ein Zehntel<br />
des Bestandes aus.<br />
Literatur<br />
BRAUN, B. & W. KONOLD (1998): Kopfweiden,<br />
Kulturgeschichte und Bedeutung der<br />
Kopfweiden in Südwestdeutschland. In: Beih.<br />
Veröff. <strong>Natur</strong>schutz Landespflege Bad.-Württ.<br />
89, Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher,<br />
240 S.<br />
LOOS , G.H. & W. LOOS (1991): Kopfweiden<br />
und andere Kopfbäume in <strong>Unna</strong>. Stadt <strong>Unna</strong> in<br />
Zusammenarbeit mit der Krötenschutzgruppe<br />
der VHS <strong>Unna</strong> (Hrsg.), <strong>Unna</strong>, 50 S.<br />
LOSKE, K. (1982): Erhaltung, Pflege und Neuanlage<br />
von Kopfbäumen. <strong>Natur</strong>schutz praktisch.<br />
In: Merkblätter zum Biotop- und Artenschutz.<br />
Nr. 42, LÖLF-NRW, Recklinghausen.
� Eine Diplomarbeit<br />
Picus und Co. – die Spechte<br />
vom Cappenberger Wald<br />
von Vera Klein<br />
In Anbindung an die Biologische<br />
Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> entstand<br />
in den Jahren 2003/04 die Diplomarbeit<br />
„Untersuchungen zur<br />
Spechtfauna des FFH-Gebietes<br />
‘Wälder bei Cappenberg‘ (NRW)<br />
sowie Vorschläge für Maßnahmen<br />
und ein Monitoring-Programm im<br />
Rahmen der FFH-Berichtspflicht“<br />
als Abschluss des Studiums der<br />
Landschaftsentwicklung an der<br />
Fachhochschule Osnabrück.<br />
� Anlass der Untersuchungen<br />
Im Rahmen der Umsetzung der<br />
Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind<br />
alle Mitgliedsstaaten der Europäischen<br />
Union (EU) dazu verpflichtet, besondere<br />
Schutzgebiete vorzuschlagen,<br />
auszuweisen und regelmäßige Erfolgskontrollen<br />
über den Erhaltungszustand<br />
von FFH-Lebensraumtypen und Arten<br />
zu erstellen (Berichtspflicht gem. Art.<br />
17). Die sechsjährigen Berichtszeiträume<br />
erfordern die Durchführung von<br />
zielgerichteten, aussagekräftigen Mo-<br />
Eine „Spechtflöte “, bewohnt von<br />
Schwarzspecht und Hohltaube<br />
Foto: Klein<br />
nitoring-Programmen. Empfehlungen<br />
zur Methodik und Parameterauswahl<br />
im Rahmen eines Monitorings stehen<br />
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
derzeit im Mittelpunkt fachlicher<br />
Diskussionen (z.B. RÜCHRIEM & RO-<br />
SCHER, 1999).<br />
� Warum Spechte?<br />
Für Wälder ergeben sich aufgrund<br />
ihrer Arten- und Strukturvielfalt sowie<br />
hinsichtlich der unterschiedlichen Nutzungstypen<br />
besondere Herausforderungen.<br />
Insbesondere die Vogelfauna<br />
eignet sich hier zur Erfassung und<br />
Bewertung des Erhaltungszustandes<br />
von FFH-Waldlebensraumtypen.<br />
Vögel sind relativ gut erfassbar und<br />
besitzen eine gut untersuchte Indikatorfunktion<br />
(FLADE, 1994). Im Wald<br />
trifft dies gerade für die Spechte zu.<br />
Ihre Funktion als Indikatoren gründet<br />
vor allem in ihrer engen Bindung an<br />
Waldstrukturen, wie Tot- und Altholz<br />
(SCHERZINGER, 1998).<br />
� Was wurde untersucht?<br />
Das FFH-Gebiet „Wälder bei Cappenberg“<br />
mit einer Gesamtfläche von<br />
673 ha ist Bestandteil des ca. 1500<br />
ha großen Waldkomplexes „Cappenberger<br />
Wald“, der zu den größten<br />
53
54 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
zusammenhängenden Waldgebieten<br />
des Kernmünsterlandes zählt.<br />
Als Untersuchungsgebiet zur Erfassung<br />
der Spechte wurde mit Blick auf<br />
vorkommende „Groß-Spechtarten“<br />
(große Reviergrößen) das so genannte<br />
„Kohusholz“ ausgewählt, da es mit<br />
rund 440 ha den größten Waldbereich<br />
des FFH-Gebietes darstellt. Um den<br />
Beobachtungs- und Zeitaufwand für<br />
die Erfassung vorkommender „Klein-<br />
Spechtarten“ (geringere Reviergrößen)<br />
in Grenzen zu halten, konzentrierte<br />
sich diese auf eine ausgesuchte<br />
Teilfläche von ca. 180 ha.<br />
Im Untersuchungsgebiet kommen<br />
vier FFH-Wald-Lebensraumtypen vor:<br />
Hainsimsen-Buchenwald, Waldmeister-Buchenwald,<br />
Sternmieren-Eichen-<br />
Hainbuchenwald und Erlen-Eschen-<br />
Weichholzauenwald.<br />
Im Zeitraum Dezember 2002 bis<br />
September 2003 wurden die Spechtarten<br />
hinsichtlich ihres Vorkommens<br />
und ihrer Siedlungsdichte mittels<br />
Revierkartierungen (Real- bzw. Papierreviere)<br />
untersucht. Um Angaben zur<br />
Habitatnutzung der Spechte machen<br />
zu können, wurden eine Wald- und<br />
eine Lebensraumstrukturkartierung<br />
durchgeführt. Die Höhlen- bzw.<br />
Brutbäume von Schwarzspecht, Buntspecht<br />
und Mittelspecht wurden speziell<br />
erfasst.<br />
Ziel der Arbeit war es, hinsichtlich<br />
eines Monitoring-Programms für das<br />
FFH-Gebiet, anhand ausgewählter<br />
Methoden Aussagen über das Vorkommen<br />
von Spechtarten zu treffen<br />
und über die Indikatorfunktion der<br />
Spechte die Qualität des Gebietes zu<br />
beschreiben.<br />
� Ergebnisse<br />
Im Untersuchungsgebiet wurden<br />
insgesamt sechs Spechtarten festgestellt:<br />
� Schwarzspecht (Dryocopus martius):<br />
1 Revier bzw. 0,23 Reviere<br />
pro 100 ha<br />
� Grauspecht (Picus canus): Zufallsbeobachtung<br />
� Grünspecht (Picus viridis): Zufallsbeobachtung<br />
im Randbereich des<br />
Untersuchungsgebietes<br />
� Buntspecht (Picoides major): 15<br />
Reviere bzw. 8,31 Reviere pro 100<br />
ha<br />
� Mittelspecht (Picoides medius):<br />
5 Reviere bzw. 2,28 Reviere pro<br />
100 ha<br />
� Kleinspecht (Picoides minor): 2 Reviere<br />
bzw. 1,11 Reviere pro 100 ha<br />
Durch ihr reiches Vorkommen<br />
und ihre Siedlungsdichte zeigen die<br />
Spechte einen strukturreichen, alten<br />
und naturnahen Waldbestand an, der<br />
einen sehr wertvollen Lebensraumkomplex<br />
darstellt. Auf der Basis der<br />
Ergebnisse wurden Vorschläge zu<br />
Maßnahmen zur Verbesserung und<br />
Erhaltung der Lebensbedingungen<br />
der Spechte erarbeitet. Wesentliche<br />
Maßnahme ist die Weiterführung der<br />
naturnahen Waldbewirtschaftung, die<br />
zu einer hohen Strukturvielfalt im Untersuchungsgebiet<br />
geführt hat. Durch<br />
die Ergebnisse der Untersuchungen<br />
wurde die herausragende Bedeutung<br />
der Spechte als Indikatoren zur Bewertung<br />
des Erhaltungszustandes von<br />
FFH-Wald-Lebensraumtypen aufgezeigt,<br />
und somit die Schutzwürdigkeit<br />
des FFH-Gebietes unterstrichen.<br />
Interessenten können die Diplomarbeit<br />
auf der Biologischen Station einsehen.<br />
Literatur:<br />
FLADE, M. (1994): Die Brutvogelgemeinschaften<br />
Mittel- und Norddeutschlands. Grundlagen<br />
für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der<br />
Landschaftsplanung. - IHW-Verlag. Eiching.<br />
RÜCKRIEM, C. & ROSCHER, S. (1999): Empfehlungen<br />
zur Umsetzung der Berichtspflicht<br />
gemäß Artikel 17 der Fauna-Flora-Habitat-<br />
Richtlinie. BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ<br />
(BfN) (Hrsg.). - Angewandte Landschaftsökologie,<br />
Heft 22. Bonn - Bad-Godesberg.<br />
SCHERZINGER, W. (1998): Sind Spechte<br />
„gute“ Indikatoren der ökologischen Situation<br />
von Wäldern? – Vogelwelt 119: 1-6.
� <strong>Kreis</strong>jägerschaft <strong>Unna</strong><br />
Jagd ist nicht nur töten, sondern auch<br />
angewandter <strong>Natur</strong>schutz<br />
von Werner Rottmayer und<br />
Jochen Trebing<br />
Die Bedeutung der Jagd wird<br />
leider nicht überall nur positiv<br />
gewürdigt. Das vor wenigen Wochen<br />
von Renate Künast, Bundesministerin<br />
für Verbraucherschutz,<br />
Ernährung und Landwirtschaft,<br />
vorgelegte Eckpapier zur Novellierung<br />
des Bundesjagdgesetzes zeigt<br />
das sehr deutlich. In Deutschland<br />
ist das Jagdrecht bekanntlich ein<br />
an Grund und Boden gebundenes<br />
Eigentumsrecht.<br />
Mehr als 80 % der Jagdflächen<br />
befinden sich in privater Hand. Dies<br />
ist eine Folge der Rechtsentwicklung<br />
in Europa. Zunächst koppelte die französische<br />
Revolution 1789 und dann<br />
auch die so genannten bürgerlichen<br />
Revolutionen in Deutschland 1848<br />
das Jagdrecht an das Grundeigentum.<br />
Seitdem liegt das Jagdrecht bei den<br />
Grundeigentümern und ist nach dem<br />
Bundesjagdgesetz mit der Hegepflicht<br />
verbunden. Hege heißt, die Lebens-<br />
Es wird zur Jagd angeblasen. Foto: Rottmayer<br />
grundlagen des Wildes zu erhalten<br />
und zu verbessern und nur so viel zu<br />
erlegen, wie die Bestandsentwicklung<br />
nachhaltig erlaubt oder erforderlich<br />
ist, um Wildschäden, Seuchen oder<br />
Wildunfälle abzuwehren.<br />
Im Folgenden sind einige bundesweite<br />
Leistungen genannt, die die<br />
Jäger aus eigenen Mitteln – ohne<br />
Zuschüsse von Bund und Land – gestemmt<br />
haben:<br />
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
� 5.700 Streuobstwiesen ca. 2.000<br />
Hektar;<br />
� 8.500 Stilllegungsflächen ca. 41.000<br />
Hektar werden von Jägern angelegt<br />
und gepflegt;<br />
� 3.600 neue Hecken werden jährlich<br />
von Jägern angelegt<br />
� 4.000 Teichflächen mit einer Gesamtgröße<br />
von ca. 1.700 Hektar;<br />
� 6.300 Feldholzinseln ca. 3.000<br />
Hektar;<br />
55
56 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Mittagspause am Lagerfeuer. Foto: Rottmayer<br />
� 20.000 neue Wildäsungsflächen in<br />
Wald und Feld mit einer Größe von<br />
35.000 Hektar werden jährlich von<br />
Jägern angelegt;<br />
� 270.000 Nistkästen werden jährlich<br />
von Jägern hergestellt und gepflegt.<br />
Das sind pro Jahr 800.000 Jungvögel.<br />
� 14.000 Maßnahmen im Bereich<br />
Lernort <strong>Natur</strong><br />
� Umwelt- und Biotoparbeit<br />
3.200.000 Stunden werden von<br />
Jägern jährlich an Arbeitsleistung<br />
erbracht. Das entspricht einer Vollzeit-Beschäftigung<br />
von jährlich 2.100<br />
Personen. Bei einer Aufwandsentschädigung<br />
von nur zehn Euro pro Stunde<br />
würden Kosten in Höhe von 32 Millionen<br />
Euro anfallen. Die zahlen die Jäger<br />
aus eigener Tasche. Aus diesem Grund,<br />
warum sollen wir Jäger also unsere<br />
Leistungen nicht mit gutem Gewissen<br />
nach außen tragen? Wir brauchen uns<br />
vor anderen <strong>Natur</strong>schutzorganisationen<br />
nicht verstecken.<br />
Keine andere Organisation leistet<br />
auch nur annähernd so viel Umwelt-<br />
und Biotoparbeit wie wir Jäger. Ganz<br />
zu schweigen von der Ausbildung der<br />
Jäger, die seit Einführung des Jagdscheines<br />
ein grünes Abitur vorlegen<br />
müssen. Eins können wir deutlich<br />
sagen: „Jagd ist angewandter <strong>Natur</strong>schutz“.<br />
Wäre das ehrenamtliche<br />
Engagement der Jäger für die <strong>Natur</strong><br />
nicht so stark, müssten die Aufgaben<br />
vom Staat wahrgenommen werden.<br />
� Arbeit im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Zum Schluss die Arbeit der <strong>Kreis</strong>jägerschaft<br />
(KJS) im eigenen <strong>Kreis</strong>.<br />
Vorrang hat die Öffentlichkeitsarbeit.<br />
Hier ist nicht nur die KJS, sondern alle<br />
acht Hegeringe tätig und beteiligt.<br />
Die KJS-eigene rollende Waldschule<br />
ist fast ständig unterwegs, sowohl bei<br />
öffentlichen Veranstaltungen in den<br />
Städten und Gemeinden als auch in<br />
den Schulen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>.<br />
Durch den verstärkten Einsatz von<br />
Lernort <strong>Natur</strong> wird von den Schulen<br />
diese rollende Waldschule angefordert.<br />
Das begleitende Personal gibt<br />
den Schülern Auskunft über alle Fragen,<br />
die die Kinder stellen. Diese lernen<br />
so das heimische Wild kennen und erfahren<br />
vieles über die Arbeit der Jäger<br />
in der und für die <strong>Natur</strong>. Zusammengefasst<br />
haben wir gute Argumente,<br />
wir sind in der Öffentlichkeit über das<br />
Internet, die <strong>Natur</strong>schutzarbeit und<br />
Lernort <strong>Natur</strong> präsent. Wir haben engagierte,<br />
gut ausgebildete Jägerinnen<br />
und Jäger vor Ort, die hervorragende<br />
Lobbyarbeit leisten. Die Jäger arbeiten<br />
eigenverantwortlich für unsere <strong>Natur</strong>,<br />
für die frei lebende Tierwelt und stellen<br />
sich allen Herausforderungen.<br />
Wir wollen auch jagen und sind<br />
ehrlich genug zu sagen, wir wollen<br />
auch Beute machen. Aber alles nur im<br />
erlaubten, erträglichen und notwendigen<br />
Rahmen.<br />
Quelle:<br />
Deutscher Jagdschutz Verband 2003
� Von <strong>Unna</strong> nach Madrid<br />
Langstreckenflug eines<br />
Kleinabendseglers Nyctalus leisleri<br />
von Irmgard Devrient und<br />
Reinhard Wohlgemuth<br />
Seit 1987 untersuchen wir die<br />
Fledermausvorkommen im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>. Im Jahr 1992 konnten zwei<br />
Jungtiere eines flugunfähigen<br />
weiblichen Abendseglers, Nyctalus<br />
noctula, aus einem eigens dazu<br />
errichteten Fledermausquartier auf<br />
dem Flachdach eines Einfamilienhauses<br />
in Holzwickede erfolgreich<br />
ausgewildert werden.<br />
Daraufhin bekamen wir von der<br />
unteren Landschaftsbehörde <strong>Unna</strong><br />
die Genehmigung zur Kennzeichnung<br />
der Fledermäuse. Das geschieht mit<br />
leichten Aluminiumklammern, die<br />
den Tieren um den Unterarm gelegt<br />
werden. Mit dieser Methode der Fledermausberingung<br />
werden u. a. die<br />
Biologie von Fledermäusen und deren<br />
Wanderungen untersucht. Seit 1996<br />
markieren wir auch Fledermäuse, die<br />
in Fledermaus- und Vogelnistkästen<br />
gefunden werden. Bis Ende 2004<br />
versahen wir im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 1.718<br />
Individuen und seit dem Jahr 2000<br />
mit Genehmigung der unteren Landschaftsbehörde,<br />
Umweltamt der Stadt<br />
Dortmund, in Dortmunder Wäldern<br />
232 Individuen des Abendseglers mit<br />
Fledermausklammern.<br />
Aus der näheren und weiteren Umgebung<br />
werden uns schwache, kranke<br />
und verletzte Fledermauspfleglinge<br />
zugetragen. Unter <strong>Natur</strong>schützern<br />
wird kontrovers diskutiert, ob es<br />
den einige Zeit in Gefangenschaft<br />
gehaltenen Tieren gelingt, sich nach<br />
der Auswilderung in ihre normale<br />
Lebenswelt erfolgreich einzugliedern.<br />
Wegen dieser Fragestellung haben wir<br />
uns seit 2002 entschlossen, auch in<br />
Pflege genommene Fledermäuse vor<br />
ihrer Freilassung zu beringen.<br />
Ein erster Wiederfund eines von<br />
uns gepflegten und am 27. Juni 2003<br />
freigelassenen Tieres, eines Kleinabendseglers,<br />
Nyctalus leisleri gelang am<br />
30. April 2004.<br />
� Wie alles begann<br />
Am Abend des 11. Juni 2003 wurde<br />
in einem Hauskeller in der <strong>Unna</strong>er<br />
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Innenstadt eine in einen leeren Blumentopf<br />
geratene Fledermaus von<br />
der Hauseigentümerin Eva Sprenger<br />
gefunden, die an den drei vorangegangenen<br />
Tagen abwesend war. Die<br />
Fledermaus, ein erwachsenes Kleinabendseglerweibchen<br />
litt unter Wasserverlust,<br />
war nahezu bewegungsunfähig,<br />
das Fell stark mit Fliegeneiern<br />
besetzt. Die Daumennägel waren<br />
infolge der wiederholten Versuche,<br />
aus dem Blumentopf zu entkommen,<br />
vollständig abgenutzt, das Gewicht<br />
betrug 11,3 g (Durchschnittgewicht<br />
für diese Art 16 – 18 g), so dass wir<br />
das Tier in Pflege nahmen. Nach der<br />
Erstversorgung mit reichlich Trinkwasser<br />
befreiten wir die Fledermaus<br />
von den weit über 100, noch nicht<br />
geschlüpften Fliegeneiern mit Bürste<br />
und Pinzette. Die Fledermaus erholte<br />
sich verhältnismäßig rasch, zum Klettern<br />
mussten jedoch die Daumennägel<br />
noch genügend nachwachsen. Am 25.<br />
Juni 2003 wog das Kleinabendseglerweibchen<br />
19,1 g. Nachdem wir seine<br />
Flugfähigkeit in einem Raum unseres<br />
Hauses getestet hatten, beringten wir<br />
57
58 NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
die Fledermaus an diesem Tag mit der<br />
Markierungsklammer MUS. BONN E<br />
413441. Zwei Tage später entschlossen<br />
wir uns, das Tier freizulassen, da eine<br />
längere Gefangenschaft der Fledermaus<br />
möglicherweise geschadet hätte,<br />
denn sie versuchte nun anhaltend,<br />
aus dem Pfleglingskasten zu entkommen.<br />
Wir brachten das Weibchen<br />
nach <strong>Unna</strong>-Alte Heide, in die Nähe<br />
eines ehemaligen Wasserschlosses im<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet „Uelzener Heide<br />
– Mühlhauser Mark“. Hier fanden in<br />
den Jahren 2000 und 2001 im Auftrag<br />
der Stadt <strong>Unna</strong> Untersuchungen zum<br />
Fledermausvorkommen durch das<br />
Büro für angewandte Ökologie und<br />
Landschaftspflege Dense, Goll & Lorenz<br />
statt, bei denen u. a. Kleinabendsegler<br />
nachgewiesen worden waren.<br />
Wir setzten das Tier in ca. 4 m Höhe<br />
an einem Baum in einen Fledermauskasten.<br />
Bei der Kontrolle am nächsten<br />
Tag war es verschwunden.<br />
� Ankunft in Spanien<br />
Zehn Monate und fünf Tage nach<br />
der Beringung, am 30. April 2004,<br />
wurde E 413441 von dem Lehrer<br />
Rafael Wozniak in einem Klassenraum<br />
in der 1. Etage der Schule Ginés de los<br />
Rios in Fuenlabrada, ca. 20 km südlich<br />
von Madrid in Spanien wiedergefunden.<br />
Die Entfernung zwischen <strong>Unna</strong><br />
Kaum vorstellbar, dass eine Fledermaus<br />
eine Strecke von 1.533 Kilometern<br />
zurücklegen kann.<br />
und dem Wiederfundort in Spanien<br />
beträgt 1.533,3 km.<br />
Der Findling war in einem äußerst<br />
schlechten Zustand, wog jetzt nur<br />
noch 9,5 g und musste intensiv tierärztlich<br />
versorgt werden. So brachte<br />
man ihn in das Tierschutzzentrum<br />
GREFA (Grupo para la Recuperación<br />
de la Fauna Autóctona y su Hábitat)<br />
zur Pflege. GREFA setzt sich in Spanien<br />
für den Schutz der heimischen Tiere<br />
und deren Lebensräume ein. Hier identifizierte<br />
der Fledermauskundler Pablo<br />
T. Agirre-Mendi bei einem Besuch<br />
in dem Zentrum das Weibchen als<br />
Kleinabendsegler. Nach wechselndem<br />
Erfolg während der Pflege, z.B. wurde<br />
die Haltung der Fledermaus in einem<br />
Inkubator mit 31,5 Grad C bei 60 %<br />
relativer Luftfeuchtigkeit und Fütterung<br />
mit einem Brei aus Mücken- und<br />
Mehlkäferlarven notwendig, erholte<br />
sich der Kleinabendsegler ab dem<br />
07. Mai und wog am 16. Mai bereits<br />
wieder 19,4 g. Nun stellten sich jedoch<br />
Hautveränderungen und Bläschen auf<br />
den Flügeln ein. Außerdem litt das Tier<br />
an einer Bakterieninfektion im Kinnbereich<br />
und verlor an den folgenden<br />
Tagen wieder an Gewicht.<br />
Fledermausspezialisten und <strong>Natur</strong>schutzverantwortliche<br />
in Spanien<br />
und Deutschland diskutierten über die<br />
Möglichkeit, das Kleinabendseglerweibchen<br />
im Stadtgebiet von Madrid<br />
freizulassen. Über die Lebensweise<br />
der Kleinabendsegler ist bekannt, dass<br />
Winterlebensräume von dieser fernwandernden<br />
Art in Südwesteuropa<br />
aufgesucht werden, wenn die Fortpflanzungsstätten<br />
(so genannte Wochenstuben)<br />
in nordöstlicher Richtung<br />
in Europa liegen. Das Fledermausweibchen,<br />
das möglicherweise schon im<br />
Herbst 2003 begattet worden war,<br />
müsste also zur Wochenstubenzeit (ab<br />
Mai bis Juli) wieder an seinen Geburtsort<br />
(Geburtsorttreue) zurückgekehrt<br />
sein. Da es wegen der Krankheit zu<br />
dem Zeitpunkt jedoch nicht fliegen<br />
konnte, wurde beschlossen, das Tier
wieder nach Deutschland zu bringen,<br />
um es bei Genesung nahe seiner vermutlichen<br />
Wochenstube freizulassen.<br />
Das spanische Ministerio de Medio<br />
Ambiente übernahm die Kosten für<br />
diese Reise.<br />
� Rückkehr nach Deutschland<br />
Die Pflegerin Arantxa García von<br />
GREFA und Dr. Rainer Hutterer von der<br />
Beringungszentrale in Bonn übergaben<br />
uns am 22. Mai 2004 das Kleinabendseglerweibchen<br />
in Holzwickede.<br />
Die weitere Pflege gestaltete sich<br />
schwieriger und länger als im Jahr<br />
zuvor. Die Enden beider Flügel waren<br />
so in Mitleidenschaft gezogen, dass sie<br />
abtrockneten. Die anderen Schäden<br />
heilten ab. Nach intensivem Flugtraining<br />
war für uns eine Beeinträchtigung<br />
der Flugleistung und –wendigkeit nicht<br />
festzustellen. So ließen wir das Kleinabendseglerweibchen<br />
am 28. Juni 2004<br />
mit einem Gewicht von 20,8 g erneut<br />
am bekannten Platz im <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
„Uelzener Heide – Mühlhauser<br />
Mark“ in <strong>Unna</strong> frei.<br />
Der Flug des Weibchens MUS.<br />
BONN E 413441 von NW-Deutschland<br />
nach Zentralspanien ist der<br />
zweite belegte südwestlich gerichtete<br />
Flug von Nyctalus leisleri von seinem<br />
vermutlichen Reproduktionsgebiet in<br />
Deutschland zum Überwinterungsge-<br />
Das Kleinabendseglerweibchen am<br />
Fundtag, 11. Juni 2003.<br />
Foto: R. Wohlgemuth<br />
biet in Spanien. Ein ähnlicher Flug wurde<br />
bereits von mehreren Autoren bestätigt:<br />
Ein in einem Fledermauskasten<br />
in Sachsen-Anhalt gefundenes und am<br />
12. Mai 1998 mit der Klammer SMU<br />
Dresden B 22865 gekennzeichnetes<br />
Weibchen wurde am 28. September<br />
1999 nahe Burgos, Nordspanien, mit<br />
einem Fledermausnetz gefangen. Am<br />
22. Mai 2001 konnte es wieder in<br />
demselben Kasten am Beringungsort<br />
nachgewiesen werden. Weitere<br />
dokumentierte Fernflüge deuten auf<br />
eine generelle NO/SW – Richtung der<br />
jährlichen Wanderung von Nyctalus<br />
leisleri hin, die in Deutschland und angrenzenden<br />
Regionen reproduzieren.<br />
NATURSCHUTZ PRAKTISCH<br />
Für Fledermauskundler ist es interessant<br />
festzustellen, dass das Weibchen<br />
zweimal ein Haus als Unterkunft<br />
aufsuchte, in <strong>Unna</strong> ebenso wie bei<br />
Madrid war es hier nicht wieder hinausgekommen.<br />
Fledermauskundler<br />
aus der Schweiz berichten von einem<br />
weiteren weiblichen Kleinabendsegler,<br />
der in einem Haus in Basel in eine<br />
Waschschüssel geriet und ebenfalls bei<br />
seinen vergeblichen Befreiungsversuchen<br />
völlig abgenutzte Daumennägel<br />
aufwies. Obwohl das Beweismaterial<br />
noch gering ist, liegt es nahe, dass<br />
Nyctalus leisleri, wie bisher angenommen,<br />
nicht eine nur Wald bewohnende<br />
Fledermaus ist, sondern auch Felsspalten<br />
und Häuser als Schlafplätze<br />
nutzen könnte. Dass dies zu stimmen<br />
scheint, zeigen auch Funde dieser Art<br />
in Städten wie Berlin, London, Wien<br />
und Warschau. Wo sich die Fledermaus<br />
E 413441 während des Winters<br />
tatsächlich aufgehalten hat, lässt sich<br />
nicht sagen, ebenso ist der Ort ihrer<br />
Wochenstube unbekannt.<br />
Der vorliegende Fall zeigt anschaulich,<br />
dass Rehabilitationsbemühungen<br />
für Fledermäuse nicht nur aus ethischen<br />
Gründen gerechtfertigt sind,<br />
sondern auch einzelnen Fledermäusen<br />
helfen können, mit Erfolg ihr biologisches<br />
Leben nach Genesung und<br />
Freilassung fortzuführen.<br />
59
60<br />
� Kleine Tierchen mit großer Wirkung<br />
Was <strong>Natur</strong>freunde über Zecken und<br />
Borreliose wissen sollten<br />
von Hermann Knüwer<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Sie sind Stecknadelkopf groß,<br />
hervorragende Kletterer, blutsaugende<br />
Parasiten und können zu<br />
fatalen Gesundheitsschädigungen<br />
führen: Zecken. Heute erkranken<br />
immer mehr Menschen an Borreliose,<br />
die durch Zecken übertragen<br />
wird. Fachleute schätzten 1998<br />
die Zahl der Neuerkrankungen<br />
deutschlandweit auf jährlich<br />
100.000.<br />
Nach der Salmonellose gilt die Borreliose<br />
bereits als zweithäufigste Infektionserkrankung.<br />
Vor allem Personen,<br />
die – wie viele <strong>Natur</strong>schützer – häufig<br />
Kontakt mit Zecken haben, gehören<br />
zur Risikogruppe. Da die Erkrankung<br />
nicht immer gleich erkannt wird und<br />
verschleppt fatale Langzeitfolgen haben<br />
kann, lohnt es sich, sich mit den<br />
Überträgertieren und der Krankheit<br />
selbst näher zu befassen.<br />
Erstmalig wurden 1959 bei Familie<br />
Murray nach ihrem Umzug nach Lyme<br />
im US-Staat Connecticut unerklärba-<br />
re Krankheitssymptome festgestellt.<br />
Auch andere Familien erkrankten in<br />
dieser Gegend. Fortan sprach man<br />
von der „Lyme-Disease“. Erst 1978,<br />
als zufällig ein Patient eine Zecke zur<br />
Untersuchung mitbrachte, kam man<br />
der Krankheitsursache auf die Spur<br />
und identifizierte 1981 Schraubenbakterien<br />
(Spirochäten). Diese speziell in<br />
Schildzecken vorkommenden Schraubenbakterien<br />
erhielten den Namen<br />
ihres Entdeckers und heißen „Borrelia<br />
burgdorferi“.<br />
� Erregertypen und Infizierung<br />
Die Borreliose-Erreger können in<br />
drei Untergruppen eingeteilt werden.<br />
Borrelia burgdorferi sensu strictu<br />
kommt nur in den USA vor. In Europa<br />
sind es afzelii (verursachen Haut- und<br />
Gelenkerkrankungen) und garinii<br />
(verantwortlich für Erkrankungen des<br />
Nervensystems). Zwar lassen sich<br />
Borrelien indirekt über verschiedene<br />
Antikörpertests nachweisen, doch<br />
gibt es bislang keine einheitlichen<br />
Standards. Wenn sich jemand mit dem<br />
Stamm afzelii infiziert hat, das jeweilige<br />
Labor aber mit garinii umgeht, wird<br />
eine Borreliose oft nicht erkannt. Das<br />
menschliche Immunsystem bildet nach<br />
einer Infektion Antikörper, zunächst<br />
der IgM-Klasse (Immunglobuline<br />
der Klasse M = erste Antikörper bei<br />
Kontakt mit Bakterien und anderen<br />
Antigenen). Sie signalisieren eine<br />
frische Infektion. In späteren Krankheitsstadien<br />
bilden sich Antikörper<br />
der IgG-Klasse (Immunglobuline der<br />
Klasse G = zweite Immunreaktion, so<br />
genannte Gammaglobuline). Die Konzentration<br />
der Antikörper wird auch als<br />
Titer bezeichnet.<br />
Titerwerte sagen also nichts über<br />
die Borrelienmengen aus, sondern<br />
symbolisieren Antikörperkonzentrationen.<br />
Steigende Titerwerte deuten<br />
auf eine fortschreitende Infektion<br />
hin. In der Regel sind Antikörper so<br />
lange nachweisbar, wie die Infektion<br />
vorhanden ist. Es gibt aber auch Fälle<br />
mit weiterhin bestehenden klinischen<br />
Symptomen, obwohl keine Antikörper<br />
(mehr) nachweisbar sind. Nach einer<br />
Borrelienübertragung dauert es einige<br />
Zeit bis zur Antikörperbildung. Blut-
untersuchungen verschaffen deshalb<br />
frühestens drei bis sechs Wochen nach<br />
dem Zeckenbiss Klarheit.<br />
Die Latenzzeit, d.h. die Zeit zwischen<br />
Infektion und Auftreten erster<br />
Symptome, kann zwischen drei Tagen<br />
und zwei Jahren betragen. Die Krankheit<br />
verläuft in drei Stadien, die sich<br />
über Monate, Jahre und Jahrzehnte<br />
erstrecken können. Die so genannte<br />
Wanderröte (Erythema migrans) um<br />
die Einstichstelle tritt meist im ersten<br />
Stadium auf, kann aber auch fehlen.<br />
Oft gehen grippeähnliche Symptome<br />
einher. Die Symptomvariation ist aber<br />
außerordentlich groß, was die Diagnostizierbarkeit<br />
(ohne Blutuntersuchung)<br />
nicht gerade erleichtert. Im Stadium<br />
zwei und drei werden Nervenbahnen<br />
in Mitleidenschaft gezogen bis hin zum<br />
Gehirn und können u.a. in Lähmungen<br />
ganzer Gliedmaßen enden.<br />
Generell kann man davon ausgehen,<br />
dass jede dritte geschlechtsreife<br />
Zecke Borrelien in sich trägt. Bei den<br />
Nymphen sind es etwa vier bis zehn<br />
Prozent und bei den Larven ein bis drei<br />
Prozent. Die Befallsraten insgesamt fallen<br />
jedoch räumlich sehr unterschiedlich<br />
aus. Borrelien kommen in ganz<br />
Mitteleuropa vor. Auch afrikanische<br />
Länder, vor allem Ägypten, Südafrika<br />
und die Republik Kongo, blieben nicht<br />
verschont. In Asien sind es China und<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Eine Zecke auf den Gliedmaßen eines Menschen. Foto: Archiv<br />
Japan, weiterhin ganz Australien und<br />
alle Bundesstaaten der USA.<br />
Das Risiko, sich mit Borrelien zu<br />
infizieren, hängt von der Saugzeit<br />
der Zecke ab. Selbst wenn eine borrelienhaltige<br />
Zecke sich schon einige<br />
Stunden festgesetzt hat, muss sie<br />
nicht zwangsläufig Erreger übertragen<br />
haben. Wenn eine Übertragung<br />
erfolgte, muss es nicht zwangsläufig<br />
zum Krankheitsausbruch kommen.<br />
Nach einer Untersuchung der Uni<br />
Heidelberg aus dem Jahr 1998 lag<br />
das Risiko, an Borreliose zu erkranken,<br />
bei 27 %, wenn Borrelien übertragen<br />
wurden. Ein Facharzt schätzte 1997,<br />
dass etwa 10 % aller Patienten das<br />
chronische (dritte) Stadium erreichen.<br />
Andere Ärzte gehen davon aus, dass<br />
50 - 95 % aller Borreliose-Infektionen<br />
völlig symptomlos verlaufen.<br />
Hauptüberträger der Borreliose und<br />
häufigste Zeckenart in Mittel- und Süd-<br />
europa ist der „Gemeine Holzbock“<br />
(Ixodes ricinus), eine von 675 Unterarten<br />
der Schildzecke. Sie besiedeln mit<br />
Vorliebe Parks mit Unterholz, Farnen<br />
und Gräsern, Übergänge von Laub- zu<br />
61
62 NATUR ERLEBEN<br />
Nadelwald, Brombeergebüsche, Hasel,<br />
Himbeere und Holunder. Mehr als 40<br />
Säugetiere und Reptilien gelten als Zeckenwirte.<br />
Dazu zählen Vögel, die mit<br />
ihrem Zug nach Süden zur weltweiten<br />
Verbreitung beitragen.<br />
Zecken lassen sich nicht von Bäumen<br />
und Sträuchern auf potenzielle<br />
Wirte fallen, sondern werden abgestreift.<br />
Ausgewachsene Tiere halten<br />
sich vorzugsweise in Höhen von bis<br />
zu 80 cm über dem Boden auf, Nymphen<br />
etwa bis 40 cm und Larven nicht<br />
mehr als 20 cm. Mit dem so genannten<br />
Haller’schen Organ, das sich am<br />
vorderen Beinpaar befindet, können<br />
von den augenlosen Tieren thermische,<br />
chemische und Bewegungsreize<br />
wahrgenommen werden. Bei einem<br />
passenden Opfer krallen sie sich fest<br />
und wandern zunächst umher auf der<br />
Suche nach einer warmen, feuchten<br />
und gut durchbluteten Stelle (z.B.<br />
Achsel, Kniekehle, Ohren, Kopfhaut,<br />
Genitalbereich).<br />
� Fortpflanzung der Zecken<br />
Vom Ei bis zum geschlechtsreifen<br />
Tier durchläuft die Zecke innerhalb<br />
von zwei bis drei Jahren drei Stadien<br />
(Larve, Nymphe, adultes Tier). Jedes<br />
geschlechtsreife Weibchen legt im<br />
Herbst, meist in der Laubstreu, etwa<br />
2.000 Eier, bevor es stirbt. Aus ihnen<br />
schlüpfen Larven, die bereits beißen,<br />
Blut saugen und Borrelien übertragen<br />
können. Finden die Larven früh im Jahr<br />
einen Zwischenwirt, etwa eine Maus,<br />
entwickeln sie sich noch im Sommer<br />
zu Nymphen. Sofern ein geeigneter<br />
Wirt erst später im Jahr verfügbar ist,<br />
überwintern die Larven. Findet sich<br />
im ersten Jahr gar ein zweiter Wirt,<br />
häutet sich die Nymphe nach nur einer<br />
Überwinterung zur ausgewachsenen<br />
Zecke. Während männliche Zecken<br />
zwar beißen, aber kein Blut saugen,<br />
benötigen Weibchen für jedes Entwicklungsstadium<br />
eine Blutmahlzeit.<br />
� Der „Zeckenbiss“<br />
Vergleichbar einer Stichsäge schneidet<br />
die Zecke ein Loch in die Haut<br />
und führt den Saugrüssel bis zum<br />
Blutgefäß ein. Davon spürt man<br />
nichts, weil gleichzeitig betäubende<br />
und blutstillende Substanzen eingespritzt<br />
werden. Die meisten Zecken<br />
beginnen erst viele Stunden bis zu<br />
drei Tagen nach dem Festsetzen mit<br />
der Blutaufnahme. Dabei sondern sie<br />
Speichel und Genitalausfluss ab, deren<br />
Krankheitserreger in die Blutbahn des<br />
Wirtes gelangen. Umgekehrt nehmen<br />
sie aber auch Krankheitserreger, z.B.<br />
einer Maus, auf. Larven benötigen für<br />
die Blutaufnahme zwei bis vier Tage,<br />
Nymphen und erwachsene Tiere etwa<br />
fünf bis zehn Tage.<br />
In Gebieten mit reichlich Säugetieren,<br />
etwa Einstandsgebiete von Rehwild<br />
in Wäldern, oder in mäuse-, ratten-<br />
oder kaninchenreichen Gegenden<br />
können sich Zecken gut vermehren<br />
und kommen dort in hoher Dichte vor.<br />
Aber auch die Umgebungstemperatur<br />
spielt eine Rolle. Ab etwa zehn Grad<br />
Celsius werden Zecken aktiv. Bei zu<br />
kaltem oder heißem Wetter vergraben<br />
sie sich im Erdreich oder verstecken sich<br />
unter Laub. Die Hauptaktivitätszeiten<br />
liegen im Sommer am Vormittag, frühen<br />
Abend und nachts. Die idealsten<br />
Bedingungen herrschen im Mai und<br />
Juni sowie September und Oktober.<br />
In trockenen Sommern verstecken<br />
sich Zecken stärker, um der Gefahr der<br />
Austrocknung zu entgehen. In regenreichen<br />
Zeiten mit hoher Luftfeuchtigkeit<br />
kann sich die Zeckensaison jedoch<br />
enorm verlängern.<br />
� Verhaltenstipps<br />
Treten Krankheitssymptome auf,<br />
sollte möglichst frühzeitig ein Arzt<br />
aufgesucht und auf häufigen Zeckenkontakt<br />
hingewiesen werden. Blutuntersuchungen,<br />
frühestens drei bis sechs<br />
Wochen nach dem Zeckenbiss, können<br />
eine Borreliose-Infektion aufdecken.<br />
Zu überlegen ist auch, ob nicht ein<br />
Antikörpertest vor der Zeckensaison
hilfreich ist. Damit könnte eine Art<br />
Nullwert festgestellt werden, so dass<br />
bei einer Infektion, die (ohne Blutuntersuchung)<br />
leider oft erst nach langer<br />
Zeit diagnostiziert wird, eine zeitliche<br />
Einengung des Infektionsgeschehens<br />
möglich ist. Die Kosten werden allerdings<br />
von der Krankenkasse in aller<br />
Regel nicht übernommen. Je früher<br />
die Borreliose erkannt wird, um so<br />
größer ist die Wahrscheinlichkeit<br />
auf eine vollständige Genesung. Die<br />
Verabreichung von bestimmten Antibiotika<br />
trägt dazu wesentlich bei.<br />
Doch wie immer gilt: „Vorbeugen ist<br />
besser als heilen.“ Zwar wird intensiv<br />
an der Entwicklung von Impfstoffen<br />
gearbeitet, doch bisher gibt es noch<br />
keine zugelassenen Mittel dafür. Vorbeugen<br />
kann man aber schon, indem<br />
z. B. folgende Verhaltensregeln beachtet<br />
werden: Gründliches Absuchen<br />
abends vor dem Schlafen gehen, keine<br />
kurzärmligen Hemden im Wald tragen,<br />
Strümpfe über die Hosenbeine ziehen.<br />
Hilfreich ist auch, getragene Wäsche<br />
zehn Minuten in den Trockner zu legen,<br />
wenn man sie am nächsten Tag<br />
NATUR ERLEBEN<br />
erneut anziehen will. Das hält keine<br />
Zecke aus.<br />
Literaturhinweis/Anmerkung:<br />
Zu diesem Thema ist kürzlich ein Buch in<br />
zweiter Auflage herausgekommen, das jedem<br />
näher Interessierten nur wärmstens empfohlen<br />
werden kann: Ute Fischer & Bernhard Siegmund<br />
– „Borreliose – Zeckeninfektion mit Tarnkappe“,<br />
Hirzel Verl. Stuttgart 2003, ISBN 3-776-1233-2,<br />
Preis 14,80 EUR.<br />
Die vorstehenden Ausführungen sind im We-<br />
sentlichen diesem Buch entnommen.<br />
63
64<br />
� Die Bienen-Ragwurz<br />
Die Orchidee des Jahres 1995 –<br />
jetzt auch im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
von Bernd Margenburg<br />
NATUR ERLEBEN<br />
Auch in unserer Kulturlandschaft<br />
sind interessante Neufunde von<br />
seltenen Pflanzenarten möglich.<br />
Insbesondere bei Pflanzen, die<br />
in den letzten Jahren eine Ausbreitungstendenz<br />
wie z.B. die<br />
Bienen-Ragwurz zeigen, können<br />
neue Fundstellen auf anthropogen<br />
veränderten Standorten entdeckt<br />
werden.<br />
Die Liste bemerkenswerter Orchideenfunde<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> reißt<br />
nicht ab. Nachdem im Jahr 2003 eine<br />
verschollene Orchideenart, die Sumpf-<br />
Stendelwurz (Epipactis palustris (L.)<br />
CRANTZ) durch Friedrich Angerstein<br />
wiederentdeckt wurde, kann auch<br />
im Jahr 2004 über einen bemerkenswerten<br />
Neufund für das <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
berichtet werden.<br />
� Die Bienen-Ragwurz<br />
Burkhard Brinkmann und Bernd<br />
Margenburg trauten ihren Augen<br />
nicht, als sie im Juni 2004 auf einer<br />
Bienen-Ragwurz. Foto: Margenburg<br />
nicht zugänglichen Ruderalfläche die<br />
lockeren Blütenstände der Bienen-<br />
Ragwurz (Ophrys apifera HUDSON)<br />
entdeckten. Diese Orchideenart stellt<br />
eine neue Pflanzenart für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> dar, die auf diesem verborgenen<br />
Standort offenbar schon seit einigen<br />
Jahren einen passenden Lebensraum<br />
gefunden hat. Die Bienen-Ragwurz<br />
treibt ihre Grundrosetten mit zwei bis<br />
vier Laubblättern bereits im Herbst<br />
neu aus. Die Blütezeit erstreckt sich<br />
von Juni bis Mitte Juli. Ein Bestäuber<br />
dieser Ragwurzart fehlt in Mitteleuropa.<br />
Deshalb kommt es ausschließlich<br />
zur Selbstbestäubung. Die äußeren<br />
Kelchblätter (Sepalen) sind rosa bis rot,<br />
die inneren Kelchblätter (Petalen) sind<br />
kurz, rosa bis grünlich. Unübersehbar<br />
ist die auffällige tief dreilappige,<br />
samtig kastanienbraune Lippe, mit<br />
gehöckerten und dicht behaarten<br />
Seitenlappen und mit gelblichweißer<br />
Malzeichnung. Neufunde dieser gefährdeten<br />
Orchideenart (Rote Liste<br />
NRW: 3N) auf Industriebrachen oder<br />
Rekultivierungsbereichen der Braunkohle<br />
in den letzten Jahren deuten auf<br />
eine Ausbreitungstendenz hin. Die neu<br />
entdeckten 18 blühenden Pflanzen<br />
sind mittelfristig durch Verbuschung<br />
gefährdet.<br />
Nur durch geeignete Pflegemaßnahmen<br />
kann der Standort erhalten<br />
werden. Der NABU Kamen /Bergkamen<br />
hat bereits beschlossen, die<br />
Pflegearbeiten zu übernehmen.<br />
� Die Sumpf-Stendelwurz<br />
Sehr erfreulich ist auch die Entwicklung<br />
der im Jahr 2003 entdeckten
Population der Sumpf-Stendelwurz.<br />
Rund 2.000 Pflanzen blühten im Juli<br />
2004.<br />
Diese in Nordrhein-Westfalen stark<br />
gefährdete Orchideenart (Rote Liste<br />
NRW: 2) hat damit im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
einen auch für NRW bedeutsamen<br />
Standort, denn diese Art ist durch<br />
Trockenlegung vieler Standorte extrem<br />
zurückgegangen und besitzt nur<br />
noch wenige Fundorte weit zerstreut<br />
in NRW. Auf geeigneten Standorten<br />
kann diese Orchidee durch vegetative<br />
Vermehrung – langes, kriechendes<br />
Rhizom – in kurzer Zeit große Flächen<br />
besiedeln. Geeignete Pflegemaßnahmen<br />
zum Erhalt des Standortes werden<br />
mit der Unteren Landschaftsbehörde<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> und der Biologischen<br />
Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> abgestimmt und<br />
durchgeführt.<br />
Bereits im Jahr 2001 wurde von<br />
Günter Köhler ein Vorkommen des<br />
Weißen Waldvögeleins (Cephalanthera<br />
damasonium (MILLER) DRUCE)<br />
gemeldet. Unter Berücksichtigung,<br />
dass das Fleischfarbene Knabenkraut<br />
(Dactylorhiza incarnata (L.) SOÓ)<br />
im <strong>Kreis</strong>gebiet offenbar verschollen<br />
ist und Vertreter von zwei Orchideengattungen,<br />
Cephalanthera und<br />
Sumpf-Stendelwurz. Foto: Margenburg<br />
Ophrys, neu hinzugekommen sind, ist<br />
die Familie der Orchideen aktuell mit<br />
sieben Gattungen und neun Arten im<br />
<strong>Kreis</strong>gebiet vertreten. 1998 waren es<br />
fünf Gattungen und sieben Arten. Die<br />
erfreulichen Neufunde der vergangenen<br />
Jahre zeigen, wie wichtig es ist,<br />
auch potenziell für Orchideen geeignete<br />
Lebensräume zu erhalten.<br />
Literatur:<br />
Arbeitskreis Heimische Orchideen Nordrhein-<br />
Westfalen des BUND-NW e.V. (Hrsg.) (2001):<br />
Die Orchideen Nordrhein-Westfalens – Selbst-<br />
NATUR ERLEBEN<br />
verlag<br />
Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und<br />
Forsten/Landesamt für Agrarordnung NRW<br />
(Hrsg.) (1999): Rote Liste der gefährdeten<br />
Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen,<br />
3.Fassg.- LÖBF-Schr.R. 17, 644 S.<br />
Margenburg, B. (1998): Die Orchideen des<br />
<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. <strong>Natur</strong>kundliche Reihe – Band<br />
1 - <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> e.V. (NFG)<br />
Neumann, H.(1995): Die Orchidee des Jahres<br />
1995 – Ophrys apifera Hudson, Bienen-Ragwurz,<br />
Bienentragende Ragwurz, Ber. Arbeitskreis<br />
Heim. Orchid. 12(1): 81-90<br />
65
66<br />
NATUR ERLEBEN<br />
� Daten zum Lebeweseninventar<br />
Beiträge zur Organismenwelt<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> III<br />
von Götz Heinrich Loos und<br />
Bernd Margenburg<br />
Nach den ersten beiden Zusammenstellungen<br />
dieser Art in den<br />
<strong>Natur</strong><strong>report</strong>-Jahrbüchern 2002<br />
und 2003 folgt an dieser Stelle ein<br />
dritter Beitrag. Für die Darstellung<br />
gelten die im ersten Beitrag (Loos<br />
2002) erläuterten Prinzipien.<br />
Inzwischen wurde im <strong>Kreis</strong>verband<br />
des <strong>Natur</strong>schutzbundes Deutschland<br />
eine Botanik-AG gegründet, welche<br />
sich vorwiegend mit Pilzen, Flechten<br />
und Niederen Pflanzen, d.h. Algen im<br />
weiteren Sinne und Moosen, beschäftigt.<br />
Alle Interessenten sind herzlich<br />
aufgerufen, sich an den Exkursionen<br />
und Treffen zu beteiligen (Kontakt<br />
über den Zweitautor; siehe auch Homepage<br />
des NABU-<strong>Kreis</strong>verbandes<br />
unter www.nabu-unna.de). Auf diese<br />
Weise kann die Erforschung dieser<br />
Gruppen in den nächsten Jahren vielleicht<br />
entscheidend vorangetrieben<br />
werden.<br />
Im vorliegenden Beitrag werden<br />
Fundangaben zu Flechten, Pilzen und<br />
einer Algenart genannt. Weitere Funde<br />
bemerkenswerter Tiere und interessant<br />
erscheinende Beobachtungen im<br />
Zusammenhang mit Tieren, von denen<br />
sich im Laufe der letzten zwei Jahre<br />
ebenfalls eine ganze Reihe ergeben<br />
haben, werden voraussichtlich für<br />
den Beitrag zur Organismenwelt IV<br />
zusammengestellt. Weiterhin bitten<br />
wir für diese Zusammenstellungen alle<br />
naturkundlich Interessierten um die<br />
Mitteilung beobachteter Pflanzen-,<br />
Pilz-, Flechten- und Tierarten sowie<br />
von Auffälligkeiten im Zusammenhang<br />
mit diesen (Verhalten, abweichende<br />
Zeiten des Auftretens, besondere Lebensräume<br />
etc.).<br />
Finderkürzel:<br />
GL = G. H. Loos<br />
Lu = Thomas Lunke (Kamen)<br />
BMg = B. Margenburg<br />
Pfl = H.-J. Pflaume (Lünen)<br />
� Ergänzung der Flechtenarten<br />
des <strong>Kreis</strong>gebietes<br />
Seit der ersten Zusammenstellung<br />
der bisher im <strong>Kreis</strong> sicher gefundenen<br />
und vermutlich nachgewiesenen Flechtenarten<br />
(Loos 1999) konnten einige<br />
Arten neu nachgewiesen werden, die<br />
im Folgenden aufgelistet werden. Die<br />
Zahl der sicher vorkommenden Arten<br />
erhöht sich auf 102. Da sich hier die<br />
Wiederbesiedlung durch Blatt- und<br />
Strauchflechten erheblich langsamer<br />
vollzieht als im westlichen Ruhrgebiet,<br />
was vermutlich – immer noch – auf<br />
die Abluft aus dem gesamten Ruhrgebiet<br />
zurückzuführen ist, welcher<br />
der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> ausgesetzt ist, bleibt<br />
die Bestandsentwicklung wie auch<br />
das Auftreten weiterer Arten intensiv<br />
zu beobachten.<br />
Desgleichen sind meist krustige<br />
Kleinstflechten zukünftig verstärkt zu<br />
beachten. Zusätzlich zu den folgenden<br />
Artneufunden wurden seit 1999<br />
zahlreiche neue Vorkommen von bereits<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> nachgewiesenen<br />
Arten entdeckt, die zu einem späteren<br />
Zeitpunkt zusammengestellt werden<br />
sollen.<br />
� Acarospora nitrophila H. Magn.<br />
Auf einer Grabeinfassung auf dem<br />
Friedhof Kamen-Methler – 4411/21
(2002 GL). Vermutlich sonst übersehen.<br />
� Aspicilia caesiocinerea (Nyl.ex<br />
Malbr.) Arnold s. lat.<br />
Kleinflächig auf Silikat-Grabsteinen<br />
auf den Friedhöfen Kamen-Methler<br />
– 4411/21 (2003 GL) und <strong>Unna</strong>-Billmerich<br />
– 4512/11 (2004 GL). Sicher<br />
vielfach übersehen.<br />
� Cladonia rangiformis Hoffm.<br />
Auf einem durch Kalkschotter<br />
geprägten Magerrasen an einem<br />
Bahndamm in Lünen-Schwansbell<br />
– 4311/33 (2004 Pfl, det. GL) gefunden.<br />
� Flavoparmelia caperata (L.) Hale<br />
Zwei Nachweise an Eichenborke:<br />
<strong>Unna</strong>, Beethovenring – 4412/31 (2003<br />
GL) und Holzwickede, Emscherpark<br />
- 4411/43 (2003 GL). Vermutlich<br />
inzwischen an weiteren Stellen neu<br />
angesiedelt.<br />
� Melanelia subaurifera (Nyl.) Essl.<br />
An Straßenbäumen in Kamen, Sesekedamm<br />
– 4412/11 (2004 GL) und<br />
Holzwickede, Emscherpark - 4411/43<br />
(2003 GL).<br />
� Micarea denigrata (Fr.) Hedl.<br />
Auf Borke von Spitz- und Berg-<br />
Ahorn sowie Esche in Bergkamen-<br />
Heil, Umgebung der Ökologiestation<br />
– 4311/41 (2004 GL) und in Kamen-<br />
Westick, Rotdornweg – 4411/22<br />
(2003 GL).<br />
Vermutlich nicht selten und bisher<br />
nur übersehen.<br />
� Parmelina tiliacea (Hoffm.) Hale<br />
Von dieser zuvor nicht im <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
nachgewiesenen Art wurden seit<br />
2001 durchgehend auf Lindenborke<br />
einige sehr vitale Vorkommen mit z.<br />
T. bereits recht großen Exemplaren<br />
gefunden. Die Nachweise konzentrieren<br />
sich auf Bergkamen, wo die Art auf<br />
den Friedhöfen Oberaden – 4311/43<br />
(2003f.) und Mitte – 4311/44 (2003),<br />
an der Halde Großes Holz – 4311/43<br />
(2001) sowie hinter der Ökologiestation<br />
in Heil – 4311/41 (2004) entdeckt<br />
wurde. Außerdem gefunden in <strong>Unna</strong>,<br />
nahe Stadtmauer und Ring – 4412/31<br />
(2002).<br />
� Parmotrema chinense (Osbeck)<br />
Hale & Ahti<br />
Diese Art erweitert gegenüber den<br />
vor der Industrialisierung bekannten<br />
Vorkommen offenbar ihr Areal beträchtlich<br />
(R. Kricke, mündl. Mitt.;<br />
vgl. auch Heibel 1999 und dort zitierte<br />
Literatur). Im <strong>Kreis</strong>gebiet bisher zweimal<br />
in sehr kleinen Einzelexemplaren:<br />
<strong>Unna</strong>-Massen, an der ehem. „Rollschuhbahn“<br />
– 4411/42 (2003 GL)<br />
sowie Schwerte, Baumbestand nahe<br />
Rohrmeisterei – 4511/32 (2003 GL).<br />
� Peltigera rufescens (Weiss)<br />
Humb.<br />
Auf Industriebrachland in Lünen an<br />
NATUR ERLEBEN<br />
der Zwolleallee – 4311/34 (2001 GL)<br />
und vermutlich an einem Bahndamm<br />
auf Schotter in Lünen-Schwansbell<br />
– 4311/33 (2004 Pfl).<br />
� Pleurosticta acetabulum (Neck.)<br />
Elix & Lumbsch<br />
Wahrscheinlich übersehen, aber<br />
stets in kleinen Exemplaren, daher<br />
wohl erst in jüngster Zeit angesiedelt.<br />
Bisher: Kamen, Sesekedamm<br />
– 4411/22 (2004 GL) und Friedhof<br />
Bergkamen-Oberaden – 4311/43<br />
(2004 GL).<br />
� Punctelia ulophylla (Ach.) van<br />
Herk & Aptroot<br />
Auf diese Sippe wurde der Erstautor<br />
vom Lichenologen R. Kricke<br />
(Oberhausen) aufmerksam gemacht.<br />
Vermutlich gehört hierher ein Großteil<br />
der Angaben von P. subrudecta aus<br />
dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Sicher nachgewiesen<br />
in Kamen – 4411/21 und 4412/11 und<br />
Bergkamen – 4311/32 (GL).<br />
� Usnea spec.<br />
Die bisher an Obst- und Parkbäumen<br />
(Linde) gefundenen Bartflechten<br />
sind noch sehr klein; es wurden keine<br />
Belege gesammelt, um die ohnehin<br />
winzigen Vorkommen nicht weiter zu<br />
gefährden, so dass eine genaue Bestimmung<br />
bisher unterblieben ist. Im<br />
benachbarten <strong>Kreis</strong> Soest findet sich<br />
an entsprechenden Standorten U. filipendula<br />
Stirt. (vgl. auch Heibel 1999).<br />
67
68 NATUR ERLEBEN<br />
Bisher festgestellt in Kamen-Methler<br />
– 4411/21 (Ende der 1990er Jahre,<br />
Lu) und in Holzwickede, Emscherpark<br />
– 4411/43 (2003 GL).<br />
� Xanthoria calcicola Oxner<br />
Kamen, Westicker Straße, auf Betonbruch<br />
auf einem halb aufgelassenen<br />
Werksgelände – 4411/22 (2003<br />
GL). Vermutlich bisher übersehen.<br />
� Weitere Vorkommen von<br />
Klebsormidium crenulatum<br />
Die neophytische Grünalge Klebsormidium<br />
crenulatum (Pelzige Kraushaaralge)<br />
ist im <strong>Kreis</strong>gebiet weiter in Ausbreitung<br />
begriffen (vgl. Loos 2002),<br />
jedoch nicht gleichmäßig. So gelingen<br />
immer wieder Nachweise, örtlich<br />
auch mit großen Beständen, jedoch<br />
über weite Strecken dazwischen kann<br />
diese Art selbst bei intensiver Nachsuche<br />
nicht gefunden werden. In den<br />
letzten zwei Jahren konnte sie in der<br />
Lippeaue fast durchgehend festgestellt<br />
werden, wo sie in den folgenden Messtischblatt-Viertelquadranten<br />
in den<br />
Stadtgebieten von Lünen, Werne und<br />
Bergkamen (sowie Hamm) wächst:<br />
4311/24,32,41+42, 4312/13+14 (GL,<br />
auch auf Exkursion der Botanik-AG<br />
des NABU <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>). Darüber hinaus<br />
wurde sie in Kamen-Wasserkurl<br />
am Telgei-Wald – 4411/23 (2003 GL)<br />
gefunden.<br />
� Fundnotizen zu Pilzarten<br />
� Agaricus xanthodermus – Karbol-Egerling<br />
Diese in Westfalen „nicht häufige“<br />
Art (Runge 1981: 53) wuchs auf<br />
lehmiger Parabraunerde mit wenigen<br />
Fruchtkörpern an einem Ackerrain<br />
in Kamen-Wasserkurl neben dem<br />
Fahrradweg an der Afferder Straße<br />
– 4411/24 (2004 GL auf Exkursion des<br />
Umweltzentrums Westfalen).<br />
� Bjerkandera fumosa – Graugelber<br />
Rauchporling<br />
Insgesamt übersehene Art, in Gebieten<br />
mit Kopfweiden wohl nicht<br />
selten. In <strong>Unna</strong>-Mühlhausen mehrfach<br />
an Silber-Weiden am Mühlpfad, auf<br />
der Öko-Zelle sowie am Spanierkampweg<br />
– 4412/32 (2001f. GL).<br />
� Fomes fomentarius – Echter<br />
Zunderschwamm<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> relativ selten. An Buchen-Bruchholz<br />
in Kamen-Heeren im<br />
Grafenwald – 4412/13 (2004 GL).<br />
� Mycena pura – Rettich-Helmling<br />
Der durch seinen starken Rettichgeruch<br />
auffällige Helmling kommt<br />
hauptsächlich in Buchenwäldern<br />
auf basischen Böden vor (im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> notiert in Selm-Cappenberg in<br />
Schlossnähe – 4311/13, 2001 GL),<br />
erschien aber auch in einem Garten<br />
mit Althölzern an der Bruchstraße in<br />
<strong>Unna</strong>-Mühlhausen – 4412/32 (2001<br />
GL).<br />
� Xylaria hypoxylon – Geweihförmige<br />
Holzkeule<br />
In den Wäldern des <strong>Kreis</strong>es nicht<br />
selten, aber sonst weitgehend fehlende<br />
Art. Zahlreich auf dem Friedhof<br />
am <strong>Natur</strong>freibad Bergkamen-Heil<br />
– 4311/32 (2004 GL, BMg & al. auf<br />
Exkursion der Botanik-AG des NABU<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>).<br />
Literatur:<br />
Heibel, E. (1999): Untersuchungen zur Biodiversität<br />
der Flechten von Nordrhein-Westfalen.<br />
– Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum<br />
für <strong>Natur</strong>kunde 61 (2).<br />
Loos, G. H. (1999): Vorläufige Übersicht der<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> nachgewiesenen Flechtenarten.<br />
– <strong>Natur</strong><strong>report</strong>, Jahrbuch der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> 4: 71-78.<br />
Loos, G. H. (2002): Beiträge zur Organismenwelt<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>. – <strong>Natur</strong><strong>report</strong>, Jahrbuch<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> 6: 83-90.<br />
Runge, A. (1981): Die Pilzflora Westfalens.<br />
– Abhandlungen aus dem Landesmuseum für<br />
<strong>Natur</strong>kunde zu Münster in Westfalen 43 (1).
� „Regionen aktiv“ im Östlichen Ruhrgebiet 2004<br />
Eine bunte Vielfalt: mit Fritz Eckenga,<br />
Fußball und Photovoltaik<br />
von Ulrich Häpke<br />
„Kultur lockte Tausende in den<br />
Kuhstall“ und „Deftiger Käse im Westfalenstadion“<br />
meldete die regionale<br />
Presse über zwei besonders gelungene<br />
Aktionen der Solidargemeinschaft im<br />
Jahr 2004. Hierüber und die weitere<br />
Arbeit in der „Modellregion Östliches<br />
Ruhrgebiet" handelt der folgende<br />
Beitrag.<br />
Ort des ersten Events war Haus<br />
Rutenborn in Schwerte-Geisecke, die<br />
Hofanlage der Familie Schulte mit<br />
dem wunderbaren Ausblick über die<br />
Gräfte hinweg in die Ruhraue. Während<br />
Schultes Rinder extensiv grasend<br />
das <strong>Natur</strong>schutzgebiet Mühlenstrang<br />
pflegten, saßen in ihrem Stall lauter<br />
Kunstliebhaber und bewunderten<br />
nicht nur die action-painting-Bilder<br />
an den Wänden. Wo im Winter das<br />
Rindvieh frisst und döst, wurde musiziert<br />
und lasen Dichter aus ihren<br />
Werken. Auf Klaus Rudolf Schell,<br />
den Bergkamener Bachkreis und die<br />
Schwerter Jazz Gang folgten Matt-<br />
Die Aktion „Kunst im Kuhstall “ war ein<br />
voller Erfolg. Foto:Archiv<br />
hias Stührwoldts Erzählungen über<br />
„Verliebt(es) Treckerfahren“ und Fritz<br />
Eckengas Fußball-Kommentare mit<br />
Biss. Gut 1.500 Menschen konnten<br />
bei schönstem Sommerwetter nicht<br />
nur Speis und Trank von „Landaktiv<br />
kulinarisch“, sondern auch „Kunst und<br />
Kultur im Kuhstall“ genießen.<br />
REGIONEN AKTIV<br />
� Borussia Dortmund – Partner<br />
der Modellregion<br />
Um Fußball ging es auch beim<br />
zweiten Ereignis, der kulinarischen<br />
Unterstützung von Borussia Dortmund.<br />
Immerhin waren 3.500 Fans<br />
im VIP-Bereich mit regionalen Köstlichkeiten<br />
zu versorgen. Spezialitäten<br />
vom Fischhof Baumüller, ein eigener<br />
BVB-Käse von der Hofkäserei Wellie<br />
gehörten genauso dazu wie tausend<br />
Frikadellen mit Schwerter Honigsenf<br />
und Eingemachtes von Frau Nordhoff-Spinne.<br />
Nicht nur bei Bückers<br />
Backhaus musste zur Vorbereitung der<br />
erforderlichen Mengen eine Nachtschicht<br />
eingelegt werden. Auch für<br />
die Küche von Haus Villigst waren 400<br />
Kilo Honigkrustenbraten keine Alltäglichkeit.<br />
Weitere Kooperationspartner<br />
waren die Dortmunder Unimensa und<br />
die Gastronomie Overkamp. Bereits<br />
am Tag vor dem Spiel mussten alle<br />
Gerichte fix und fertig ins Stadion<br />
gebracht werden, wo sie am Samstag<br />
auf die verzehrgerechten Temperaturen<br />
gebracht wurden. Flankiert<br />
wurden die Delikatessen der Region<br />
69
70 REGIONEN AKTIV<br />
Umweltministerin Bärbel Höhn (Mitte) probierte neben Neuland-Frikadellen mit<br />
Schwerter Honigsenf auch weitere köstliche Leckerbissen aus der Region. Foto:<br />
Archiv<br />
von Infoständen. Vierzig Mitglieder<br />
der regionalen Partnerschaft verteilten<br />
Flyer, schenkten NFG-Apfelsaft und<br />
kleine Schnäpse von Schulte-Rötering<br />
aus, servierten Gemüserohkost und<br />
Neuland-Panhas. Frank Hellinger,<br />
Küchenchef des Caterers Aramark,<br />
und Urs Bischof, Gastronomiemanager<br />
beim BVB, können sich vorstellen, dass<br />
regionale Aktionen zwei- bis dreimal<br />
pro Jahr stattfinden. Denn die Gäste,<br />
zu denen auch NRW-Umweltministerin<br />
Höhn gehörte, waren genauso<br />
zufrieden wie die Borussia, die – selten<br />
genug – alle drei Punkte holte.<br />
Zugleich hat die Solidargemeinschaft<br />
bewiesen, wie professionell sie<br />
arbeitet. Über ihre rund 60 Mitglieder<br />
hinaus ist eine große Zahl von Interessenten<br />
an Fachforen und Aktionen<br />
beteiligt, alles in allem etwa 200<br />
Menschen. Selbstverständlich hat sich<br />
dabei ein engerer <strong>Kreis</strong> herausgebildet,<br />
da die Projekte und das Regionalmanagement<br />
regelmäßig zur Koordination<br />
zusammenkommen. Dabei gilt nach<br />
wie vor, dass das Bundesministerium<br />
für Verbraucherschutz, Ernährung und<br />
Landwirtschaft mit dem Programm<br />
„Regionen aktiv“ keine Einzelprojekte<br />
fördert, sondern die Umsetzung des<br />
regionalen Entwicklungskonzeptes.<br />
Dieses umfasst in der Modellregion<br />
Östliches Ruhrgebiet die vier Handlungsfelder<br />
„Regionalvermarktung“,<br />
„Regenerative Energie und nachwachsende<br />
Rohstoffe“, „Bildung und<br />
Begegnung“ sowie „Landwirtschaftliche<br />
Dienstleistungen“. Auch wenn das<br />
Jahr 2004 von einem Wermutstropfen<br />
getrübt wurde, überwogen doch die<br />
Fortschritte, zum Beispiel in der Landschaftspflege,<br />
im Tourismus und im<br />
Energiesektor.<br />
� Agrotourismus, Wanderreiten<br />
und neue Energie<br />
Um erste Schritte „vom Landwirt<br />
zum Energiewirt“ – so der Projekttitel<br />
– zu unternehmen, informierten sich<br />
mehrere hundert Landwirte beim<br />
Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband<br />
(WLV) über alternative<br />
Energien. Auf mehr als 100<br />
Scheunendächern wurden seitdem<br />
Photovoltaikanlagen installiert. Viele<br />
Lieferungen stehen noch aus, weil die<br />
Anlagenproduzenten der Nachfrage<br />
nicht gewachsen sind. Gelungen ist<br />
auch der Einstieg in die Biogaserzeugung:<br />
Drei neue Anlagen sind<br />
im Bau bzw. in der Planung. Ebenso
stoßen die Exkusionen des WLV<br />
zum Demonstrationszentrum für Biomasseheizungen<br />
in Bigge-Olsberg<br />
bei Landwirten auf großes Interesse,<br />
während das Hammer ÖkoZentrum<br />
NRW im korrespondierenden Projekt<br />
„E-NaWaRo“ versucht, Kommunen,<br />
Wohnungsgesellschaften und andere<br />
Unternehmen für Holzhackschnitzelheizungen<br />
zu erwärmen.<br />
For tschritte wurden auch im<br />
agrar-touristischen Bereich erzielt:<br />
Beim Projekt „Bauernhoferlebnis<br />
Ruhrtal“, einer Kooperation zwischen<br />
dem Amt für Agrarordnung und der<br />
Landwirtschaftskammer stehen Fahrradausflügler<br />
im Vordergrund. Um die<br />
Landwirte bei der Entwicklung touristischer<br />
Angebote zielgerecht beraten<br />
zu können, wurden im Sommer 2004<br />
die Erholungsuchenden nach ihrer<br />
Meinung gefragt. Daraufhin konnten<br />
die Gutachter ausdrücklich feststellen,<br />
„dass Ruhrtal-Besucher mit Kenntnis<br />
von regionalen Ab-Hof Produkten<br />
auch tatsächlich eher etwas auf<br />
den Betrieben einkaufen“, während<br />
Fahrradtouristen nur selten Bauernhof-Kunden<br />
sind. Sie haben aber ein<br />
großes Interesse an einer Raststation<br />
und an einladenden Wegweisern zu<br />
bäuerlichen Angeboten. Wie solche<br />
Anregungen vor Ort auf den Betrieben<br />
umgesetzt werden können, ist Thema<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> wird eine Reitroute entwickelt.<br />
Foto: Archiv<br />
der weiteren Projektarbeit.<br />
Das Glück dieser Erde liegt aber<br />
nicht nur im Fahrradsattel. Neben den<br />
Drahteseln spielen leibhaftige Pferde<br />
im Tourismus eine wachsende Rolle.<br />
Deshalb werden vom Umweltzentrum<br />
Westfalen die Möglichkeiten für das<br />
Wanderreiten ausgelotet und durch<br />
die Planung einer Reitroute verbessert.<br />
Die bisher konzipierten Fern- und<br />
Rundrouten umfassen mehr als 200<br />
Kilometer und können zu 80 Prozent<br />
schon beritten werden. Eine Karte, die<br />
diese Reitmöglichkeiten und weitere<br />
Wege dokumentiert, auf denen das<br />
REGIONEN AKTIV<br />
Reiten bereits heute erlaubt ist, wird<br />
in Kürze im Internetportal www.stadtland-hof.de<br />
veröffentlicht. Die ersten<br />
Hinweisschilder und wichtigsten Verbesserungen<br />
sind für 2005 geplant.<br />
Damit wird nicht nur eine naturverbundene<br />
Freizeitbeschäftigung<br />
gefördert. Genauso wichtig sind die<br />
neuen Einkommensmöglichkeiten für<br />
landwirtschaftliche Betriebe durch<br />
Pensionspferdehaltung und Dienstleistungen<br />
rund ums Pferd. Allein im<br />
Nahbereich der geplanten Reitroute<br />
von Selm über Nord-Lünen, Werne,<br />
Bergkamen, Hamm-Sandbochum<br />
bis Bönen liegen 33 Pferdehöfe und<br />
werden rund 700 Pferde gehalten,<br />
wobei es im östlichen Ruhrgebiet insgesamt<br />
12.000 ReiterInnen gibt, wie<br />
die Projektbearbeiterinnen ermittelt<br />
haben. Die ersten Betriebe bieten<br />
bereits Reitunterricht, Therapeutisches<br />
Reiten, geführte Ausritte, Pferdezucht,<br />
-verkauf und -ausbildung, Verpflegung<br />
sowie Unterbringung von WanderreiterInnen<br />
an – Serviceangebote, die<br />
ausgesprochen positive Zukunftsperspektiven<br />
aufweisen.<br />
� Ökopunkte und Vertragsnaturschutz<br />
Auch in der Landschaftspflege liegen<br />
neue Erwerbschancen, nicht zuletzt<br />
aufgrund der Kompensationsregelung<br />
71
72 REGIONEN AKTIV<br />
im <strong>Natur</strong>schutzrecht. Bekanntlich ist<br />
die Landwirtschaft häufig doppelt<br />
betroffen, wenn ein neues Baugebiet<br />
entsteht oder eine Straße verbreitert<br />
wird: Landwirte verlieren Flächen für<br />
die eigentliche Bautätigkeit und für<br />
ökologische Ausgleichsmaßnahmen.<br />
Mit dem Modellprojekt „Landwirtschaft<br />
und Ökokonto“ wird das Dortmunder<br />
Umweltamt die Bauern aus<br />
dieser Zwickmühle befreien. In Kürze<br />
können die Dortmunder Landwirte<br />
„Ökopunkte“ produzieren, wenn sie<br />
bestimmte Bewirtschaftungsauflagen<br />
einhalten, und bekommen hierfür<br />
nicht nur eine Honorierung aus den<br />
Ausgleichs- und Ersatzgeldern bzw.<br />
einen Pachtnachlass, sondern auch<br />
eine dauerhafte Perspektive durch die<br />
Verlängerung ihrer Pachtverträge.<br />
Mit diesen Ökopunkten wird die<br />
umweltfreundliche landwirtschaftliche<br />
Produktion als Kompensation<br />
für bauliche Eingriffe in <strong>Natur</strong> und<br />
Landschaft anerkannt – hoffentlich<br />
nicht als „Feigenblatt“ für weitere<br />
<strong>Natur</strong>zerstörung, wie der Dortmunder<br />
Ökologie-Professor Lothar Finke befürchtet,<br />
sondern als Teil einer neuen<br />
„Verantwortungsgemeinschaft“, so<br />
Staatssekretär Thomas Griese vom<br />
NRW-Umweltministerium auf der<br />
Projekttagung am 15. Dezember 2004<br />
in Dortmund.<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> können sich Landwirte<br />
durch das von der NFG getragenen<br />
Projekt „Bauern pflegen Landschaft"<br />
künftig ein zweites Standbein durch<br />
Landschaftspflegearbeiten schaffen.<br />
Im Sommer 2004 wurden bereits die<br />
ersten 5-Jahresverträge abgeschlossen,<br />
eine deutlich größere Zahl wird in 2005<br />
folgen. Als Kalkulationsgrundlage für<br />
interessierte Landwirte einerseits und<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> andererseits wurden<br />
2004 die landschaftspflegebedürftigen<br />
Bereiche im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> erhoben.<br />
Die Vertragsmodalitäten wurden auf<br />
zahlreichen landwirtschaftlichen Veranstaltungen<br />
sowie in der Fachpresse<br />
vorgestellt.<br />
� Regionalvermarktung heute<br />
und morgen<br />
Im Handlungsfeld Regionalvermarktung<br />
war die Tendenz uneinheitlich.<br />
Kurz vor dem Abschluss steht<br />
das Neuland-Projekt „Qualitätssicherungssystem<br />
für die artgerechte<br />
Nutztierhaltung“, durch das deren höhere<br />
Qualität jederzeit garantiert und<br />
nachgewiesen werden kann. Demgegenüber<br />
war der Wermutstropfen, der<br />
das Bild trübte, der Insolvenzantrag<br />
der „Natürlich Hellweg GmbH“, wodurch<br />
der Kartoffelschälbetrieb für<br />
„UNsere Knolle“ und das Projekt „Lieferservice“<br />
vorerst eingestellt werden<br />
mussten. „Das Preisdumping auf dem<br />
Lebensmittelmarkt fordert Opfer“,<br />
heißt es in der Presseerklärung. „Vernichtend<br />
war die Konkurrenz durch<br />
Dumpinganbieter mit hochmaschinisierten<br />
Produktionen: So liefern etwa<br />
Unternehmen aus Ostdeutschland das<br />
Kilo geschälte Kartoffeln für 34 Cent<br />
an Großkunden im lokalen Bereich.<br />
Natürlich Hellweg und die sechs zuliefernden<br />
Bauern aus dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
mit ihrem Qualitätsanspruch müssen<br />
für 62 Cent anbieten.“<br />
Manche Beobachter fragen daher,<br />
ob Regionalität als wichtigstes Qualitätsmerkmal<br />
eine hinreichende Begründung<br />
für höhere Preise sein kann,<br />
zumal es dem ökologisch orientierten<br />
„Werkhof“ in Dortmund-Scharnhorst<br />
inzwischen wieder besser geht. Noch<br />
vor zwei Jahren standen die biologisch-dynamische<br />
Gemüsegärtnerei,<br />
die Ausbildung arbeitsloser Jugendlicher,<br />
die GemüseAboKiste und<br />
andere Projekte vor dem Aus. Nach<br />
der Übernahme durch die „Werkstatt<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“, mit einem Zuschuss<br />
seitens der Stadt Dortmund und mit<br />
Unterstützung durch bisher zwei<br />
Regionen-aktiv-Projekte konnte die<br />
neue „Werkhof Service GmbH“ mit<br />
ihrer Konsolidierung beginnen und<br />
die Abonnentenzahl ihrer Biogemüse-<br />
Kiste wieder stabilisieren.
� Zielgruppe Kinder und Jugendliche<br />
Damit gute Produkte auch in Zukunft<br />
ihren Markt finden, müssen<br />
schon heute die Kunden von morgen<br />
angesprochen werden. Dies geschieht<br />
durch die drei Modellprojekte der<br />
VerbraucherZentrale, des WLV und<br />
der Evangelischen Kirche. „Leckeres<br />
aus unserer Region“ – unter diesem<br />
Motto plant die VerbraucherZentrale<br />
(VZ) einen Aktionstag für Dortmunder<br />
Schulen, um die Öffentlichkeit aufmerksam<br />
zu machen. Der Grundstein<br />
hierfür wurde durch die bisherige<br />
Informationsarbeit gelegt, die auch<br />
in Zukunft fortgeführt wird. Als besonderen<br />
Höhepunkt wird die VZ<br />
einen „Kinder-Kunst-Wettbewerb“<br />
zum Thema „Das wächst bei uns und<br />
schmeckt mir“ veranstalten.<br />
Damit knüpft die VZ an den erfolgreichen<br />
Medienwettbewerb des WLV<br />
an. In Kooperation mit dem Medienzentrum<br />
<strong>Unna</strong> hat der WLV alle Schulklassen<br />
in Hamm und im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
eingeladen, zum Thema „Der Bauernhof<br />
vor unserer Haustür“ eine mediale<br />
Präsentation zu erarbeiten. Ziel war,<br />
die SchülerInnen der Sekundarstufen<br />
stärker anzusprechen. Die vier prämierten<br />
Produktionen – Internetseiten,<br />
Videofilm und PowerPointPräsentation<br />
– zeigen nicht nur die verschiedenen<br />
Im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> werden die Landwirte<br />
zukünftig an der Landschaftspflege<br />
beteiligt. Foto: Archiv<br />
Einsatzgebiete für „HighTec auf dem<br />
Bauernhof“ oder die „Schweinezucht<br />
bei Bauer Clodt“, sondern auch einen<br />
kritischen Vergleich zwischen verschiedenen<br />
Methoden der Schweine- und<br />
Rinderhaltung auf zwei Höfen in Bönen.<br />
Hinzu kamen interessante und<br />
heitere Informationen über „Die Kartoffel“.<br />
Für den originellen Videofilm<br />
„Ein Tag auf dem Bauernhof“ wurde<br />
der „Grüne Trecker“ als Sonderpreis<br />
vergeben.<br />
Tage auf dem Bauernhof lassen sich<br />
REGIONEN AKTIV<br />
auch in Fröndenberg-Stentrop und<br />
Umgebung erleben. „Pälzer Vielerlei“<br />
heißt das Projekt des Evangelischen<br />
Kirchenkreises. Im Rahmen von ein- bis<br />
mehrtägigen Bildungsveranstaltungen<br />
können Kinder und Jugendliche,<br />
Eltern, Lehrer und Erzieherinnen die<br />
Vielfalt der regionalen Landwirtschaft<br />
erleben. Und im Anschluss an die<br />
Bauernhofbesuche werden die regionalen<br />
„Urprodukte“ in der neuen<br />
Aktionsküche weiterverarbeitet, also<br />
Milch zu Butter oder Quark, Getreide<br />
zu Mehl und Brot.<br />
� Gentechnik – nein danke?<br />
Demgegenüber lassen sich die<br />
Wirkungen der Gentechnik nicht unmittelbar<br />
erfahren – nicht sehen, nicht<br />
schmecken und auch nicht riechen.<br />
Genmanipulierte Lebewesen sind vielen<br />
Menschen daher so unheimlich wie<br />
radioaktive Stoffe. Wer käme schon<br />
auf die Idee, sich das für Insekten tödliche<br />
Toxin des Bacillus thuringiensis (Bt)<br />
ins Essen zu streuen – in entsprechend<br />
gentechnisch veränderten Kartoffeln<br />
und Bt-Mais ist dieser Stoff bereits<br />
enthalten, künftig auch in Bt-Reis und<br />
Bt-Tomaten. Vor diesem Hintergrund<br />
hat Elisabeth Schulze-Wethmar in<br />
ihrem Hofladen 1.400 Unterschriften<br />
für gentechnikfreie Lebensmittel<br />
gesammelt, und auch 25 regionale<br />
73
74 REGIONEN AKTIV<br />
Landwirte haben sich mit einer entsprechenden<br />
Erklärung zur gentecfreien<br />
Produktion verpflichtet. Um<br />
die Wahlfreiheit zu erhalten und die<br />
Entscheidung für eine landwirtschaftliche<br />
Produktion ohne Genmanipulation<br />
auch weiterhin zu ermöglichen, unterstützt<br />
das Regionen-aktiv-Projekt<br />
der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche<br />
Landwirtschaft“ (AbL) in Kooperation<br />
mit dem WLV die Suche nach Lieferanten<br />
für Saatgut und Futtermittel<br />
ohne gentechnische Veränderungen<br />
- damit die heimischen Landwirte auch<br />
in Zukunft den VerbraucherInnen gentechnikfreie<br />
Qualitäten bieten können.<br />
(Näheres im Artikel von Siegrid Herbst<br />
auf Seite 79).<br />
� Endspurt<br />
Mit dem Jahreswechsel 2005 erreichen<br />
alle 18 bundesdeutschen<br />
Modellregionen die Zielgerade. Mit<br />
einem guten Dutzend an Projekten,<br />
darunter auch die neue Streuobst-Initiative<br />
des Dortmunder BUND und die<br />
Informationskampagne der <strong>Kreis</strong>handwerkerschaft<br />
für Strohpressplatten<br />
als innovativen Werkstoff, geht das<br />
Östliche Ruhrgebiet in den Endspurt.<br />
Es gibt sogar noch finanzielle Reserven<br />
für weitere Projekte, bevor die endgültige<br />
Bilanz gezogen wird.<br />
Auch wenn für den Ausbau der<br />
regionalen und der ökologischen<br />
Vermarktung weitere Anstrengungen<br />
vonnöten sind, ist jetzt schon deutlich,<br />
dass die Kooperation zwischen Stadt<br />
und Land in unserer Region erheblich<br />
gestärkt worden ist und auf dieser<br />
Grundlage künftig noch weiter verbessert<br />
werden kann.
� Mastschweine an Heiler Luft<br />
Erst kommt das Tier,<br />
dann der Stall<br />
von Hugo Gödde<br />
Wir lassen die Sau raus. Dieses<br />
bekannte geflügelte Wort für<br />
das NEULAND-Programm ist für<br />
die Ökologiestation inzwischen<br />
wörtlich zu nehmen. Seit Sommer<br />
2004 lässt die Weddinghofener<br />
Bauernfamilie Ilona und Walter<br />
Höhne tatsächlich ihre selbst aufgezogenen<br />
Mastschweine an die<br />
frische Heiler Luft.<br />
Der Schweinestall schließt damit die<br />
Renovierung des landwirtschaftlichen<br />
Teils des alten Hofes Schulze Heil ab.<br />
Es werden wieder Tiere gehalten. Auf<br />
dem Hofgelände findet wieder wirkliches<br />
landwirtschaftliches Leben statt.<br />
Die Instandsetzung des Schweinestalls<br />
rundet zugleich die vielfältigen Funktionen<br />
der Ökologiestation zunächst<br />
ab. Von der Erzeugung landwirtschaftlicher<br />
Produkte, der Verarbeitung und<br />
Vermarktung im Zerlegebetrieb über<br />
den Landschafts- und <strong>Natur</strong>schutz in<br />
der Biostation, die Bildungsarbeit im<br />
Umweltzentrum bis zu Kunstausstel-<br />
REGIONEN AKTIV<br />
Noch einmal Schwein gehabt: Auf dem alten Hof Schulze-Heil werden seit Sommer<br />
2004 Mastschweine an frischer Luft aufgezogen. Alle Fotos: Ralf Sänger<br />
75
76 REGIONEN AKTIV<br />
lungen und Freizeit- und Feierangeboten<br />
im Haus reicht das Spektrum der<br />
Aufgabenstellungen.<br />
Die Parallelen zum umfassenden<br />
Begriff der multifunktionalen Landwirtschaft,<br />
wie er im regionalen<br />
Entwicklungskonzept der Solidargemeinschaft<br />
in „Regionen aktiv“<br />
festgelegt ist, sind frappierend und<br />
sicher nicht zufällig. Auch dort wird<br />
die vielfältige moderne Landwirtschaft<br />
von der Erzeugung, der Verarbeitung<br />
und regionalen Vermarktung, der<br />
Gewinnung regenerativer Energie und<br />
nachwachsender Rohstoffe über die<br />
<strong>Natur</strong>- und Umweltschutzaktivitäten<br />
bis zum Lern-, Erlebnis- und Begegnungsort<br />
Bauernhof definiert.<br />
Im Gesamtkonzept Ökologiestation<br />
hat der Schweinestall deshalb eine<br />
wichtige Bedeutung, auch wenn er aus<br />
Platz- und veterinärrechtlichen Gründen<br />
etwas aus dem Hof hinausweist.<br />
� Den Stall nach den Tieren<br />
ausrichten<br />
„Erst kommt das Tier und dann der<br />
Stall. Man muss den Stall nach dem<br />
Tier ausrichten und nicht das Tier dem<br />
Stall anpassen.“ Diese Maxime der<br />
tiergerechten Haltung stand bei der<br />
Renovierung des Schweinestalls Pate.<br />
Mit Architekten und Berater wurden<br />
die Bedingungen des vorhandenen<br />
Die Tiere standen beim Bau des<br />
Schweinestalls stets im Vordergrund.<br />
Gebäudes geprüft und ein entsprechender<br />
Umbau entworfen. Dabei<br />
war klar, dass mehrere Kriterien erfüllt<br />
werden mussten:<br />
� Es handelt sich nicht um einen Zoo<br />
oder eine Schautierhaltung, sondern<br />
um eine Nutztierhaltung, die ökonomischen,<br />
ökologischen, rechtlichen<br />
und ethischen Maßstäben<br />
entsprechen muss.<br />
� Die Schweine müssen nach ihrem<br />
„normalen“ Verhalten artgerecht<br />
leben können.<br />
� Die Arbeit des Bauern muss wirtschaftlich<br />
sein können (schließlich<br />
zahlt er eine übliche Pacht für den<br />
Stall).<br />
� Die Erzeugung muss von den Kosten<br />
und Erlösen her marktgerecht<br />
sein.<br />
Für den Bauern steht neben der artgerechten<br />
Tierhaltung die Arbeitswirtschaftlichkeit<br />
im Vordergrund. Also<br />
es muss nicht nur dem Tier, sondern<br />
auch dem Menschen gut gehen. Die<br />
Sorge vieler Bäuerinnen und Bauern<br />
ist, dass die Strohhaltung als die Basis<br />
der Tiergerechtheit zu übergroßer<br />
Arbeitsbelastung führt. Oder wie es<br />
Walter Höhne ausdrückt: „Wenn ich<br />
zuviel Arbeit mit der Entmistung habe,<br />
müsst ihr mithelfen.“<br />
� Was zu beweisen ist ... Tierverhalten<br />
als Maßstab<br />
Landläufig hält man das Schwein<br />
für ein sehr unsauberes Tier, eben ein<br />
Schwein. Tatsächlich ist das Schwein<br />
ein äußerst sauberes Tier, das sich<br />
nur entsprechend seinen körperlichen<br />
Bedingungen und seinen typischen<br />
Artmerkmalen verhält. Was aber sind<br />
spezielle Verhaltensmerkmale beim<br />
Schwein? Durch die Domestikation<br />
und Züchtung kam es zu einer Verschiebung<br />
der Verhaltensschwerpunkte.<br />
Angriffslust oder Nestbau wurden
abgeschwächt, aber nicht aufgegeben,<br />
Fress- und Sexualverhalten dagegen<br />
verstärkt. In der Tierverhaltenslehre<br />
des Schweins unterscheidet man folgende<br />
Funktionskreise (nach Hörning<br />
und Fenneker):<br />
1. Sozial- und Rangverhalten<br />
Schweine sind sehr soziale Tiere,<br />
deren Wohlbefinden von den anderen<br />
Artgenossen abhängt. Eine mehr<br />
oder weniger stabile Rangordnung<br />
wird durch Rangkämpfe festgelegt.<br />
Dabei ist die Gruppengröße für das<br />
Ausmaß der Kämpfe mitentscheidend.<br />
Schweine brauchen einerseits<br />
Berührungskontakt beim Liegen, andererseits<br />
Ausweichmöglichkeiten, um<br />
Rangkämpfen entgehen zu können.<br />
Diese Anforderungen werden auf der<br />
Ökostation je nach Buchtengröße mit<br />
Gruppen von acht bis zwölf bei einem<br />
Flächenbedarf von ca. 1,5 m²/Schwein<br />
gewährleistet.<br />
2. Ruheverhalten<br />
Schweine halten eine klare Trennung<br />
von Liege- und Kotbereich, wenn die<br />
Bereiche deutlich erkennbar voneinander<br />
geschieden sind. Der Liegeplatz<br />
ist im Stall und soll zugfrei, sauber,<br />
trocken und nicht zu hell gestaltet sein.<br />
Auslegung mit Stroh ist besonders geeignet,<br />
damit die Stallwärme erhalten<br />
bleibt. Geschlossene Buchtenwände<br />
schützen vor Rangeleien mit unliebsamen<br />
Nachbarn, was zu ungewolltem<br />
Abkoten führen und die Ruhe und<br />
Sauberkeit stören würde.<br />
3. Erkundungs- und Komfortverhalten<br />
Schweine sind tagaktive Tiere und<br />
sehr neugierig. Sie nehmen gern das<br />
Hofleben zur Kenntnis. In reizarmen<br />
Ställen liegen sie zu 70 – 80 % des<br />
Tages in ihren Buchten, in Auslaufhal-<br />
REGIONEN AKTIV<br />
Hier fühlen sich die Schweine „pudelwohl “ Sie halten sich bis zu 70 % des Tages in<br />
ihren Buchten auf.<br />
tung haben sie ca. 50 % Bewegung.<br />
Das Wühlen ist die ausgeprägteste<br />
Tätigkeit. Deshalb ist das Stroh nicht<br />
ersetzbar, allenfalls ergänzbar durch<br />
Spielmaterialien wie Ketten, Bälle usw.<br />
Zudem schonen Beschäftigungsinstrumente<br />
die Stalleinrichtung und<br />
die Artgenossen, an denen sich die<br />
Schweine sonst abreagieren. Wegen<br />
ihrer Speckschicht und der fehlenden<br />
Schweißdrüsen brauchen Schweine<br />
Wühl- oder Scheuermöglichkeiten, um<br />
die Körpertemperatur zu regeln und<br />
77
78 REGIONEN AKTIV<br />
Parasiten zu entfernen. Das „vollgesuhlte“<br />
Schwein ist also nicht dreckig,<br />
sondern führt nur Wärme ab.<br />
4. Futteraufnahmeverhalten<br />
Schweine sind Allesfresser. Während<br />
in Weidehaltung bis zu neun<br />
Stunden am Tag gefressen wird, reduziert<br />
sich die Fresszeit im Stall auf<br />
2 x 10 – 20 Minuten. Danach haben<br />
sie „frei“ und können ruhen, spielen,<br />
wühlen oder ihre Artgenossen ärgern<br />
(deshalb werden konventionell die<br />
Schwänze kupiert). Zuwenig Beschäftigung<br />
führt zu Langeweile oder Kannibalismus,<br />
während das Wühlen bei<br />
der Weidehaltung schnell die gesamte<br />
Grasnarbe umpflügt. Die Auslaufhaltung<br />
ist deshalb ein ausgezeichneter<br />
Kompromiss.<br />
5. Ausscheidungsverhalten<br />
Schweine halten unter natürlichen<br />
Bedingungen ihre Liegeplätze sauber<br />
und legen Kotplätze an. Diese sind<br />
am sinnvollsten im Außenauslauf<br />
anzubieten. Denn der Kotplatz soll<br />
heller sein als der Liegeplatz und durch<br />
Stangenabgrenzungen Kontakt zur<br />
Nachbarbucht ermöglichen, um das<br />
„Markierungsverhalten“ zu stimulie-<br />
ren. Außerdem ist er feucht zu halten<br />
(Regen, Tränken), um die Schweine<br />
durch die Nässe zum Koten und Harnen<br />
anzuregen. Dieser Außenbereich<br />
ist so anzulegen, dass er für den Bauern<br />
leicht zu entmisten ist (aufschiebbare<br />
Buchtenstangen, um mit dem Traktor<br />
mechanisch zu entmisten)<br />
Dazu kommt bei den Sauen noch<br />
ein ausgeprägtes Fortpflanzungs- und<br />
Geburtsverhalten, was bei Sauen- und<br />
Ferkelställen zu berücksichtigen ist.<br />
Wenn man diese Verhaltensmaxime<br />
berücksichtigt, ist der Schweine-<br />
Auslaufstall entsprechend zu bauen.<br />
Strohhaltung, mittlere Buchtengröße,<br />
geschlossene Buchtenwände im Stall,<br />
„offene“ Buchten im Auslauf, Tränken<br />
draußen (aber für die Winterkälte<br />
geschützt), ausreichend Liege- und<br />
Futterplätze drinnen, überdachter Auslauf,<br />
vielseitiges Futter mit Grundfutterangebot<br />
(Stroh, Heu, Gras usw.).<br />
NEULAND- Berater Hempler fasst<br />
zusammen: „Wie man sieht, ist Stroh<br />
für Schweine der Dreh- und Angelpunkt<br />
– als Wärmedämmung, gegen<br />
die Feuchtigkeit, als Beschäftigungsmaterial<br />
und als Grundfutter.“<br />
Dies ist auf der Ökostation realisiert.<br />
Interessierte Besucher können<br />
sich davon bei einer Besichtigung<br />
überzeugen.<br />
� Was zu beweisen ist ...<br />
Eines aber hat Walter Höhne doch<br />
am Anfang beunruhigt. „Wissen die<br />
Schweine auch, wie sie sich zu verhalten<br />
haben, und koten sie auch wirklich<br />
draußen ab. Oder hat die moderne<br />
Züchtung und Stallhaltung ihnen ihre<br />
artgemäßen Verhaltensweisen bereits<br />
abgewöhnt,“ meinte er vorsichtig.<br />
Jedenfalls wollte er sich absichern:<br />
„Wenn die Schweine im Stall abkoten,<br />
hol’ ich euch zum Ausmisten.“<br />
Nach einem halben Jahr Erfahrung<br />
ist er zufrieden. Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten<br />
funktioniert alles wie<br />
gewünscht. „Die Schweine machen<br />
sich gut. Der Stall ist trocken, nur in<br />
die Außenbucht muss ich erfahrene<br />
Schweine und keine Neuankömmlinge<br />
legen. Die Arbeit hält sich in den<br />
veranschlagten Grenzen. Und die<br />
Vermarktung klappt auch. Trotzdem<br />
will ich erst mal den Winter abwarten,<br />
bevor ich mich endgültig äußere,“<br />
bleibt er zurückhaltend. Und lächelnd<br />
ergänzt er: „Dabei hätte ich euch<br />
Schreibtischtäter gern mal die Mistforke<br />
in die Hand gedrückt.“
REGIONEN AKTIV<br />
� Projekt der Regionen Aktiv<br />
Wahlfreiheit ermöglichen – gentechnikfreie<br />
Qualität sicherstellen<br />
von Siegrid Herbst<br />
„Regionen aktiv“ hat im östlichen<br />
Ruhrgebiet mit einem Projekt zur<br />
gentechnikfreien Landwirtschaft die<br />
Auseinandersetzung mit Gentechnik in<br />
der Landwirtschaft vor Ort vorangetrieben.<br />
Trägerin des Projektes „Wahlfreiheit<br />
ermöglichen – gentechnikfreie<br />
Qualität sicherstellen“ ist die Arbeitsgemeinschaft<br />
bäuerliche Landwirtschaft<br />
mit Sitz in Hamm. Das Projekt<br />
läuft von Mai 2004 bis Januar 2005. Es<br />
will Bauern und Bäuerinnen, die ohne<br />
Einsatz von Gentechnik wirtschaften<br />
möchten, praktisch unterstützen.<br />
� Situation vor Ort<br />
Wie aktuell das Thema inzwischen<br />
auf den Höfen ist, macht die Entwicklung<br />
der Gentechnik in der Landwirtschaft<br />
deutlich: Erstmals wurden 1996<br />
in den USA gentechnisch veränderte<br />
Pflanzen kommerziell angebaut.<br />
Weltweit betrug die Anbaufläche<br />
2004 rund 81 Millionen Hektar, was<br />
etwa dem 4,7-fachen der deutschen<br />
landwirtschaftlichen Nutzflächen<br />
entspricht. Angesichts solcher Zahlen<br />
stellen sich Fragen: Kann noch von<br />
freier Wahl gesprochen werden, ob<br />
Landwirte gentechnisch veränderte<br />
Pflanzen anbauen oder verfüttern,<br />
ob Verbraucher gentechnikfreie oder<br />
genetisch veränderte Nahrungsmittel<br />
zu sich nehmen?<br />
In Europa sind diese Fragen berechtigt,<br />
denn 99 Prozent der Anbauflächen<br />
werden in den USA, Kanada,<br />
Argentinien, Brasilien, Südafrika und<br />
China bestellt. Bei uns wird der Anbau<br />
durch die europäische Richtlinie<br />
zur Freisetzung genetisch veränderter<br />
Organismen geregelt. Wir verfolgten<br />
in diesem Jahr die kontroverse Debatte,<br />
wie die Vorschriften im deutschen<br />
Gentechnikgesetz umgesetzt<br />
werden sollen. Landwirtschaft und<br />
<strong>Natur</strong>schutz in unserer Region werden<br />
davon unmittelbar betroffen sein.<br />
Vor Ort wirken sich noch zwei<br />
weitere Richtlinien aus: Seit dem<br />
18. April 2004 müssen gentechnisch<br />
veränderte Lebens- und Futtermittel<br />
gekennzeichnet werden – mit Ausnahme<br />
von Milch, Eiern und Fleisch. Der<br />
Zutatenliste kann also entnommen<br />
werden, welche Inhaltstoffe genetisch<br />
verändert sind. Auf dem Lieferschein<br />
steht, ob Futter zum Beispiel genetisch<br />
verändertes Soja enthält. Jedoch<br />
erfährt kein Verbraucher, ob Fleisch,<br />
Milchprodukte oder Eier von Tieren<br />
kommen, die mit gentechnisch veränderten<br />
Pflanzen, insbesondere Soja<br />
oder Mais gefüttert wurden.<br />
Außerdem soll in der noch nicht<br />
verabschiedeten Saatgutrichtlinie<br />
festgelegt werden, wie hoch der Anteil<br />
gentechnisch veränderter Saatkörner<br />
im Saatgut sein darf, ohne dass dies<br />
gekennzeichnet werden muss. Würde<br />
eine Verunreinigung bis 0,3 % zugelassen,<br />
könnten von 100.000 pro<br />
Hektar ausgesäten Maiskörnern 300<br />
gentechnisch verändert sein, ohne<br />
dass ich es weiß.<br />
� Informieren & koordinieren<br />
Diejenigen, die das Projekt anregten,<br />
wollten die Auseinandersetzung<br />
über gentechnikfreie und -einsetzende<br />
Landwirtschaft in ihre Region holen.<br />
Denn letzten Endes werden auch vor<br />
79
80 REGIONEN AKTIV<br />
Gentechnisch verändert?<br />
Ort die Weichen für die herkömmliche<br />
Landwirtschaft gestellt: Bei Aussaat<br />
und Ernte, im Saatguthandel, bei den<br />
Futtermittelhändlern und nicht zuletzt<br />
im Laden. Neue Möglichkeiten<br />
durch den Einsatz von Gentechnik<br />
stehen den herkömmlichen gegenüber.<br />
Die Forschung steht noch am<br />
Anfang. Fragen des Nebeneinanders<br />
von genveränderten Pflanzen und<br />
herkömmlichen sind ungeklärt. Bei<br />
Pflanzenarten wie Raps oder Mais<br />
ist ein Nebeneinander in der hiesigen<br />
Feldflur mit vielen kleineren Feldern<br />
ausgeschlossen. Gesundheitliche und<br />
ökologische Risiken sind größtenteils<br />
unerforscht, Langzeituntersuchungen<br />
zu Auswirkungen von gentechnischem<br />
Anbau fehlen.<br />
Außerdem lehnt die Mehrheit der<br />
Bevölkerung nach repräsentativen<br />
Umfragen gentechnisch veränderte<br />
Lebensmittel ab. Es gibt viele Bauern,<br />
die diesen Markt bedienen wollen.<br />
Denn Gentechnik wird sich nicht für<br />
jeden Betrieb als gewinnbringende<br />
Produktionsform eignen.<br />
Das Projekt „Wahlfreiheit ermöglichen<br />
– gentechnikfreie Qualität<br />
sicherstellen“ hat daher zum Ziel,<br />
landwirtschaftliche Betriebe aus der<br />
Region, die weiterhin gentechnikfrei<br />
wirtschaften wollen, zu unterstützen:<br />
durch Informationen, beim Einkauf<br />
von Futtermitteln und Saatgut, sowie<br />
durch die Koordination von Aktionen,<br />
die Bauern und Bäuerinnen zum Erhalt<br />
der gentechnikfreien Landwirtschaft<br />
planen. Es wendet sich insbesondere<br />
an interessierte Bauern konventionell<br />
und ökologisch wirtschaftender Betriebe,<br />
Verarbeiter regionaler Produkte,<br />
die landwirtschaftlichen Verbände<br />
aber auch an Futtermittelhändler,<br />
Saatgutfirmen und Verbraucher aus<br />
der Region.<br />
� Region auf dem Weg<br />
Mit Informationsveranstaltungen,<br />
Arbeitstreffen, Ständen auf Hoffesten<br />
und Märkten oder Berichten in der<br />
lokalen Presse hat das Projekt zu einer<br />
aktiven Auseinandersetzung mit dem<br />
Thema „Gentechnik in der Landwirtschaft“<br />
geführt. Besonders gut kam<br />
die gemeinsam mit dem Westfälisch-<br />
Lippischen Landwirtschaftsverband<br />
durchgeführte Informationsveranstaltung<br />
„Zukunft der gentechnikfreien<br />
Landwirtschaft“ am 30. September<br />
2004 in Kamen-Heeren an. Es ging<br />
um die Gesetzeslage, gentechnikfreies<br />
Saatgut, Rapsanbau und die Nachfrage<br />
der Ölmühle Brökelmann nach gentechnikfreiem<br />
Raps. Die gut besuchte<br />
Veranstaltung machte deutlich, wie<br />
groß das Interesse an Informationen<br />
ist. Es war offensichtlich, dass das The-
ma „gentechnikfreie Landwirtschaft“<br />
nicht an Verbandsgrenzen Halt macht<br />
und Kooperation gefragt ist.<br />
Die erste auf Vorschlag interessierter<br />
Landwirte durchgeführte Maßnahme<br />
ist eine freiwillige Erklärung, mit<br />
der Landwirte öffentlich bekunden,<br />
dass sie für ein Jahr keine genetisch<br />
veränderten Pflanzen auf ihren Äckern<br />
ausbringen.<br />
� Die unterzeichnenden Betriebe<br />
erklären:<br />
1. Wir setzen auf unseren Höfen kein<br />
gentechnisch verändertes Saat- und<br />
Pflanzgut bewusst ein.<br />
2. Wir fragen bei unseren Lieferanten<br />
von Saat- und Pflanzgut an, schriftlich<br />
zu erklären, dass bei der Herstellung<br />
des Saat- und Pflanzgutes<br />
keine gentechnischen Veränderungen<br />
vorgenommen worden sind.<br />
36 Bauern mit insgesamt über 1.700<br />
Hektar haben sich bereits hinter die<br />
Erklärung gestellt. Ihre Gründe sind<br />
vielfältig und spiegeln die Diskussion<br />
um die Gentechnik wieder: Sie wollen<br />
die Auseinandersetzung in der Region<br />
fördern, wollen Zeichen des Vertrauens<br />
an Verbraucher senden und sich<br />
langfristig komplizierte und kostenaufwändige<br />
Trennung, Lagerung und<br />
Vermarktung ihrer Ernten ersparen.<br />
Hoffest bei Kattensroths am 26. September 2004<br />
Andere sind interessiert die nächsten<br />
Jahre an die regionale Ölmühle Brökelmann,<br />
die nur ungekennzeichneten<br />
Raps annimmt, zu liefern oder sehen<br />
keinen wirtschaftlichen Nutzen in<br />
Pflanzen, die für Monokulturen in<br />
den USA und damit verbundene Probleme<br />
entwickelt wurden. Sie wollen<br />
sich nicht in Abhängigkeit von Agrochemieunternehmen<br />
begeben, die<br />
gentechnisch verändertes Saatgut und<br />
dazu passende Pflanzenschutzmittel<br />
liefern. Nicht zuletzt geht es vielen<br />
um die Vermeidung von unbekannten<br />
negativen Auswirkungen auf die<br />
REGIONEN AKTIV<br />
<strong>Natur</strong>. Bauern, die mitmachen, wollen<br />
nachhaltig wirtschaften und natürliche<br />
Ressourcen wie Boden, Wasser, Tiere<br />
und Pflanzen erhalten und pflegen. Sie<br />
wollen ihren Abnehmern ein Angebot<br />
machen, ihm die Wahl ermöglichen:<br />
„Im östlichen Ruhrgebiet erhalten Sie<br />
unsere Ernte aus gentechnikfreiem<br />
Anbau“.<br />
Nicht zuletzt ist ein Ziel, mehr Angebote<br />
bei Milch, Eiern und Fleisch ohne<br />
Gentechnik zu schaffen. Dieser Weg<br />
braucht einen langen Atem, denn es ist<br />
nicht leicht, Futter ohne Gentechnik,<br />
d.h. nicht kennzeichnungspflichtig,<br />
81
82 REGIONEN AKTIV<br />
einzukaufen. Während Futtermittelhändler<br />
im April nicht bereit waren,<br />
ungekennzeichnetes Futter zu liefern<br />
oder horrende Aufpreise verlangten,<br />
hat sich ihre Bereitschaft geändert.<br />
Einzelne bieten die Ware zu fairen<br />
Aufpreisen an. Zum gleichen Preis wie<br />
gentechnikfreies Soja ist jedoch kein so<br />
genanntes „NonGMO“-Soja mehr zu<br />
haben. Die Liste mit entsprechenden<br />
Händlern kann beim Projekt bezogen<br />
werden.<br />
Es stellte sich auch heraus, dass<br />
interessierte Landwirte mehr Informationen<br />
zur Vermarktung benötigen<br />
bzw. sich ein gezieltes Vermarktungskonzept<br />
für Direktvermarkter wünschen,<br />
bevor sie sich zum Einkauf von<br />
nicht kennzeichnungspflichtigen Futter<br />
entschließen. Dieses Interesse soll im<br />
kommenden Jahr gezielt mit einem<br />
neuen Projekt aufgegriffen werden.<br />
� Ausblick<br />
Dem Projekt geht es darum, die<br />
Wahlmöglichkeit von Landwirt und<br />
Verbraucher zu erhalten und zu erweitern.<br />
Im ersten Schritt konnte eine<br />
intensive Auseinandersetzung mit<br />
gentechnikfreier Landwirtschaft im<br />
östlichen Ruhrgebiet angeregt werden.<br />
Das Projekt kann sich auf etwa 30 aktive<br />
Landwirte stützen, die ihre Ideen<br />
einbringen. Für die Zukunft interessiert<br />
sie sehr, wie gentechnikfreie Produktion<br />
marktwirtschaftlichen Nutzen, insbesondere<br />
in der Direktvermarktung<br />
bringen kann. Neben der Ölmühle<br />
Brökelmann, die aus geschäftlichem<br />
Interesse das Projekt unterstützt, soll-<br />
ten noch weitere regionale Abnehmer<br />
und Verarbeiter landwirtschaftlicher<br />
Produkte als Partner gewonnen werden.<br />
Das Projekt antwortet auf den<br />
großen fachlichen Informationsbedarf<br />
zu Landwirtschaft mit Gentechnik,<br />
gentechnikfreier Landwirtschaft und<br />
Fragen der Koexistenz. Daher ist es<br />
richtig, die bisherige gute Zusammenarbeit<br />
bei Veranstaltungen mit dem<br />
Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband<br />
fortzusetzen.<br />
Angesichts der Möglichkeiten,<br />
gentechnisch veränderte Pflanzen<br />
einzusetzen, ist weiterhin starkes Engagement<br />
für den gentechnikfreien<br />
Markt gefragt – zum gegenseitigen<br />
Nutzen von Landwirt aus der Region<br />
und Verbraucher.
� Aktuelles vom „Wanderreit-Projekt“<br />
Reitrouten vom Niederrhein<br />
bis in die Hellwegbörde<br />
von Nina Windisch und<br />
Anna Musinszki<br />
Mit Erfolg abgeschlossen: Ende<br />
2004 ging der erste Teil des Wanderreit-Projektes<br />
der Umweltzentrum<br />
Westfalen GmbH zu Ende.<br />
Im Rahmen des Modellvorhabens<br />
„Regionen aktiv – Land gestaltet<br />
Zukunft“ – Modellregion „Östliches<br />
Ruhrgebiet“ (<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>,<br />
Dortmund, Hamm) wurde es vom<br />
Bundesministerium für Verbraucherschutz,<br />
Ernährung und Landwirtschaft<br />
gefördert.<br />
Ziel des Projektes ist es, Rundreitrouten<br />
für die Pferdehöfe und auch<br />
eine Fernreitroute mit Übernachtungs-<br />
und Rastmöglichkeiten zu entwickeln.<br />
Die Fernroute soll Teilstück einer vom<br />
Regionalverband Ruhrgebiet (ehemals<br />
Kommunalverband Ruhrgebiet)<br />
angestrebten „Fernwanderreitroute<br />
Nördliches Ruhrgebiet“ zwischen dem<br />
Niederrhein und der Hellwegbörde<br />
werden. Die Projektmitarbeiterinnen<br />
erarbeiteten im einjährigen Förderzeit-<br />
raum eine Wegebestands-Karte, einen<br />
Entwurf für eine Rund- und Fernreit-<br />
Routen-Karte und erfassten die Pferdehöfe<br />
entlang der geplanten Route.<br />
Außerdem führten sie zahlreiche Abstimmungsgespräche<br />
mit Behörden,<br />
Verbänden, Pferdehöfen und Reitern.<br />
Zum Abschluss des Projektes wurde im<br />
REGIONEN AKTIV<br />
Wanderreitwochenende 2004: Ankunft auf Hof Rossack. Foto: Karin Dost<br />
September 2004 ein Wanderreit-Wochenende<br />
veranstaltet, das auf großes<br />
Interesse stieß. In diesem Rahmen<br />
fanden zwei Tagesritte statt: Eine 25<br />
km lange Tour von Selm-Netteberge<br />
nach Werne-Wessel und ein 20 km<br />
langer Rundritt von Bönen-Lenningsen<br />
über <strong>Unna</strong>-Mühlhausen. Der Rundritt<br />
83
84 REGIONEN AKTIV<br />
in Bönen war mit einer Pressekonferenz<br />
auf dem Pferdehof Rossack verknüpft<br />
(die Tagespresse berichtete).<br />
Ein Anschlussprojekt im Rahmen<br />
von „Regionen aktiv“ ist bis Ende September<br />
2005 bewilligt worden. Das im<br />
ersten Projektteil entwickelte Konzept<br />
soll nun aufbauend auf die zahlreichen<br />
bereits geführten Abstimmungsgespräche<br />
in die Praxis umgesetzt werden.<br />
Folgenden Aufgaben widmet sich<br />
das Projekt 2005:<br />
� Präsentation von Reitrouten-Karten<br />
und Pferdehöfen auf der Homepage<br />
der Modellregion<br />
� Herstellen von Lückenschlüssen<br />
und Sichern von Gefahrstellen im<br />
Routennetz<br />
� Markieren der Routen in der Landschaft<br />
� Durchführung einer Informations-<br />
Veranstaltung zum Thema „Wanderreit-Stationen“<br />
� Aktualisieren und Weiterentwickeln<br />
der bestehenden Internet-Präsentation<br />
� Organisieren und Durchführen eines<br />
Wanderritts<br />
� Nutzen von „Synergieeffekten“ für<br />
mehr Verbraucherorientierung und<br />
<strong>Natur</strong>verträglichkeit<br />
� Öffentlichkeitsarbeit vor Ort.<br />
Die Umsetzung soll sich dabei zunächst<br />
auf die Kommunen entlang der<br />
geplanten Fernroute konzentrieren, in<br />
denen die Abstimmungsgespräche am<br />
weitesten fortgeschritten sind: Selm<br />
und Bönen. Darüber hinaus will sich<br />
auch die Stadt Bergkamen für Reitwege<br />
engagieren und arbeitet dabei eng mit<br />
dem Projekt zusammen.<br />
Aktuelle Informationen zum Projekt<br />
sowie erste Reitrouten-Karten finden<br />
Sie auf der Homepage www.stadtland-hof.de.
� Tierschutzverein <strong>Unna</strong> e.V.<br />
Gemeinnützig und als besonders<br />
förderungswürdig anerkannt<br />
Die Tätigkeit des Tierschutzvereins<br />
<strong>Unna</strong> e.V. erstreckt sich nicht<br />
allein auf den Schutz der Haus-<br />
und Nutztiere, sondern auch auf<br />
die gesamte in Freiheit lebende<br />
Tierwelt in unserer Umwelt.<br />
� Wir helfen in Not geratenen Tieren.<br />
� Wir leisten Hilfe mit einem eigenen<br />
Tierrettungswagen.<br />
� Wir gehen Tierquälereien und Tiermissbrauch<br />
nach und veranlassen<br />
strafrechtliche Verfolgung - ohne<br />
Ansehen der Person des Täters.<br />
� Wir versuchen, unerwünschten<br />
Tieren eine gute Bleibe von Haus<br />
zu Haus zu vermitteln und weitest<br />
möglich Schutz durch Abgabeverträge<br />
und Kontrollen zu erreichen.<br />
� Wir sind gegen unkontrollierte sowie<br />
gegen übertriebene Vermehrung<br />
und Züchtung von Tieren, aber auch<br />
gegen das Töten von gesunden<br />
Heimtieren jeglichen Alters.<br />
� Wir unterhalten eine Tierrettungsstation<br />
und eine eigene Katzen-<br />
Pflegestation für kranke und her-<br />
renlose Katzen.<br />
� Wir führen Kastrationsaktionen für<br />
Katzen durch, um sinnlose Massenvermehrung<br />
einzudämmen.<br />
� Wir leisten Unterstützung in besonderen<br />
Notlagen.<br />
� Wir versuchen den Tieren im Tierheim<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> ein besseres<br />
Leben zu ermöglichen und unterstützen<br />
nach unseren Möglichkeiten<br />
dieses Tierheim.<br />
� Wir leisten Aufklärungsarbeit und<br />
Werbetätigkeit für Tier- und <strong>Natur</strong>schutz.<br />
� Wir sind Mitglied im Deutschen<br />
Tierschutzbund und im Landestierschutzverband<br />
Nordrhein- Westfalen<br />
e.V.<br />
� Wir geben gern Auskunft in allen<br />
Tierschutzfragen.<br />
� Kontakt<br />
Mitglieder des Tierschutzvereins<br />
<strong>Unna</strong> e.V. und alle Tierfreunde als willkommene<br />
Gäste treffen sich an jedem<br />
1. Donnerstag im Monat, um 19 Uhr,<br />
im Café „Bistro im Park“, Luisenstraße<br />
22, in <strong>Unna</strong>, um zwanglos Informati-<br />
VEREINE<br />
Katzen werden vom Tierschutzverein<br />
wieder gesund gepflegt.<br />
onen und Erfahrungen auszutauschen<br />
und Beobachtungen mitzuteilen, Probleme<br />
zu erörtern, geplante Vorhaben<br />
zu besprechen, Wünsche zu äußern,<br />
Informationsmaterial zu beschaffen.<br />
� Für Tiere und Tierfreunde sind wir<br />
jederzeit da: Geschäftsstelle: Sperberstraße<br />
4, 59425 <strong>Unna</strong>, Tel./Fax<br />
02303 62765, Internet: www.tsvunna.de,<br />
E-Mail: info@tsv-unna.<br />
de<br />
� Tierrettungsstation: „Johanna<br />
Winterkamp“, Am Stuckenberg 1,<br />
59427 <strong>Unna</strong>. Öffnungszeiten: Mittwoch<br />
und Freitag von 16 bis 18 Uhr,<br />
Samstag von 10 – bis 12 Uhr<br />
85
86<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
� Drei „Grüne Wege“ durch den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
Historie, <strong>Natur</strong> und Naherholung<br />
im Kombipaket<br />
von Horst Schenkel<br />
Auf internationaler Ebene wurde<br />
1999 die Aktion: „Grüne Wege<br />
für die Zukunft“ vom Dachverband<br />
NFI der NATURFREUNDE ins<br />
Leben gerufen. Die Kampagne will<br />
zeigen, dass das Erlebnis Freizeit<br />
keine Frage der Entfernung ist. Die<br />
lebendige <strong>Natur</strong> und reichhaltige<br />
Kultur in der unmittelbaren Umgebung,<br />
das Gemeinschaftserlebnis<br />
mit Freunden und Gleichgesinnten<br />
bieten oft mehr Abwechslung<br />
und Exotik als so manche Fernreise<br />
oder Spritztour mit dem Auto<br />
am Wochenende. Der Landesverband<br />
NATURFREUNDE NRW hat<br />
sich mit seiner Fachgruppe <strong>Natur</strong><br />
& Heimatkunde - Umweltschutz,<br />
für den westfälischen Raum, des<br />
Themas „Grüne Wege“ angenommen.<br />
In NRW wurde das erste Seminar<br />
zu diesem Thema im Februar 2002<br />
in Lieberhausen bei Gummersbach<br />
abgehalten. Behandelt wurden alte<br />
Alte Hellwegtrasse bei Stockum. Alle Fotos: Horst Schenkel<br />
Handels-, Heer- und Hansestraßen im<br />
Bergischen Land. Exkursionen ergänzten<br />
die Vorträge und die Besichtigung<br />
der fragmenthaft vorhandenen Kulturdenkmale<br />
machten das Thema lebendig.<br />
Jahrhunderte alte Karrenspuren im<br />
Gestein oder alte Hohlwege und Landwehren<br />
sind in eine amtliche Bodendenkmalkarte<br />
in Bonn eingetragen. Als<br />
dann die überregionale Anbindungen<br />
dieser historischen Wege zur Sprache<br />
kamen, wurde es spannend. Der „Hellweg“<br />
kam ins Spiel und die historische<br />
Verbindung des Herrschaftsbereichs<br />
der Grafen von der Mark zum heutigen<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Prompt folgte das<br />
zweite „Grüne Wege“-Seminar 2003<br />
im Schloss Oberwerries in Hamm.
Die Stadt wurde von den Grafen von<br />
der Mark gegründet. Die Keimzelle,<br />
der Burghügel aus dem Jahre 1226<br />
im Ortsteil Hamm-Mark ist noch ein<br />
Relikt aus dieser Zeit. Seminarthemen<br />
in Hamm waren: „Grüne Wege<br />
zum Hellweg, Bergisch-Märkische<br />
Beziehungen“ und die alten Land-<br />
und Wasserwege in Mittelwestfalen.<br />
Hervorzuheben war der Vortrag des<br />
Referenten Helmut Papenberg aus<br />
<strong>Unna</strong>, der die alte Hellwegroute mit<br />
dem Fahrrad abgefahren ist und eindrucksvoll<br />
beschrieben hat. Nun hat<br />
der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> neben dem Hellweg<br />
noch zwei weitere interessante Wege<br />
zu bieten. Die drei Routen ziehen sich<br />
wie grüne Bänder von West nach Ost<br />
durch den <strong>Kreis</strong>.<br />
� Der Hellweg<br />
Dieser alte Handels- und Verbindungsweg<br />
zwischen Rhein und Weser<br />
verbindet Historie und <strong>Natur</strong>erleben<br />
auf eindrucksvolle Weise. Besonders<br />
mit dem Fahrrad lässt sich der Weg,<br />
zum Teil auf der alten Hellwegtrasse,<br />
erkunden. Natürlich hat der Mensch<br />
diese Kulturlandschaft geformt, dennoch<br />
bieten Fauna und Flora willkommene<br />
Abwechslung. Tiere der offenen<br />
Landschaft, der Feld- und Wiesenraine<br />
zeigen sich dem Beobachter, zu ihnen<br />
gehört auch die Goldammer (Emberiza<br />
Ehemalige Bahntrasse bei Lenningsen<br />
mit Fuß-, Rad- und Reitweg<br />
citrinella) . Sie ist sowohl Brutvogel als<br />
auch Zugvogel im beschriebenen Gebiet.<br />
Sie zieht im Frühjahr und Herbst<br />
in großen Schwärmen mit anderen<br />
Ammern und Finken über die Hellwegbörde<br />
und rastet regelmäßig auf<br />
Äckern und Wiesen. Greifvögel und<br />
selbst Kraniche sind auf Rast und Zug<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
zu beobachten. Die historische Bedeutung<br />
der Strecke wird beim Nachlesen<br />
des Buches „Zeitreise Hellweg“ wieder<br />
in den Vordergrund gerückt. Zur Blütezeit<br />
der Hanse transportierte man<br />
Salz, Getreide, Fisch, Pelze und Tuche<br />
auf dieser Strecke aber auch Wein<br />
aus dem Rheingebiet und Metallwaren<br />
aus dem Märkischen Land. Weit<br />
vor dieser Zeit zogen schon Römer,<br />
Merowinger und Karolinger über die<br />
Hellweg-Trasse.<br />
� Die alte Bahnstrecke<br />
<strong>Unna</strong>-Welver<br />
Nach der Stillegung im Jahre 1965<br />
entwickelte sich dieser Bereich zu<br />
einem bemerkenswerten Biotopverbund.<br />
Dies ist besonders wichtig für<br />
die ausgeräumten Landschaftsteile mit<br />
intensiver landwirtschaftlicher Nutzung.<br />
Die Anlage eines Rad-, Fuß- und<br />
Reitweges im Bereich des Bahndammes<br />
erschließt dem <strong>Natur</strong>freund den<br />
Einblick in eine vielfältige <strong>Natur</strong>. Von<br />
der Grasmücke bis zum Greif reicht<br />
das Spektrum der Vogelarten. Die<br />
Krautfluren mit diversen Wildkräutern<br />
sind ein Tummelfeld für viele Kerfe und<br />
Schmetterlinge. Ein farbenprächtiger<br />
Vertreter der Wanderschmetterlinge<br />
ist der Distelfalter (Vanessa cardui), er<br />
nutzt die Trasse als Lebensraum im<br />
Sommer, die Nachkommen zieht es im<br />
87
88 REISEN UND EXKURSIONEN<br />
Herbst wieder in den Süden. Besonders<br />
mit dem Fahrrad lässt sich die <strong>Natur</strong><br />
auf dieser Strecke „erfahren“, außerdem<br />
kann man diesen „Grünen Weg“<br />
gut mit dem Hellweg kombinieren,<br />
(siehe: Fahrradroute Hellweg, Seite<br />
9-11, Literaturhinweis). Es ist kaum<br />
zu glauben, dass diese Strecke einmal<br />
eine wichtige Schienenverbindung für<br />
den Regionalverkehr war, dem Lebensraum<br />
<strong>Natur</strong> hat die Umwidmung zum<br />
„Geschützten Landschaftsbestandteil“<br />
gut getan und dem Aspekt Naherholung<br />
auch.<br />
� Der Leinpfad am Datteln-<br />
Hamm-Kanal<br />
Einen Sonderstatus unter den „Grünen<br />
Wegen“ nimmt dieser Kanal ein.<br />
Er ist als Wasserstraße eine wichtige<br />
Verkehrsverbindung im mittelwestfälischen<br />
Wirtschaftsraum. Der<br />
begleitende Leinpfad aber ist eine<br />
wunderbare Ergänzung im Angebot für<br />
den Naherholungsbereich. Hier lässt<br />
sich, wie schon bei den vorgenannten<br />
Routen, <strong>Natur</strong> und Historie erleben.<br />
Der eingeschränkte Leinpfadbereich<br />
wird durch das interessante Umfeld<br />
mehr als ausgeglichen. Unmittelbar<br />
in der Nähe verläuft die „Route Industriekultur-<br />
Industrienatur“, die<br />
Radwege „Römerroute“ und „Emscherpark<br />
Nord“. Weiterhin bietet<br />
Der Goldammer ist ein Bewohner des<br />
Beverseegebietes.<br />
das <strong>Natur</strong>schutzgebiet Beversee und<br />
die Öko-Station des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> mit<br />
ihrem Umfeld eine Vielfalt von Erlebnis-<br />
und Beobachtungsmöglichkeiten.<br />
Vogelarten von A wie Amsel bis Z wie<br />
Zaunkönig können beobachtet werden,<br />
selbst Eisvögel und Wanderfalken<br />
sind dabei. Eine weitere Bereicherung<br />
sind die Krautfluren mit Blut-Weiderich<br />
(Lythrum salicaria) und Dost (Origanum<br />
vulgare). Eine Besonderheit stellen<br />
die Orchideenwiesen mit Dactylorhiza-Arten<br />
dar. Das Umweltzentrum<br />
Westfalen in Bergkamen, bringt in<br />
Halbjahresprogrammen eine Menge<br />
Anregungen zu Exkursionen, Veranstaltungen<br />
und Ausstellungen zum<br />
Thema <strong>Natur</strong> und Umwelt.<br />
� Fazit<br />
Zusammenfassend bleibt zu sagen,<br />
dass die vorgestellten „Grünen Wege“<br />
eigentlich Paradiese aus zweiter Hand<br />
sind, von Menschen geprägt, von der<br />
<strong>Natur</strong> gestaltet und mit Historie behaftet.<br />
Es lohnt sich also, ins Detail zu gehen,<br />
neben der nachhaltigen Nutzung<br />
der <strong>Natur</strong> gibt es interessante Einblicke<br />
in die geschichtliche und historische<br />
Entwicklung unseres Lebensraumes.<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Papenberg, Helmut: Fahrradroute Hellweg,<br />
ISBN: 3-927082-40-6<br />
Sephan-Maaser, Reinhild: Zeitreise Hellweg,<br />
ISBN: 3-88474-932-3<br />
Stichmann, Wilfried: Der große Kosmos <strong>Natur</strong>führer,<br />
ISBN: 3-440-09454-5<br />
NFG für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>: <strong>Natur</strong><strong>report</strong> Band<br />
8/2004, ISBN: 3-9803244-6-8, S. 33; S. 71-<br />
73; S. 89-90<br />
Curdt, Inge: Grüne Wege in NRW, Seminarbericht<br />
2002, Lieberhausen<br />
Curdt, Inge: Grüne Wege in NRW, Seminarbericht<br />
2003, Hamm
� Exkursion in die Uckermark<br />
Der Vorstand der NFG erkundet<br />
die <strong>Natur</strong> des Partnerkreises<br />
von Bernd Margenburg<br />
Flora und Fauna in der Uckermark:<br />
Zu einer gemeinsamen dreitägigen<br />
Exkursion vom 10. bis 12. Juni<br />
2004 trafen sich 13 Mitglieder des<br />
Vorstandes der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong><br />
(NFG).<br />
Die Anfahrt nach Templin erfolgte<br />
bereits am Vortag, so dass sich die<br />
Reiseteilnehmer am späten Mittwochabend<br />
im „Hotel Fährkrug“ trafen.<br />
Für den Donnerstag stand eine Draisinenfahrt<br />
von Templin Hauptbahnhof<br />
nach Fürstenberg/Havel auf dem Programm.<br />
Bis zum ersten Zwischenstopp,<br />
Lychen, führte die Strecke durch<br />
Wälder, Wiesen und Getreidefelder,<br />
die mit zahlreichen blühenden Ackerwildkräutern<br />
und Wiesenpflanzen<br />
einen prächtigen Anblick boten. Auf<br />
einem Strommast wurde der Horst<br />
eines Fischadlers entdeckt. In Lychen<br />
empfing uns Gerd Klinger von der<br />
<strong>Natur</strong>parkverwaltung Uckermärkische<br />
Seen. Er stellte die Arbeiten der Na-<br />
turparkverwaltung vor. Hier konnten<br />
erste Informationsgespräche zu <strong>Natur</strong>schutzfragen<br />
geführt werden.<br />
Am Nachmittag erreichte die Gruppe<br />
nach weiteren Stopps und nach 28<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
13 Mitglieder des Vorstandes der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft brachen im Sommer<br />
2004 zu einer gemeinsamen Exkursion in die Uckermark auf.<br />
Kilometern Fahrt Fürstenberg. Nach<br />
einem Rundgang durch den Ort ging<br />
es mit dem Bus wieder zurück nach<br />
Templin.<br />
Der zweite Tag war für einen Be-<br />
89
90 REISEN UND EXKURSIONEN<br />
such des Nationalparkes „Unteres<br />
Odertal“ vorgesehen. Der Nationalpark<br />
erstreckt sich in Deutschland<br />
entlang der Oder vom Oderbruch ab<br />
Hohensaaten bis Mescherin/Staffelde,<br />
auf polnischer Seite schließt sich<br />
ein Landschaftsschutzpark bis vor die<br />
Tore Szczecin (Stettin) an. Auf einer<br />
Gesamtlänge von 60 Kilometern wird<br />
eine einmalige mitteleuropäische Auenlandschaft<br />
geschützt. Das Odertal<br />
mit den anschließenden Hängen<br />
gehört zu den artenreichsten Lebensräumen<br />
Deutschlands. Unter fachkundiger<br />
Führung durch Herrn Kapuhs<br />
von der <strong>Natur</strong>wacht Brandenburg<br />
wurden verschiedene Beobachtungspunkte<br />
angefahren und im Rahmen<br />
kleinerer Wanderungen konnte ein<br />
erster Eindruck von der Schönheit<br />
und der Artenvielfalt des Schutzgebietes<br />
– belegt zum Beispiel durch<br />
den Vorbeiflug eines Schreiadlers und<br />
zahlreicher bei uns seltener oder nicht<br />
vorkommender Pflanzenarten am<br />
Wegesrand – gewonnen werden. Ein<br />
aufziehendes Gewitter und die bereits<br />
weit fortgeschrittene Zeit erlaubten<br />
keinen Besuch der polnischen Schutzgebietsseite.<br />
Dafür konnte das im Jahr 2000<br />
eröffnete, moderne und ansprechende<br />
Besucherzentrum im ehemaligen<br />
Schafstall des Criewener Schlosses<br />
besucht werden. Neben Informationen<br />
zur Geschichte der Region erfährt der<br />
Besucher vieles über die Aufgaben<br />
des Nationalparkes und dessen Flora<br />
und Fauna. Besonders beeindruckend<br />
ist das 15.000 Liter große Aquarium<br />
mit 30 heimischen Fischarten. Ein Poldermodell<br />
zeigt unter den Augen des<br />
Nationalpark-Maskottchens Felix, wie<br />
sich Wasser in der Aue verhält.<br />
Am letzten Tag wurde im Rahmen<br />
einer Kanu-Tour über den Gleuensee<br />
in Richtung Netzowsee ein weiterer<br />
Teil der drei Großschutzgebietstypen<br />
in Brandenburg erkundet. Neben<br />
dem Nationalpark „Unteres Oder-<br />
tal“ und dem „Biosphärenreservat<br />
Schorfheide-Chorin“ präsentiert der<br />
<strong>Natur</strong>park „Uckermärkische Seen“<br />
eine der reizvollsten Landschaften<br />
im Nordosten Brandenburgs, die sich<br />
auch vom Boot aus erkunden lässt. Der<br />
Landkreis Uckermark hat somit einen<br />
überwiegenden Anteil an diesen drei<br />
Großschutzgebieten, d.h. etwa 50 %<br />
der <strong>Kreis</strong>fläche sind nach dem <strong>Natur</strong>schutzrecht<br />
besonders geschützt.<br />
Die gut organisierte und geleitete<br />
Bootsfahrt, die nur durch ein kräftiges<br />
Gewitter während der Mittagspause<br />
unterbrochen wurde, schloss eine sehr<br />
informative Exkursion ab. Im Sinne<br />
der Partnerschaft zwischen dem <strong>Kreis</strong><br />
Uckermark und dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> sei<br />
allen <strong>Natur</strong>freunden ein Besuch in der<br />
Uckermark empfohlen.<br />
� Informationen<br />
Weitere Informationen im Internet<br />
unter: www.grossschutzgebiete.brandenburg.de<br />
oder www.uckermark.de
� Exkursionen in die Uckermark<br />
Auf der Draisine durch den<br />
<strong>Natur</strong>park Uckermärkische Seen<br />
Die reizvolle Landschaft der Uckermärkischen Seen lädt zu zahlreichen Freizeitaktivitäten ein.<br />
von Gert Klinger<br />
Das Inlandeis und die Schmelzwasserströme<br />
der Weichseleiszeit,<br />
der letzten Kaltzeit modellierten<br />
die Geländeoberfläche des <strong>Natur</strong>parks<br />
Uckermärkische Seen.<br />
<strong>Natur</strong>räumlich ist er mit der Feldberger<br />
Seenlandschaft verbunden.<br />
Die über 200 Seen im <strong>Natur</strong>park<br />
sind ebenso ein eiszeitliches Erbe wie<br />
die bis 120 Meter hohen Moränenrücken.<br />
Zwischen Fürstenberg/Havel,<br />
Zehdenick, Templin und Prenzlau<br />
gelegen, beherbergt das Gebiet von<br />
897 Quadratkilometer etwa 25 Paar<br />
Fischadler – dem Wappentier des<br />
<strong>Natur</strong>parks. Knapp die Hälfte der Na-<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
turparkfläche bedecken Wälder, 41 %<br />
sind Felder, Wiesen und Heiden, 8 %<br />
Gewässer und Moore. Ganze 6 % der<br />
Fläche des <strong>Natur</strong>parks sind mit Siedlungen<br />
und Verkehrswegen bebaut.<br />
Die mächtigste Lärche Deutschlands<br />
und der höchste Wacholder in<br />
Brandenburg, mehrere fleischfressende<br />
Pflanzen, der Moorochse und<br />
91
92 REISEN UND EXKURSIONEN<br />
der urzeitliche Pfeilschwanz leben<br />
beispielsweise im <strong>Natur</strong>park. Einige<br />
hundert verschiedene Obstsorten<br />
säumen die alten Feldwege. Dank<br />
dieser landschaftlichen Vielfalt hat sich<br />
der Tourismus zu einem bedeutenden<br />
Wirtschaftsfaktor in der Region<br />
entwickelt. Jährlich verzeichnet der<br />
<strong>Natur</strong>park Uckermärkische Seen etwa<br />
eine Million Tagesbesucher.<br />
Eine besondere Attraktion und<br />
Musterbeispiel des naturverträglichen<br />
Tourismus ist die Draisine. Im Juni<br />
1996 ging auf der ca. 30 km langen,<br />
stillgelegten Bahnlinie Fürstenberg/<br />
Havel-Templin die erste deutsche Fahrrad-Draisine<br />
in Betrieb. Das Abenteuer<br />
Draisine hat sich zu einem überregionalen<br />
Besuchermagnet entwickelt. In<br />
der Hochsaison fahren täglich bis zu<br />
hundert Gäste, die auf diese Art die<br />
idyllische Landschaft genießen. Die<br />
Basisstationen Templin und Fürstenberg/Havel<br />
sind von Berlin aus stündlich<br />
mit der Regionalbahn erreichbar.<br />
Doch die Draisinenstrecke hat ein<br />
höheres Potential: Dies erkannte der<br />
Tourismus Service Templin e.V. und initiierte<br />
die Entwicklung der Strecke zu<br />
einer „Perlenkette“ erlebnisorientierter<br />
Angebote. Denn viele der Besucher<br />
wissen nicht, welche <strong>Natur</strong>denkmale,<br />
Kulturgüter, Sehenswürdigkeiten, Badestellen<br />
und Einkehrmöglichkeiten<br />
Ein Beispiel für naturverträglichen Tourismus: die Draisine.<br />
unweit der Strecke auf sie warten – ein<br />
Verlust für die touristische Wertschöpfung<br />
der Region! Was änderte sich<br />
nun? Mit finanzieller Unterstützung<br />
des Wirtschaftsministeriums entstand<br />
eine Konzeption für die Weiterentwicklung<br />
der Strecke. Zur Umsetzung<br />
nahm die Lokale Aktionsgruppe (LAG)<br />
der <strong>Natur</strong>parkregion Uckermärkische<br />
Seen 2001 das Vorhaben als wichtigen<br />
Baustein in das regionale Entwicklungskonzept<br />
auf. Für die im jeweiligen<br />
Gemeindegebiet geplanten Maßnahmen<br />
musste jede Kommune separat<br />
LEADER-Fördermittel beantragen.<br />
Das Ergebnis, ein interaktives und<br />
multimediales Info-Leitsystem, kann<br />
sich zum Saisonbeginn 2004, sehen<br />
lassen. An sieben Haltepunkten wurden<br />
unübersehbare Informationstafeln<br />
aufgestellt, die über die nächstgelegene<br />
Stadt oder Gemeinde und den<br />
<strong>Natur</strong>park informieren. So genannte<br />
„Fingerpaneele“ weisen auf besondere<br />
touristische Höhepunkte hin.<br />
Natürlich sollen die Draisinen – Gäste<br />
die Strecke verlassen können! Darum<br />
wurden Parkplattformen mit Rastmöglichkeiten<br />
installiert – die Draisine<br />
kann dort herausgenommen und<br />
gesichert abgestellt werden. Die Basisstationen<br />
Templin und Fürstenberg/<br />
Havel bieten jetzt einen erweiterten<br />
Park- und Informationsservice, und
zur besseren Orientierung wurde die<br />
gesamte Strecke mit Kilometer-Angaben<br />
versehen.<br />
� Steckbrief Draisine<br />
Draisinen gibt es bereits seit den<br />
Anfängen der Eisenbahn: Im Jahre<br />
1817 baute Karl Friedrich Freiherr<br />
Drais von Sauerbronn eine Laufmaschine<br />
und nannte seine Erfindung<br />
„Draissienne“.<br />
Umgebaut und weiterentwickelt<br />
diente sie bald den Eisenbahnern<br />
als Transportmittel bei Streckenkon-<br />
trollen, kleineren Reparatur- sowie<br />
Instandhaltungsarbeiten.<br />
Die erste rein touristisch genutzte<br />
deutsche Draisinestrecke zwischen<br />
Fürstenberg/Havel und Templin ist<br />
ca. 30 km lang. Die Fahrrad-Draisinen<br />
werden von März bis Oktober tagsüber<br />
vermietet. Ausgangspunkt ist an<br />
geraden Tagen Templin und an den<br />
ungeraden Tagen Fürstenberg/Havel.<br />
Im Buchungsticket ist die Rückfahrt<br />
mit dem Bus (ÖPNV) zum jeweiligen<br />
Ausgangsort mit enthalten. Auf den<br />
ca. 50 sich im Einsatz befindlichen<br />
Draisinen haben je zwei Erwachsene<br />
und zwei Kinder oder drei Erwachsene<br />
Platz.<br />
� Information und Buchung:<br />
Tourismus Service Templin<br />
Eine Kanutour in schöner Landschaft<br />
Obere Mühlenstrasse 11, 17268<br />
Templin, Tel. 03987 2631, Fax: 53833,<br />
E-Mail: templin-info@t-online.de,<br />
www.tourismus-service-templin.de<br />
� „Frühlingskonzert“<br />
„Frühlingskonzert“ ist eine begleitete<br />
Kanutour in den erwachenden<br />
Tag und auch für sehbehinderte Gäste<br />
geeignet.<br />
An Orte, wo der Wind wispernde<br />
Schilfhalme schwingt, an denen<br />
Tauchvogels Stimme weit über Wellen<br />
klingt, lad` ich Dich ein um Mensch<br />
zu sein. Unglaublich aber es gibt sie<br />
noch, Gebiete ohne die akustische<br />
Allgegenwart unserer brummend<br />
rumorenden Zivilisation, in denen Sie<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
als aufmerksamer Gast willkommen<br />
sind. Seien sie herzlich eingeladen zu<br />
einer ungewöhnlichen Kanutour im<br />
Morgengrauen und erleben Sie das<br />
Frühlingskonzert zum Sonnenaufgang<br />
auf einem einsamen See in der<br />
Uckermark.<br />
� Termine:<br />
Ende April bis Mitte Juni, Teilnehmerzahl:2<br />
bis max. 7 Personen<br />
� Leistungen:<br />
Abholung von den Bahnhöfen<br />
Templin oder Fürstenberg/Havel, bzw.<br />
einem Hotel oder einer Pension Ihrer<br />
Wahl im <strong>Natur</strong>park Uckermärkische<br />
Seen, etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang<br />
Fahrt zu einem entlegenen<br />
Gewässer, Kanutour in Kanus oder<br />
einem kentersicheren Kanu – Katamaran,<br />
Picknick (heiße Gulasch- oder<br />
Fischsuppe, Brot, Obst, Kaffee und<br />
Tee), Rückfahrt gegen Mittag zur Pension,<br />
zu den Bahnhöfen Templin oder<br />
Fürstenberg, Erinnerungs- CD mit den<br />
Stimmen und Geräuschen an einem<br />
uckermärkischen See im Frühling<br />
� Buchungsadresse<br />
Christoph Thum, Strelitzer Str.<br />
10, 17279 Lychen, Mobil: 0174<br />
9638211, www.naturpark-streifzuege.de<br />
93
94 REISEN UND EXKURSIONEN<br />
� VHS-<strong>Natur</strong>schutz AG<br />
Ein Erlebnisbericht:<br />
Exkursion in das Havelland<br />
von Volker Eschrich und<br />
Karl-Heinz Holtmann<br />
Exkursion in das Havelland: Im<br />
Mai 2004 brach die VHS <strong>Natur</strong>schutz<br />
AG von Bönen über die A 2<br />
Richtung Hannover, weiter Richtung<br />
Berlin, über Burg, Rathenow<br />
in das kleine Örtchen Ferchesar<br />
auf. In der gemütlichen Pension<br />
Bergholz bezogen wir Quartier.<br />
Von dort aus starteten wir unsere<br />
Touren in die <strong>Natur</strong>.<br />
Der Nachmittag des ersten Tages<br />
war geprägt von einem ausgiebigen<br />
Spaziergang durch den Wald. Neben<br />
zahlreichen Vogelarten wie den Grün-<br />
,Schwarz –und Buntspecht entdeckten<br />
wir neben Fröschen und Kröten eine<br />
Blindschleiche. Faszinierend an der Gegend<br />
ist der alte Baumbestand. Unser<br />
Weg führte an alten Eichenalleen zurück<br />
zu unserer Pension. Ab dem zweiten<br />
Tag hatten wir Fahrräder gemietet,<br />
um das nähere Umfeld zu erkunden.<br />
Wir radelten über Nennhausen in das<br />
in Deutschland einzigartige Groß-<br />
trappenschutzgebiet. Die Großtrappe<br />
ist die schwerste flugfähige Vogelart<br />
der Erde. Erwachsene Hähne können<br />
ein Gewicht von 14 – 17 Kilogramm,<br />
die schlankeren Hennen von vier bis<br />
sieben Kilogramm erreichen. Die Großtrappen<br />
finden in diesem Schutzgebiet<br />
hervorragende Lebensverhältnisse vor.<br />
Von einer Aussichtsplattform aus hatten<br />
wir die Möglichkeit, die Tiere mit<br />
dem Fernglas zu beobachten.<br />
Der Rückweg nach Ferchesar führte<br />
uns vorbei an endlosen Eichenalleen<br />
und weitreichenden Ackerflächen.<br />
Unterwegs machten wir auch in den<br />
kleinen Ortschaften Rast, um uns<br />
die zahlreichen Storchenhorste anzuschauen.<br />
Anschließend besichtigten<br />
wir in Möthlow das Bienenmuseum<br />
eines privaten Imkers. Unter Leitung<br />
von Volker Eschrich, der Hausherr<br />
war nicht zugegen, erhielten wir eine<br />
fachkundige Erklärung über die Bienenhaltung<br />
und Honiggewinnung der<br />
Vergangenheit und Gegenwart. Die<br />
komplette Tour betrug 55 Kilometer<br />
und so ist es erklärlich, dass dieser<br />
Abend recht früh endete.<br />
Nach einem ausgiebigen Frühstück<br />
am nächsten Morgen fuhren wir mit<br />
dem Fahrrad durch die Lochower<br />
Heide, querten den Havelländischen<br />
Hauptkanal und gelangten in das<br />
kleine Örtchen Schönholz. Auch diese<br />
Fahrt war geprägt von einer großen<br />
Artenvielfalt der Pflanzen- und Tierwelt.<br />
Von Schönholz ging es dann nach<br />
Stölln. Vom Gollenberg aus führte der<br />
Flugpionier Otto Lilienthal seine Flugversuche<br />
durch. Dort besichtigten wir<br />
das Lilienthalmuseum, das in einem<br />
ausgedienten Passagierflugzeug des<br />
Typs IL 62 Platz gefunden hat. Auf<br />
dem Rückweg ging einem unserer<br />
Teilnehmer bildlich gesprochen die<br />
„Luft“ aus. Nachdem sieben Löcher<br />
im Fahrradschlauch geflickt waren,<br />
musste nach einem kurzen Fahrversuch<br />
der Schlauch gegen einen neuen<br />
ausgetauscht werden.<br />
Durch eine stets wechselnde Landschaft<br />
hügeliger und ausgedehnter<br />
flacher Bereiche führte uns unser<br />
Weg zurück entlang des Hohen-Nauer-Sees,<br />
der eine große Vielfalt an<br />
Pflanzen und Vögeln aufweist, zurück
in unser Quartier. Da uns das Wetter<br />
wohlgesonnen war, verbrachten wir<br />
noch einen feucht fröhlichen Abend<br />
auf der Terrasse und traten am nächsten<br />
Morgen unsere Heimreise nach<br />
Bönen an.<br />
Wenn Sie nähere Informationen zu<br />
den Großtrappen wünschen, nutzen<br />
Sie bitte die Homepage des Fördervereins<br />
im Internet unter www.grosstrappe.de.<br />
Bei Rückfragen stehen Ihnen gerne<br />
Volker Eschrich, Am Peterskamp 10,<br />
59199 Bönen, Tel. 02383 2288 und<br />
Karl-Heinz Holtmann, Nordbögger Str.<br />
55a, 59199 Bönen, Tel. 02383 1251<br />
zur Verfügung.<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
Am Havelländischen Hauptkanal machten die <strong>Natur</strong>freunde eine Pause und genossen<br />
die wunderbare Landschaft.<br />
95
96<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
� Müritz Nationalpark<br />
Das Umweltzentrum Westfalen<br />
lädt zu einer sechstägigen Exkursion ein<br />
von Agnes Teuwen<br />
Wo der Seeadler in einem unendlichen<br />
Himmel seine <strong>Kreis</strong>e zieht,<br />
der Fischadler aus schwindelnder<br />
Höhe in einen See stürzt und das<br />
Trompeten der Kraniche das Frühjahr<br />
und den Herbst eines jeden<br />
Jahres begleitet, ist eine Landschaft,<br />
die uns an Märchen und<br />
Geschichten alter Tage erinnert.<br />
Sie hat mit ihren weiten Wäldern,<br />
glitzernden Seen und wundersamen<br />
Mooren etwas Ursprüngliches,<br />
ja Wildes an sich, das unsere<br />
Ehrfurcht vor der <strong>Natur</strong> weckt.<br />
Das Umweltzentrum Westfalen<br />
lädt vom 25. Juni bis 30. Juni 2005 zu<br />
einer sechstägigen naturkundlichen<br />
Exkursion mit den Schwerpunkten Ornithologie<br />
und Botanik ein. Folgender<br />
Ablauf ist geplant:<br />
� Samstag 25. Juni 2005<br />
Im Laufe des Tages werden die<br />
Exkursionsteilnehmer in der Pension<br />
Fledermaus, inmitten der mecklen-<br />
burgischen Seenplatte erwartet. Die<br />
Pension liegt unmittelbar im Müritz-<br />
Nationalpark. Die ehemalige Lehrstätte<br />
für <strong>Natur</strong>schutz hat einfache aber<br />
solide Unterkünfte. Von der Terrasse<br />
des Hauses blickt man auf eine weite<br />
Wiesen- und Waldlandschaft.<br />
Nachdem Sie die Quartiere bezogen<br />
haben, werden wir beim gemeinsamen<br />
Abendessen die Touren der nächsten<br />
Tage besprechen. Anschließend unternehmen<br />
wir eine Abendwanderung in<br />
den Nationalpark. Wir erkunden die<br />
Verlandungsmoore am Wienpietschsee<br />
und machen einen Abstecher zur<br />
nahegelegenen Müritz.<br />
� Sonntag 26. Juni 2005<br />
Der „Alte Müritzhof“, ist der Geburtsort<br />
des <strong>Natur</strong>schutzes der Nachkriegsjahre<br />
in Ostdeutschland. Ihn<br />
wollen wir kennen lernen und auf dem<br />
Weg dorthin natürlich jede Menge Vogelarten<br />
beobachten. Zunächst wandern<br />
wir zum Warnker See, wo ständig<br />
Seeadler und Fischadler unterwegs<br />
sind. Neben zahlreichen Entenarten<br />
brütet hier die Kolbnente.<br />
Später gelangen wir zur ehemaligen<br />
Lehrstätte, in der heute Mitarbeiter<br />
der Lebenshilfe leben und arbeiten.<br />
Sie kümmern sich um den Erhalt der<br />
Artenvielfalt in den umliegenden<br />
Pflegezonen. Exklusiv haben die Teilnehmer<br />
der Tour die Möglichkeit, die<br />
größte Wachholderheide in Mecklenburg<br />
kennen zu lernen. Garantiert sind<br />
auch hier neben zahlreichen Vogelarten,<br />
etliche botanische Seltenheit, wie<br />
das Fettkraut, dem baltischen Enzian<br />
und verschiedene Knabenkräuter. Die<br />
Wanderung ist ungefähr 15 Kilometer<br />
lang. Nach dem Abendessen wird der<br />
Pensionsinhaber, Herr Oldenburg uns<br />
Interessantes und Wissenswertes zur<br />
heimischen Fledermausfauna erzählen.<br />
� Montag 27. Juni 2005<br />
Auf einer Radtour, die ca. 50 Kilometer<br />
lang ist, durchfahren wir das<br />
riesige Sumpfgebiet am Ostufer der<br />
Müritz und lernen seine reichhaltige<br />
<strong>Natur</strong>ausstattung kennen. Die Gesänge<br />
von Teich-, Schilf-, Drossel- und<br />
Sumpfrohrsänger sind in der Stille der
Moorlandschaft ebenso zu hören wie<br />
die Rufe des Kranichs und der Rohrdommel.<br />
An den Boeker Fischteichen<br />
widmen wir uns wieder ganz den<br />
Greifvögeln. Neben Fisch- und Seeadler<br />
sind auch Rohrweihe, Rot- und<br />
Schwarzmi lan zu beobachten.<br />
� Dienstag 28. Juni 2005<br />
Mit dem Bus fahren wir zum Renaturierungsprojekt<br />
Stuerschen und<br />
Rogezer Seebecken, die schon vor<br />
Jahrzehnten entwässert wurden. Mit<br />
der Umsetzung eines ehrgeizigen Renaturierungsprojektes<br />
regenerieren<br />
sich Seen und angrenzende Moore<br />
wieder. Die ausgedehnten Schilfzonen<br />
und -inseln beherbergen u.a. vier<br />
Taucherarten, zahlreiche Entenarten,<br />
wie Löffel-, Tafel-, Schnatter- und<br />
Knäckente. Auf den abgestorbenen<br />
Bäumen siedelt eine Kormorankolonie.<br />
Insgesamt wurden 73 Brutvogelarten<br />
registriert. Im Umfeld dieses einzigartigen<br />
Gebietes ist außerdem der<br />
Ortolan, Wachtel und Wisenpieper<br />
anzutreffen.<br />
Am späten Nachmittag werden<br />
wir den „Großen Schwerin“ kennen<br />
lernen. Die weit in die Müritz hineinragende<br />
Halbinsel ist von außerordentlicher<br />
ornithologischer und botanischer<br />
Bedeutung. Im Juni sind noch immer<br />
nahrungssuchende Limikolen und<br />
Hunderte Graugänse zu beobachten.<br />
Außerdem ist das Gebiet von einem<br />
Blütenmeer aus Tausenden Orchideen<br />
(Steifblättriges und Breitblättriges<br />
Knabenkraut) überzogen. Hier führt<br />
uns ein langjähriger Betreuer des für<br />
die Öffentlichkeit nicht zugänglichen<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiet.<br />
� Mittwoch 29. Juni 2005<br />
Eine Kanutour auf den naturbelassenen<br />
Seen des Nationalparks ist ein<br />
unbedingtes Muss. Zunächst fahren<br />
wir mit dem Nationalparkbus quer<br />
durch den Nationalpark.<br />
Später steigen wir in bequeme<br />
Mannschaftskanadier um und fahren<br />
durch die „Alte Fahrt“ – eine besonders<br />
urwüchsige Wasserlandschaft<br />
der Mecklenburgischen Seenplatte.<br />
Neben Eisvögeln brüten hier Bart- und<br />
Beutelmeise. Anschließend steigen wir<br />
erneut um – es geht per Schiff weiter<br />
durch die schmalen und von Seerosen<br />
überzogenen Rinnenseen nach Mirow.<br />
Für die Rückfahrt nutzen wir Reisebusse.<br />
Mit einer Grillfeier möchten wir den<br />
Tag und die Reise ausklingen lassen.<br />
� Donnerstag 30. Juni 2005<br />
Nach einem gemeinsamen Frühstück<br />
treten alle in eigener Regie die<br />
Heimreise an. Die An- und Abreise<br />
nach Waren erfolgt in eigener Regie<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
der Teilnehmer. Fahrgemeinschaften<br />
können gebildet werden. Die Entfernung<br />
Dortmund nach Waren beträgt<br />
ca. 550 km. im Preis inbegriffen sind<br />
fünf Übernachtungen mit Frühstück im<br />
Doppelzimmer mit Dusche/WC in der<br />
sehr einfachen Pension „Fledermaus“<br />
in Waren, Halbpension, Lunchpakete<br />
für unterwegs, Grillfeier am letzten<br />
Tag, fachliche und organisatorische<br />
Begleitung durch einen ortskundigen<br />
Vegetationskundler bzw. Ornithologen<br />
an fünf Tagen, Kanumiete, Fahr<br />
radmiete, Schiffstour auf den Mirower<br />
Seen, ganztägige Reisebusnutzung am<br />
4. Exkursionstag, Nationalparkbus am<br />
5. Exkursionstag, alle Eintrittsgelder<br />
und Führungshonorare, Begleitung<br />
Umweltzentrum Westfalen<br />
Leitung: Dr. Janine Teuppenhayn<br />
Kosten: 450 Euro/Pers. im DZ (EZ-<br />
Zuschlag: 50 Euro)<br />
Anmeldungen: bis zum 12.05.2005<br />
beim UMWELTZENTRUM WEST-<br />
FALEN, Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen, Ihre Ansprechpartnerin<br />
ist Frau Teuwen, Tel. 02389 980912,<br />
Fax.: 02389 980999.<br />
Weitere Angebote vom „Grüner<br />
Rucksack“ für 2005: z.B. Flamingo-<br />
Radtour, 3-Flüsse-Tour „Wümme,<br />
Weser, Aller uvm. Weitere Informationen<br />
gibt es beim Umweltzentrum<br />
Westfalen unter Tel. 02389 980912.<br />
97
98 REISEN UND EXKURSIONEN<br />
� Ministerbesuche am Beversee<br />
Ein <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
macht von sich reden<br />
von Corinna Glück<br />
Das Beverseegebiet – ein <strong>Natur</strong>schutzgebiet,<br />
das zwei Mal Minister<br />
lockte. Im Jahre 1973 besuchte<br />
der damalige Landesminister für<br />
Ernährung, Landwirtschaft und<br />
Forsten Dr. h.c. Diether Deneke<br />
dieses Fleckchen Erde, fast 30<br />
Jahre später, 2001, folgte NRW-<br />
Umweltministerin Bärbel Höhn<br />
Wie kam es dazu? Das Gebiet<br />
um eine Wasserfläche, welche durch<br />
Bergsenkung entstand, die 800 Meter<br />
lang, bis zu 180 Meter breit und zum<br />
Teil 3,5 Meter tief ist, sorgte vor über<br />
30 Jahren lange Zeit für viele hitzige<br />
Diskussionen und Auseinandersetzungen.<br />
Das so genannte Beverseegebiet<br />
geriet 1969 zum ersten Mal in die<br />
Schlagzeilen: Das rund 100 Hektar<br />
große Waldgebiet sollte für Industrie<br />
weichen. Fachleute und Gutachter<br />
waren allerdings der Meinung, dass<br />
das Bergsenkungsgebiet wegen seines<br />
großen wissenschaftlichen Wertes die<br />
Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet ver-<br />
Besuch im Beverseegebiet am 31. Oktober 1973: (v.l.) Helmut July, Fritz Ziegler<br />
(Regierungspräsident Arnsberg), Dieter Treek (Kulturdezernent Bergkamen), Dr.h.c.<br />
Diether Deneke (Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – MELF),<br />
Heinrich Brüggemann (Stadtdirektor Bergkamen), Edgar Pech (Bürgermeister<br />
Stadt Bergkamen) Foto: Archiv<br />
dient. Damit begann der lange Kampf<br />
der <strong>Natur</strong>schützer um den Erhalt des<br />
Beversees. Minister Diether Deneke<br />
(†) reiste 1973 eigens aus Düsseldorf<br />
an, um sich über die Probleme Bergkamens,<br />
die in sein Ressort fielen,
zu informieren. Eines war der Streit<br />
um den Erhalt des Beverseegebietes.<br />
Der Besuch war ein Erfolg für die<br />
<strong>Natur</strong>schützer: Nach der Begehung<br />
sicherte der Minister zu, dass das Land<br />
grundsätzlich bereit sei, die Stadt beim<br />
Kauf von 300.000 Quadratmetern<br />
Gelände finanziell zu unterstützen. Er<br />
war der Auffassung, dass die Fläche als<br />
Feierabend- und Wochenenderholung<br />
für die Bevölkerung erhalten werden<br />
musste.<br />
Das Gebiet war seinerzeit noch<br />
Im <strong>Natur</strong>schutzgebiet am Beversee am 28. Juni 2001: (v.l.) Dr. Dietz (Umweltministerium<br />
NRW), Gisela July mit dem Jagdhund Elch, Christiane Günther (RVR), Dr.<br />
Detlef Timpe (Umweltdezernent <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>), Helmut July, Walter Teumert (NFG),<br />
Klaus Klinger (Biologische Station), Bärbel Höhn (Umweltministerin NRW).<br />
Foto: Stefan Milk.<br />
als Gewerbegebiet ausgewiesen und<br />
sollte nun in ein <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />
umgewandelt werden. Damit war der<br />
REISEN UND EXKURSIONEN<br />
Kampf – auf dessen Verlauf hier nicht<br />
näher eingegangen werden soll – allerdings<br />
noch nicht beendet. Kurzum:<br />
Nachdem das Beverseegebiet 1981<br />
sichergestellt wurde, wurde es 1985<br />
zum größten <strong>Natur</strong>schutzgebiet im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> erklärt.<br />
Heute haben die Bürger der gesamten<br />
Region das Gebiet als Naherholungsgebiet<br />
entdeckt. Wanderwege<br />
führen durch das Waldgebiet und eine<br />
Aussichtsplattform ermöglicht den<br />
Blick auf den See, der besonders schön<br />
ist, wenn die zahlreichen Teich- und<br />
Seerosen blühen.<br />
Diesen Blick genoss auch NRW-<br />
Umweltministerin Bärbel Höhn, als sie<br />
sich im Juni 2001 mit Helmut July zur<br />
Wanderung durch das Beverseegebiet<br />
traf. Der Landschaftswächter hatte<br />
die Ministerin persönlich eingeladen,<br />
um ihr eines der größten und ältesten<br />
<strong>Natur</strong>schutzgebiete im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> zu<br />
zeigen.<br />
Die Politikerin zeigte sich begeistert<br />
und betonte, dass die Politik anerkennen<br />
müsse, dass sich Menschen für<br />
den <strong>Natur</strong>schutz engagieren. Helmut<br />
July und dem ehemaligen <strong>Kreis</strong>direktor<br />
Herbert Reiss (†) sei es zu verdanken,<br />
dass das Kraftwerk in Heil nicht ins<br />
heutige Beverseegebiet gebaut worden<br />
ist. Deswegen sei sie nach Bergkamen<br />
gekommen.<br />
99
100 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
� Festrede zum 20. Geburtstag<br />
Von den frühen Anfängen der Gründung der<br />
NFG bis zu den heutigen Zukunfsvisionen<br />
von Thomas Griesohn-Pflieger<br />
Zum 20-jähirgen Bestehen der<br />
<strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft für<br />
den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V. am 9. Oktober<br />
2004 hielt Thomas Griesohn-<br />
Pflieger die Festrede, die wie folgt<br />
lautete:<br />
Meine sehr geehrten Damen und<br />
Herren, liebe Freunde und Freundinnen<br />
aus der <strong>Natur</strong>schutzarbeit, sehr<br />
geehrter Herr Teumert als Gastgeber,<br />
vielen Dank für den herzlichen<br />
Empfang hier in Bergkamen.<br />
Seitdem ich nicht mehr im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> wohne, komme ich nur noch<br />
selten hierher. Dafür bitte ich um Ihr<br />
Verständnis. Gleichwohl hat dieser Ort<br />
nicht nur sehr viel mit der Entstehung<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft zu<br />
tun, sondern auch viele Prozesse, die<br />
mich als jungen Mann beeinflusst haben,<br />
haben ihren Ursprung hier. Das<br />
ist mir erst bei der Beschäftigung mit<br />
dem heutigen Anlass klar geworden.<br />
Ein sehr wichtiger Punkt heißt Versöhnung.<br />
Der Kamin des Kraftwerkes hinter<br />
uns, war in den achtziger Jahren für<br />
mich ein Symbol für <strong>Natur</strong>zerstörung<br />
ersten Ranges. Heute ist seine Bedeutung<br />
vielgestaltiger für mich. Von den<br />
Höhen des Haarstrangs aus betrachtet<br />
schwingt da sogar so etwas wie Heimatgefühl<br />
mit.<br />
Und da hat Versöhnung stattgefunden.<br />
Versöhnung mit einer Landschaft,<br />
die stark von Menschen genutzt und<br />
umgestaltet wurde, die aber trotzdem<br />
Lebensraum für Tiere und Pflanzen<br />
bietet und unverwechselbare Heimat<br />
ist.<br />
Da wo der hohe Kamin steht, da<br />
liegt nicht weit weg der Beversee im<br />
Wald versteckt. Und der hat wieder<br />
sehr viel mit der Gründung der NFG<br />
zu tun. Darauf komme ich noch.<br />
Von Mitte der Ende der achtziger<br />
und zu Beginn der neunziger Jahre war<br />
ich als Redakteur des <strong>Natur</strong><strong>report</strong>s,<br />
der damals noch mehrmals im Jahr<br />
erschien, in viele Diskussionen rund<br />
um die NFG verstrickt. Die NFG war<br />
damals als noch junge Einrichtung<br />
darauf angewiesen Gewicht in der<br />
Öffentlichkeit zu gewinnen. Mein<br />
Kollege Utz Lederbogen und ich haben<br />
diese Aufgabe damals sehr gerne<br />
übernommen und bis 1995 – so hoffe<br />
ich – erfüllt.<br />
Mit vielen der heute auch Anwesenden<br />
haben wir damals Kontakt und<br />
auch die örtliche <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />
hat viele Kontakte geschaffen. Ich<br />
freue mich so viele alte Gesichter hier<br />
zu sehen und freue mich aber auch<br />
über viele mir unbekannte Gesichter,<br />
denn das zeigt ja, dass noch ein paar<br />
dazu gekommen sind, in den letzten<br />
zehn Jahren.<br />
� Die Gründungsphase<br />
Es gab in den 60/70er Jahren eine<br />
Institution im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, die bundesweit<br />
Schlagzeilen machte und auch in<br />
der heimischen Presse gefeiert und<br />
gelobt wurde. Ich spreche von der<br />
Wirtschaftsförderungsgesellschaft<br />
– der ersten in Deutschland, der wir so<br />
wunderschöne Wortschöpfungen wie<br />
„Industriepark“ oder noch lieblicher<br />
„Indupark“verdanken. Ich erinnere<br />
mich noch an den Geschäftsführer,
er hieß Peter Nustedde und war sehr<br />
durchsetzungsfähig, erfolgreich und<br />
mit wachsendem Einfluss in der Politik<br />
gesegnet.<br />
Einem fundamentalistischen jungen<br />
<strong>Natur</strong>schützer muss ein solcher<br />
Mann nicht gerade als Verbündeter<br />
erscheinen. Und so war man schon<br />
ein wenig skeptisch, um nicht zu sagen<br />
entsetzt, als am Rande einer Sitzung<br />
Wilfried Loos zu uns jungen Kämpfern<br />
meinte, sowas brauchen wir auch: Eine<br />
<strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft.<br />
Ich glaube, es dauerte keine zwei<br />
Jahre und wir hatten eine. Und irgendwann<br />
habe ich dann auch begriffen,<br />
dass die NFG ein richtiger Glücksgriff<br />
war.<br />
Wir hatten verdammt Glück damals,<br />
dass die richtigen Personen zur richtigen<br />
Zeit die richtigen Entscheidungen<br />
- wenn auch vielleicht aus gegensätzlichen<br />
Interessen heraus – getroffen<br />
haben. Dieses Zeitfenster, das genutzt<br />
wurde, blieb nicht lange offen. Heute<br />
wäre eine solche Gründung, ich denke<br />
da stimmen Sie mir zu, nicht mehr<br />
möglich.<br />
Man konnte nur MIT Politik und<br />
Verwaltung gemeinsam etwas erreichen.<br />
Das hört sich heute selbstverständlich<br />
an, aber wir waren es damals<br />
gewohnt als Ehrenamtliche mit spitzen<br />
Fingern angefasst zu werden. Bür-<br />
Thomas Griesohn-Pflieger hielt die<br />
Festrede zum 20. Geburtstag der NFG.<br />
gerinitiativen hatten in den siebziger<br />
und achtziger Jahren die politische<br />
Landschaft mächtig aufgemischt.<br />
Die Frontgräben waren noch nicht<br />
eingeebnet.<br />
Zu dieser Zeit nahm eine sehr sensibilisierte<br />
Öffentlichkeit rege Anteil an<br />
einem Thema, das den Boden bereiten<br />
sollte für die modellhaften Bemühungen<br />
im <strong>Kreis</strong>e <strong>Unna</strong>: Die Giftbrühe im<br />
Beversee machte deutlich, dass die<br />
öffentliche Verwaltung dringend den<br />
Bereich Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz<br />
zentralisieren und besser ausstatten<br />
musste.<br />
Und: Man kam an Gestalten wie<br />
Helmut July und Karl-Heinz Kühnapfel<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
nicht mehr herum. Man konnte nur<br />
noch gemeinsam mit den Ehrenamtlichen<br />
oder der politische Schaden<br />
wäre enorm.<br />
Aber das Gemeinsame fällt nicht<br />
vom Himmel: Ich konnte es jedenfalls<br />
anfangs nicht glauben, dass uns Vertreter<br />
des Establishments, Menschen<br />
wie Oberkreisdirektor Karl-Heinz<br />
Landwehr, SPD-Fraktionsvorsitzender<br />
Heinz-Georg Weber, Otto Buschmann<br />
oder Rosemarie Böhme tatsächlich<br />
begannen uns ernst zu nehmen und<br />
auch mit Reinhold Weber als Umweltamtsleiter<br />
des <strong>Kreis</strong>es musste ich erst<br />
gute Erfahrungen sammeln, um mein<br />
Misstrauen abzubauen.<br />
Aber es gab eben diese guten Erfahrungen.<br />
Und es gab dadurch wieder<br />
ein Stück Versöhnung - diesmal mit der<br />
Gesellschaft und ihren Institutionen,<br />
zumindest bei mir war das so.<br />
� Meine Damen und Herren, Liebe<br />
Freunde!<br />
Erinnern wir uns noch? Wildkräuterkampagne<br />
der NFG? Eine fantastische<br />
Sache! Manchmal kam in Sachen NFG<br />
richtig Euphorie auf, wir wurden einigermaßen<br />
ernst genommen, plötzlich<br />
gab es etwas Geld und da man klugerweise<br />
alle Gemeinden mit ins Boot<br />
geholt hatte, stieg auch das Ansehen<br />
in der eigenen Stadt im Schatten der<br />
101
102 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
erfolgreichen NFG. Es gibt viel zu<br />
erzählen über die unterschiedlichen<br />
Kampagnen, Aktionen, Förderungen<br />
und Verquickungen der NFG – soviel,<br />
dass ich sofort wieder damit aufhören<br />
werde. Herr Teumert hatte in seinem<br />
Grußwort zu Beginn die erstaunlich<br />
lange Liste der Aktivitäten – und<br />
das waren nur die herausragenden<br />
– vorgetragen. Dem möchte ich nichts<br />
hinzufügen. Denn 25 Jahre sollten kein<br />
Anlass zu einer Bilanz sein, sondern<br />
zur Freude darüber, dass unser Kind<br />
einen sehr gesunden Eindruck macht<br />
und sich manche Hoffnung erfüllt hat,<br />
während andere mittlerweile gestorben<br />
sind oder sich noch im Vorhof der<br />
Erfüllung befinden.<br />
� <strong>Natur</strong>schutz heute<br />
Die NFG konnte nur glücken, weil<br />
es gelang ein Bündnis zu schmieden<br />
zwischen der ehrenamtlichen Politik,<br />
der professionellen öffentlichen Verwaltung<br />
und dem ehrenamtlichen<br />
<strong>Natur</strong>schutz. Ohne der hohen politischen<br />
Bedeutung von <strong>Natur</strong>- und<br />
Umweltschutz damals, die für den<br />
nötigen Erkenntnisdruck sorgte, wäre<br />
es sicher nicht gelungen. Aber lassen<br />
wir die Einschränkungen mal weg,<br />
bei manchen Prozessen ist der Erfolg<br />
wichtiger als die Motivation der Handelnden.<br />
Wichtig ist: Ohne ehrenamtlichen<br />
<strong>Natur</strong>schutz hätte es keine NFG geben<br />
können. Er schuf den gesellschaftlichen<br />
Nährboden und sorgte später für<br />
die Bodenhaftung und Breitenwirkung<br />
der NFG.<br />
Wie stellt sich dieser Part heute<br />
da? Haben die Helden von damals<br />
Grundlagen geschaffen für die Zukunft<br />
der eigenen Gilde C und nicht nur<br />
für Laubfrosch, Haubentaucher und<br />
breitblättriges Knabenkraut? Konnte<br />
der <strong>Natur</strong>schutzgedanke zur selbstverständlichen<br />
Praxis evolvieren?<br />
Ist es gelungen den gesellschaftlichen<br />
Strukturwandel in den eigenen<br />
Reihen nachzuvollziehen? Wir müssen<br />
leider alle diese Fragen mehr oder weniger<br />
mit Nein beantworten.<br />
Nein, meine <strong>Natur</strong>schützergeneration<br />
hinterlässt viele Baustellen. Wir<br />
haben es geschafft, <strong>Natur</strong>schutzrichtlinien<br />
und <strong>Natur</strong>schutzbelange in Regel-<br />
und Gesetzeswerke zu schreiben,<br />
aber wir haben es nicht geschafft,<br />
eine dauerhaft starke Bewegung zu<br />
werden. Trotz aller Erfolge, die man<br />
den Bürgerinitiavlern, den grünen<br />
Spinnern und Bastsandalenträgern,<br />
Krötenschützern und <strong>Natur</strong>romantikern<br />
nie zugetraut hätte.<br />
Liebe Freunde:<br />
Wir hinterlassen gepflügte Äcker,<br />
aber wir haben keine Bauern ange-<br />
lernt, die dort einsäen! Die <strong>Natur</strong>schutzbewegung<br />
läuft Gefahr sang-<br />
und klanglos zur Bedeutungslosigkeit<br />
zu schrumpfen. Sie schrumpft an<br />
Zahl und sie altert. Ist das die bittere<br />
Wahrheit? Weder Quantität alleine<br />
noch Lebensalter alleine sind allerdings<br />
hinreichende Kriterien für die<br />
Schlagkraft einer Bewegung. Deshalb<br />
besteht Hoffnung.<br />
Eine Wohlstandsgesellschaft, die<br />
freiwillig aufhört sich zu vermehren,<br />
ist ein Phänomen, das in der Menschheitsgeschichte<br />
einmalig ist. Wären<br />
die Deutschen allein auf der Welt und<br />
würden vom Mars betrachtet, würde<br />
man sich dort möglicherweise Sorgen<br />
machen und über Artenschutzmaßnahmen<br />
– vielleicht Biotopverbesserungen,<br />
vielleicht genetische Auffrischung<br />
– nachdenken.<br />
�Demografische Entwicklung<br />
Eine bestandsenkende Reproduktionsrate<br />
ist ein Alarmzeichen – nicht<br />
nur für Biologen. Für uns Menschen<br />
ist das neu und so ist es kein Wunder,<br />
dass uns <strong>Natur</strong>schützern noch Rezepte<br />
fehlen, mit dieser demografischen Entwicklung<br />
umzugehen. Sie birgt – wie<br />
könnte anders sein – Chancen und<br />
Risiken zugleich für den <strong>Natur</strong>schutz.<br />
Dazu, meine lieben Freunde, ein<br />
paar Stichworte.
� Rentner<br />
Noch ist es so, dass wir es mit<br />
einer stark wachsenden Anzahl sehr<br />
rüstiger Rentner und Rentnerinnen zu<br />
tun haben. Nicht wenige von Ihnen<br />
suchen eine sinnvolle Beschäftigung.<br />
Aber wir können nicht darauf warten,<br />
dass sie uns entdecken. Wir müssen<br />
uns zeigen und anbieten. Jede Podiumsdiskussion,<br />
jede Aktion lässt sich<br />
nutzen, um Menschen anzusprechen<br />
– wenn deutlich wird, dass sie auch<br />
gebraucht werden. Die Mehrzahl der<br />
heute Aktiven ist, wie Untersuchungen<br />
und Alltagserfahrungen zeigen, über<br />
persönliche Kontakte und persönliche<br />
Ansprache zu uns gekommen. Der<br />
Weg ist also klar.<br />
Zufriedene Freiwillige machen die<br />
beste Werbung für die Ansprache<br />
neuer Freiwilliger. Sie können aus<br />
eigener Erfahrung und Anschauung<br />
andere begeistern und zur Mitarbeit<br />
motivieren. Das,was wir anbieten,<br />
muss klar definiert sein: Um welche<br />
konkreten Aufgaben geht es ? Welche<br />
Erwartungen und Verpflichtungen sind<br />
damit verbunden?<br />
� Ehrenamtliche<br />
Die Einstellung zum Engagement<br />
hat sich verändert. Viele Menschen<br />
wollen sich heute nicht mehr auf Dauer<br />
an Organisationen binden. Viele wol-<br />
len ihr Engagement von vornherein<br />
zeitlich befristen und werden von der<br />
Vorstellung abgeschreckt, von einer<br />
einmal übernommenen Aufgabe hinterher<br />
nicht mehr loszukommen oder<br />
keine Grenzen setzen zu können, nach<br />
dem Motto, „Reicht man einmal den<br />
kleinen Finger, wird die ganze Hand<br />
genommen“. Diese Ängste müssen<br />
wir durch eine eindeutige Ansprache<br />
mildern oder nehmen.<br />
� Profis<br />
Ich bin mir manchmal nicht sicher,<br />
ob nicht der Trend zur Professionalisierung,<br />
der in manchen Verbänden<br />
zu hauptamtlichen Geschäftsführern<br />
und sogar Vorsitzenden geführt hat,<br />
nicht ein Schuss in die eigenen Reihen<br />
war. Wie auch immer, kommt heute<br />
den Hauptamtlichen die Pflicht zu,<br />
die Kontinuität in der Bewegung sicherzustellen.<br />
Wer als Profi über die<br />
Unlust der Amateure klagt, sollte sich<br />
mal ansehen, was er selbst nach Feierabend<br />
noch schafft. Wir brauchen<br />
Kommunikatoren, die uns den Sinn<br />
einer Aufgabe nahe bringen. Darauf<br />
müssen die Verbände achten!<br />
� Rückbau<br />
Die ersten Kongresse der Städtebauer<br />
finden schon statt: „Zukunft der<br />
Städte, Rückbau der Städte”. So die<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
Schlagzeilen Weniger und ältere Menschen<br />
– das heißt vielleicht auch weniger<br />
Straßen, weniger Energiebedarf,<br />
weniger Zersiedlung – das Aufgeben<br />
von ganzen Siedlungen – wir werden<br />
es im Osten zuerst erleben und zwar<br />
schon in den kommenden Jahren.<br />
Der <strong>Natur</strong>schutz muss sich in diese<br />
Diskussion einbringen. Was brauchen<br />
wir noch oder nicht mehr oder zusätzlich,<br />
wenn in wenigen Jahrzehnten die<br />
meisten Deutschen über sechzig Jahre<br />
alt sind? Was müssen wir entbehren,<br />
was benötigen wir unbedingt? Wie<br />
müssen die Städte aussehen, in denen<br />
mehrheitlich alte Menschen wohnen?<br />
Wer soll unsere <strong>Natur</strong>schutzgebiete<br />
pflegen, wenn es Zivistellen und „FÖJler"<br />
(freiwilliges Ökologisches Jahr)<br />
nicht mehr besetzt werden?<br />
� Jugend<br />
Nicht nur der <strong>Natur</strong>schutz leidet<br />
unter einem eklatanten Jugendmangel,<br />
dieser Mangel ist in allen gesellschaftlichen<br />
Bereichen spürbar. Aber ich<br />
behaupte, die Jugend leidet auch unter<br />
einem eklatanten <strong>Natur</strong>mangel!<br />
Kaum ein Kind kennt noch mehr als<br />
zehn Wildpflanzen, geschweige denn<br />
zehn heimische Tiere. Bei einer Malaktion<br />
in Bayerns Kindergärten soll jedes<br />
dritte von 40.000 Kindern die Kuh lila<br />
gemalt haben.<br />
103
104 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
� Sinn und Sinnlichkeit<br />
Die Lösung könnte sich in einem<br />
Begriffspaar verbergen: Sinn und<br />
Sinnlichkeit.<br />
Viele Jugendliche suchen durchaus<br />
nach einem Sinn. Damit meine ich nicht<br />
pathetisch den Sinn im Leben, sondern<br />
den Sinn in der Aktion. Den Sinn einer<br />
(anfangs) kurzfristig und erfolgreich zu<br />
bearbeitenden Aufgabe.<br />
Die Sinnlichkeit ist ebenfalls eine<br />
starke Motivation. Sie zeigt sich im<br />
<strong>Natur</strong>erleben, wenn ein wenig Genuss<br />
dazu kommt. Wenn nicht Verbote,<br />
Sollerfüllung, Ökotheorie sondern Geschmack,<br />
Geruch, Anfühlen, Wundern,<br />
Neugierde, Staunen ins Spiel kommen.<br />
Kurzum wir müssen dringend in die<br />
Kindergärten und Schulen, so wie es<br />
die NFG Gott sei dank ja schon macht.<br />
Dort müssen wir <strong>Natur</strong>genuss anbieten<br />
und hoffen, dass der eine oder andere<br />
sich infizieren lässt.<br />
Wir haben die <strong>Natur</strong> nicht nur<br />
wegen unserer materiellen Lebensgrundlagen,<br />
wie Wasser, Luft und<br />
Nahrung nötig. Ich glaube, dass die<br />
<strong>Natur</strong> auch für unser Menschsein sehr<br />
wichtig ist. Mancher mag einen andern<br />
Namen als „<strong>Natur</strong>” dafür finden, aber<br />
ist es das Gemeinsame aller humanen<br />
Geisteshaltungen, das sie sich einen<br />
Gesprächspartner außerhalb unserer<br />
Ordnung vorstellt. Es tut uns Men-<br />
Für die Belange der <strong>Natur</strong> setzten sich seit vielen Jahren ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schützer<br />
ein: hier bei der Streuobstsammlung. Foto: Archiv<br />
schen gut, dass es etwas Größeres als<br />
uns gibt. Etwas, das wir nicht kontrollieren<br />
können.<br />
Wer sich mit <strong>Natur</strong> beschäftigt, hat<br />
die Chance zu erkennen, dass es eine<br />
größere Ordnung gibt als die menschengemachte.<br />
Aus dieser Erkenntnis<br />
kann eine Haltung entstehen, die ich<br />
als Demut bezeichnen möchte. Sie ist<br />
der Gegenspieler von Hochmut und<br />
Ignoranz.<br />
Und noch wichtiger: Wir können,<br />
wenn wir Glück haben, erkennen und<br />
fühlen, dass wir ein Teil dieser grö-
ßeren Ordnung sind. Das kann uns<br />
alle als Menschen verbinden und das<br />
kann uns Menschen mit allen anderen<br />
Lebewesen verbinden.<br />
� Meine Damen und Herren,<br />
wir nähern uns allmählich dem<br />
Schluss. Ich wollte nur wenige Anregungen<br />
geben. Vielleicht wäre es<br />
eine Aufgabe für die NFG Seminare<br />
oder kleine Konferenzen zu diesen<br />
Zukunftsthemen des demografischen<br />
Wandels anzubieten. Ich könnte mir<br />
vorstellen, dass es ein bundesweites<br />
Interesse geben könnte. Und wer ist<br />
besser für die Verbreitung innovativer<br />
Ideen geeignet als der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> und<br />
unsere NFG!<br />
Mir ist bei der Vorbereitung auf<br />
diesen Termin bewusst geworden,<br />
dass ich nicht wie ursprünglich von mir<br />
beabsichtigt, auf die Vergangenheit<br />
und das „wie und weshalb” verzichten<br />
konnte.<br />
Aber ob es nun eine Festrede war,<br />
wie im Programm angekündigt? – wie<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
auch immer – beim nächsten Programmpunkt,<br />
nämlich den Ehrungen,<br />
gibt es gute Gelegenheit festlich zu<br />
werden.<br />
Liebe Freunde,<br />
wir haben allen Grund zur Freude<br />
heute und ich möchte mit allen, die<br />
noch was im Glas haben, anstoßen<br />
auf die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
Möge sie noch ein langes und<br />
fruchtbares Leben haben!<br />
Glückauf!<br />
105
106<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
� 20-jähriges Jubiläum<br />
Chronik der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> e.V.<br />
1982<br />
� Juni<br />
Das Denkmodell einer <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
(NFG) ist das Thema<br />
einer Besprechung zwischen dem<br />
Oberkreisdirektor, der Unteren Landschaftsbehörde<br />
und dem <strong>Kreis</strong>verband<br />
<strong>Unna</strong> <strong>Natur</strong> und Umwelt.<br />
1983<br />
� Januar bis Dezember<br />
Es finden zahlreiche Beratungen der<br />
<strong>Kreis</strong>verwaltung, der Städte und Gemeinden,<br />
der Verbände und Vereine,<br />
der Parteien und politischen Gremien<br />
über Konzeption und Finanzierung der<br />
NFG statt.<br />
1984<br />
� April<br />
Gemeinsame Sitzung der Bürgermeister<br />
und Gemeindedirektoren des<br />
<strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> zur Besprechung eines<br />
Satzungsentwurfes für die NFG. Die<br />
Mehrheit der Städte und Gemeinden<br />
ist für ein Stimmverhältnis von 60 : 40<br />
(Mitgliedskörperschaften : Vereinen/<br />
Verbände)<br />
Den Bestimmungsschlüssel brachte<br />
1987 die NFG im Rahmen der Ackerrandstreifenkampagne<br />
heraus.<br />
Foto: Archiv<br />
� Juni<br />
Beschluss des <strong>Kreis</strong>tages zum Beitritt<br />
des <strong>Kreis</strong>es in die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft.<br />
� Dezember<br />
Gründungsversammlung der NFG in<br />
Kamen-Heeren. Gründungsmitglieder<br />
sind der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, die zehn Städte<br />
und Gemeinden des <strong>Kreis</strong>es sowie 15<br />
naturschutzverbundene Organisationen.<br />
1985<br />
� Oktober<br />
Der Vorstand beschließt die Durchführung<br />
eines Ackerrandstreifenprogramms<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> und eine<br />
Werbekampagne zum Schutz von<br />
Wildkräutern.<br />
� Dezember<br />
Geldmittel für die ersten Anschaffungen<br />
von Arbeitsgeräten, die den<br />
Vereinen für praktische Maßnahmen<br />
im <strong>Natur</strong>schutz zur Verfügung gestellt<br />
werden sollen, werden vom Vorstand<br />
bewilligt.
Heinz-Georg Weber wird 1989 von der NRW-Stiftung die Bewilligung des Antrages<br />
auf Erwerb von <strong>Natur</strong>schutzgebieten in der Lippeaue überreicht. (v.l.n.r.) Landrat<br />
Rolf Tewes, Heinz-Georg Weber, Diether Denke, Otto Buschmann Foto: NFG<br />
1987<br />
� März<br />
Antrag der naturschutzverbundenen<br />
Organisationen an die Mitgliederversammlung<br />
auf Satzungsänderung<br />
hinsichtlich der Parität des Stimmrechts<br />
zwischen Mitgliedskörperschaften und<br />
Vereinigungen.<br />
� April<br />
Die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschafct<br />
beginnt die Wildkräuterkampagne im<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
Die Schriftenreihe <strong>Natur</strong><strong>report</strong> der<br />
<strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft erscheint<br />
mit der ersten Ausgabe.<br />
1988<br />
� Januar<br />
Der Vorstand beschließt die Unterstützung<br />
von einer Schutzkonzeption<br />
„Lippeaue“ und erwägt die Beteiligung<br />
an der Errichtung einer „Ökologiestation“<br />
in der Lippeaue.<br />
� März<br />
Ehrung des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong> in Stuttgart<br />
als „Partner des Europäischen<br />
Umweltjahres“,insbesondere wegen<br />
der Wildkrautkampagne der NFG.<br />
� April<br />
Auf der Mitgliederversammlung<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
werden die Satzungsänderungen<br />
zum Stimmrecht und eine Vertreterregelung<br />
für die Vorstandsmitglieder<br />
einstimmig angenommen. Die naturschutzverbundenen<br />
Organisationen<br />
haben somit 50 % Stimmrecht, ebenso<br />
wie die Mitgliedskörperschaften.<br />
1989<br />
� August<br />
Die NFG feiert fünfjähriges Bestehen<br />
auf Haus Opherdicke. Dem NFG-<br />
Vorsitzenden H.-G. Weber wird von<br />
der NRW Stiftung die Bewilligung des<br />
Antrages auf Erwerb von <strong>Natur</strong>schutzgebieten<br />
in der Lippeaue in Höhe von<br />
3,3 Millionen DM überreicht.<br />
1990<br />
� 26. Mai<br />
Die NFG veranstaltet ein Sommerfest<br />
auf Haus Opherdicke zur Thematik<br />
„Indianische Kulturen“.<br />
� 5. September<br />
Ausstellungseröffnung „Freizeit fatal“<br />
in der Bürgerhalle der Stadt <strong>Unna</strong>.<br />
Die Ausstellung wird von der NFG<br />
anschließend in den Städten Lünen<br />
und Selm präsentiert.<br />
1991<br />
� März<br />
Die NFG übernimmt die Träger-<br />
107
108 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
schaft der Waldschule Cappenberg<br />
und sichert damit den Fortbestand<br />
dieser umweltpädagogisch arbeitenden<br />
Einrichtung.<br />
� Mai<br />
Die NFG veranstaltet ein Seminar<br />
für Mitglieder des ehrenamtlichen<br />
<strong>Natur</strong>schutzes aus dem Partnerkreis<br />
Templin zum Thema „Technischer<br />
Umweltschutz“.<br />
� Juli<br />
Der Vorstand beschließt die Realisierung<br />
eines Partnerschaftsprojekts<br />
mit dem ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutz<br />
im <strong>Kreis</strong> Templin.<br />
1992<br />
� Mai<br />
Exkursion des Vorstandes in den<br />
<strong>Kreis</strong> Templin und Unterzeichnung<br />
der Partnerschaftsdokumente für ein<br />
gemeinsames <strong>Natur</strong>schutzprojekt.<br />
� Die NFG wird förderndes Mitglied<br />
im Förderverein „<strong>Natur</strong>park Feldberg<br />
Lychener Seenlandschaft".<br />
� Die NFG erwirbt 7 ha naturschutzwürdige<br />
Flächen, die dem ehrenamtlichen<br />
<strong>Natur</strong>schutz vor Ort zur<br />
Pflege und Entwicklung überlassen<br />
werden.<br />
Die erste Ausgabe des <strong>Natur</strong><strong>report</strong>s<br />
erschien 1987. Foto: NFG<br />
� Juni<br />
Die NFG belegt beim Wettbewerb<br />
„Europäischer Umweltpreis“ mit dem<br />
Partnerschaftsprojekt in Templin den<br />
zweiten Platz in der Sparte <strong>Natur</strong>schutz.<br />
� September/Oktober<br />
Das Apfelsaftprojekt der NFG wird<br />
zum ersten Mal durchgeführt. An den<br />
beiden Sammelterminen wurden über<br />
80 t Äpfel zur Sammelstelle bei der<br />
Landhandelszentrale in <strong>Unna</strong> gebracht<br />
Das war ein Ergebnis, das alle Erwartungen<br />
übertraf.<br />
� Dezember<br />
Herausgabe eines Umweltkalenders<br />
für das Jahr 1993.<br />
� Auf der Mitgliederversammlung<br />
schafft die NFG die Voraussetzungen<br />
für die Einrichtung und den Betrieb<br />
einer Biologischen Station nach dem<br />
<strong>Natur</strong>räumlichen Fachkonzept des<br />
Landes NRW.<br />
� Der Zweck des Vereins wird um<br />
den Punkt „Einrichtung und Betrieb<br />
einer Biologischen Station“ erweitert.<br />
� Einrichtung eines Kuratoriums<br />
als NFG-Gremium für den Betrieb der<br />
Biologischen Station.<br />
� Der Regionalverband Ruhrgebiet,<br />
der in seinem Wirkungsbereich alle<br />
Biologischen Stationen fördert, wird<br />
Mitglied in der NFG.<br />
� Der <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> tritt 5 % seines<br />
Stimmrechts an den RVR ab, der Vorstand<br />
und die Mitgliederversammlung<br />
werden erweitert.<br />
� Dezember<br />
Abschluss der Rahmenvereinbarung
zwischen dem Land NRW und dem<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> zur Finanzierung des Betriebs<br />
der Biologischen Station.<br />
1993<br />
� 16. Juni<br />
Die konstituierende Sitzung des<br />
Kuratoriums für die Biologische Station<br />
findet in Lünen statt. Anschließend<br />
wird der NFG auf dem Hof Schulze-<br />
Heil die Rahmenvereinbarung zur<br />
Finanzierung der Biologischen Station<br />
offiziell vom Land Nordrhein-Westfalen<br />
übergeben.<br />
� 12. – 22. August<br />
Organisation einer Exkursion von<br />
Schülern und Schülerinnen der Geschwister-Scholl-Gesamtschule<br />
Lünen<br />
nach Boitzenburg in den <strong>Kreis</strong> Templin,<br />
die hier auf den NFG-<strong>Natur</strong>schutzflächen<br />
Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen<br />
umsetzen. Hiermit wird die<br />
Idee eines Jugendaustausches in der<br />
<strong>Natur</strong>schutzarbeit zwischen dem <strong>Kreis</strong><br />
Templin und dem <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> aufgegriffen<br />
und auch in den folgenden<br />
Jahren fortgeführt.<br />
� November<br />
Die erste Ausgabe der naturkundlichen<br />
Veröffentlichungsreihe der NFG<br />
erscheint mit der Ausgabe „Holzgewächse<br />
im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“.<br />
15. Dezember<br />
Die ersten Mitarbeiter der Biologischen<br />
Station werden eingestellt. Bis<br />
zur Fertigstellung der Ökologiestation<br />
in der Lippeaue ziehen sie in die Räume<br />
des <strong>Kreis</strong>-Umweltamtes.<br />
1994<br />
� 16./17. September<br />
Das zehnjährige Bestehen der NFG<br />
wird im Rahmen der Eröffnung der<br />
Ökologiestation in Bergkamen-Heil<br />
gefeiert.<br />
� Oktober<br />
Der Vorstand unternimmt unter<br />
Führung von Prof. Dr. Karl Ganser eine<br />
Emscher-Park Besichtigungsreise, um<br />
Projekte der Internationalen Bauausstellung<br />
zu besichtigen.<br />
Ein Aufgabenschwerpunkt des Jahres<br />
war für die NFG die Etablierung der<br />
Biologischen Station.<br />
1995<br />
� März<br />
Rosemarie Böhme wird zur Vorsitzenden<br />
der NFG gewählt, Dr. Hellmuth<br />
Zimmermann tritt die Nachfolge von<br />
Otto Buschmann als einer der stellvertretenden<br />
Vorsitzenden an.<br />
� Mai<br />
Die NFG-Geschäftsstelle zieht in<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
die Räume der Ökologiestation in<br />
Bergkamen-Heil um.<br />
� Juni<br />
Die NFG wirkt beim ersten Tag der<br />
Offenen Tür auf der Ökologiestation<br />
in Bergkamen mit.<br />
� Oktober<br />
Die NFG organisiert zum ersten<br />
Mal mit den anderen Einrichtungen<br />
der Ökologiestation ein Apfelfest. Informatives<br />
und Köstliches zum Thema<br />
Apfel sind der Mittelpunkt des Festes,<br />
das anschließend zu einer regelmäßigen<br />
jährlichen Veranstaltung auf der<br />
Ökologiestation wird.<br />
� November<br />
Die letzte Ausgabe der NFG-Schriftenreihe<br />
„<strong>Natur</strong><strong>report</strong>“ erscheint zum<br />
Schwerpunktthema „Ökologiestation“.<br />
Gleichzeitig verlassen auch die<br />
beiden Redakteure, Thomas Griesohn-<br />
Pflieger und Utz Lederbogen, die die<br />
Schriftenreihe mitbegründeten, aus<br />
beruflichen Gründen den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>.<br />
1996<br />
� Mai<br />
Einrichtung einer AB-Stelle an der<br />
Biologischen Station, die die Erstellung<br />
eines Brutvogelatlas für den <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> vorbereitet.<br />
109
110 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
� September/Oktober<br />
Bei den Apfelsammlungen wird ein<br />
Rekordergebnis erzielt.<br />
1997<br />
� April<br />
Das erste Jahrbuch der NFG erscheint<br />
in einer Auflagenhöhe von<br />
2.000 Exemplaren. Der Name der<br />
Schriftenreihe „<strong>Natur</strong><strong>report</strong>“ wurde<br />
auch für das Jahrbuch übernommen.<br />
� Juni<br />
Auf der Mitgliederversammlung<br />
werden verschiedene Satzungsänderungen<br />
beschlossen. Besonders wichtig<br />
ist die Anpassung der Wahlzeit des<br />
Vorstandes an die der Vertretungskörperschaften.<br />
Damit bleibt der nächste<br />
neu gewählte Vorstand fünf Jahre im<br />
Amt.<br />
Erstellung eines Flugblattes zur<br />
Biologie und zum Schutz der Mauersegler.<br />
Die Aktion Mauersegler<br />
wurde in Zusammenarbeit mit dem<br />
Landschaftswächter Bernhard Glüer<br />
ins Leben gerufen.<br />
1998<br />
� März<br />
Der Trägerverein Waldschule Cappenberg<br />
e.V. wird gegründet. Die NFG<br />
wird Mitglied im Trägerverein und zahlt<br />
jährlich einen festen Mitgliedsbeitrag.<br />
Auf der Ökostation fand 1998 die erste<br />
Messe zum Thema „<strong>Natur</strong>naher Garten"<br />
statt. Foto: Archiv<br />
Damit endet auch die Trägerschaft der<br />
Waldschule durch die NFG.<br />
� April<br />
Auf der Ökologiestation findet<br />
die erste Messe zum Thema „<strong>Natur</strong>naher<br />
Garten“ statt. Auch diese<br />
Veranstaltung wird zu einem jährlich<br />
wiederkehrenden Event auf der Ökologiestation.<br />
� Juni<br />
Eröffnung des Honigbienenstandes<br />
und des Wildbienenlehrpfades auf der<br />
Ökologiestation unter Mitwirkung der<br />
NFG.<br />
� Juli<br />
Die naturkundliche Veröffentlichungsreihe<br />
wird mit dem Buch „Die<br />
Orchideen des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>“ fortgesetzt.<br />
� Dezember<br />
Zusammen mit dem Umweltzentrum<br />
Westfalen gibt die NFG das Buch<br />
„Bäume – Wunderbare Wesen im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>“ heraus.<br />
1999<br />
Zu dem NFG-Jahrbuch erscheinen<br />
zwei Beihefte. Eins widmet sich dem<br />
Spezialthema Neophyten, das andere<br />
ergänzt die naturkundliche Veröffentlichung<br />
Holzgewächse im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
um aktuelle Fakten.<br />
Gemeinsam mit der Umweltzentrum<br />
Westfalen GmbH wird eine<br />
Fortbildungsreihe für Pädagogen<br />
entwickelt.<br />
2000<br />
� März<br />
Auf der Mitgliederversammlung<br />
wird Walter Teumert zum 1. Vorsitzenden<br />
der NFG gewählt, seine StellvertreterIn<br />
werden Rotraud Niemann
und Wilfrid Loos. Die Amtszeit des<br />
Vorstandes beträgt fünf Jahre.<br />
� April<br />
Der neugewählte Vorstand trifft<br />
sich auf der Ökologiestation zu einer<br />
Klausurtagung, um die Zukunftsperspektiven<br />
der NFG zu diskutieren.<br />
� April/Mai<br />
Die Umweltzentrum Westfalen<br />
GmbH, der Kommunalverband Ruhrgebiet<br />
und die NFG geben gemeinsam<br />
den Fahrradführer „Grüne Route- mit<br />
dem Fahrrad zu den wunderbaren<br />
Wesen im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“ heraus.<br />
� Oktober /. November<br />
Die NFG präsentiert in den Räumen<br />
der Ökologiestation die Ausstellung<br />
„<strong>Natur</strong>kindergärten in NRW“, die<br />
beispielhafte <strong>Natur</strong>kindergärten zeigt<br />
und Anregungen zur Gestaltung von<br />
<strong>Natur</strong>-Spiel-Räumen gibt.<br />
� November<br />
In Zusammenarbeit mit dem UZW<br />
organisiert die NFG den ersten Familientag<br />
auf der Ökologiestation. Ziel ist,<br />
Eltern und Kinder zum gemeinsamen<br />
Bauen und Basteln mit <strong>Natur</strong>materialien<br />
anzuregen. Der Familientag findet<br />
seitdem jährlich am Totensonntag auf<br />
der Ökologiestation statt.<br />
Das erste Produkt der NFG war der Apfelsaft,<br />
später folgte der Apfel-Mango-<br />
Saft und „UNser Appel “ ein Apfelkorn.<br />
Foto: Ralf Sänger<br />
� Dezember<br />
Im Rahmen der naturkundlichen<br />
Veröffentlichungsreihe erscheint das<br />
Buch „Die Brutvögel des <strong>Kreis</strong>es<br />
<strong>Unna</strong>“.<br />
2001<br />
� Dezember<br />
Die NFG bringt ein neues Produkt<br />
aus den heimischen Äpfeln auf den<br />
Markt. Gemeinsam mit der Kornbren-<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
nerei Glitz-Ehringhausen aus Werne<br />
wird ein Apfelkorn kreiert, der unter<br />
dem Namen „UNser Appel“ vertrieben<br />
wird. Der naturtrübe NFG-Apfelsaft<br />
wird dabei in einem besonderen<br />
Verfahren mit dem Weizenfeinbrand<br />
aus biologisch angebautem Getreide<br />
gemischt.<br />
Die NFG engagiert sich beim Projekt<br />
„Babywald“ des Katharinenhospitals<br />
<strong>Unna</strong>, des Hellweger Anzeigers<br />
und des <strong>Kreis</strong>-Umweltamtes.<br />
2002<br />
� April<br />
Die NFG wird Mitglied in der<br />
Solidargemeinschaft zur Förderung<br />
der Stadt-Landbeziehungen im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong>, Dortmund, Hamm.<br />
� Mai<br />
Zum Thema Imkerei stellt die NFG<br />
eine Ausstellung in der Ökologiestation<br />
zusammen.<br />
� Mai/Juni<br />
Der NFG-Vorstand unternimmt eine<br />
Exkursion in die Uckermark, um u.a.<br />
die <strong>Natur</strong>schutzflächen, die die NFG im<br />
damaligen Partnerkreis Templin 1992<br />
erworben hat, zu besichtigen.<br />
� Juli/August<br />
Das erste Historische Spiel findet<br />
111
112 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
Der NFG-Vorstand während einer Exkursion in die Uckermark. Foto: NFG<br />
auf dem Gelände der Ökologiestation<br />
statt. Gemeinsam mit dem Umweltzentrum<br />
organisiert die NFG diese<br />
Sommerferienaktion mit historischen<br />
und umweltpädagogischen Aspekten<br />
für Kinder ab zehn Jahren.<br />
� Dezember<br />
Die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
unterschreibt die Verträge zur Übernahme<br />
des Heckrindprojektes von<br />
der RWE.<br />
2003<br />
� März<br />
Die NFG nimmt am Tag des Ehrenamtes<br />
teil, der unter dem Motto<br />
Umwelt- und <strong>Natur</strong>schutz steht.<br />
� April<br />
Die NFG tritt dem Verein zur Förderung<br />
der Auerochsenzucht bei.<br />
� Juli<br />
Die NFG präsentiert sich auf dem<br />
gemeinsam gefeierten Jubiläum der<br />
Biologischen Station, des Umweltzentrums,<br />
je zehn Jahre, und des <strong>Natur</strong>schutzbundes<br />
<strong>Kreis</strong>gruppe <strong>Unna</strong>,<br />
25 Jahre.<br />
In diesem Rahmen wird die von der<br />
NFG als Sonderausgabe herausgegebene<br />
Biografie des <strong>Natur</strong>schützers<br />
Heinz Herkenrath der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt.<br />
� September<br />
Die NFG stellt den neuen Apfel-<br />
Mango Saft vor.<br />
Der naturtrübe Apfelsaft wird hierbei<br />
mit einem fair gehandelten Mangopüree<br />
von philippinischen Kleinbauern<br />
im Verhältnis 80 % zu 20%<br />
gemischt.<br />
� November<br />
Die NFG lädt die Schulen im <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> zu einem Kooperationstreffen<br />
ein, um die Zusammenarbeit und den<br />
Informationsaustausch bei Umwelt-<br />
und <strong>Natur</strong>schutzprojekten zu fördern<br />
Gemeinsam mit dem Umweltzentrum<br />
Westfalen gibt die <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
die zweite geänderte<br />
Auflage des Bildbandes „Bäume<br />
– Wunderbare Wesen im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>“<br />
heraus.
� NFG-Notizen 2004<br />
Seminare, Aktionen<br />
und noch vieles mehr<br />
von Birgit Manz<br />
Auch in diesem Jahr wurde die<br />
tägliche Arbeit der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
durch zahlreiche Aktionen<br />
und Seminare für Jung und Alt begleitet,<br />
die im Folgenden kurz vorgestellt<br />
werden.<br />
� Apfelsammlung 2004<br />
Da die Apfelernte in den letzten drei<br />
Jahren eher mittelprächtig ausgefallen<br />
war, mussten NFG – Apfelsafttrinker<br />
ab August 2004 auf den schmackhaften<br />
naturtrüben Saft verzichten: Er war<br />
ausverkauft!<br />
Deshalb hoffte die NFG mal wieder<br />
auf eine gute Apfelernte im Herbst<br />
2004 und sie wurde nicht enttäuscht.<br />
An den drei Sammeltagen im September<br />
und Oktober auf dem Gelände der<br />
Raiffeisen Hellweg-Lippe eG in <strong>Unna</strong><br />
brachten Obstwiesenbesitzer 113<br />
Tonnen Äpfel zur NFG-Annahmestelle.<br />
Damit wurde das bisherige Rekordergebnis<br />
der NFG-Apfelsammelungen<br />
aus dem Jahr 1996 (hier waren es 111<br />
Tonnen) nochmals übertroffen.<br />
In 2004 gab es endlich wieder eine gute<br />
Apfelernte. Foto: NFG<br />
� Obstbaumpflege<br />
Um den Bestand der ökologisch<br />
wertvollen Obstwiesen im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
auch in Zukunft zu sichern, müssen<br />
die Obstbäume regelmäßig gepflegt<br />
werden. Hierzu zählt insbesondere der<br />
richtige Schnitt in den verschiedenen<br />
Altersstadien des Baumes. Auch 2004<br />
veranstaltete die NFG daher wieder<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
zwei Seminare, die Obstbaumbesitzern<br />
und anderen Interessierten die<br />
Möglichkeit gaben, den fachgerechten<br />
Schnitt von Obstbäumen in Theorie<br />
und Praxis kennen zu lernen. Da das<br />
Interesse an diesen Seminaren auch<br />
nach über zehn Jahren immer noch<br />
ungebrochen ist, wird sie mit weiteren<br />
Angeboten auch 2005 fortgesetzt.<br />
Die Termine sind dem Veranstaltungsprogramm<br />
der Ökologiestation zu<br />
entnehmen.<br />
Zum ersten Mal veranstaltete die<br />
NFG 2004 ein Seminar zur Veredelung<br />
von Obstgehölzen. Kooperationspartner<br />
und Veranstaltungsort<br />
war die Baumschule Giesebrecht in<br />
Lünen-Niederaden. Die Teilnehmer<br />
des Seminars erhielten zunächst eine<br />
theoretische Einführung zu den verschiedenen<br />
Veredelungstechniken und<br />
dem benötigten Pflanzenmaterial wie<br />
schnell- und langsamwachsende Unterlagen<br />
und Edelreiser. Nach einem<br />
Rundgang durch die Obstbaumquartiere<br />
der Baumschule konnten dann die<br />
Seminarteilnehmer selbst ihre ersten<br />
Veredelungsversuche durchführen.<br />
113
114 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
� NFG feiert 20. Geburtstag<br />
Im Rahmen des Apfelfestes, das am<br />
9. Oktober 2004 auf der Ökologiestation<br />
in Bergkamen stattfand, feierte<br />
die NFG bei strahlender Herbstsonne<br />
ihren 20. Geburtstag. Der Festakt zur<br />
Geburtstagsfeier fand ab 10 Uhr in<br />
einem Zirkuszelt statt, das auf dem<br />
Gelände der Ökologiestation zu diesem<br />
Zweck aufgebaut worden war.<br />
Alle diejenigen, die in den 20 Jahren in<br />
den Gremien des Vereins mitgearbeitet<br />
haben sowie viele Begleiter und Förderer<br />
der NFG waren eingeladen und<br />
auch zahlreich erschienen.<br />
Walter Teumert, 1. Vorsitzende der<br />
NFG, würdigte in seiner Rede die vielen<br />
unterschiedlichen Aktivitäten des<br />
in Deutschland immer noch einmaligen<br />
Vereins. Thomas Griesohn-Pflieger,<br />
Journalist und Ornithologe aus dem<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, der als langjähriger Redakteur<br />
des damals als Zeitschrift<br />
erscheinenden <strong>Natur</strong><strong>report</strong>s das Werden<br />
der NFG hautnah miterlebte, hielt<br />
die Festrede (siehe Seite 103 dieser<br />
Ausgabe). Nachdem Walter Teumert<br />
dann allen ehemaligen Vorsitzenden<br />
der NFG sowie deren Stellvertretern<br />
mit einem Foto-Baumportrait für ihr<br />
Engagement in den vergangenen<br />
Jahren dankte, folgte, untermalt von<br />
den jazzigen Klängen des Quast-Seidel<br />
Duos aus <strong>Unna</strong>, der so genannte ge-<br />
Auch das Essen kochen die Kinder<br />
während der Spiele selbst. Foto: NFG.<br />
mütliche Teil; denn nun wartete schon<br />
das kalt-warme Büfett der Landfrauen<br />
von Land-aktiv.<br />
Anschließend konnten die Besucher<br />
gestärkt die Angebote des Apfelfestes<br />
genießen und sich über <strong>Natur</strong>schutz-<br />
und Umweltaktivitäten im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
informieren. Ein besonderes Highlight<br />
waren am Nachmittag die Auftritte des<br />
Mitmach-Circus „Schnick-Schnack“<br />
aus Herne. Nach akrobatischen und<br />
feuerspeienden Vorführungen wurden<br />
die Zuschauer, egal ob jung oder<br />
alt, zum Mitmachen animiert und in<br />
die Kunststücke mit eingebunden.<br />
Daneben sorgte eine Gruppe von<br />
Dudelsackspielern, die in original<br />
schottischen Kilts über das Gelände<br />
der Ökologiestation zogen, lautstark<br />
für musikalische Unterhaltung.<br />
� Von Kelten und Druiden<br />
Vom 2. bis 6. August 2004 fand auf<br />
dem Gelände der Ökologiestation zum<br />
dritten Mal ein Historisches Spiel statt.<br />
68 Kinder ab zehn Jahren konnten<br />
diesmal das Leben der Kelten und Druiden<br />
hautnah erleben. Der Häuptling<br />
einer kleinen keltischen Siedlung war<br />
im Kampf gegen die germanischen<br />
Stämme gefallen und lag aufgebahrt<br />
im Haus seiner Familie. Wer tritt nun<br />
seine Nachfolge an? Und wie wird ein<br />
verstorbener Häuptling standesgemäß<br />
beigesetzt? Dies waren zwei wichtige<br />
Fragen, mit denen sich die Kinder in<br />
dem Spiel auseinandersetzen mussten.<br />
Hilfreich zur Seite standen ihnen dabei<br />
neben den jeweiligen Familienoberhäupter<br />
der Druide und die Priesterin<br />
des Dorfes. So wurden mehrfach<br />
Orakel befragt und gedeutet und es<br />
gab verschiedene Machtkämpfe bis<br />
die Nachfolge des Häuptlings geregelt<br />
werden konnte. Daneben wurde die<br />
Beerdigung des toten Fürsten vorbereitet<br />
und sein Übergang in die „Anderwelt“<br />
festlich gefeiert. Während der<br />
gesamten Spielwoche wurde in jedem
Haus handwerklich gearbeitet; so gab<br />
es eine Weberei, eine Wollfärberei,<br />
eine Schmiede, eine Bronzegießerei<br />
und eine Schmuckwerkstatt.<br />
� Vorschau 2005<br />
Auch 2005 planen das Umweltzentrum<br />
Westfalen, die Jungendkunstschule<br />
der Stadt Bergkamen und die<br />
NFG in der Zeit vom 18. – 22. Juli<br />
wieder ein Historisches Spiel auf der<br />
Ökologiestation. Teilnehmen können<br />
schon Kinder ab neun Jahren. Diesmal<br />
versetzt die Zeitreise die Kinder<br />
in das Mittelalter zur Zeit Karl des<br />
Großen. In einer kleinen sächsischen<br />
Siedlung leben fast nur noch Frauen,<br />
Kinder und Alte. Die Männer sind im<br />
Krieg gegen die Franken unterwegs,<br />
die versuchen die sächsischen Dörfer<br />
zu unterwerfen und die heidnischen<br />
Bewohner vom Christentum zu überzeugen.<br />
Die Bewohner der kleinen<br />
Siedlung hören von nahenden Truppen<br />
, die am zweiten oder dritten Tag<br />
tatsächlich in das Dorf einfallen. Wie<br />
gehen Sieger und Besiegte miteinander<br />
um? Wie schafft man gemeinsam den<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
Wiederaufbau, denn schließlich ist der<br />
Hellweg, an dem der Ort liegt, eine<br />
wichtige Handelsstraße. Und welche<br />
Probleme bringt die Missionierung<br />
mit sich? Neben diesen ganzen Fragen<br />
und Konflikten, die auf eine Lösung<br />
warten, müssen die Kinder wieder<br />
handwerklich arbeiten und auch die<br />
Mahlzeiten werden wieder selbst<br />
zubereitet.<br />
Weitere Informationen zum Spiel<br />
und zur Anmeldung sind bei Dorothee<br />
Weber-Köhling, Ökologiestation Tel.-<br />
Nr.: 02389 9809-13 zu erfragen.<br />
115
116 ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
� Kunst auf der Ökologiestation<br />
Ist eine Annäherung zwischen<br />
Kunst und <strong>Natur</strong> möglich?<br />
von Michael Bub<br />
Als 1999, nach der zweiten<br />
Sommerakademie, im <strong>Natur</strong><strong>report</strong><br />
mein Artikel „Kunst vor Ort: Flora<br />
und Fauna inspirieren“ erschien,<br />
war das eigentlich noch ein<br />
Versuch der Rechtfertigung. Die<br />
Frage, die beantwortet werden<br />
musste, lautete: Kunst und Ökologie<br />
– passt das überhaupt zusammen?<br />
Soll in einer Ökologiestation<br />
Kunst ausgestellt werden, soll hier<br />
gar Kunst entstehen?<br />
Nach nunmehr acht erfolgreichen<br />
Sommerakademien, einigen Dutzend<br />
gut besuchten Ausstellungen im Forum<br />
unseres Gebäudes, dem traditionellen<br />
vorweihnachtlichen Kunstmarkt<br />
der Gruppe „galerie sohle 1“ und der<br />
Beteiligung an einer Veranstaltung der<br />
Kunstakademie Münster „Meisterschüler<br />
in Westfälischen Schlössern“,<br />
stellt sich die Frage so gewiss nicht<br />
mehr.<br />
Wichtig bleibt allerdings, ob wir<br />
mit unseren Aktivitäten im künstleri-<br />
schen Bereich auch die beabsichtigten<br />
Ziele erreicht haben: Wurden wirklich<br />
Kunstinteressierte und <strong>Natur</strong>schützer<br />
einander angenähert und damit ein<br />
anderes, ein neues und als Multiplikator<br />
wichtiges Publikum in die Station<br />
gebracht?<br />
� Teilnehmerbefragungen<br />
Die Konfrontation von Künstlern,<br />
Ihren Bekannten und Freunden mit<br />
den Institutionen der Ökologiestation,<br />
ihren Aufgaben und ihren Angeboten,<br />
z.B. beim Abschlussfest der Sommerakademie<br />
oder bei Ausstellungseröffnungen,<br />
führt häufig zu Äußerungen<br />
der Überraschung: „...das ist ja wirklich<br />
interessant, was hier passiert!“ Dies<br />
ist dann oft der erste Schritt zur Teilnahme<br />
an Seminaren, Vorträgen oder<br />
Exkursionen, bringt aber für uns auch<br />
einfach einen erhöhten Bekanntheitsgrad<br />
und kann die Bereitschaft zur Unterstützung<br />
unserer Arbeit in der einen<br />
oder anderen Form hervorrufen.<br />
Es fällt auf, dass bei den Befragungen<br />
der Teilnehmer der Sommerakademie,<br />
die mit einem Formblatt erfolgen,<br />
das systematisch ausgewertet wird,<br />
immer wieder die Atmosphäre als das<br />
ganz Besondere genannt wird. Und<br />
das ist nicht nur die Atmosphäre der<br />
Menschen oder Räume, sondern auch<br />
die der hier so nahen <strong>Natur</strong>.<br />
Der neue Teich östlich der Ökologiestation<br />
wurde besonders von den<br />
Aquarellisten als Motiv, aber auch<br />
einfach als angenehmer Aufenthaltsort<br />
entdeckt. Der Wildbienenlehrpfad, der<br />
Blick über die Baumschule und in die<br />
Lippeaue, oder eine kleine Ecke im<br />
Bauerngarten werden immer wieder<br />
mit dem Stift oder in Öl festgehalten.<br />
Inspiration durch <strong>Natur</strong> ereignet sich<br />
hier wahrhaftig.<br />
� Für Jung und Alt<br />
Und auch die Kinder der Sommerakademiker<br />
– jeweils über zwanzig<br />
zwischen sechs und zwölf Jahren<br />
– erleben <strong>Natur</strong> auf dem Gelände<br />
der Ökologiestation bei organisierten<br />
Aktivitäten, Spielen oder einfach beim<br />
Herumtoben. Einzig die Druckgrafiker<br />
müssen den Großteil ihrer Zeit an den<br />
Pressen im Gebäude zubringen. Ihre
durch die Chemikalien der Plattenbearbeitung<br />
und des Drucks strapazierten<br />
Lungen lüften sie dann aber auch<br />
im Freien. Und auch die <strong>Natur</strong>schützer<br />
bringen der künstlerischen Seite der<br />
Ökologiestation zunehmend Wohl-<br />
wollen oder sogar Interesse entgegen.<br />
Das reicht von der Akzeptanz<br />
der dekorativen Funktion der Bilder<br />
und Objekte in den Räumen bis zur<br />
Präsentation eigener künstlerischer<br />
Aktivität. Zumeist handelt es sich<br />
dabei um <strong>Natur</strong>fotografien, und auch<br />
da sind Entwicklungen beobachtbar:<br />
etwa vom Foto, das die Abbildung in<br />
den Vordergrund stellt, über formale<br />
oder farbliche Experimente bis hin zu<br />
Objekten, die ausgehend vom Natürlichen<br />
einen eigenen künstlerischen<br />
Anspruch erheben.<br />
� Fazit<br />
In den neun Jahren, die seit unserer<br />
ersten Ausstellung „Ruhrgebietsnatur<br />
ÖKOSTATION-NOTIZEN<br />
Egal, welches Motiv der Maler wählt: Kunst auf der Ökologiestation überrascht sowohl die Teiilnehmer als auch die Besucher<br />
der Ausstellungen der Sommerakademien. Foto: NFG<br />
– Fotografien von Peter Liedtke“, und<br />
den acht Jahren, die seit den ersten<br />
Vorgesprächen mit den Kollegen der<br />
Volkshochschulen über eine Sommerakademie<br />
vergangen sind, hat sich also<br />
die Ökologiestation zu einer Adresse<br />
in Sachen Kunst entwickelt.<br />
Und von den über 20.000 Menschen,<br />
die jährlich die Ökologiestation<br />
besuchen, wird ein nicht unerheblicher<br />
Teil das erste Mal durch die Kunst<br />
angelockt.<br />
117
118<br />
� Vogel des Jahres<br />
Der Uhu<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Der NABU und der Landesbund<br />
für Vogelschutz (LBV) haben den<br />
Uhu zum Vogel des Jahres 2005<br />
gewählt. Der Uhu steht kaum<br />
wie eine andere Art für einen der<br />
ganz großen Erfolge in Sachen<br />
Arten- und Lebensraumschutz.<br />
Die hierzulande fast ausgerottete<br />
größte europäische Eule kommt<br />
dank gezielter Artenhilfsprogramme<br />
heute wieder bundesweit vor.<br />
Obwohl vielerorts die Bestände<br />
stabil sind, ist die Population<br />
dieses nachtaktiven Greifvogels allerdings<br />
regional rückläufig, ohne<br />
dass die Ursachen hierfür bekannt<br />
sind. Auch wenn sich das Blatt<br />
insgesamt gewendet hat, ist der<br />
Uhu bis heute besonders schutzbedürftig.<br />
Mit der Wahl des Uhus will der<br />
NABU auf die Schutzbedürftigkeit des<br />
gesamten Felsenlebensraumes und<br />
seiner mitunter kaum bekannten Bewohner<br />
aufmerksam machen. Der Uhu<br />
ist die größte europäische Eule. Der<br />
massige Körper, sein großer Kopf und<br />
die bis zu 1,80 Meter Flügelspannweite<br />
machen den Uhu zum unverwechselbaren<br />
„König der Nacht“. Außer an<br />
seiner Größe, ist der Uhu an seinen<br />
langen Federohren und seinen großen<br />
orangegelben Augen zu erkennen. Sie<br />
verhelfen ihm auch bei Dämmerung<br />
und Dunkelheit zu seinem ausgezeichneten<br />
Sehvermögen. Die nach vorne<br />
gerichteten Augäpfel sind nahezu<br />
unbeweglich, dagegen kann der Kopf<br />
bis zu 270 Grad gewendet werden.<br />
Sein hell- und dunkelbraun gemustertes<br />
Federkleid im Wald sorgt für eine<br />
perfekte Tarnung. Obwohl die meisten<br />
Menschen die große Eule aufgrund ihrer<br />
gut getarnten, nächtlichen Lebensweise<br />
selten zu Gesicht bekommen,<br />
ist ihnen der auffällige Balzruf aus<br />
zahlreichen Erzählungen bekannt. Der<br />
weittragende „Buhoo-Ruf“ hat ihr den<br />
deutschen Namen Uhu wie auch die<br />
wissenschaftliche Bezeichnung Bubo<br />
bubo eingebracht.<br />
Der Uhu jagt hauptsächlich in der<br />
Dämmerung auf offenen Flächen<br />
mittelgroße Säuger und Vögel, vorwiegend<br />
Mäuse, Ratten, Igel, Kaninchen<br />
Der Uhu: König der Nacht<br />
Foto: NABU/M. Delpho
und Tauben, aber auch Wasservögel,<br />
Krähen und Greifvögel, Jungfüchse<br />
sowie andere Eulen. Er jagt vom Ansitz<br />
aus oder im Suchflug. Dabei ermöglichen<br />
ihm sein weiches, lockeres<br />
Gefieder sowie weich gesägte Schwingenfedern<br />
seinen geräuschlosen Flug.<br />
Die Beute wird in erster Linie mit dem<br />
sehr scharfen Gehör geortet.<br />
Uhus balzen von Februar bis März<br />
und brüten an Stellen mit freiem Anflug,<br />
in Nischen von Felswänden, Steilhängen<br />
und Steinbrüchen, in hohlen<br />
Bäumen, Greifvogelhorsten oder auf<br />
dem Boden. Die zwei bis drei (selten<br />
fünf) weißen Eier werden fünf Wochen<br />
ausschließlich vom Weibchen bebrütet.<br />
Es beginnt mit der Brut sobald das<br />
erste Ei gelegt ist, so daß die Jungtiere<br />
einer Brut meist sehr unterschiedlich<br />
weit entwickelt sind. Die Jungtiere verlassen<br />
mit fünf bis sieben Wochen das<br />
„Nest“, können mit neun Wochen gut<br />
fliegen, aber erst mit über 20 Wochen<br />
sicher Beute schlagen.<br />
Sein Brutareal reicht von Südwesteuropa<br />
und Nordafrika über den europäischen<br />
Kontinent ostwärts bis nach<br />
Sibirien, Südindien und Südchina. In<br />
Deutschland leben derzeit etwa 850<br />
Uhupaare. Verbreitungsschwerpunkte<br />
sind die Mittelgebirge Süd- und<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Westdeutschlands, die Alpen und<br />
Schleswig-Holstein. Noch ist der Uhubestand<br />
in Deutschland von der Fortführung<br />
intensiver Schutzmaßnahmen<br />
abhängig. Heute zählen die Verluste<br />
durch Stromschlag an ungesicherten<br />
Mittelspannungsmasten, Störungen<br />
an den Brutplätzen und der Verlust<br />
von Lebensräumen in Steinbrüchen<br />
zu den wichtigsten Gefährdungen.<br />
Trotz des Gegenwindes mancherorts<br />
ist die Erfolgsgeschichte Uhu für LBV<br />
und NABU ein großer Ansporn, sich<br />
weiter mit Ausdauer und Engagement<br />
für den Schutz bedrohter Arten und<br />
Lebensräume einzusetzen.<br />
119
120<br />
NATUR DES JAHRES<br />
� Orchidee des Jahres<br />
Das Brand-Knabenkraut<br />
Der Arbeitskreis Heimische<br />
Orchidee (AHO) hat das Brand-<br />
Knabenkraut, Orchis ustulata L.<br />
zur Orchidee des Jahres 2005<br />
gewählt. Sie steht für artenreiche<br />
Halbtrockenrasen, Berg- und<br />
Streuwiesen.<br />
Mit der Wahl soll eine in Deutschland<br />
heimische Orchideen-Art vorgestellt<br />
werden, um eine breite Öffentlichkeit<br />
auf diese Pflanzenfamilie<br />
aufmerksam zu machen. Außerdem<br />
soll eine Sensibilisierung für den Schutz<br />
und die Erhaltung der gefährdeten<br />
Lebensräume, in denen unter anderem<br />
die einheimischen Orchideen wachsen<br />
und gedeihen, erreicht werden.<br />
Das Brand-Knabenkraut hat seinen<br />
Namen von der Farbe der Blütenknospen<br />
„wie vom Brand gekennzeichnet“.<br />
Er ist eine direkte Übersetzung des botanischen<br />
Namens Orchis ustulata: „Orchis“<br />
(griech. Hoden) und bezieht sich<br />
auf die knollenförmigen Wurzeln der<br />
Knabenkräuter und „ustulata“ kommt<br />
von ustulare, lat.= (an)brennen.<br />
Nur dort, wo <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen greifen, hat das Brand-Knabenkraut Chancen,<br />
zu überleben. Foto: A. u. H. Baum, AHO NRW<br />
Die zierliche Wiesenorchidee wird<br />
meist nur 10 bis 30 cm hoch. Die<br />
Laubblätter stehen rosettenartig<br />
zusammen. Der reichhaltig besetzte<br />
Blütenstand nimmt ungefähr ein Drittel<br />
bis die Hälfte der Gesamtpflanze<br />
ein. Die Blüten sind die kleinsten unter<br />
allen Knabenkräutern. Sie werden nur
5 bis 8 mm groß. Die Blütenblätter<br />
bilden einen rotbraunen Helm und<br />
eine dreigeteilte weiße Lippe mit roten<br />
Pünktchen. Orchis ustulata blüht<br />
je nach Höhe von Anfang Mai bis in<br />
den Juli.<br />
Das Brand-Knabenkraut wächst auf<br />
gemähten und beweideten Halbtrockenrasen,<br />
Bergwiesen, Streuwiesen,<br />
auf kalkreichen als auch kalkarmen<br />
basenreichen Magerrasen auf Löß-<br />
und Lehmböden. Es ist etwas wärmeliebend<br />
und gelegentlich auch in<br />
lichten Gebüschen zu finden.<br />
Orchis ustulata benötigt zur Erhaltung<br />
ihres Lebensraumes eine (exten-<br />
sive) Nutzung durch den Menschen.<br />
Wiesen müssen gemäht, dürfen aber<br />
nicht gedüngt werden. Weiden dürfen<br />
nur zu bestimmten Zeiten mit einer<br />
begrenzten Stückzahl Vieh besetzt<br />
werden. Diese Art der Bewirtschaftung<br />
ist meist nur im Rahmen des<br />
Vertragsnaturschutzes machbar, der<br />
es Landwirten oder <strong>Natur</strong>schutzorganisationen<br />
vor Ort ermöglicht, die<br />
Wiesen und Weiden zu pflegen bzw.<br />
nach historischen Vorbildern extensiv<br />
zu nutzen. Verbuschung der Biotope<br />
durch fehlende Beweidung oder Mahd<br />
sowie Düngung führen zum Rückgang<br />
oder gar zum Verschwinden der zar-<br />
NATUR DES JAHRES<br />
ten Orchidee. Flächenumwandlung<br />
z.B. in Ackerland, zu Straßen oder<br />
Bauland vernichten die kompletten<br />
Lebensräume.<br />
Das Brand-Knabenkraut ist generell<br />
eine Pflanze der Roten Listen und gilt<br />
– je nach Bundesland – als „gefährdet“<br />
bis „vom Aussterben bedroht“.<br />
In manchen Bundesländern, wo sie<br />
früher einmal vorkam, ist sie leider<br />
bereits ausgestorben. Dort aber, wo<br />
die <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen greifen<br />
(z.B. NRW/Eifel) hat das zierliche<br />
Brand-Knabenkraut – und mit ihm die<br />
artenreichen, bunten Wiesen – gute<br />
Chancen zu überleben.<br />
121
122<br />
NATUR DES JAHRES<br />
� Baum des Jahres<br />
Die Rosskastanie<br />
Das Kuratorium Baum des Jahres<br />
hat die Gemeine Rosskastanie<br />
(Aesculus hippocastanum L.) zum<br />
Baum des Jahres 2005 ernannt.<br />
Er ist eine der schönsten, bekanntesten<br />
und beliebtesten Stadt- und<br />
Alleebaumarten. Die Kastanie ist sehr<br />
beliebt, denn sie macht viermal im Jahr<br />
Freude: im Winter mit ihren großen<br />
Knospen, im April beim Erscheinen der<br />
großen gefingerten Blätter, im Wonnemonat<br />
Mai mit ihrem orchideenhaften<br />
Blütenmeer und im Herbst mit den<br />
großen glänzenden Samen. Aber sie<br />
kämpft derzeit mit einem Schädling,<br />
der ihre Kronen schon im Juli in Herbst<br />
verwandeln kann: die aus Südosteuropa<br />
eingewanderte Miniermotte.<br />
Rosskastanien können bis zu 300<br />
Jahre alt und 30 Meter hoch werden.<br />
Besonders prächtig ist die Blüte im<br />
Frühjahr. Die aus zahlreichen cremefarbenen<br />
Einzelblüten bestehenden<br />
Blütenstände bedecken die Krone wie<br />
aufgesteckte Kerzen. Der Name Rosskastanie<br />
verweist auf ihre heilende<br />
Wirkung. Früher wurden mit Rosskas-<br />
tanienextrakten Pferde gegen Husten<br />
und Würmer behandelt. Teile von<br />
Rinde, Blättern, Blüten und Früchten<br />
werden auch in der Kosmetik, für Farben<br />
und Medikamente verwendet.<br />
Die Rosskastanie ist ursprünglich<br />
nicht in Mitteleuropa heimisch. Erst<br />
vor rund 300 Jahren wurde sie als<br />
Parkbaum aus Griechenland, Mazedonien<br />
und Albanien eingeführt. Von<br />
dort – wahrscheinlich aus Mazedonien<br />
– hat sich vor wenigen Jahren die Rosskastanien-Miniermotte<br />
nach Norden<br />
ausgebreitet. Der Kleinschmetterling<br />
entwickelt bis zu vier Generationen<br />
pro Jahr und scheint bei uns kaum<br />
natürliche Feinde zu haben. Die kleinen<br />
Mottenraupen fressen sich durch<br />
die Blätter und legen dabei zahlreiche<br />
Miniergänge an, die das Laub schädigen,<br />
so dass befallene Kastanien<br />
oft bereits im Hochsommer sämtliche<br />
Blätter verlieren. Geschieht das mehrere<br />
Jahre hintereinander, kann das<br />
den Baum ernsthaft beeinträchtigen<br />
und zum Absterben führen. Forscher<br />
arbeiten mit Hochdruck an Bekämpfungsmethoden.<br />
Am wirkungsvollsten<br />
Die Kastanie: eine der beliebtesten<br />
Bäume. Foto: KBJ<br />
ist es derzeit, das abgefallene Laub zu<br />
verbrennen oder zu vergraben, damit<br />
die Miniermottenpuppen nicht überwintern<br />
können.
� Blume des Jahres<br />
Der große Klappertopf<br />
Zur Blume des Jahres hat die Stiftung<br />
<strong>Natur</strong>schutz Hamburg und<br />
Stiftung zum Schutze gefährdeter<br />
Pflanzen den Großen Klappertopf<br />
(Rhinanthus angustifolius) gewählt.<br />
Sie ist eine Charakterart der<br />
wechsel-feuchten Wiesen und soll<br />
auf alte Nutzungsweisen, insbesondere<br />
der Niedermoorstandorte<br />
aufmerksam machen.<br />
Denn seit den 60er Jahren ist bundesweit<br />
ein kontinuierlicher Rückgang<br />
von Grünland zu beobachten. Spätestens<br />
in den 70er Jahren wurden<br />
die arbeitsintensiven Mähwiesen,<br />
speziell auf feucht-nassen Böden aufgegeben,<br />
entwässert und aufgedüngt.<br />
Monostrukturierte Wirtschaftsgräser<br />
verdrängten auf den Grünlandflächen<br />
krautartige und ausdrückliche „Magerkeitszeiger“,<br />
zu denen auch der<br />
Halbschmarotzer Klappertopf zählt.<br />
Der neueste Trend, hervorgerufen<br />
durch die so genannte Silagewirtschaft,<br />
betrifft jedoch den gesamten<br />
Grünlandanteil: Wiesen und Weiden<br />
werden umgebrochen und als Maisa-<br />
cker in Nutzung genommen.<br />
Mit der Wahl von Rhinanthus<br />
angustifolius zur Blume des Jahres<br />
2005 soll daher für den Erhalt von<br />
Wirtschaftsgrünland im allgemeinen<br />
und darüber hinaus für die wechselfeuchten,<br />
nährstoffarmen Wiesenflächen<br />
im speziellen geworben werden,<br />
zumal die Wiesen auf Niedermoor das<br />
überregionale Landschaftsbild Norddeutschlands<br />
prägen oder geprägt<br />
haben.<br />
Der Gattungsname Rhinanthus leitet<br />
sich aus den griechischen Wörtern<br />
rhinos (Nase) und anthos (Blume)<br />
ab und beschreibt die Blütenform,<br />
die einer Nase ähnelt. Der deutsche<br />
Name Klappertopf bezieht sich auf die<br />
reifen Früchte, deren Samen im aufgeblasenen<br />
Fruchtkelch beim Schütteln<br />
deutlich hörbar klappern. Pflanzensoziologisch<br />
wird der Große Klappertopf<br />
dem Wirtschaftsgrünland (Molino-<br />
Arrhenatheretea) zugeordnet.<br />
Der Klappertopf gehört zur Familie<br />
der Braunwurzgewächse (Scrophulariaceae),<br />
zu der auch Fingerhut, Löwenmaul<br />
oder Königskerze gehören; enger<br />
NATUR DES JAHRES<br />
verwandt sind weitere Halbschmarotzer<br />
wie Augentrost oder Läusekraut.<br />
In Deutschland gibt es sechs Klappertopf-Arten,<br />
die unterschiedliche<br />
Bodenstandorte und geografische<br />
Lagen charakterisieren.<br />
Die bis zu 70 cm hohe Pflanze<br />
des Großen Klappertopf hat eine<br />
zitronengelbe, bis 2,4 cm lange Kronenröhre<br />
und ist zweilippig, schwach<br />
gekrümmt, deutlich länger als der zur<br />
Fruchtreife aufgeblähte Kelch. Die<br />
Blütezeit erstreckt sich von Mai bis<br />
September, eine Bestäubung erfolgt<br />
fast ausschließlich durch Hummeln,<br />
selten durch Falter. Die bis zu 4,5 mm<br />
großen Samen besitzen einen Flügelsaum,<br />
so dass eine Windverbreitung<br />
in gewissem Umfang möglich ist. Die<br />
Pflanze ist nur einjährig und überdauert<br />
den Winter als Samen (Kaltkeimer).<br />
Als Halbschmarotzer besitzt sie zwar<br />
Chlorophyll zur Photosynthese, ist<br />
aber auf Wirtspflanzen angewiesen,<br />
von denen Wasser und Nährsalze<br />
bezogen werden.<br />
Der Große Klappertopf wächst<br />
bevorzugt auf frischen bis feuchten,<br />
123
124 NATUR DES JAHRES<br />
nährstoffarmen Grünlandschaften,<br />
aber auch Halbtrockenrasen, Küstendünen<br />
oder basenreicherem, sandiglehmigem<br />
Acker. Der lichtliebende<br />
Halbschmarotzer befällt die ihm benachbarten<br />
Gräser und Sauergräser.<br />
Der Große Klappertopf ist durch<br />
die Umwandlung traditioneller Grünlandstandorte<br />
durch Entwässerung,<br />
Düngung und mehrschürige Mahd<br />
gefährdet, die zu einem raschen Verschwinden<br />
der Pflanze führen.<br />
Aktuell ist der Umbruch von Dauergrünland<br />
auf alten Wiesen- und<br />
Weidenflächen besonders gravierend.<br />
In intensiv bewirtschafteten Agrarlandschaften<br />
können nur noch isolierte<br />
Restbestände auf kleinflächigen Sonderstandorten<br />
wie Grabenböschungen,<br />
Wegesäumen,<br />
Extensivwiesen und Grünlandbrachen<br />
gefunden werden. Großflächig<br />
zusammenhängende Grünlandbereiche<br />
mit überlieferten Nutzungsformen<br />
befinden sich fast nur noch in <strong>Natur</strong>schutzgebieten.<br />
Die Blume des Jahres<br />
Leider eine regelreche Rarität: der Große Klappertopf. Foto: Günther Helm<br />
wird derzeit bundesweit und in den<br />
meisten Bundesländern als gefährdet<br />
eingestuft, im Saarland gilt die Art als<br />
verschollen.
� Die Arzneipflanze des Jahres<br />
Der Gartenkürbis<br />
Der Gartenkürbis ist die Arzneipflanze<br />
des Jahres 2005. Es handle<br />
sich dabei um eine vielfältige<br />
Nutzpflanze, die in der Medizin<br />
wie in der Küche geschätzt<br />
wird und deren gesundheitlicher<br />
Nutzen eindeutig bestätigt ist.<br />
Damit begründet der Studienkreis<br />
Entwicklungsgeschichte der<br />
Arzneipflanzenkunde an der Uni<br />
Würzburg seine Wahl.<br />
Der Arzneikürbis (Cucurbita pepo)<br />
ist ein Paradebeispiel dafür, dass<br />
Pflanzen nicht nur in alternativen<br />
Heilmethoden, sondern auch in der<br />
Schulmedizin eingesetzt werden. Die<br />
eigentliche Heimat des Kürbis, der<br />
auch als Maskenkopf an Halloween<br />
herhalten muss, ist Mittel- und Südamerika.<br />
Dort wird er schon seit<br />
vielen tausend Jahren kultiviert und<br />
als Nahrungsmittel genossen. Inzwischen<br />
hat die Gattung Cucurbita mit<br />
Der Kürbis ist in der Medizin und in der<br />
Küche ein begehrter Rohstoff.<br />
Foto:Archiv<br />
ihren verschiedenen Arten, zu denen<br />
außer dem Gartenkürbis auch der<br />
Riesenkürbis und der Moschuskürbis<br />
gehören, in Europa eine zweite Heimat<br />
gefunden.<br />
Die meist starkwachsende rankende<br />
Pflanze mit runden Früchten kann bis<br />
zu 50 Kilogramm wiegen und wird<br />
im Herbst bei voller Reife geerntet.<br />
Sie ist dickfleischig und besitzen eine<br />
harte Schale. Das gelb bis dunkelo-<br />
NATUR DES JAHRES<br />
range Fruchtfleisch ist leicht faserig<br />
mit großen Kernen und hat einen<br />
intensiven, würzigen, leicht süßlichen<br />
Geschmack.<br />
Kürbisse werden nicht nur zu leckeren<br />
Speisen verarbeitet, bestimmte<br />
Kürbissorten werden auch zur Linderung<br />
von Blasenproblemen eingesetzt.<br />
„In der Steiermark, schätzt man beispielsweise<br />
das Kürbiskernöl“, sagte<br />
der Sprecher des Auswahlgremiums,<br />
Ralf Windhaber. Dort wächst der Ölkürbis,<br />
eine Variante des Gartenkürbis,<br />
dessen Samen fast schalenfrei sind<br />
und sich somit leichter pressen lassen.<br />
Schon diesem Speiseöl wird ein positiver<br />
Einfluss bei Problemen mit der<br />
Blase und dem Wasserlassen (Miktion)<br />
nachgesagt. „Und tatsächlich werden<br />
die Samen und daraus hergestellte<br />
Produkte als pflanzliche Arzneimittel<br />
in der Medizin gegen Reizblase und<br />
Miktionsprobleme verwendet“, sagte<br />
Windhaber.<br />
125
126<br />
NATUR DES JAHRES<br />
� Pilz des Jahres<br />
Der Wetterstern<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie<br />
(DGfM) hat den Wetterstern<br />
(Astraeus hygrometricus ) zum<br />
Pilz des Jahres 2005 gewählt, um<br />
auf einige der bizarrsten Gestalten<br />
im Pilzreich hinzuweisen, die im<br />
Laufe der Evolution sowohl in der<br />
Verwandtschaft der Korallenpilze<br />
als auch in jener der Steinpilze<br />
entstanden sind.<br />
Der Wetterstern wächst zunächst<br />
als unterirdische Kugel mit einer<br />
zweischichtigen Hülle heran, die sich<br />
- kaum aus dem Boden lugend - in<br />
eine äußere und eine innere Schicht<br />
aufspaltet. Das sternförmige Aufreißen<br />
reifer Fruchtkörper wird von der Luftfeuchtigkeit<br />
gesteuert: Bei feuchter<br />
Witterung löst sich die äußere Schicht<br />
von der inneren, reißt sternförmig auf<br />
und hebt den eigentlichen Sporenbehälter,<br />
eine dünnhäutige Kugel mit<br />
kleiner, zentraler Öffnung, empor. Trockene<br />
Luft kehrt den Vorgang um: Die<br />
„Arme“ des Wettersterns schließen<br />
sich wieder um den Sporenbehälter.<br />
Trifft bei feuchtem Wetter ein großer<br />
Regentropfen oder ein herabfallender<br />
Zweig auf den freigelegten Sporenbehälter,<br />
werden die Sporen, ähnlich wie<br />
bei den Bovisten und Stäublingen, wie<br />
mit einem Blasebalg durch die kleine,<br />
runde Öffnung gepustet. An getrockneten<br />
und wieder angefeuchteten<br />
Fruchtkörpern lässt sich diese „hygroskopische“<br />
Bewegung über viele Jahre<br />
hinweg nachvollziehen.<br />
Es fällt nicht leicht, einen gespreizten<br />
Wetterstern von seinen Doppelgängern<br />
aus der artenreichen Gattung<br />
der Erdsterne zu unterscheiden. Neben<br />
der einzigartigen „wetterfühligen“ Reaktion<br />
ist das leopardenfellartige Muster<br />
der Sternzacken charakteristisch.<br />
Er gehört wie der Steinpilz und fast<br />
alle anderen Röhrlinge zur gleichen<br />
Großfamilie. Als Mykorrhizapilz lebt<br />
der eigentümliche Pilz in Symbiose mit<br />
den Wurzeln von Waldbäumen – besonders<br />
diverser Kiefernarten – und<br />
ist dem entsprechend ein wertvoller<br />
Bestandteil des Ökosystems Wald auf<br />
trockeneren, meist sandigen oder aus<br />
Granitgrus aufgebauten, bodensauren<br />
Standorten.<br />
Früher als Wetterprophet geschätzt: der<br />
Wetterstern Foto: DGfM<br />
Der Wetterstern ist weltweit verbreitet.<br />
In der Südhälfte Deutschlands<br />
scheint er auf kalkarmen Böden nicht<br />
selten zu sein. Auch in Norddeutschland<br />
kommt er noch an vielen Orten<br />
vor. Allgemein ließ sich in den letzten<br />
25 Jahren allerdings ein Rückgang<br />
der Bestände feststellen. In sauren<br />
Kiefernbeständen und an Sonderstandorten<br />
wie wieder aufgeforsteten<br />
Abraumhalden und Weinbergen, ja<br />
sogar an Bahndämmen sind mitunter<br />
zeitlich begrenzte Massenvorkommen<br />
zu beobachten.
� Fisch des Jahres<br />
Die Bachforelle<br />
Der Verband Deutscher Sportfischer<br />
(VDSF) hat die Bachforelle<br />
zum Fisch des Jahres 2005<br />
gewählt. Mit dieser Wahl hat<br />
er eine der wohl bekanntesten<br />
heimischen Fischarten gekürt. Der<br />
VDSF will jedoch nicht nur einen<br />
markanten und schönen Fisch der<br />
Öffentlichkeit vorstellen, sondern<br />
ebenso auf die aktuelle Gefährdung<br />
unserer Gewässer und ihrer<br />
Bewohner aufmerksam machen.<br />
Auch die Bachforelle zählt zu den<br />
bedrohten Tierarten.<br />
Bachforellen kommen in klaren,<br />
kalten, sauerstoffreichen Fließgewässern<br />
vor, aber auch in Seen bis zu einer<br />
Seetiefe von rund 1.500 Metern, wenn<br />
sie einen Zufluss mit Laichmöglichkeiten<br />
besitzen. Die Bachforelle sucht zur<br />
Laichzeit, im Spätherbst und Winter,<br />
kleinere und kleinste Nebenbäche auf,<br />
um hier auf sandig-kiesigen, schnell<br />
durchströmten Flachwasserbereichen<br />
abzulaichen. Aus diesem Grund müssen<br />
die Bachsysteme durchgängig sein.<br />
Die Bachforelle liebt Verstecke und<br />
tiefe Stellen. Unterspülte Wurzeln,<br />
überhängende Büsche, große Steine im<br />
Wasser sind Anziehungspunkte. Aus<br />
begradigten Bächen verschwindet sie<br />
schnell. Auch gegen Verschmutzungen<br />
ist die Bachforelle empfindlich. Nur<br />
sehr selten taucht sie auch in großen<br />
Flüssen auf.<br />
Die Verbreitung der Bachforelle<br />
erstreckt sich über ganz Mitteleuropa<br />
von Spanien bis Skandinavien. Außerdem<br />
kommt sie in Island, Nordafrika<br />
und im Kaukasus vor.<br />
Ihre Nahrung besteht vorwiegend<br />
aus Krebsen, Würmern, Schnecken, Insekten<br />
und gelegentlich aus kleineren<br />
Fischen. Bachforellen erreichen meist<br />
eine Größe von 30 bis 60 cm und wiegen<br />
durchschnittlich 0,5 bis 2 kg. Bei<br />
entsprechendem Nahrungsangebot<br />
und größeren Wassertiefen können<br />
Bachforellen aber auch über einen Meter<br />
lang werden und ein Gewicht von<br />
bis zu 9 kg erreichen. Die typischen<br />
Färbungsmerkmale sind ein dunkelolivgrüner<br />
Rücken mit schwarzen<br />
Flecken und die roten Punkte auf den<br />
goldgelben Flanken. Zeichnung und<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Farbe können sich dem Hintergrund<br />
anpassen, so dass sie als Tarnung fast<br />
perfekt sind.<br />
Bis in die 1950-er Jahre war die<br />
Bachforelle noch überall häufig anzutreffen.<br />
Allerdings sind durch die<br />
Regulierung und Verbauung unserer<br />
Flüsse und Bäche ihre natürlichen<br />
Lebensräume selten geworden. Viele<br />
Barrieren in Form von Staustufen und<br />
Wehren behindern die Bachforelle auf<br />
ihren Wanderungen und schneiden sie<br />
von ihren Laichrevieren ab. Außerdem<br />
finden viele von ihnen in den Turbinen<br />
von Wasserkraftwerken den Tod. Die<br />
Gewässerverschmutzung und der<br />
saure Regen haben ihrerseits dazu<br />
beigetragen, dass der Bachforelle heute<br />
höchstens noch zehn Prozent ihres<br />
ursprünglichen Lebensraumes bleiben.<br />
Seit Ende der neunziger Jahre werden<br />
zudem von Anglern aus Südbayern im<br />
Sommer und Herbst massive Bachforellensterben<br />
gemeldet. Mit einem<br />
groß angelegten Untersuchungsprogramm<br />
versuchen derzeit der<br />
Landesfischereiverband Bayern (LFV)<br />
und das Bayerische Landesamt für<br />
127
128 NATUR DES JAHRES<br />
Die Bachforelle ist einer der bekanntesten Fische und dennoch vom Aussterben bedroht. Foto: Archiv<br />
Wasserwirtschaft (LfW) den Ursachen<br />
auf die Spur zu kommen. Vieles deutet<br />
darauf hin, dass weder Giftstoffe, noch<br />
eine Fischkrankheit im klassischen Sinn<br />
in Frage kommen.<br />
Dass die Bachforelle dennoch weit<br />
verbreitet ist, ist vor allen Dingen den<br />
Besatzmaßnahmen der Angler zu<br />
verdanken. Langfristig können solche<br />
Bemühungen aber nur zum Erfolg<br />
führen, wenn sie von grundlegenden<br />
Verbesserungen begleitet werden. Das<br />
bedeutet, wir brauchen naturnahe,<br />
durchgängige und strukturreiche Fließgewässer<br />
sowie eine hohe Wasserqualität.<br />
Nur dann hat die Bachforelle eine<br />
Chance wieder zum Inventar unserer<br />
<strong>Natur</strong>landschaft zu werden.
� Wildtier des Jahres<br />
Der Braunbär<br />
Die Schutzgemeinschaft Deutsches<br />
Wild hat den Braunbär zum<br />
Wildtier des Jahres 2005 gewählt.<br />
Damit hat sie eine optimistische<br />
Wahl getroffen, denn Meister<br />
Petz ist bei uns bereits vor 170<br />
Jahren ausgerottet worden. In<br />
den vergangenen Jahren wandern<br />
aber vermehrt Bären aus dem<br />
Süden und Osten in die Alpen ein,<br />
so dass es hoffentlich nur eine<br />
Frage der Zeit ist, wann der erste<br />
Neu-Bär auf deutschem Territorium<br />
gesichtet wird. In Österreich<br />
werden bereits wieder etwa 25<br />
Braunbären vermutet.<br />
Trotz seines unzusammenhängenden<br />
Verbreitungsraums ist der Braunbär<br />
immer noch die am weitesten<br />
verbreitete Grossbärenart. Er lebt in<br />
isolierten Gebieten von Spanien bis<br />
Japan und in den nördlichen Rocky<br />
Mountains. Aufgrund der Vielfalt der<br />
Lebensräume sehen die Braunbären<br />
der einzelnen Region relativ unterschiedlich<br />
aus. An den Küsten Alaskas<br />
und der Halbinsel Kamtschatka leben<br />
riesige Vertreter dieser Art, in Süd<br />
europa sind die Bären dagegen viel<br />
kleiner. Der Braunbär bringt je nach<br />
Verbreitungsgebiet zwischen 100 und<br />
800 kg auf die Waage und wird bis<br />
zu drei Metern groß. Der Braunbär ist<br />
nicht immer braun, sondern variiert<br />
von schwarz nach rot bis gelbbraun,<br />
von dunkelgrau bis hin nach hellgrau.<br />
Sie sind Allesfresser und passen ihre<br />
NATUR DES JAHRES<br />
Bären sind Einzelgänger und leben in bewaldeten, bergigen Regionen. Foto: Archiv<br />
Essgewohnheiten dem vorhandenen<br />
Angebot an (Pflanzen, Wurzeln,<br />
Beeren, Fleisch, Aas). Man findet<br />
gebietsweise Vegetarier, aber auch<br />
Bären, welche sich ausschließlich von<br />
der Jagd ernähren.<br />
Jeder Bär ist die meiste Zeit des<br />
Jahres allein unterwegs. Die Paarungszeit<br />
ist im Juni/Juli. Nach sechs<br />
bis neun Monaten Tragzeit bringt das<br />
129
130 NATUR DES JAHRES<br />
Weibchen in der Regel zwei Junge<br />
zur Welt. Während der Winterruhe<br />
liegen die Jungen in den Pfoten der<br />
Bärin. Mit fünf bis sechs Monaten<br />
dürfen die Jungen das erste Mal aus<br />
der Höhle hinaus, werden aber noch<br />
bis ins zweite Lebensjahr geführt, bis<br />
sie vor der nächsten Brunst von der<br />
Mutter fortgejagt werden.<br />
Die Schutzgemeinschaft rechnet<br />
damit, dass der Braunbär auch im<br />
deutschen Alpenraum wieder heimisch<br />
wird. Der letzte soll 1835 bei Ruhpolding<br />
(Bayern) erlegt worden sein.<br />
Heute sind die Tiere mit einer kleinen<br />
Kolonie in der Nähe der bayerischen<br />
Grenze, in Kärnten und der Steiermark<br />
anzutreffen.<br />
In ganz Europa leben noch etwa<br />
6.000 bis 10.000 Braunbären. Die<br />
meisten Bären gibt es in südosteuropäischen<br />
und osteuropäischen Ländern<br />
(an der Spitze Rumänien/Karpaten mit<br />
rund 4.500) sowie in Schweden und<br />
Finnland (zusammen mehr als 1.000).<br />
Die Tiere leben meist in unfruchtbaren,<br />
bewaldeten, bergigen Regionen. Die<br />
Allesfresser erlegen Nagetiere und<br />
Huftiere, ernähren sich aber vorwiegend<br />
von pflanzlicher Nahrung und<br />
bevorzugen dabei Beeren und Früchte.<br />
Zur Winterruhe ziehen sich Braunbären<br />
in Erd- oder Felshöhlen zurück.
� Nachruf Alexander Mack<br />
Ein geschätzter Fachman und<br />
Gesprächspartner, wenn es um Vogelarten ging<br />
Alexander Mack, der bekannte<br />
Lüner Ornithologe, ist nicht mehr<br />
unter uns. Er starb im Alter von 78<br />
Jahren am 20. Januar 2005. Für<br />
alle, die ihn kannten und mit ihm<br />
zusammen waren, ist es ein herber<br />
Verlust.<br />
Aufgewachsen im Donaudelta in<br />
Rumänien entdeckte Alexander Mack<br />
bereits in jungen Jahren seine Liebe zu<br />
<strong>Natur</strong> und Landschaft. Dieser Liebe<br />
ging er auch in seiner neuen Heimat<br />
nach, als es ihn nach dem Krieg mit<br />
seiner Frau nach Lünen verschlug.<br />
Insbesondere der Vogelwelt, daneben<br />
auch anderen Tiergruppen wie<br />
den Insekten aber auch der Astronomie<br />
galt sein Interesse. Als Autodidakt<br />
erwarb er sich in bewundernswerter<br />
Weise eine exzellente Kenntnis nicht<br />
nur der heimischen Vogelfauna. Unternehmungslustig<br />
und wissbegierig<br />
ließ er keine Gelegenheit aus, seine<br />
Lieblinge zu beobachten und zu studieren<br />
– und dies europaweit.<br />
Alexander Mack war weit über die<br />
Lüner Grenzen bekannt. Mit seiner<br />
Alexander Mack (Mitte mit Steinkauz im Arm) beim ersten Treffen der Ornithologischen<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> am 24. Januar 1998.<br />
Foto: Bernd Paulitschke<br />
freundlichen und bescheidenen Art<br />
war er ein überall sehr geschätzter<br />
und anerkannter Fachmann und Gesprächspartner.<br />
Seine Fähigkeit, jede<br />
Vogelart – auch die seltenste – nicht<br />
nur an ihrem Aussehen, sondern auch<br />
NACHRUF<br />
an der Stimme erkennen zu können,<br />
löste vor allem bei Exkursionen immer<br />
wieder Begeisterung aus. Nicht zuletzt<br />
sein ausgeprägter Humor, mit dem er<br />
so manche Veranstaltung zu bereichern<br />
wusste, machte ihn sympathisch<br />
131
132 NACHRUF<br />
und zeugte von seiner Aufgeschlossenheit<br />
auch den Menschen gegenüber.<br />
Nicht nur Mitglieder des Arbeitskreises<br />
für Umwelt und Heimat in<br />
Lünen gingen bei ihm in die Lehre<br />
und wurden so mit der heimischen<br />
Vogelwelt und <strong>Natur</strong> vertraut. Auch<br />
Ornithologen im übrigen <strong>Kreis</strong>gebiet<br />
und über den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> hinaus profitierten<br />
von seinen pädagogischen<br />
Fähigkeiten, über alle Altersgrenzen<br />
hinweg Artenkenntnisse vermitteln<br />
zu können und die Liebe zur <strong>Natur</strong> zu<br />
wecken. So hat er sicherlich viele angehende<br />
Jungornithologen maßgeblich<br />
begeistert und gefördert.<br />
Alexander Mack hat sich in den<br />
vergangenen Jahrzehnten um die<br />
Erforschung der heimischen Vogelwelt<br />
große Verdienste erworben. Vor<br />
allem der Lippeaue schenkte er seine<br />
besondere Aufmerksamkeit. Bei seinen<br />
Touren war ihm sein Drahtesel stets<br />
ein treuer Begleiter. Ein Zeugnis seines<br />
Engagements ist vor allem auch der<br />
Brutvogelatlas des <strong>Kreis</strong>es <strong>Unna</strong>, an<br />
dessen Entstehung er durch Kartierungsarbeit<br />
und Beiträge einen nicht<br />
unerheblichen Anteil hatte. Auch an<br />
allen großen Kartierungsprogrammen<br />
der Westfälischen (WOG) bzw. Nordrhein-WestfälischenOrnithologengesellschaft<br />
(NWO) hat er mitgearbeitet.<br />
Sein Engagement für die <strong>Natur</strong> drückte<br />
sich nicht zuletzt auch in seinen aktiven<br />
Mitgliedschaften im Arbeitskreis<br />
für Umwelt und Heimat Lünen, in der<br />
WOG bzw. NWO, der Ornithologischen<br />
Arbeitsgemeinschaft <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
(OAG) sowie im <strong>Natur</strong>schutzbund<br />
Deutschland (NABU) aus.<br />
Sein lebenslanger Einsatz für die<br />
Umwelt und die heimische Vogelwelt<br />
soll uns allen Vorbild sein. Alle, die ihn<br />
kannten und schätzen gelernt haben,<br />
werden ihm ein ehrendes Gedenken<br />
bewahren.<br />
Verfasst von:<br />
Arbeitskreis für Umwelt und Heimat e,V. Lünen,<br />
Manfred Scholz<br />
Biologische Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, Klaus<br />
Klinger<br />
<strong>Natur</strong>schutzbund Deutschland (NABU) <strong>Kreis</strong>verband<br />
<strong>Unna</strong>, Bernd Margenburg<br />
Ornithologische Arbeitsgemeinschaft <strong>Kreis</strong><br />
<strong>Unna</strong> (OAG), Falko Prünte<br />
Arbeitsgemeinschaft Ornithologie und <strong>Natur</strong>schutz<br />
Schwerte (AGON), Dieter Ackermann
NACHGEDACHT<br />
� Gedichte von Herbert Zucchi<br />
Zu guter Letzt noch Lyrisch-Gedankenvolles<br />
zum (Schwerpunkt-)Thema ...<br />
Die Träume meiner Kinderzeit<br />
Das Bach aus meiner Kinderzeit<br />
trägt viele tiefe Wunden:<br />
das Wasser faul, die Ufer kahl,<br />
Mäander sind verschwunden.<br />
Der Weg aus meiner Kinderzeit<br />
liegt lange schon begraben,<br />
man wollte seine Pfützen nicht,<br />
nicht seine Steinchen haben.<br />
Die Bäume aus meiner Kinderzeit,<br />
sie stehen stumm und sterben.<br />
Wo Landschaft grüne Dächer trug,<br />
wird sie sich braun bald färben.<br />
Die Wiesen aus meiner Kinderzeit<br />
sind längst dem Pflug gewichen.<br />
Kein Kiebitzruf im Frühjahr mehr,<br />
die bunte Flur verblichen.<br />
Die Hoffnung meiner Kinderzeit<br />
ruht tief in meinem Herzen.<br />
Sie macht erträglich vieles mir<br />
und lindert meine Schmerzen.<br />
Die Träume meiner Kinderzeit,<br />
die will ich nie verlieren.<br />
Sie geben mir trotz allem Mut<br />
und mildern oft mein Frieren.<br />
Gutes altes Mütterchen<br />
Is ja schön, gutes altes Mütterchen,<br />
aber gestern ist doch längst vorbei,<br />
schließlich kam der Fortschritt auch zu<br />
Dir<br />
mit der neuen Zeit!<br />
Was sagst Du? Dass der Fortschritt gar<br />
kein Fortschritt ist?<br />
Nu mach aber’n Punkt, altes Mütter-<br />
Foto: Archiv<br />
chen!<br />
Guck ma, hast’ne Waschmaschine, Spülmaschine,<br />
Mixer, Staubsauger und vieles mehr!<br />
Was sagst Du? Zu viel Hektik? Zu viel<br />
Lärm?<br />
Kranke Seelen? 'ne kaputte Welt?<br />
Mütterchen, wo haste das denn her?<br />
Was sagst Du? Wenn sich nichts ändert,<br />
gehen alle drauf?<br />
Na, dann änder mal, Mütterchen!<br />
Was? Ich soll? Nee, ich will leben!<br />
Was? Eben gerad deswegen?<br />
Is ja schön, gutes altes Mütterchen,<br />
grüß ma Opa schön!<br />
Regen und Erde<br />
„Da bin ich!“<br />
sagte der Regen zur Erde.<br />
Doch sie konnte<br />
sein Klopfen nicht hören<br />
unter ihrem Panzer<br />
aus Asphalt und Beton.<br />
„Wo bist Du, Regen?“<br />
rief die Erde<br />
immer wieder,<br />
bevor sie verdorrte.<br />
133
134 NACHGEDACHT<br />
Der Planer<br />
Der Planer plant im wilden Wahn,<br />
er macht zu allem einen Plan.<br />
Er plant und plant für sehr viel Geld,<br />
verplant die ungeplante Welt.<br />
Erst plant er einen Rahmenplan,<br />
dann plant er noch den Rahmen dran.<br />
Er plant die Straßen durch den Wald,<br />
und der Begleitplan folgt alsbald.<br />
Es ist des Planers größtes Glück,<br />
Land zu verplanen Stück für Stück.<br />
Doch eines Tages traf der Planer<br />
auf einen sehr bekannten Mahner.<br />
Der sagte: „Planer, lass Dich mahnen,<br />
schlecht ist’s die Welt so zu verplanen!<br />
Was, lieber Planer, machst Du dann,<br />
wenn man nichts mehr verplanen kann?<br />
Hast Du auch dazu einen Plan<br />
in Deinem wilden Planungswahn?<br />
Da kam dem Planer eine Ahnung<br />
der Endlichkeit von aller Planung.<br />
Jedoch: es gibt ja noch den Mond!<br />
Ob sich auch dort die Planung lohnt?<br />
Mein Bach<br />
In meiner Erinnerung<br />
sehe ich vor mir,<br />
wie er im Sommer<br />
geheimnisvoll glucksend<br />
dahinfloss<br />
durch satte Grüntöne<br />
lebendiger Auen,<br />
erlengesäumt<br />
und am Steilufer<br />
der Eisvogel brütend.<br />
Wo ist mein Bach?<br />
fragte ich Kinder<br />
und erntete nur<br />
einen kurzen Blick,<br />
als sie aufschauten<br />
von ihren Computern.<br />
Und dann – im Jahr 2004 „erweitert<br />
das Nobelkomitee den Friedensbegriff<br />
bewusst auf die Sicherung der Umwelt“...<br />
Der Friedensnobelpreis wird an<br />
die Biologin Wangari Muta Maathai,<br />
die „Mutter der kenianischen Umweltbewegung“,<br />
die „Mutter der Bäume“,<br />
verliehen...<br />
Anmerkung:<br />
Die Gedichte stammen aus der Feder von Herbert<br />
Zucchi, Professor an der FH Osnabrück.<br />
Das Mütterchen aus: Herbert Zucchi, 1984:<br />
Fortschritt schreitet fort vorm Menschen,<br />
Morsak Verlag, Grafenau<br />
alle weiteren Gedichte aus: Herbert Zucchi,<br />
1996: Geerdet im Schatten der Wälder, Morsak<br />
Verlag, Grafenau
Verzeichnis der Autoren<br />
Arbeitsgemeinschaft Ornithologie<br />
und <strong>Natur</strong>schutz, AGON<br />
Schwerte. Anschrift: Am Derkmannsstück<br />
59, 58239 Schwerte, Tel.: 02304<br />
70529.<br />
Arbeitskreise Heimische Orchideen,<br />
Kletterberggürtel 13, 50939<br />
Köln.<br />
Michael Bub ist Pädagoge und<br />
Mitarbeiter der Umweltzentrum<br />
Westfalen GmbH, zuständig für das<br />
Programm der Ökologiestation, Ausstellungen<br />
und die Sommerakademie.<br />
Anschrift: Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen.<br />
Klaus Breyer ist Pfarrer und Umweltbeauftragter<br />
der Evangelischen<br />
Kirche von Westfalen, Vorstand der<br />
Landesarbeitsgemeinschaft Agenda<br />
21 NRW, Arbeitsschwerpunkte:<br />
Umweltethik, Schöpfungstheologie,<br />
Klimaschutz- und Energiepolitik,<br />
Lokale Agenda und Nachhaltige Entwicklung,<br />
Umwelt und Nachhaltigkeitsmanagementsysteme.<br />
Anschrift:<br />
Umweltreferat im Institut für Kirche<br />
und Gesellschaft, Berliner Platz 12,<br />
58638 Iserlohn, Tel. 02371 352-187,<br />
Fax: -169, E-Mail: k.breyer@kircheun<br />
dgesellschaft.de.<br />
Heinz-Wilhelm Büscher ist<br />
<strong>Kreis</strong>geschäftsführer des Westfälisch-<br />
Lippischen Landwirtschaftsverbandes,<br />
<strong>Kreis</strong>verband Ruhr-Lippe. Anschrift:<br />
Marie-Curie-Straße 6, 59423 <strong>Unna</strong>,<br />
Tel. 02303 2531034, Fax: 02303<br />
2531039, E-Mail: heinz-wilhelm.<br />
buescher@wlv.de<br />
Deutsche Gesellschaft für Mykologie<br />
(DGfM), Informations- und<br />
Pressewart Heinz Ebert. Anschrift:<br />
Kierweg 3, 54558 Mückeln (Eifel).<br />
Irmgard Devrient ist Mitglied<br />
im NABU, <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong>, in<br />
dem sie 12 Jahre stellvertretende<br />
Vorsitzende war, und Mitglied in der<br />
Nordrhein-Westfälischen Ornithologen<br />
Gesellschaft. Sie ist tätig im<br />
Leitungsgremium des Landesfachausschuss<br />
Fledermausschutz NRW und<br />
AUTOREN<br />
beringt für das Museum A. Koenig<br />
in Bonn Fledermäuse im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
und in der Stadt Dortmund. Im Landschaftsbeirat<br />
bei der Bezirksregierung<br />
Arnsberg vertritt sie als Stellvertreterin<br />
den NABU-Landesverband. Anschrift:<br />
Lerchenstraße 3, 59439 Holzwickede<br />
Volker Eschrich ist in der VHS-<br />
<strong>Natur</strong>schutz AG Bönen aktiv. Anschrift:<br />
Am Peterskamp 10, 59199<br />
Bönen.<br />
Gesellschaft zur Erhaltung<br />
alter und gefährdeter Haustierrassen<br />
(GEH), Am Eschbornrasen 11,<br />
37213 Witzenhausen.<br />
Corinna Glück ist Redakteurin der<br />
Agentur Mediakom. Anschrift: Friedrich-Ebert-Straße<br />
19, <strong>Unna</strong>.<br />
Hugo Gödde ist Geschäftsführer<br />
von Neuland. Anschrift: Westenhellweg<br />
110, 59192 Bergkamen.<br />
Thomas Griesohn-Pflieger ist<br />
Pressesprecher der Stadt Hattingen,<br />
135
136 AUTOREN<br />
Journalist und Ornithologe. Anschrift:<br />
In der Behrenbeck 18, 45527 Hattingen<br />
Siegrid Herbst ist Diplom Landschaftsplanerin<br />
und koordiniert das<br />
Projekt „Wahlfreiheit ermöglichen<br />
– gentechnikfreie Qualität sicherstellen“.<br />
Anschrift: Arbeitsgemeinschaft<br />
bäuerliche Landwirtschaft, Landesverband<br />
NRW, Bahnhofstr. 31, 59065<br />
Hamm.<br />
Ulrich Häpke ist Dipl. Ingenieur<br />
für Raumplanung und arbeitet im<br />
Regionalmanagement bei der Solidargemeinschaft<br />
zur Förderung der<br />
Stadt-Landbeziehungen im Östlichen<br />
Ruhrgebiet e.V. Anschrift: Westenhellweg<br />
110, 59192 Bergkamen.<br />
Mark Herrmann ist Dipl.-Ing.<br />
der Landschafts- und Freiraumplanung<br />
und war 2004 Referendar beim<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Anschrift: Bezirksregierung<br />
Münster, Domplatz 1-3, 48143<br />
Münster.<br />
Karl-Heinz Holtmann ist in der<br />
VHS-<strong>Natur</strong>schutz AG Bönen aktiv.<br />
Anschrift: Nordbögger Str. 55, 59199<br />
Bönen.<br />
Vera Klein fertigte ihre Diplom-<br />
arbeit zur Spechtfauna des Cappenberger<br />
Waldes – betreut durch die<br />
Biologische Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
– im Rahmen ihres Studiums der<br />
Landschaftsentwicklung an der FH<br />
Osnabrück an. Biologische Station,<br />
Westenhellweg 110, 59192 Bergkamen,<br />
Email bs@biostationunna.de.<br />
Gert Klinger, Dipl. agr., PÖA-Tour.<br />
Anschrift: <strong>Natur</strong>park Uckermärkische<br />
Seen, Zehdenicker Str. 1, 17279 Lychen.<br />
Klaus Klinger ist Leiter der Biologischen<br />
Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Anschrift:<br />
Biologische Station, Westenhellweg<br />
110, 59192 Bergkamen.<br />
Kuratorium „Baum des Jahres“,<br />
c/o Bund deutscher Baumschulen<br />
(BdB) e. V. Anschrift: Kneippstraße<br />
15, 95615 Marktredwitz<br />
Hermann Knüwer ist Dipl-Ing.<br />
und arbeitet beim <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>, FB<br />
<strong>Natur</strong> und Umwelt. Anschrift: <strong>Kreis</strong>verwaltung<br />
<strong>Unna</strong>, Platanenallee 16,<br />
59425 <strong>Unna</strong>.<br />
Götz Heinrich Loos, Dipl.-Geograph<br />
und Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
an der Biologischen Station<br />
Westliches Ruhrgebiet und Doktorand<br />
an der AG Geobotanik der Ruhr-Universität<br />
Bochum; Anschrift: Biologische<br />
Station Westliches Ruhrgebiet<br />
e. V., Ripshorster Str. 306, 46117<br />
Oberhausen.<br />
Birgit Manz ist Dipl.-Ing. für Landespflege<br />
und in der Geschäftsführung<br />
der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft.<br />
Anschrift: Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen<br />
Bernd Margenburg ist Diplom-<br />
Physiker, Vorsitzender des NABU<br />
<strong>Kreis</strong>verbandes <strong>Unna</strong>, stellvertretender<br />
Vorsitzender der <strong>Natur</strong>förderungsgesellschaft<br />
für den <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> und<br />
<strong>Kreis</strong>beauftragter für Orchideenschutz<br />
des Arbeitskreises Heimische Orchideen<br />
Nordrhein-Westfalen für den<br />
<strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong>. Anschrift: Auf der Klause<br />
5, 59192 Bergkamen<br />
Adrian Mork ist Dipl-Ing. für<br />
Raumplanung und ehemaliger Leiter<br />
und Gründer der <strong>Natur</strong>schutzjugend<br />
Schwerte im NABU. Anschrift: An der<br />
Körne 6, 59174 Kamen.<br />
Anna Musinzki ist Raumplanerin<br />
und Mitarbeiterin des Projektes „Wanderreiten“.<br />
Anschrift: Umweltzentrum<br />
Westfalen, Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen
<strong>Natur</strong>schutzbund Deutschland<br />
e.V. (NABU), Herbert-Rabius-Straße<br />
26, 53225 Bonn.<br />
Werner Rottmayer, Dipl.-Ing.,<br />
seit 1959 Jäger und war bis 2002<br />
16 Jahre lang Geschäftsführer der<br />
<strong>Kreis</strong>jägerschaft <strong>Unna</strong> e.V. Anschrift:<br />
Hertinger Str. 117, 59423 <strong>Unna</strong><br />
Horst Schenkel, Arbeitskreissprecher<br />
der Fachgruppe <strong>Natur</strong> &<br />
Heimatkunde - Umweltschutz im NFD<br />
„NATURFREUNDE“ Landesverband<br />
NRW, Landschaftswächter bei der<br />
Stadt Hamm. Anschrift: Hülshoffstraße<br />
17, 59071 Hamm.<br />
Lothar Schneider ist Professor<br />
und Projektleiter am Sekretariat für Zukunftsforschung.<br />
Anschrift: Sekretariat<br />
für Zukunftsforschung, Frankenstr. 36,<br />
50858 Köln.<br />
Schutzgemeinschaft Deutsches<br />
Wild (SDWi), Godesberger<br />
Allee 108-112, 53175 Bonn.<br />
Stiftung <strong>Natur</strong>schutz Hamburg,<br />
Steintorweg 8, 20099 Hamburg.<br />
Studienkreis „Entwicklungsgeschichte<br />
der Arzneipflanzenkunde“<br />
an der Universität Würzburg.<br />
Dr. Ralf Windhaber.<br />
Agnes Teuwen ist Dipl.-Ing. und<br />
Mitarbeiterin beim Umweltzentrum<br />
Westfalen. Anschrift: Umweltzentrum<br />
Westfalen, Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen<br />
Jochen Trebing, Kunstschmiedemeister,<br />
seit 1970 Jäger, z.Zt. Hegeringleiter<br />
des Hegereinges Kamen/<br />
Bergkamen. Wasserkurlerstr. 35,<br />
59174 Kamen.<br />
Josef Tumbrink ist Vorsitzender<br />
des NABU-Landesverband NRW. Anschrift:<br />
NABU-Landesverband NRW,<br />
Merowinger Str. 88, 40225 Düsseldorf.<br />
E-Mail: j.tumbrinck@nabu-nrw.<br />
de, www.nabu-nrw.de.<br />
Verband Deutscher Sportfischer<br />
(VDSF), Siemensstraße 11-13,<br />
63071 Offenbach.<br />
Edeltraut Wagener ist im Rahmen<br />
eines Werkvertrages für die Biologische<br />
Station im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong> tätig.<br />
AUTOREN<br />
Nina Windisch ist Biologin und<br />
Mitarbeiterin des Projektes „Wanderreiten“.<br />
Anschrift: Umweltzentrum<br />
Westfalen, Westenhellweg 110, 59192<br />
Bergkamen.<br />
Reinhard Wohlgemuth ist Mitglied<br />
im NABU, <strong>Kreis</strong>verband <strong>Unna</strong>, in<br />
der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft<br />
sowie in der Nordrhein-Westfälischen<br />
Ornithologen Gesellschaft.<br />
Als Mitarbeiter der „Vogelwarte<br />
Helgoland“ beringt er Turmfalken und<br />
Dohlen und für das Museum A. Koenig<br />
in Bonn Fledermäuse im <strong>Kreis</strong> <strong>Unna</strong><br />
und in der Stadt Dortmund. Anschrift:<br />
Lerchenstraße 3, 59439 Holzwickede<br />
Udo Zelinka, Prof. Dr., ist Ordinarius<br />
für Moraltheologie an der<br />
Katholisch-Theologischen Fakultät der<br />
Ruhr-Universität-Bochum und Vorsitzender<br />
des Kuratoriums der Katholischen<br />
Akademie Schwerte. Anschrift:<br />
Katholische Akademie Schwerte, Bergerhofweg<br />
24, 58239 Schwerte.<br />
Herbert Zucchi ist Professor für<br />
Zoologie und Tierökologie an der<br />
Fachhochschule Osnabrück. Anschrift:<br />
Neuer Graben 29, 49074 Osnabrück.<br />
137