Wolfgang ist besorgt, weil Michael zu wenig trinkt. "Ich glaube dir kein Wort, lieber Michi", sagt Wolfgang Metzeler-Kick immer wieder. Er stapft über die Wiese und nimmt seinem Freund die Flasche aus der Hand, hält sie gegen das Licht. Er prüft, ob in Michael Winters Schorle wirklich genug Saft ist. Denn zu wenig Saft hieße zu wenig Kohlenhydrate und zu wenig Kohlenhydrate hieße: ein schnellerer Tod. In der Flasche ist zu wenig Saft. Winter ist 61 Jahre alt, er schaut zu Boden. Zwar würden alle Hungerstreikenden den Tod riskieren, sagt Metzeler-Kick. Aber bis dahin soll noch Zeit sein. 

Damit ist der Hungerstreik sehr gut terminierbar
Wolfgang Metzeler-Kick

Wolfgang Metzeler-Kick, Michael Winter und Richard Cluse sind im Hungerstreik. Sie wollen nicht essen, bis sich der Bundeskanzler in einer Regierungserklärung zu ihren Klimathesen bekennt. Diese besagen: Erstens, dass die Klimakatastrophe die menschliche Zivilisation gefährde. Zweitens, dass der CO₂-Gehalt in der Luft viel zu hoch sei. Drittens, dass die Klimapolitik deshalb jetzt sofort und radikal umsteuern müsse. Seit 45 Tagen betreiben sie ein Protestcamp an der Kronprinzenbrücke, nahe dem Bundeskanzleramt. Metzeler-Kick streike seit dem 7. März, Cluse seit dem 25. März, Winter ist erst vor sechs Tagen dazugekommen. Ihre Kampagne heißt: "Hungern bis ihr ehrlich seid".

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits mitteilen lassen, dass er sich von ihnen nicht erpressen lassen wird: Sein Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte vor zwei Wochen, der Bundeskanzler werde konkrete einzelne Forderungen nicht erfüllen. Auch wenn diese noch so nachdrücklich an ihn herangetragen würden. Die Klimapolitik der Bundesregierung sei auf einem guten Weg, den sie fortsetzen werde.

Nur, in der Vergangenheit war Scholz dann doch auf die Forderung von hungernden Klimaaktivisten eingegangen. Als 2021 Lea Bonasera und Henning Jeschke, damals beide führende Köpfe der Letzten Generation, in den Hungerstreik traten, traf Scholz sich mit ihnen zu einem öffentlichen Gespräch. So wie sie gefordert hatten. Denn 2021 war auch Bundestagswahlkampf. Für die Letzte Generation ein Triumph, der sie bekannter machte. 

Metzeler-Kick weiß das. Er hat sich in einem der Protestzelte auf eine Bierzeltbank gesetzt. Vorher wollte er lieber im Gehen sprechen, das Camp zeigen. Er trägt Outdoorkleidung, mehrere Schichten übereinander. Die Hose ist längst zu groß geworden. Trotz des Hungerns wirkt er agil. "Ich werde den Hungerstreik eskalieren", sagt Metzeler-Kick, der früher als Ingenieur für technischen Umweltschutz und dann in der Palliativpflege gearbeitet hat. Während er spricht, zeigt er Unterlagen aus dem sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats. Alle Forderungen seien wissenschaftlich geprüft, der Bundeskanzler könne sich also dazu bekennen. Es ginge aber nicht darum, möglichst lange auf so ein Statement zu warten. Zwar tränken alle drei noch Wasser und Saft mit Elektrolyten, die drei Dinge könnten sie aber jederzeit weglassen. "Damit ist der Hungerstreik sehr gut terminierbar", sagt Metzeler-Kick. Ohne Flüssigkeitszufuhr droht bei Menschen binnen weniger Tage der Tod.