Wer mit Hartmut Hanack in den Wald fährt, mitten in eine der endlosen Nadelholzplantagen im Südwesten Brandenburgs, bekommt eine satte Lektion Waldwissen vermittelt. Hinter einem Zaun wachsen dicht und grün die verschiedensten Bäume, darunter die seltene Elsbeere, dann Buchen, Esskastanien, Lärchen und Eichen. "Die Elsbeere habe ich vor zwei Jahren gepflanzt, und jetzt sieht man: Das wird ein schöner Baum", freut sich der 68-jährige Rentner. In den Bäumen hängen Nistkästen, Vögel singen, am Zaun informieren kleine Schilder über den Wald. Hanack erzählt begeistert, wie er aus dem Kiefernwald, den er einmal gekauft hat, diese grüne Oase gemacht hat.

Hanack ist Waldbesitzer. Aber nicht einer der großen, wie das Adelshaus Thurn und Taxis, die rund 20.000 Hektar ihr Eigen nennen: Ihm gehören gerade einmal elf Hektar Wald. Er gehört damit zur Mehrheit der Waldbesitzenden – die meisten knapp 1,8 Millionen Waldbesitzenden haben weniger als 20 Hektar, der Durchschnitt sind 2,5 Hektar. Wer heute durch einen Wald geht, durchkreuzt manchmal in wenigen Minuten mehrere Eigentumsgrenzen. Und so ein Wald, egal wie klein er ist, kann viel Arbeit machen: Hanack ist mehrmals im Monat am Ort. "Das ist mein Hobby geworden", sagt er.  

Aber so aktiv wie Hanack sind nicht alle, im Gegenteil. "Es gibt wohl mehrere Hunderttausend Waldbesitzer, die ihre Wälder nicht mehr im klassischen Sinn bewirtschaften, sich teilweise gar nicht um ihren Wald kümmern", sagt Ulrich Schraml, Direktor der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. Und das sei keine Kleinigkeit: "Das mangelnde Engagement ist vor allem mit Blick auf die nötige Klimaanpassung ein Problem und hier besonders in den Fichtenbeständen. Das sind tickende Zeitbomben." 

Nichtstun kann folgenreich sein

Denn Nichtstun kann folgenreich sein: Von Borkenkäfern befallene Nadelbäume sollten entfernt werden, bevor die Käfer Nachbarbäume schädigen. "Es gibt zwar eine Notstandsregel mit Abwehranspruch", sagt Schraml. Dann kann der Förster in dem Revier den Baum fällen lassen, auch wenn der Besitzer sich nicht rührt. Doch ob das rechtens ist, müssen erst Behörden entscheiden. Vorher ist der Käfer meist schon im nächsten Baum. Was das heißt, kann Schraml direkt vor seiner Haustür beobachten: "Wir haben im Südschwarzwald besonders große Flächenverluste, wo es kleinparzelliert ist." 

Oder beim Brandschutz: In Brandenburg, dem Bundesland mit den meisten Waldbränden – 2022 waren es über 500 –, ist die Brandschutzvorsorge sehr wichtig. Dazu gehören gepflegte Brandschutzwege und ausreichend Löschwasserbrunnen. "Wir brauchen Löschwasserbrunnen, da muss der Waldbesitzer mitspielen. Aber wenn der nicht bekannt ist, wie wollen wir das organisieren? Wir brauchen in Zukunft auch starke Waldbrandschutzstreifen. Es hilft uns überhaupt nicht, hier erst mal 5.000 Meter Schutzstreifen im Landeswald zu haben, und dann ist er für 200 Meter unterbrochen, weil wir Privatwaldbesitzer nicht dazu bewegen können", sagt Brandenburgs Forstminister Axel Vogel.

Das fehlende Engagement treibt den Grünen schon lange um: "Wenn ich Waldeigentümer von 1,7 Hektar bin und nicht einmal weiß, wo meine Fläche sich befindet, vielleicht noch in Stuttgart lebe, dann ist es eben ausgesprochen schwierig, diesen Waldbesitzer dazu zu bringen, aktiv zu werden." Man habe viele Versuche unternommen, die Besitzenden zu kontaktieren, darunter mit Briefkampagnen. Das Ergebnis: "Wenn wir alle anschreiben, kriegen wir 25 Prozent Retouren, Empfänger unbekannt verzogen oder ähnliches, obwohl im Grundbuch entsprechende Angaben enthalten sind."

In Brandenburg wird die Zahl der Waldbesitzer, die man nicht erreicht, weil man sie nicht einmal kennt, auf zehn Prozent geschätzt – das wären rund 10.000 Besitzer. In Thüringen gehen das zuständige Ministerium und der Waldbesitzerverband davon aus, dass rund 25.000 Hektar nicht bewirtschaftet werden. In Baden-Württemberg spiele das Thema "eine zunehmend größere Rolle", heißt es vom zuständigen Ministerium. Eine aktive Waldbewirtschaftung sei "essenziell", um die Wälder an den Klimawandel anzupassen. Denn Nichtstun führt oft nicht zur Wildnis, von der manche träumen – weil das Wild vor allem im Nadelholzplantagen junge Laubbäume auffrisst.

Nachlässiger Umgang mit Waldeigentum

Die Gründe für den nachlässigen Umgang mit Eigentum sind oft fehlende Zeit, fehlende Lust, zu große Entfernungen. Oder die Parzellen sind zu klein: "In Teilen Baden-Württembergs hat das Erbrecht zu immer kleineren Stücken geführt. Es gibt Flächen, die sind wenige Meter breit, aber hundert Meter lang, das sind Handtuchgrundstücke. Das ist nicht sinnvoll bewirtschaftbar", beschreibt Schraml eine häufige Situation.  

Oft wissen Waldbesitzende auch nicht, was zu tun ist und wo sie Rat bekommen. Fehlendes tradiertes Wissen ist besonders in Ostdeutschland ein Problem: "Mit der sozialistischen Planwirtschaft durften sich Leute nicht mehr um ihren Wald kümmern, da sind Kompetenzen über Jahrzehnte hinweg geradezu ausgerottet worden. Wenn der Opa das nicht mehr zeigt, dann ist es eine Herausforderung für den Enkel, das wieder zu lernen", erklärt Schraml.  

Dabei wollen viele Besitzende laut einer bundesweiten Umfrage durchaus etwas tun – vor allem angesichts des Klimawandels. Aber dazu gehört nicht nur Wissen, sondern auch Geld. Waldbesitzer Hanack hat in seinen Wald in den vergangenen Jahren insgesamt 40.000 Euro investiert, für Zäune, Grubber für die Bodenbearbeitung, Setzlinge. Das Geld hat er zwar zurückbekommen, weil der Waldumbau von Bund und Ländern stark gefördert wird. Aber er musste jede Maßnahme vorfinanzieren. "Das habe ich Stück für Stück gemacht", sagt er. Denn so ein Zaun kostet schnell mehrere Tausend Euro.